[Katha im Land der Nicas.]

Abenteuer im Land der Seen und Vulkane.

Und dann sind da diese Momente… 11. Oktober 2010

Filed under: Allgemein — strawberryfee @ 05:21

Und dann sind da diese Momente, in denen ich mich glücklich fühle.

Und dann sind da diese Momente, die alle negativen Gedanken vernichten.

Und dann sind da diese Momente, die dich fliegen lassen.

Und dann sind da diese Momente, die du nicht in Worte fassen kannst.

Und dann sind da diese Momente, die so gewaltig und gleichzeitig so unscheinbar sind.

Und dann sind da diese Momente, in denen du anfängst, dein Leben zu schätzen.

Und dann sind da diese Momente, die dich völlig verändern.

Und dann sind da diese Momente…Momente, die man nicht oft im Leben erlebt. Momente, die für dich alles bedeuten, während Andere sie nicht einmal bemerken. Heute, pünktlich zum Ende der dritten Woche Nicaragua, gab es diesen Momente. Es ist Nachmittag. Katharin (so werde ich hier oft genannt) sitzt mit ihren Gasteltern am Tisch. Sie trinken Café und unterhalten sich. Sprechen über den Adoptivsohn der Familie. Sprechen über Religion. Sprechen über die Kommunikation con el Señor (Gott). Sprechen über das Beten. In diesem Rahmen gab es dann „diesen Moment“. ,, Renato betet viel. Betet dafür, dass er besser in der Schule wird. Betet dafür, dass er sich nicht streiten muss. Betet dafür, dass es seiner Familie gut geht. Betet dafür, dass es DIR gut geht.“

Ich bin kein religiöser Mensch. Ich gehe nicht in die Kirche. Ich glaube auch nicht direkt an Gott. Ich habe nur ganz wenig Bezug zu Religion. Doch dann sagt die Mutter deines Gastbruders, dass der 14-jährige für dich betet. Ich verstehe nicht, warum mich dieser Moment so rührte. Warum ich als unreligiöser Mensch nicht die Augen verdrehe oder peinlich berührt lache. Ich weiß nur, dass ich unglaublich gerührt war zu hören, dass es einen gläubigen Menschen gibt, der für mich betet. Dass ich es wert bin, in seinen Gebeten erwähnt zu werden. Dieser eine kleine Satz, dieser kaum erkennbare Moment, hat den ganzen Sonntag über ein angenehmes Glücksgefühl in mir verursacht. Und eines habe ich hier jetzt schon gelernt: Je glücklicher man durch die Welt geht, desto glücklicher sieht die Welt auch aus. War ich in der ersten Woche Nicaragua noch eher unzufrieden und traurig, sah auch alles irgendwie traurig aus. Managua machte einen unschönen Eindruck auf mich. Das Haus meiner Gastfamilie machte einen unschönen Eindruck auf mich. Die Menschen machten einen unschönen Eindruck auf mich. Zwei Wochen später gehe ich durch Managua und denke mir, dass es in ihrer Simplizität wunderschöne Ecken in Managua gibt. Ich denke mir, dass die Menschen durch ihre Freundlichkeit eine wunderschöne Austrahlung habe. Ich erkenne, wie wunderschön das Haus meiner Gastfamilie ist. Ich brauchte zwei Wochen um zu erkennen, wie schön es hier ist. Sah ich anfangs nur den tödlichen Verkehr, die Slums, die Wasser – und Stromausfälle, den Beton, die Insekten, den Stacheldrahtzaun, die hohen Mauern und die Armut, so sehe ich nun die Palmen, die Menschen, das Wasser und den Strom, die Farben, die Fröhlichkeit, die Leichtigkeit des Seins, die Schmetterlinge, die Herausforderung und die Glückseeligkeit. Schönes Nicaragua.Es ist beeindruckend zu realisieren, wie schnell sich die eigene Einstellung zum Leben ändern kann. Und ich bin glücklich, das schon so früh realisieren zu können. Denn eines meiner Ziele war es, durch den Aufenthalt in einem der ärmsten Länder der Welt eine andere Sicht auf das Leben zu bekommen und es mehr zu schätzen. Und es ist tatsächlich passiert.

Doch nun genug von der schweren Kost und zu den Berichten der Woche (04-11.10.). Nach wie vor arbeite ich von halb 8 bis halb 1 im Kindergarten. Ab halb 2 bieten wir Freiwilligen jetzt montags unsere TheaterAg für die 9. und 10. Klasse an. Und es lief ziemlich gut. Ganz nach dem Beispiel des genialen Vorbereitungsseminar haben wir viele Spiele und Aufgaben zur Förderung der Gruppendynamik und des Vertrauens durchgeführt. Auch wenn sich die Schüler hier und da etwas geziert haben – was für 15/16-jährige auch nicht untypisch ist – haben wir es doch schlussendlich geschafft, jeden ein wenig aus der Reserve zu locken. Leider haben wir nur noch 6 Mal die TheaterAG, da es in 3 Wochen schon nach Mexiko zum Zwischenseminar geht, somit einmal die AG ausfällt, und nach unserer Rückkehr nur noch 3 Wochen bis zu den großen Ferien sind. Da wir in dieser Zeit keine große Performance auf die Bühne stellen können, geht die Zielsetzung in Richtung Improvisationstheater und Sketche.

Getreu dem Motto „Mañana, mañana“ fand diese Woche die Hausaufgabenbetreuung immer noch nicht statt. Angeblich geht es die kommende Woche endgültig los…ich bin gespannt. Außerdem hat der Sprachkurs endlich angefangen. Ein einheimischer Spanischlehrer des ColegioAlemán wird sich in 30 Stunden in Privatstunden um unser Spanisch kümmern. Zwei bzw. Drei Mal 100-Minuten Spanisch in der Woche. Das heißt 2-3 Mal in der Woche von 7 bis 5 in der Schule verbringen. Und es ist genial. Denn der Spanischkurs ist genial. Selten habe ich einen so gutmütigen, differenzierten und motivierenden Lehrer getroffen. Ich hoffe auch seine Schüler wissen das zu schätzen. Die meiste Zeit sprechen wir im Untericht…Claro que sí, denn Sprechen ist die beste Methode eine Sprache zu lernen. Ab und zu werfen wir Gramatikübungen ein, von denen wir bald darauf wieder auf die Grenzen zwischen verschiedenen Kulturen zu sprechen kommen. Er betont immer wieder, wie gut man schon ist, wie bewundernd wir hier alle für unseren Mut angesehen werden und wie glücklich alle sind, wenn sie uns kennenlernen. Jedes Mal nach dem Sprachkurs strotze ich nur so vor Selbstbewusstsein. Der schönste Moment war beim Kennenlernen. Immer wieder fragte mich Herr XXX, ob ich schon mal in Spanien gelebt hätte oder dort studiert hätte etc…Ich war schon ziemlich verwirrt, weil ich nicht verstand, wie er darauf kam. Schließlich verriet er es mir: Ich habe einen spanischen Akzent. Also einen Akzent des Spanischen aus Spanien. Was für ein schönes Kompliment.

Ebenfalls haben wir einige einheimische Jugendliche kennengelernt. In Gruppengesprächen sinkt das Selbstbewusstsein dann aber ziemlich schnell, denn wenn die Jugendlichen mit ihrem „S-losen-Spanisch“ untereinander sprechen, kriege ich nichts mehr mit.

Außerdem habe ich diese Woche das erste Mal ein Unwetter direkt erlebt.Man achte auf die Palmen... Ich hab schon oft die heftigen Regenfälle, die typisch für die Regenzeit hier sind, miterlebt, doch ich war noch nie in einem drin gewesen. Von der Bushaltestelle aus muss ich ca. 10 Minuten bis zum Haus meiner Gastfamilie gehen. Gerade als ich den Weg antrat, fing es an zu regnen. Ich glaub ich war noch nie so nass. Die Straßen waren binnen wenigen Sekunden Flüsse. Ich konnte nicht weiter gehen. Also stellte ich mich unter einem Dach unter, als mich plötzlich einige Frauen ansprachen, die in einem Laden nebenan saßen und mich einluden, mich auch reinzusetzen, damit ich völlig im Trockenen sei. Gesagt, getan. Eine wudnerschöne Erfahrung. Wasser, wo keines sein sollte.Die Frauen waren unglaublich neugierig, wollten alles wissen. Angefangen mit der Frage, wie es mir gefällt bis zu der Frage, wie ich es ohne meinen Freund aushalte (irgendwie gehen hier alle automatisch davon aus, dass ich vergeben sei). Sie boten mir an, meine Gastfamilie anzurufen, damit diese sich keine Sorgen mache, klar, dass ich die Nummer nicht dabei hatte. Und als es etwas weniger regnete und ich mich auf wieder auf den Weg machen wollte, gaben sie mir noch eine Plastiktüte für meine Stofftasche mit. Sowas würde einem in Deutschland wohl nicht passieren…aber in Deutschland gibt es auch nicht solche Regenfälle.

Der Regen ist hier ohnehin – ohne Worte. In den letzen Wochen ist eine Lagune in der Nähe um 12m!!!!!!!!! gestiegen. Die Überschwemmungen am Lago Managua sind heftig…war ich vor 3 Wochen noch direkt am Ufer, komm ich heute nicht mal in die Nähe, weil alles abgesperrt ist. Viele Menschen verloren hier auch schon ihr Leben, einfach weil die Menschen, die in den Slums leben, alle nicht schwimmen können und das, obwohl es für sie am wichtigsten ist, um zu überleben. Trotz der Regenzeit schien die letzen 4 Tage durchgehend die Sonne, der Himmel war blau und es war tropisch heiß…Vielleicht erste Anzeichen der kommenden Trockenzeit?!

Außerdem erwähnenswert ist der Mercado Oriental, den wir am Samstag besuchten. Gefühlte Millionen Menschen auf einem Fleck. Enge, dunkle, verwinkelte Gassen. Keine Orientierung. Menschen, die dich berühren und wollen, dass du etwas kaufst. Ein lautes Stimmenwirrwarr. Kleider über Kleider(und was für welche), Essen über Essen, Taschen über Taschen, Tiere über Tiere…man kann es sich nicht vorstellen. Leider ist das Überfallrisiko vor Ort ziemlich hoch, sodass ich mich nicht traute Fotos zu machen und euch leider keine präsentieren kann. Generell ist es irgendwie unmöglich von den Dinge, die ich für euch wirklich interessant finde, die Dinge, die Nicaragua ausmachen und den Unterschied zu Deutschland herstellen, Fotos zu machen. Ich hoffe ich werde mich im Laufe der Zeit diesbezüglich sicherer fühlen.

Freitagabends haben wir ein Gitarrenkonzert eines Franzosen (genial !!!! ) besucht, wo wir ebenfalls eine sehr sympathischen Studentin kennen gelernt haben, mit der wir dann was trinken gegangen sind (by the way: Cocktails kosten hier más o menos 2/3 Euro). Auch Kino ist unglaublich Freitag. An einem Freitagabend haben wir gerade mal als Erwachsene 2,30 Euro umgerechnet bezahlt. Neidisch? 😛

Es passiert viel, ich nehme unglaublich viel wahr und versuche alles aufzusaugen, nur leider geht jetzt schon unglaublich viel verloren, weswegen ich euch auch immer nur Bruchstücke berichten kann. Und für heute ist es auch genug mit den Bruchstücken.

Ich vermisse euch, hoffe es geht euch gut, und freue mich immer auf Input aus Deutschland.

Cuidaos, muchachos y muchachas =)

Auszug aus dem Lied „Nicaragua Nicaraguita“ von Luis Enrique Mejía Godoy:

Ay Nicaragua, Nicaraguita,
la flor mas linda de mi querer,
abonada con la bendita,
Nicaraguita, sangre de Diriangé.

 

 
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