A | Aufstehen– sehr verhasst.Die Lehrer entschuldigen sich am laufenden Band, wenn ich zu einer ersten Stunde eingeteilt werde. Dabei beginnt die doch erst um 08.10, was bei 7 Minuten Schulweg doch ganz entspanntes Aufstehen ermöglicht – aber nach Meinung „der Russen“ doch viel zu früh. |
B | Bankautomaten– anscheinend sehr beliebt.In jedem größeren Shoppingcenter finden sich mindestens 7 im Kreis aufgestellt und noch Weitere über das gesamte Center verteilt. Ist ganz praktisch, da manche aus unerfindlichen Gründen dann doch kein Geld ausspucken. Manchmal liegt es aber auch daran, dass Maren sich den 4 stelligen PIN-Code einfach nicht merken kann (die 11-stellige Handynummer schon, sogar auf Russisch) und diesen dann in 4 Automaten falsch eintippt. Kein Problem, Russen sind tolerant und sperren die Karte anscheinend auch nach dem 5. Versuch nicht. |
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E | Essen – viel zu viel und viel zu lecker.Daheim war ich in einem kleinen russischen Laden und habe mir echt Sorgen gemacht, dass ich hier verhungern werde. Konserven, Undefinierbares und viel zu süßer Naschkram.Das sieht bisher hier aber ganz anders aus. Meine Gastmami kocht großartig und bisher schmeckte wirklich alles! Nur leider kocht sie auch so viel, dass ich nicht umher komme, alles einmal zu probieren.Bliny mit Smetana Aber wir sind auf dem Weg der Besserung – immerhin kann ich mittlerweile mitteilen, dass ich schon gegessen habe. Wenn ich nachhause komme, fragt meine Gastmami nämlich immer „кушала? (Kuschala)“. Und mein Russisch hat sich immerhin so weit entwickelt, dass ich wusste: „Kuscha-irgendwas – das hat was mit Essen zu tun!“. Da ich nicht noch mehr essen wollte, habe ich fein mit нет ablehnen wollen. Irgendwie motivierte das meine Gastmami aber immer, noch irgendetwas auf den Gasherd zu setzen. Die erste Russischstunde brachte dann die Erleuchtung: Kuschala ist die Vergangenheit – also: „Hast du schon gegessen?“… Wenn man übrigens in Kaliningrader Supermärkten durch die Regale schaut, findet man unendlich viele deutsche Produkte. Liegt ja auch nahe. Berlin ist mit 600km Entfernung näher als die russische Hauptstadt Moskau (1200km). Schön wäre das. Alle deutschen Produkte werden über Moskau importiert, „regionale“ Produkte bekommt man fast nur aus Polen oder Litauen. In Kaliningrad selbst wird wenig angebaut, hier liegen riesige Felder brach. Grund dafür ist wohl die EU-Subventionierung der Landwirtschaft, wo sich der Import auch für Kaliningrad billiger gestaltet als der eigene Anbau. |
F | Feiertage– gibt es nicht. Egal ob Sonntag oder Weihnachten, die Läden haben 24/7 geöffnet und das Treiben in der Innenstadt sieht aus, wie an jedem anderen Tag auch. |
G | Gastmami – ist die allerbeste! Meine Gastmami ist die allercoolste, weil sie die besten Bliny der Welt backt,weil sie trotz totaler Entgeisterung alles unternimmt, um für mich vegetarisch zu kochen,weil sie gleich am zweiten Tag einen Wasserkocher gekauft hat, nur weil ich zu doof für den Gasherd war (dank Feuerzeug statt Mini-Streichhölzern klappt auch das jetzt),weil sie nach 12 Stunden Arbeit immer noch gutgelaunt nachhause kommtund weil sie als ausschließlich Russisch-Sprechende meine allergrößte Motivation ist, diese verteufelt schwierige Sprache endlich zu lernen! |
H | High Heels – oder zumindest Ballerinas. Egal ob 60-jährige Babuschka, 20-jährige Mami mit Kinderwagen oder Übergewichtige mit Gehfehler, der Schuh muss stimmen! Und das bei Riesen-Pfützen, bei Schlaglöchern, dass man den Bürgersteig nicht mehr erkennt und bei gewaltigen Fußmärschen, weil man so schneller voran kommt als mit dem Bus. Meine Ansprechpartnerin meinte dazu nur: „Es ist nicht bequem, aber ich bin schön.“ ein ganz normaler Bürgersteig Ich fühle mich manchmal ganz schön fehl am Platz mit meinen Sneakers, aber bei dem Regen, bei den ganzen Fußmärschen…da darf ich dann ein bisschen Europäer sein, denn „ihr (Europäer) kleidet euch bequem, und wir (Russen) schick.“. |
I | Ignoranz – kladusch! Hui, in meiner Schule geht das so wuselig zu. Hier werden Schüler von Klasse 1 bis 11 (das russische Schulsystem kennt nur 11 Klassen, und wir jammern über Turbo-Abi nach der 12, das konnten meine Schüler irgendwie nicht nachvollziehen…) unterrichtet und gerade die kleinen rasen durch das Gebäude – Treppen hoch, auf halber Strecke wieder herunter und dusch, die Tür. Die wird gerade so weit geöffnet, dass man selbst hindurchpasst. Andere Menschen völlig außer Acht gelassen. |
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K | Kontraste – krass. Sowohl im Stadtbild als auch bei den Schülern meiner Schule gibt es riesige Unterschiede.Sitze ich in der ersten Stunde noch neben einem Mädchen, das mit Babuschka und Mama zusammen auf einem Sofa übernachtet, fahre ich nach der Schule mit einer anderen Schülerin zu ihrem Pferd. In einer schwarzen Limousine mit verdunkelten Scheiben, gefahren vom Fahrer des Vaters, während sie auf ihrem Iphone pausenlos Sms tippt.Und auch im Stadtbild – guckt man nach links, sieht man ein wunderschöne Häuschen am Wasser und rechts eine heruntergekommene Megawohnung.
Oder auf den Straßen. Die Damen kleiden sich hier wirklich auffallend schick, und gestern kam mir dann eine sehr hübsche Frau entgegen, stark geschminkt, mit teurem Schmuck und edler Kleidung – sitzend in einem alten, verstaubten und verrosteten weißen Van, der so durch die Schlaglöcher hubbelte. Das hätte ich wirklich fotografieren müssen. |
L | Lochklos – iih! An viel zu vielen Stellen findet man diese schrecklichen Löcher im Boden, die eine Toilette darstellen sollen…Und Toilettenpapier gibt es auch äußerst selten, auf den Löchern ohnehin nicht, aber auch in der Schule oder in manchen Restaurants gibt es nicht einmal Vorrichtungen – also fleißig Eigenes mitschleppen… |
M | Maria-Bildchen– sogar im Taxi. In meinem Zimmer, im Taxi, im Auto meiner Kollegin – überall sehe ich Bilder von Maria. Dabei kommt mir der ganze Laden gar nicht so christlich vor, immerhin wird selbst sonntags ohne Wenn und Aber gearbeitet. Das muss ich noch irgendwann verstehen. |
N | Notizbuch– immer mit dabei. Mein kleines Büchlein ist immer mit on Tour. Sei es um irgendwelche spontanen Termine aufzuschreiben, Handynummern auszutauschen oder nur neue Vokabeln zu lernen.Dabei ist es aber immer wieder spannend, dass ich meist dreifach durchgestrichene Wörter darin finde. Irgendwie meint nämlich fast jeder Russe, den ein oder anderen Rechtschreibfehler verbessern zu müssen, gleichwohl schon zwei andere Korrekturleser vorher schon ihre Meinung kundgetan haben… |
O | Ordnung – ein sehr subjektiver Begriff. Gehe es um die Verkehrsordnung oder um etwaige Bürokratie, der Kaliningrader ist dort flexibel.3,5-spuriges Abbiegen, Parken mitten auf dem Bürgersteig – oder doch lieber mit einem Reifen in der Luft – oder Missachtung von Zebrastreifen (echt gefährlich!) sind hier doch selbstverständlich. Wunderschön fand ich auch den Satz meiner Ansprechpartnerin, die meinte „wir (Russen) haben noch mehr Bürokratie als die EU-Länder. Aber wenn wir das alles befolgen würden, dann wären wir doch Deutsche!“ |
P | Pförtner – wofür? Meine Schule hat, wie die meisten öffentlichen Gebäude einen Pförtner. Pardon, drei Pförtner. Den grüße ich immer ganz freundlich und übe Verabschiedungsformeln, wenn ich die Schule verlasse. Sowas ähnliches gibt es auch in den Supermärkten – Frauen die an den Gängen stehen, und beobachten, ob du etwas mitgehen lässt. Und in der Schule gibt es auch noch Menschen, die die ganze Zeit putzen. Nicht mit Wischmobb und Eimer, sondern mit nassem Handtuch unter Fuß.Manchmal werde ich das Gefühl nicht los, dass es sich hier um eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme handelt.Aber nein! Ich vergaß – unser Pförtner notiert nebenbei noch, wer welchen Schlüssel zu welchem Raum hat. |
Q | |
R | Regenschirm– überlebenswichtiges Utensil. Egal, wie die Sonne scheint, ich glaube, wirklich jeder hier geht nicht ohne Schirm aus dem Haus. Leider fängt es nämlich viel zu oft sintflutartig an, zu regnen.Mein Schirm hat dazu den fiesen Wind nicht so ganz gut vertragen… Mein armer Regenschirm |
S | Schlafsessel – das war ein Schock! Da zeigt meine Gastmami mir mein Zimmer, und ich besitze gar kein Bett!Dafür aber einen dicken braunen Sessel, den ich jeden Abend als Schlafgelegenheit umbauen darf, und jeden Morgen wieder einklappe.Leider habe ich mir das blöde Ding gleich beim zweiten Mal auf den Fuß gestellt, weshalb mein dicker Onkel nun schon seit zwei Wochen in schönem blau schimmert – aua! |
T | Telefonieren – immer und überall! Auch im Unterricht und selbst im Gespräch mit der Direktorin darf das Handy nicht fehlen. Natürlich auch nie auf lautlos, dafür aber nicht immer in erreichbarer Nähe, sodass gerne eine Weile dem Universal-Klingelton(damit auch mindestens 3 weitere Personen zu kramen anfangen) gelauscht werden darf. Sollte man selber mal anrufen, darf man sich übrigens nicht von einem Besetztzeichen-ähnlichen Tuten irritieren lassen, bei manchen Telefongesellschaften ist das das ganz normale Freizeichen. |
U | Unbekannte Anrufer – jeden Tag. Nicht genug damit, dass mir mein lieber russischer Telefonanbieter täglich…ääh..sicherlich sehr interessante Sms sendet (von denen ich genau gar nichts verstehe…), bisher hat mich jeden Tag mindestens eine Person angerufen, die ich gar nicht kannte, die sich aber unbedingt mit mir treffen wollte.Anscheinend reicht hier jeder meine Handynummer weiter, damit die arme, kleine und hilflose Maren sich nicht langweilt und endlich begreift, dass man auch im Starkregen zweistündige Spaziergänge unternehmen kann.Nein, das ist eigentlich ganz süß und würden nicht alle Mädchen Mascha, Dascha, Shenja oder Nastya heißen und alle Jungs Artjom, Sasha (=Alexander) oder Dima heißen, könnte ich die Nummern nach den Treffen auch einspeichern und zuordnen. So gestaltet sich das eher kompliziert („Neuen Kontakt erstellen: Mascha, die gerne reitet und mit der ich Samstag im Zoo war.“) |
V | VKontakte– Russen-Facebook extended. VKontakte ist die russische Version von Facebook. Anscheinend ist jeder meiner Schüler hier, und ich finde keinen (so von wegen Namensproblematik, siehe „unbekannte Anrufer“). Außerdem kann man auf der Seite direkt Musik hören und Filme anschauen. In bester Qualität, und mit den entsprechenden Programmen auch herunterladen.Als ich gefragt habe, ob es da nicht Ärger mit Urheberrecht oder so geben würde, lachte meine Begleitung nur und meinte: „Wir sind hier in Russland!“… |
W | Wasser – eine Wissenschaft für sich. Kann man das Wasser hier trinken? A) Klar, ich trinke das und ich lebe! B) Bloß kein Leitungswasser, aber gefiltertes. C) Gefiltertes abkochen D) Ich kaufe ausschließlich und putze damit sogar Zähne, mit dem anderen habe ich mir schon zwei Zahnfleischentzündungen zugezogen. Bisher lebe ich noch, und das von Variante C. |
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…. die aktuelle Version gibt es hier: https://kulturweit.blog/kaninchendraht/alltags-abc/
Ich bin nur zu unklug, die beiden Seiten zu verbinden, daher einmal dem Link folgen 🙂
Liebe Maren,ich bin begeistert von deinen Berichten ,so kann ich
mir den Alltag besser vorstellen.
Herzliche Grüße Jutta M.
Ganz tolle Idee Maren und mit viel Witz geschrieben. So lernt man gleich ganz viel über deinen Alltag und was dich beschäftigt. Lustig was du jeweils für interessante und passende Anekdoten erzählen kannst! =)
Dein russisches Alphabet finde ich super toll! Ich hoffe, die anderen Buchstaben werden auch bald bearbeitet.
Liebe Grüße böbi