In meinem letzten Reisebericht, berichtete ich von meiner Tour nach Russland/ Sibirien (Baikalsee). Kaum war ich daheim zog ich zwei Tage später gleich wieder weiter. Aber halt, da fehlt doch noch etwas. Da bald das Naadamfest (ein mongolisches Volksfest) anstehen würde beschloss ich mir noch einen Deel, eine mongolische Trachtenkleidung zuzulegen. Gesagt getan, so zog ich an einem Samstagmorgen mit einer Freundin los zum Schwarzmarkt und stürzte mich rein in das Gedränge. Ich kam mir ja fast vor, wie bei einer Anprobe fürs Hochzeitkleid (zumindest stelle ich mir diese so vor), ständig zubelte jemand an mir rum, gab Kommentare ab und drückte mir einen neuen, schöneren, hässlicheren, größeren, kleineren Deel in die Hand. Juhuu. Da ist er nun endlich, mein Deel.
Ein Deel wird im Übrigen nicht nur zu Festen getragen, sondern besonders auf dem Land hat man dann sogenannte „Alltags- und Arbeitsdeels“. Ziemlich praktisch, wie ich finde. Man wirft ihn über und schwups ist man fertig mit der Kleiderwahl. Deels gibt es wirklich in allen Farben und Materialien.
Los geht also meine Tour aufs Land. Die Familie meiner Freundin Tuya lebt auf dem Land und hat viele Tiere. Da es mich schon die ganze Zeit interessierte, wie es wohl ist, auf dem Land in einer Jurte, mitten in der Pampa zu leben, lud mich meine Freundin, die im Sommer immer bei ihrer Familie ist, ein, sie zu besuchen. Da am 30.6. ein kleines Naadamfest in ihrem Dorf statt fand, plante ich bereits an dem Montag da zu sein. (Das Naadam in der Stadt ist immer vom 11.-13.7.)
Glücklicherweise hatte sich eine ihrer Schwestern (nur mongolisch sprechend) angeboten, die bisher auch noch in UB war, mit mir gemeinsam zu fahren. Die Fahrt dorthin bedeutete nämlich eine einzige Achterbahn; nicht nur der Gefühle! Am 29.6. trafen wir uns morgens um 8 Uhr an der sog. „Dragonstation“. Meiner Meinung nach ist das eine einzige große Mitfahrzentrale, nur leider ohne vorherige Anmeldung. So suchten wir uns also ein Auto, welches an diesem Tag in die Richtung meiner Freundin fahren würde. (ca.700 km) Ein Auto fanden wir auch schnell. Mit voller Euphorie luden wir unser Gepäck ins Auto und hofften, bald losfahren zu können. Man fährt los, wenn das Auto voll ist. Ja voll heißt auch voll und nicht, alle Plätze sind besetzt. Also warten. Und warten. Und warten. Da unser Fahrer uns jede Stunde versprach, dass wir in einer Stunde losfahren würden, konnten wir uns auch nicht weit von unserem Auto wegbegeben. Überall liefen Menschen rum, im Auto war es ekelhaft heiß aber auch draußen war es zu heiß und einfach zu voll (Autos, Menschen, Tiere etc.), dass ich immer wieder hoffte, bald endlich loszufahren. Am Nachmittag gingen wir sogar noch ein Stündchen Karaoke singen, um uns die Langeweile zu vertreiben. Wann fuhren wir los?! Um 22Uhr!! Okay. Das nenn ich mal Rekord. 14 Stunden warten, nichts tun und Ungewissheit haben, an diesem Tag überhaupt noch los zu fahren. Als wir losfuhren waren wir ganze 16 Personen inkl. Gepäck in einem kleinen Minibus, der 12 Sitzplätze aufweist. Juhuu. Das kann ja eine Fahrt werden. In diesem engen, stickigen Bus sollte ich jetzt 12 Stunden verbringen. Kaum vorstellbar, aber wahr!!! Am nächsten Morgen waren wir also endlich in einer kleinen Stadt, in der „Nähe“ des Dorfes meiner Freundin. Dort hieß es erneut, Auto suchen, Auto finden, warten bis Auto voll ist und losfahren. Ja, natürlich. Das dauerte dann auch nochmal bis ca. 17 Uhr Juhuu. Endlich ging es los. Ich freute mich darauf, in ein paar Stunden endlich anzukommen und da war es wieder. Zu früh gefreut. Kaum hatten wir die Stadt verlassen und standen mitten auf einer Piste brach ein Unwetter aus, wie ich es noch nie erlebt hatte. Es entstanden reißende Bäche, wo vorher Trockenheit und Dürre herrschte. Also beschloss unser Fahrer wieder zurück zu fahren und morgen erst weiter zu fahren. Zum Glück änderte er seinen Plan und fuhr uns nach einer längeren Pause dann doch noch bis nach Jargalant. (Natürlich war das Auto wieder ähnlich voll) Diesmal waren es aber nur 5 Stunden. Diese gingen jedoch nur über Pisten in einem klapprigen alten russischen Bus. Juhuu. Am Abend kam ich gegen 0:00 Uhr endlich an. 40 Stunden war ich nun also unterwegs.
Die Strapazen der Reise verflogen jedoch gleich, als mich meine Freundin in die Arme nahm und ihre gesamte Familie sich riesig über meine Ankunft freute. Ich wurde mit einer Herzlichkeit empfangen, wie ich es noch nie erlebt hatte. Das war bezaubernd. Ihre Mutter schaltete dann zufällig den Fernseher an und was war?
Ich konnte sogar noch die letzten Minuten des WM- Spiels Deutschland- Algerien sehen. Was ein Wahnsinn und das mitten in der letzten Pampa in der Mongolei. Cool.
Die nächsten zwei Tage verbrachten wir nun erst mal in ihrem Dorf, wo sie aufgewachsen ist, bevor wir aufs Land zu den Tieren fuhren, da ja das besagte Naadamfest anstand. Leider verpasste ich den ersten Tag (aus oben genannten Strapazen). Aber auch am zweiten Tag konnte ich mir dann richtige Ringkämpfe aus der Nähe ansehen. (Fotos hierzu sind bereits unter dem Beitrag „Der Sommer neigt sich dem Ende zu“, zu finden!)
Wenn ich dann plötzlich in so einem kleinen Dorf stehe, um welches herum einfach nichts ist, die nächste Stadt 5 Autostunden entfernt liegt, komme ich mir ein wenig vor wie in einem Film. So schön war es auch. Ich war schon ganz aufgeregt, endlich aufs Land zu kommen. Also freute ich mich riesig als wir nun endlich starteten. In dieser Zeit war ich mit meiner Freundin und ihrem Bruder alleine auf dem Land, da der Rest ihrer Familie aus den verschiedesten Gründen keine Zeit hatte. Dies bedeutet auf der einen Seite natürlich mehr Arbeit für uns aber andererseits auch Ruhe. Stellt euch mal vor, ich hätte 12 Tage mit einer Großfamilie in einer Jurte leben müssen, ohne Rückzugsmöglichkeit, immer alle auf einem Haufen? Ohje. 😀 So sehr ich das mongolische Leben genossen habe, ich glaube, das wäre dann doch zu viel des Guten gewesen.
In der Zeit auf dem Land lernte ich sehr viel. Über das Melken von Kühen, mongolische Milchprodukte, mongolisches Essen, die Nomadenkultur, Tiere, bis hin zur Verbesserung meiner mongolisch Kenntnisse. Ich habe es sehr genossen in der freien Natur, mit den Tieren zu leben. In dieser Zeit konnte ich wirklich alle Sorgen, Ängste etc. vergessen. Alles um mich herum war wie weggeblasen. Nicht einmal mein mongolisches Handynetz funktionierte.
F R E I H E I T
So fühlte sich die Zeit für mich an. Auch wenn ich mir sicher bin, dass ich unbedingt nochmal wieder kommen möchte und eine noch längere Zeit dort verbringen möchte, finde ich es sehr schwer mir vorzustellen immer so leben zu müssen. Wir hatten Sommer. Es war schön warm. Aber im Winter wird es dort auch mal locker – 40°C.
Damit ihr eine Vorstellung davon bekommt, was ich den ganzen Tag getrieben habe, möchte ich euch einen typischen Tagesablauf, wie ich ihn erlebt habe beschreiben.
6:30 Uhr: Auf geht’s zum Melken. Bei Wind und Wetter wird im Sommer normalerweise mind. zweimal täglich gemolken. Natürlich werden die Kühe per Hand gemolken. Also versuchte ich in den ersten Tagen noch recht hoffnungslos mein Glück beim Melken. Nach einigen Tagen schaffte ich es dann auch endlich. Puhh. das ist wirklich anstrengend und gar nicht so einfach. Einmal fragte meine Freundin mich, warum ich das Melken eigentlich lernen wolle. Naja, so richtig weiß ich es auch nicht. Aber es ist ja doch ein bisschen cool, zu sagen: „Hey, ich kann melken und was kannst du so?“ :DIm Übrigen waren es Yaks und keine „normalen“ Kühe, was das Melken aufgrund der langen Haare erschwerte. 😀
9:00 Uhr: Wasser holen. Ja, natürlich gibt es keine Wasserleitungen. Das Wasser wird an einem, sehr nah gelegenen kleinen Fluss/ Bach geholt, welcher wirklich sauber ist. Die Mongolen achten strengstens darauf, dass man sich nicht im Fluss wäscht oder darin rumspielt, da dieser Fluss Trinkwasser bedeutet. Naja und wir wollen ja auch nicht unser Badewasser zum Trinken nutzen.
9:00 Uhr: Während ich das Wasser holte, bereitete meine Freundin bereits den Milchtee zu und kochte die frisch gemolkene Milch. Danach wurde erst mal lecker gefrühstückt. Jeden Morgen eine heiße Tasse, frische, selbstgemolkene Milch. Dazu Bortsog (mong. Hefegebäck).


10 Uhr: Kuhmist sammeln. Am Anfang noch etwas ungewohnt, am Ende jedoch das natürlichste der Welt. Neben der Jurte stehen die Kühe, Schafe und Ziegen in der Nacht. Am nächsten Morgen, sobald die Herden auf ihre Wiesen losgezogen sind, wird dieser Platz natürlich von dem ganzen Mist gesäubert. Aber nein, der Mist wird nicht nur einfach entfernt, sondern an einer anderen Stelle wieder ausgekippt und zu kleinen, runden „Plätzchen“ zum Trocknen ausgelegt. Sehr viele mongolische Familien heizen ihren Ofen in der Jurte mit Kuhmist. (Sehr nachhaltig!!!) Aufgrund dessen wird jeder Kuhfladen also einzeln geformt und alle paar Tage gewendet, bis er richtig trocken ist und als Brandgut genutzt werden kann. Sobald wir Zeit hatten zogen wir dann auch mit großen Körben über die weiten Wiesen der Tiere und sammelten den bereits trockenen Kuhmist ein, damit auch schon einiges für den Winter gelagert werden kann.

12 Uhr: Zubereitung des Mittagessens und Herstellung verschiedener Milchprodukte. (Z.B. Tarag (Joghurt), Bortsog, Orum, Aruul, mongolischer Wodka, Bislek (Käse) etc… (Sobald ich Zeit finde, werde ich mich dem mongolischen Essen nochmal genauer widmen;))
Am Nachmittag fallen dann eben noch verschiedene Dinge an, sei es zwei Herden Schafe und Ziegen zu trennen, weil sie sich vermischt haben, (Ohh, das ist eine Arbeit…) weil wir nicht gut genug auf unsere Tiere aufgepasst haben. Die Schaf- und Ziegenherde vom Berg runter treiben, weil sie es einfach lieben dort hoch zu laufen, oder auch einfach mal relaxen.
17 Uhr: Erneut Melken und das Abendessen zubereiten.
20 Uhr: Die Herden zurück zum Lager treiben, dass sie die Nacht dort verbringen können.
22Uhr: Den Abend genießen. 😀
Natürlich ist dies nur ein Beispiel, wie ich es erlebt habe. Aber natürlich ist auch nicht jeder Tag, wie jeder andere, schließlich führen sie genauso ein alltägliches Leben, wie wir es auch machen.
Deutlich erkennbar ist die eindeutige Rollenverteilung in diesem Leben. Die Frauen sind vor allem für die Kinder und die Verpflegung der Männer zuständig. Die Männer hüten die Herden und bleiben nachts teilweise wach, um auf die Tiere aufzupassen. Am Anfang wirkte das befremdlich und ich konnte mir kaum verstehen, warum die Frauen sich den ganzen Tag hinter den Herd stellen. Aber meine Freundin erklärte mir, dass sie sich gerne um die Männer kümmert, denn schließlich haben die ein viel härteres Leben als die Frauen, kaum richtiger Schlaf, im Winter sind sie diejenigen, die raus in die Kälte müssen, um sich um die Tiere zu kümmern etc. Dann hätten sie es sich verdient, nicht auch noch selber kochen zu müssen.
Ich könnte Romane über meine Beobachtungen und Erlebnisse auf dem Land schreiben. Also wer mehr erfahren möchte, kann mich natürlich gerne Fragen!
Es war eine großartige Zeit, die ich mit meiner Freundin und ihrem Bruder verbracht habe. Die Herzlichkeit der Familie hat mich vom Hocker gehauen und nun zweifel ich an jeglicher Gastfreundschaft, die angeblich in mir steckt. Da kann ich mir eine große Scheibe abschneide.
An dieser Stelle möchte ich mich wirklich für die tolle Zeit bedanken, meine Liebe :*
Nach 12 Tagen auf dem Land ging es dann auch leider wieder nach Hause. Gerne wäre ich noch länger geblieben, aber diesmal wollte ich das Naadamfest in der Stadt nun wirklich nicht verpassen.
Die eigentlichen Entdeckungsreisen bestehen nicht im Kennenlernen neuer Landstriche, sondern darin,
etwas mit anderen Augen zu sehen.
Marcel Proust (1871-1922)








































































Liebe Kathrin,
dein Bericht hast Du ganz toll geschrieben. Es freut mich sehr, ihn zu lesen. Sehr schön meine Liebe :). Danke für deinen Besuch bei mir. :*
Ich freue mich auf deinen nächsten Besuch bei mir/uns. Hab Dich lieb :*****
Deine Tuya
Liebe Kathrin,
dein Blogeintrag ist so schön! Vor allem, wenn man ihn aus 7000 Kilometer Entfernung liest und sich trotzdem alles genau vorstellen kann! Besonder schön fand ich aber das Zitat am zum Schluss! Ich hoffe, es geht dir gut! Wir müssen uns unbedingt mal wieder treffen! 😉
Ronja, das ist aber lieb von dir :*
Ja, ein Treffen muss auf jeden Fall geplant werden,sobald ich wieder daheim bin!
Bis bald!
Kathrin
Cool
:*