Die drei девушки (Mädchen) sahen sich erstaunt und ein wenig ungläubig um. Nach einem Bahnhof sah das dort, wo sie jetzt waren, wahrhaftig nicht aus. Von fern konnten sie noch die roten Scheinwerfer des Buses erkennen, welche immer kleiner wurden. Die Straße bestand aus zerfurchtem, festgetretenen Staub und die Umgebung war, bis auf die blinkende Reklametafel der Apotheke neben der Haltestelle, dunkel. Sie standen irgendwo am Stadtrand und wussten nicht, wo sie waren und wie sie wieder in die Stadt zurückkommen sollten, hatte sie doch der letzte Bus an genau diesem Fleck ausgetzt und fuhr alleine weiter in den Feierabend.
Dieses Wochenende sind Esther, Eva und ich für ein paar Tage in die Städte Taraz, Schymkent und Turkistan gefahren, um ein wenig mehr vom Land und der Kultur zu sehen. Der obere Text ist eine etwas blumigere Beschreibung dessen, was uns in Schymkent widerfuhr, wie es dazu kam und was danach geschah, erzähle ich jetzt.
Am Freitag Abend machten wir drei Damen vom Grill uns auf, in den noch etwas wärmeren Teil des Landes zu fahren, nahe der usbekischen Grenze (hier in Almaty hatte es in der letzten Woche doch sehr empfindliche Temparaturstürze gegeben). Wir fuhren also mit dem Zug im Schlafwagen nach Taraz, eine kleine Stadt an der ehemaligen Seidenstraße und mit ein paar zu besichtigenden Mausoleen und einer alten Karavinserei (die leider nicht zu besichtigen war). Nach gemütlichen acht Stunden Zugfahrt in einem wohltemperierten und sehr leisen Abteil ueberhitzten Großraumwagen kamen wir morgens um halb acht in Taraz an und machten uns erst einmal auf die Suche nach Frühstück. Nach kurzer Zeit fanden wir auch eine ab 8 Uhr morgens geoeffnete Frühstückspension mit Buffet etwas bessere Kantine oder ein sehr schlichtes Cafe, in welchem es Suppe, Fleisch und weiteres warmes Essen gab. Wir bestellten trotz der Verlockung um acht Uhr morgens Borschtsch zu essen Каша (Kascha), ein Milch-Brei aus wahlweise Grieß, Reis oder anderem Getreide. In dem wirklich kleinen sehr großzügigen Bad, was wirklich ein Glücksgriff war, konnten wir uns alle ein wenig frisch machen und sahen uns die Stadt an. Dabei haben wir unter anderem ein paar Mausoleen angesehen und das Heimatmuseum. Nachmittags gingen wir zusammen in ein georgisches Restaurant. Mega lecker! Wir waren sooo satt, vielen Dank, liebe Dagi, für den Tipp im Reiseführer! Wohl gestärkt wollten wir zuguterletzt noch das Mausoleum der Alscha Bibi (11. bis 12. Jahrhundert) ansehen. Das Mausoleum ist wunderschoen und nicht zuletzt deshalb waren hier Hochzeitsgesellschaften vertreten, um hier die Fotos zu schiessen. Auch die Geschichte von einer unendlichen Liebe passt hervorragend zu einer Hochzeit:
There was just an hour to go for 16-year-old beauty Aisha-bibi to meet with her lover. But a tragedy cut the life of the girl… She had estimated herself worthy to marry the Emir of Taraz, and left her home Otrar with her nurse. At the end of their voyage, the two women stopped at the edge of the Talas River to refresh themselves. It is there that bit by a snake, Aysha lost her life. The Emir, informed at the same time of the mission of the young woman and her fine tragedy, came in haste to collect its last sigh and ordered the construction of this tomb. Today nobody can say what color her eyes were. Nobody remembers her voice, habits, and warmth of her hands. But we know the main thing about her: she loved and was beloved.“ – Kamila Erbol
Nach der Besichtigung dieser wunderschoenen Mausoleen entschieden wir uns spontan, die Nacht nicht in Taraz zu verbringen und fuhren nach Schymkent. Schymkent wird von den Kasachstanern das Texas Kasachstans genannt, was wohl an der Hitze und den Bodenschaetzen liegt (habe ich mir sagen lassen). Schymkent ist keine besonders schoene Stadt, wie ich finde, hat aber ihren eigenen Rhythmus. Die STadt ist laut, bunt und ein wenig hektisch. Unzaehlige Menschen sind unterwegs und es war wahnsinnig warm.
Am naechsten Tag machten wir uns also auf, Turkistan zu erkunden. Dazu fuhren wir in einem Bus fuer unglaubliche 500 TG nach Turkistan. Die Strasse war sehr gut teilweise gut und oft auch Schotterpiste. Turkistan hat ein wunderschoenes UNESCO Weltkulturerbe, das Mausoleum des Hodscha Ahmed Yasawi, welches ein Pilgerort fuer viele Muslime in der Gegend ist. Mehr Infos gibt es auch hier: http://www.swr.de/schaetze-der-welt/mausoleum-des-hodscha-ahmed-yasawi/-/id=5355190/nid=5355190/did=5982830/qpchl/
Die Fahrt zurück nach Schymkent war genauso holprig und lang wie die Hinfahrt nach Turkistan und wir kamen wohlbehalten an. Die einzige Herausforderung war, dass wir noch immer ein Zugticket für die Rückfahrt nach Almaty brauchten und zu später Stunde diese in der Regel nur noch am Bahnhof zu bekommen sind. Also, nichts wie hin zum Bahnhof! Wir fragten eine Mitreisende nach dem Bus zum Bahnhof und da dieser schon nach kurzer Zeit vorgefahren ist, sind wir kurzerhand eingestiegen. Ein fataler Fehler, wie sich später herausstellte. Wir fuhren also munter los und klapperten mit dem Bus die Vororte ab. Das ist nicht weiter verwunderlich, liegt der Bahnhof doch auch recht weit außerhalb der Stadt. Dachten wir. Solange, bis der Busfahrer und klar machte, wir müssten jetzt aussteigen, doch weit und breit war kein Bahnhof zu sehen! Ohje… Esther versuchte noch mit dem Busfahrer zu sprechen, damit er uns wieder mit zurueck in die Stadt nimmt, das war jedoch vergebens, der gute Mann hatte bereits Feierabend und fuhr davon.
Tja, da standen wir nun. Mitten auf einer staubigen Straße, mitten vor dem Bahnhof irgendwo im Nirgendwo und ganz viele kaum Menschen in der Nähe. Wir fragten einen jungen Mann, der gerade mit dem Auto fahren wollte, ob er uns sagen kann wo wir sind und wie wir wieder dort weg kommen. Er meinte nur, er wisse es auch nicht, aber wenn wir 5 Minuten warten würden, würde er uns mit zur Hauptstraße nehmen. (Es ist hier übrigens üblich, bei Fremden mitzufahren. Das nennt man „wildes Taxi“, jeder kann als Taxi fungieren). Also warteten wir und nach ein paar Minuten nahm er uns mit, fragte noch kurz jemanden nach dem Weg und fuhr los. Nur ließ er uns an der Hauptstraße nicht, wie versprochen, raus, sondern fuhr unbeirrt weiter. Nach ca 20 Minuten Autofahrt durch ganz Schymkent fragten wir dann doch nach, er fuhr uns tatsächlich zum Bahnhof! Unser Held! Und als wir dort ankamen, wollte er auch kein Geld nehmen! WOW, ich bin immernoch beeindruckt, wie freundlich das war. Er hat uns auch noch ein Restaurant empfohlen, was wir nach erfolgreichem Erwerb der Bahntickets auch ausprobierten und es war wirklich gut.
Am Montag sahen wir uns dann noch einwenig Schymkent an, dann fuhren wir abends mit dem Nachtzug nach Almaty.
Nun aber endlich! Die Statistik und Bilder! Ich wuensche Euch eine schoene Zeit beim Betrachten 🙂
Eure Julia
Statistik des Ausflugs:
Kamele gesehen: 9
Kamele gestreichelt: 1
Verirrt: 2
Helden getroffen: 1
Seltsame Mitfahrer im Zug: 3
Nette Begleitung: 2
Mausoleen: 5
Von Ladenbesitzern angepampt, weil ich fotografierte: 1
Hochzeitspaare: gefühlte 100, tatsächlich vielleicht 5
Taxifahrer, die uns nachriefen „Dewuschki, Taxi, Taxi!“: 126 (oder so)
Zurueckgesett gefuehlt in die aktive Zeit der Seidenstrasse: 3

Mausoleum des Hodscha Ahmed Yasawi Frontansicht, diese wurde nicht fertig, da der Erbauer zuvor verstarb

In das grosse Bronzebecken Geld zu werfen soll Glueck bringen. Oder so aehnlich. Fotografieren war uebrigend nicht erlaubt, das haben wir aber erst danach erfahren 🙂

Die Fertigstellung des Mausoleus Alscha Bibi dauerte lange – vor allem Aufgrund der aufwendgen Aussengestaltung.

















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