Journey To The East

Quer durch China Part 3: Macau, Baby! Zwischen Kirchen, Tempeln und Spielautomaten

Wer hätte gedacht, dass ich von allen Soft-Sleeper-Kabinen, in die man mich hätte stecken können, gerade die erwischte, in der man deutsch sprach! Zum zweiten Mal auf meinem Trip waren das jedoch keine Deutschen, die sich da beinahe akzentfrei mit mir über ihre China-Abenteuer unterhalten konnten. Für diese Fahrt hatte ich die Ehre mit einem Franzosen und seiner Mutter (deren Mutter wiederum aus Deutschland kam). Die beiden waren auf der „Porzellan-Straße“ unterwegs und besuchten Chinas wichtigste Porzellan-Stätten – nicht jedoch, um ihr Küchengeschirr um ein paar wertvolle, chinesische Einzelstücke aufzustocken. Der junge Mann hatte ein Jahr als Freiwilliger bei einem Töpfer in Japan gearbeitet und kannte sich dementsprechend im Metier aus. Immer wieder spannend, welchen Menschen man so über den Weg läuft!

Ich freute mich jedenfalls schon sehr darauf, in Zhuhai meinen neuen Reisekumpanen über den Weg zu laufen. Es stellte sich heraus, dass meine Freunde dort auch tatsächlich für mich die größte Sehenswürdigkeit darstellten, denn ansonsten entpuppte sich die für chinesische Verhältnisse relativ kleine Küstenstadt im Perlfluss-Delta als schön, aber ziemlich unspektakulär. Immerhin blieb mir beim Entlang-Flanieren an der ausgedehnten Uferpromenade genug Zeit, um mit Sandra, Simon und Flo aus Shenzhen die neusten Reise-Geschichten auszutauschen. Eine hübsche Geschichte barg auch das Wahrzeichen von Zhuhai, an dem wir alsbald vorbeischlenderten. Die Statue des Fischermädchens, die graziös über den schlammigen Wellen des Perlflusses thront, erinnert an eine chinesische Volkssage.

Die Statue des Fischermädchens

Der Legende nach stieg vor vielen Jahren ein Feenmädchen vom Himmel herab, weil es der schönen Landschaft des Perlfluss-Deltas verfallen war. Als einfache Fischerin getarnt webte sie von da an Netze und suchte nach wertvollen Perlen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Bei den Menschen in der Umgebung war sie schnell beliebt, weil sie ihre magischen Kräfte nutze, um Kranke zu heilen. Es dauerte nicht lange, da traf sie auf einen wackeren Fischersmann namens Hai Peng, und die beiden verliebten sich ineinander. Nun kamen dem Fischersmann aber nach einiger Zeit böse Gerüchte um seine Angebetete zu Ohren und er verlangte, dass sie ihm ihr magisches Armband als Zeichen ihrer Zuneigung schenkte.

Zutiefst erschrocken und betrübt erzählte das Mädchen Hai Peng, was es mit diesem Band auf sich hatte. Bevor sie sich zur Erde aufmachte, befahl ihr Vater, der Drachenkönig des Südlichen Ozeans, acht Palast-Dienerinnen, seine Tochter zu bewachen. Jede der Dienerinnen hatte ihr eine Perle gegeben, um sie davor zu schützen, ihre Unsterblichkeit aufzugeben. Wenn sie auch nur eine Perle von ihrem Armband entfernte, würde sie sterben. Der aufgebrachte Hai Peng schenkte der Erzählung keinen Glauben und wollte sie verlassen. In ihrem Dilemma riss das Mädchen das Band von ihrem Arm, um ihre Liebe zu beweisen und fand umgehend den Tod in den Armen ihres Geliebten.

Als Hai Peng begriff, was welche Untat er begangen hatte, trieben ihn Reue und Schmerz beinahe in den Wahnsinn. Glücklicherweise hörte ein mächtiger Weiser von dem tragischen Paar und zeigte sich so gerührt von deren traurigem Schicksal, dass er Hai Peng lehrte, wie er das Mädchen wieder zum Leben erwecken könnte. Hai Peng musste auf eine ferne Insel reisen, um dort das Auferstehungs-Gras zu finden. Dieses nährte er Tag für Tag mit seinem eigenen Blut, bis Jahre später endlich der Tag dämmerte, an dem er endlich seine verstorbene Liebe von den Toten zurückholen konnte und sie damit zu einer wahrhaftigen Sterblichen machte. Am Tag ihrer Hochzeit fand das Mädchen eine besonders große Perle am Ufer und überreichte sie dem Weisen als Zeichen ihrer unendlichen Dankbarkeit. Welchen Schluss ziehen wir daraus? Vertraue den Menschen, die du liebst und lass dich nicht von unbestätigten Gerüchten dazu verleiten, die Beziehung zu diesen Menschen aufs Spiel zu setzen. Es ist eben nicht immer ein Weiser zur Stelle, der für alle Fehltritte eine Lösung kennt! China-Lektion Nr. 154 – gelernt!

Macau bei Nacht

Außer Lebensweisheiten hatte die Promenade bei Nacht noch etwas ganz anderes zu bieten, nämlich eine wunderbare Sicht auf die verheißungsvoll am anderen Ufer leuchtende Skyline von Macau – und damit ein Ausblick auf das, was uns am nächsten Morgen erwartete. Gemeinsam schlenderten wir zum „Portas de Cerco“, dem riesigen Übergangs-Gebäude, durch das man zu Fuß nach Macau laufen konnte. Hier verabschiedeten wir uns schon wieder von Flo und stürzten uns in den Strom von Fußgängern, der der Passkontrolle entgegen strebte. Kurz stieg der Puls, als der Blick des Grenzbeamten kritisch zwischen mir und meinen Ausweispapieren hin- und her wanderte. Schließlich glaubte man mir jedoch, dass das ungemein ästhetische biometrische Passbild auch tatsächlich zu mir gehörte und schon trat ich zum ersten Mal seit Monaten auf nicht-chinesischen Boden. Fast zumindest.

Auf dem Weg zum „Portas de Cerco“

Macau wird als sogenannte Sonderverwaltungszone der Volksrepublik bezeichnet, das heißt, dass die chinesische Regierung zwar für die Verteidigung und Außenpolitik des Gebiets zuständig ist, die Stadt aber dennoch über eine eigene Gesetzgebung, Polizei, Währung, Zoll- und Immigrationspolitik verfügt. Das liegt daran, dass Macau die erste europäische Kolonie im fernen Osten war – und gleichzeitig auch die letzte. Im 16. Jahrhundert siedelten sich dort portugiesische Händler an und wenig später verlieh das chinesische Kaiserreich das Areal an Portugal, sodass sich Macau zu einem wichtigen Handelszentrum zwischen Europa und Ostasien entwickelte. Erst 1999 wurde die Stadt wieder in chinesische Obhut übergeben, allerdings unter der Garantie, dass die Stadt in vielen Bereichen Unabhängigkeit von Festlandchina genießen konnte.

Die Auswirkungen von so viel europäischer Präsenz blieben uns dementsprechend nicht verborgen. Nachdem wir unsere chinesischen Yuan in Macau-Patacas umgetauscht hatten, fiel uns schnell auf, dass man hier mit „Rechts vor Links“ nicht weit kam – nicht, dass sich in Wuhan sonderlich viele Leute darum scheren würden, aber hier galt tatsächlich Linksverkehr. Folglich gestaltete sich das Überqueren der Straßen für uns Neulinge noch lebensgefährlicher als wir es ohnehin schon gewohnt waren. Wenn man so (immer schön zuerst nach rechts schauend) durch ebenjene Straßen spazierte,  schien immer eine leichte Brise Mittelmeer-Feeling zu wehen – was nicht nur mit den unglaublich angenehmen mediterranen Temperaturen zusammenhing.

Lampions und Säulenbauten

Chinesische und westliche, neo-klassische Architekturstile gingen fließend ineinander über und vereinigten sich teilweise sogar innerhalb eines Gebäudes. Das zweifellos imposanteste Beispiel dafür: die St. Pauls Kathedrale beziehungsweise das, was noch von ihr übrig ist. Da diese sich in der Nähe unseres Hotels befand, wollten wir das berühmteste historische Bauwerk der Stadt direkt nach unserer Ankunft inspizieren. Dazu bahnten wir uns zuerst den Weg über den Largo de Senado, einem pulsierenden, von südländisch anmutenden Häusern gesäumten Platz. Über den an Rio de Janeiro erinnernden Wellenmustern auf dem Boden schwebten hunderte bunte Lampions, die das nahende Frühlingsfest deutlicher denn je ankündigten. Mitten zwischen den gelben-weißen Rundbogen-Fassaden lachten uns außerdem die zwölf Tierkreiszeichen von einem extra für das chinesische Neujahr erbauten, monströsen Gestell an.

Die Ruinen von St. Pauls

Irgendwo hinter dieser stimmungsvollen Kombination aus Ost und West ging eine der Gassen schließlich in eine breite Steintreppe über, die zur St. Pauls Kathedrale hinaufführte. Das eigentliche Bauwerk ist leider längst abgebrannt, sodass nur noch die Schauseite wie ein gigantisches Tor zum Himmel (das zweite, das ich auf meiner Reise gesehen habe) erhaben auf dem Hügel prangt. Wer einmal davor gestanden ist, weiß, warum diese Ruine zu den wichtigsten christlichen Denkmälern Asiens zählt –auch wenn die eingearbeiteten Symbole nicht nur von christlicher Herkunft stammen. So umrahmen die zentrale Marienstatue eine siebenköpfige Hydra, ein portugiesisches Handelsschiff und mehrere chinesische Löwen. Zu lateinischen Versen gesellen sich darüber hinaus chinesische Inskriptionen – eine majestätische Fusion von verschiedensten Einflüssen.

Der kleine Na-Tcha-Tempel

Bescheiden im Schatten der Kathedrale stehend fanden wir den kleinen Na-Tcha-Tempel, der einer berühmten chinesischen Legende gewidmet wurde. Auch in der Na-Tcha-Sage wurde mit den Kindern von einem der insgesamt vier Drachenkönige übel mitgespielt. Der Junge Na Tcha tötete beim Spielen im Meer ganz aus Versehen den Sohn des östlichen Drachenkönigs. Darüber nicht gerade erfreut ordnete dieser an, den rücksichtslosen Bengel in Stücke zu schneiden. Na Tchas unsterblicher Lehrmeister rekonstruierte den Körper des Jungen später aus Lotusblättern, in dem Na Tchas Seele fortan weiterleben konnte und stattete ihn mit mächtigen Waffen aus. Später wurde der kleine Drachentöter zu einem legendären Krieger, der sogar meinem Son Wukong aus der Reise nach Westen Konkurrenz machte.

Der Tempel und die Ruine, die sich direkt nebeneinander die Hügelkuppe teilen, zeigten uns auf, wie einträchtig verschiedene Religionen koexistieren können. Während sich einige Touristen vor der Marienstatue verneigten, zündeten andere ein Räucherstäbchen im nur ein paar Meter entfernten Dreifußkessel an – und keiner wurde für seine Art, dem Glauben Ausdruck zu verleihen, argwöhnisch oder missbilligend beäugt. Eine der wohl fortschrittlichsten Eigenheiten der ohnehin fortschrittlichen Metropole.

Eine Gasse in Macau

Diese inspirierende Mixtur begleitete uns stetig auf unseren Ausflügen, die wir übrigens fast durchweg zu Fuß bewältigten. Macau gehört zu den am dichtesten besiedelten Regionen der Welt und nicht nur die Bewohner, sondern auch die Attraktionen der Stadt drängen sich hier regelrecht aufeinander. Als wanderfreudiger Touri muss man deshalb kaum Gebrauch von den öffentlichen Verkehrsmitteln machen. So folgten wir den immer wieder präsenten Wellenmustern im Pflasterstein, schlängelten uns durch enge, verwinkelte Gassen, die sich immer wieder zu kleinen, von Bäumen beschatteten Plätzchen öffneten. Portugiesische Administrationsgebäude, Theater und Kirchen wechselten sich mit unzähligen winzigen Opferschreinen am Straßenrand und kleinen Tempeln ab.

Eine Buddha-Statue auf einem christlichen Friedhof

Sowohl in den christlichen, als auch den buddhistischen Glaubensstätten erlebten wir immer wieder kleine Überraschungen, die man wohl nur in Macau finden konnte. Nachdem ich in Yangshuo bereits einen chinesischen Friedhof besucht hatte, verirrten wir uns hier auf ein christliches Äquivalent. Ähnlich wie in der St. Pauls Ruine tauchten dort wieder komplett verschiedene Symbole auf. In einem Meer aus weißen Grabsteinen wachten Engel und Buddhas gemeinsam friedlich über die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits, wohin auch immer der sie letztendlich führen mochte.

Ein Verkaufstisch für alle Fälle

Andernorts verkaufte ein Straßenhändler direkt vor einer Kirche Merchandising-Artikel beider Glaubensparteien. Da versammelten sich auf demselben Verkaufstisch Kruzifixe, Mao-Büsten, mythische Kreaturen und aus unerfindlichen Gründen fette Messingbuddhas in den unmöglichsten Posen. Sehr schlau, dieses Geschäftskonzept, da konnte man einfach für alle Fälle vorsorgen – obwohl ich mir schwer vorstellen kann, was ein fetter Buddha bringen soll, der sich selbst am Allerwertesten leckt.

Ebenfalls ein bisschen fragwürdig erschienen mir die chinesischen Touristen, die sich wie Jesus mit dramatisch ausgebreiteten Armen vor ein steinernes Kreuz stellten – immerhin nagelten die ihre Hände nicht daran, denn die mussten schließlich noch fürs obligatorische Peace-Zeichen herhalten. Nun ja, der Respekt für die fremde Religion schien wohl doch noch nicht überall entwickelt zu sein. Aber es soll ja auch ein paar Laowais gegeben haben, die vor der Kulisse des wunderschönen A-Ma-Tempels gar epische Kung-Fu-Posen mimten, weil sie sich an ein Setting aus Kung-Fu-Panda erinnert fühlten. Die spinnen doch, diese Touristen!

Der Weg hinauf zum beeindruckenden A-Ma-Tempel

Everybody was Kung Fu fighting!

 

Räucherspiralen

Weit mehr Respekt erwiesen stattdessen viele Chinesen ihren Ahnen, indem sie traditionell vor dem Frühlingsfest Unmengen an Räucherstäbchen entfachten. Deren Duft soll den Vorfahren den Weg zu den ehrfürchtig dargebrachten Opfergaben zeigen – und bei den Rauchschwaden, die beizeiten aus den Tempeln und Opferschreinen stiegen, hätte wohl selbst ein Ahne den Weg gefunden, dem man zu Lebzeiten die Nase abgehackt hatte. Weil Räucherstäbchen zu allem Überfluss gegen die verschiedensten Gebrechen helfen (man bittet nämlich durch sie die Ahnen um Hilfe) und zusätzlich  massenweise Räucherspiralen vor sich hin kokelten, war die Luft in manchen Tempeln wohl dicker als der Smog in Peking. Da hätten wir vielleicht besser gleich noch ein Räucherstäbchen gegen die Raucherlunge entzünden sollen – oder für ein gutes Händchen im Glücksspiel!

Ein Ausschnitt der zentralen Casino-Meile

Trotz dem großen kulturellen Angebot wird Macau nicht zu Unrecht das „Vegas des Ostens“ genannt. Um genau zu sein hat Macau sein Vorbild mittlerweile bereits übertrumpft, was Spieleinnahmen betrifft. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Glücksspiel in Festlandchina und auch Hongkong verboten ist, viele Chinesen aber seit jeher für ihr Leben gerne zocken. Wer also einmal richtig der Spielsucht verfallen will, der reist nach Macau, denn hier wurde das Glückspiel 1874 legalisiert, um die Wirtschaft anzukurbeln. Seit vor einigen Jahren das Glückspielmonopol fiel, schießt ein luxuriöses Casino nach dem anderen aus dem Boden und das Geschäft boomt. Das „Sands Macau“ etwa hat seine enormen Baukosten binnen eines halben Jahres wieder eingefahren und man baut immer größere, ausgefallenere Schuppen,  sodass Las Vegas beinahe zum Macau des Westens verkommt.

Die Fassade des Venetian und sein zukünftiger Manager

In der pompösen Eingangshalle des Venetian

Selbstverständlich wollten auch Simon, Sandra und ich uns das Ganze einmal aus der Nähe ansehen – und wurden beinahe erschlagen von der teilweise beinahe ins Absurde ausufernden Gestaltung der Casinos. Das schwimmende Drachencasino aus dem neuen Bond-Film war übrigens leider nicht dabei. Nach einer zweistündigen Recherche verriet mir Professor Google nämlich, dass das überhaupt nicht existiert. Diese Eventualität sollte ich vielleicht Mal in Betracht ziehen wenn, wenn ich das nächste Mal eine berühmte Film-Location besuchen will – bevor ich irgendwann in einem Wandschrank ende, weil der doch im Kino nach Narnia führte. Trotzdem fand ich schnell einen neuen persönlichen Liebling: das „Venetian Macau“, das seinen amerikanischen älteren Bruder um Längen übertrifft und an der Nutzungsfläche gemessen zu den vier größten Gebäuden der Welt zählt. Um einen riesigen, abgewinkelten Wohnkomplex hatte man hier ein Stück Venedig nachgebaut, faszinierend und befremdlich zugleich für jemanden wie mich, der schon immer nach Venedig wollte. Allein die prächtige Deko im kuppelförmigen Eingangsbereich schien jegliche reale Vorbilder in den Schatten stellen zu wollen und im Inneren hätte man sogar auf einer Gondel Kanäle entlang schippern können unter dem ewigen Sonnenuntergang eines künstlichen Himmels. Leider verwehrte man uns dieses Schmankerl hartnäckig, da man das abgesperrte Areal erst mit 21 betreten durfte. Halb so schlimm, denn das Innere eines Casinos hatten wir zu dem Zeitpunkt schon längst gesehen.

Das Grand Lisboa – so kitschig, dass es fast schon wieder schön ist

Am vorigen Abend hatten wir uns ordentlich in Schale geworfen, um ein möglichst gutes Bild von drei reichen, pokerfreudigen Touristen abzugeben und waren zur nahe gelegenen Casinomeile aufgebrochen. Eines dieser blinkenden LED-Ungetüme wollte ich auf jeden Fall einmal besucht haben, wenn ich schon mal hier war – und das „Grand Lisboa“, Macaus bekannteste Spielbank schlechthin, erschien mir dafür genau richtig. Etwas nervös standen wir bald vor dem komplett goldenen Wolkenkratzer, der ein bisschen wie eine misshandelte Lotusblüte anmutete. Sollten wir da wirklich rein gehen? Selbstverständlich!, fand zumindest ich. Simon und Sandra wollten jedoch lieber draußen warten, während ich mich allein hinein wagte. Also setzte ich einen möglichst schnöseligen Gesichtsausdruck auf, schenkte den Türwächtern mein süffisantestes Lächeln und schon hieß es „Welcome to Grand Lisboa!“.  Endlich einmal Casino-Atmosphäre live erleben!

Casino Royale

Zu diskreter Jazzmusik ratterten im Untergeschoss die einarmigen Banditen,  vor denen sich noch das einfachere Volk tummelte. Im Licht der klimpernden Slot-Automaten freuten sich Touristen über ihre ersten Glücksspielerfolge, anderen konnte man deutlich ansehen, dass sie bereits mehr als nur ihr Urlaubsgeld aufs Spiel gesetzt hatten. Je weiter man sich von hier aus nach oben arbeitete, desto exquisiter wurde die Szenerie. In einem gigantischen Saal reihten sich dutzende Black-Jack-Tische unter kristallenen Kronleuchtern aneinander, uniformierte Angestellte ließen Kartenstapel rauschen, Spielchips klackerten aneinander und Geldscheine wurden über die Theken gereicht. Die Abendkleidung tragenden Kunden schwenkten abschätzend ihre Cocktails, sahen ab und zu gelangweilt zu den Varieté-Tänzerinnen auf der Bühne hinüber oder starrten gebannt in den sich drehenden Roulette-Kreisel. Für einen Neuling wie mich schienen die Hallen mit einer angespannten, beinahe elektrischen Stimmung geladen, die einen förmlich dazu trieb, ebenfalls einen Haufen Spielchips zu erwerben.

Da ich mein Geld auf meiner Reise noch für lohnenswertere Dinge einsetzen wollte, verzichtete ich jedoch darauf, mich dieser Versuchung hinzugeben und verließ das Casino schweren Herzens wieder. Auf dem Vorplatz musste ich prompt feststellen, dass Simon und Sandra verschwunden waren. Ups, da hatte ich mir wohl ein bisschen zu viel Zeit gelassen, die Atmosphäre zu genießen. Oder suchten die mich etwa, weil sie dachten, man hätte mich beim Zählen erwischt? Letztendlich trafen wir uns nach einer längeren, beidseitigen Suchaktion unversehrt im Hotel wieder. Glück gehabt, wenn auch nicht im Spiel!

Bevor wir doch noch in Versuchung kommen konnten, unseren Kulturweit-Zuschuss zu verzocken, machten wir uns auf den Weg, Macaus große Schwester Hongkong zu besuchen. Und auch wenn sich das Vegas des Ostens mit seinem charmanten Mix der Kulturen und dem anregenden Nachtleben gelohnt hatte, unser nächstes Ziel würde noch einiges mehr zu bieten haben.

Macau – links die Kirche, rechts die Versuchung des Glücksspiels

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