Im Februar wird in China das Frühlingsfest gefeiert – und damit brechen auch die von vielen Schülern und Lehrern gleichermaßen heißersehnten Frühlingsferien an. Aber wie sagt man so schön – zuerst die Arbeit(en) und dann das Vergnügen. Bevor man in die wohlverdienten freien Tage entlassen wird, müssen die Schüler noch einen ganzen Haufen von Prüfungen bestehen. Und wenn man in China von einem Haufen spricht, dann ist das meistens ein großer. Etwas beschämt denke ich da an meine eigene Schulzeit zurück, in der ich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen habe, wenn mal mehr als zwei Klausuren pro Woche anstanden. An der Wuhan Middle School werden dagegen zwei Wochen lang fast ununterbrochen Klausuren geschrieben – Tag für Tag, von morgens bis abends, ohne Diskussion. Das ist hart, aber anscheinend nötig, wie ich mir aus diversen Quellen bestätigen lassen habe. „Wir brauchen dieses prüfungsorientierte Schulsystem – es gibt eben einfach zu viele Chinesen und irgendwie muss man ja aussortieren“
Das wird sicher entspannend für mich, dachte ich mir – wenn alle über ihren Tests brüten, bedeutete das wohl kein Unterricht für Mr. Kai. Leider hat sich nur die zweite Hälfte meines Gedankengangs als richtig erwiesen. Unterricht vorbereiten musste ich tatsächlich nicht, stattdessen fragte mich Yang Xi, ob ich die mündlichen Abfragen übernehmen könnte. Mir war durchaus klar, dass das mal wieder ein bisschen an den Vorgaben von Kulturweit kratzen würde. Angesichts der Masse von Korrekturen und anderen Aufgaben, die die Deutsch-Lehrerinnen zu verrichten hatten, willigte ich letztendlich ein. In den nächsten Tagen führte ich also Smalltalk mit 130 Schülern – über ihre Hobbys, ihren Alltag, ihre Pläne für die Zukunft, ihre Familie und was mir sonst noch so einfiel. Für jeden der aufgeregten Prüflinge durfte ich mir fünf Minuten Zeit nehmen und das Ganze dann fachmännisch bewerten.
Nach der dreißigsten Bestätigung, dass Deutsch zwar Spaß macht, aber schwer ist und dass alle im Moment sehr hart arbeiten, wurde das Ganze zwar etwas eintönig, aber dennoch erfuhr ich auch zahlreiche spannende Geschichten von meinen Schülern. Da gab es einige, deren Väter als Piloten und Matrosen arbeiteten und sich jedes Mal darauf freuten, wenn der Papa nach Monaten Abwesenheit heimkehrt. Andere lebten während der Schulzeit im Dormitory und durften jetzt zum Frühlingsfest endlich selbst heimkehren. Weiterhin bekam ich gar lustige Aussagen zu hören wie: „Weil ich so viel zu tun habe, bin ich gerade ganz stressig.“ oder „Entschuldigung, dass ich zittere, Herr Kai, aber ich aufrege mich gerade furchtbar.“ Und mein persönlicher Liebling: „Ich bin sehr klug. Weil ich so viel denke, habe ich schon ein paar weiße Haare.“
Bevor mir vom vielen Ausfragen selbst weiße Haare wuchsen, standen plötzlich die Ferien vor der Tür – ähnlich unerwartet wie die Zwerge vor Bilbo Beutlins Hobbit-Loch. Lange Zeit war nämlich noch nicht ganz klar gewesen, ob ich zwischen oder nach den Prüfungen noch ein paar Stunden halten durfte. Die Schüler und meine chinesischen Freunde würden nun bald zu ihren Familien fahren und für drei Wochen würde die Wuhan Middle School gewissermaßen brach liegen. Da ich ja nicht so ohne Weiteres meine eigene Familie besuchen konnte, musste ich mir einen Alternativplan zurechtlegen – und zwar ziemlich zügig.
Nach dem gewohnten Hin und Her, einigem Abwägen und Skype-Gesprächen hatte ich mir schließlich eine Route abgesteckt. Drei Wochen lang quer durch China, lautete der Plan. Zuerst zu den Zauberbergen um Guilin und Yangshuo, anschließend an die Ostküste auf einen kurzen Abstecher in die Hafenstadt Zhuhai, von dort aus „raus“ aus China ins „Las Vegas des Ostens“ Macau, weiter nach Hongkong über das chinesische Neujahr, zurück ans Festland nach Guangzhou und zum Abschluss ohne genauere Pläne in die südliche Provinz Yunnan. Natur, hochmoderne Mega-Metropolen und wieder Natur. Ob ich mich da nicht ein wenig übernommen hatte? Naja, das würde ich ja bald genug herausfinden.
Jedenfalls reichte mein damaliges Reise-Equipment für so einen Trip definitiv nicht aus. Ein Rucksack und Wanderschuhe mussten her, denn meinen Riesenkoffer konnte ich wohl eher weniger in meinen ausgedienten Sneakers durch halb China schleppen. Das mit den Schuhen gestaltete sich leider etwas schwieriger, als ich mir erhofft hatte. Scheinbar teilten nicht allzu viele Menschen meine Schuhgröße in Wuhan – Hobbitfüße müsste man haben, dann könnte man einfach drauf los laufen, dachte ich mir! Doch am Tag der Abreise stand unverhofft ein Paar nagelneuer Wanderstiefel und ein etwas unheimlich großer, prallgefüllter Rucksack vor meinem Bett. Zum Abschied lud mich Chang E, die Gute, zum reichhaltigsten Hot Pot meines bisherigen China-Jahrs ein, bei dem ich noch einmal ordentlich Kraft für die bevorstehenden Tage sammelte.
Die Aufregung stieg unwillkürlich, als ich mir anschließend meine Ausrüstung für die nächsten paar Wochen auf den Rücken schnallte. Während ich mich auf Hangzhou, Shanghai und Sanya schlichtweg wahnsinnig gefreut hatte, fühlte ich mich dieses Mal doch ein bisschen unsicher. Ich war noch nie so lange Zeit nur mit einem Rucksack unterwegs gewesen. Würde ich das durchhalten? Würde mit den Zugverbindungen und den Hostels alles hinhauen? Hatte ich auch wirklich nur das Wichtigste eingepackt? Gehörte ein Laptop zum Wichtigsten? Tausend Fragen schossen mir durch den Kopf, als ich den Gang des Wohnheims entlang schritt. Seit Tagen lag hier ein recht eigentümlicher Duft in der Luft, weil Tante Tao wohl irgendetwas für das Frühlingsfest vorbereitete – woher der kam, würde ich aber erst später auf meiner Reise herausfinden.
All meine Befürchtungen vergaß ich in dem Moment, als ich meine Reisekumpanen traf und zum Bahnhof aufbrach. Auf ins Vergnügen! Mit Flo und David, einem amerikanischen Studenten, der seit Neustem an unserer Schule Englisch unterrichtet, ging es am Abend des 24. Januars im Hardsleeper nach Guilin. Lustigerweise gestaltete sich meine erste Fahrt in dieser Zugklasse angenehmer als die Nacht im Softsleeper nach Hangzhou. Zwar lagerten sich hier drei Etagen von Stockbetten übereinander und jedes Sechs-Betten-Abteil wurde durch einen offenen Gang mit den anderen verbunden. Allerdings waren wohl nur recht wenige Leute ebenfalls auf die Idee gekommen, nach Guilin zu ziehen, denn letztendlich hatten wir ein ganzes Abteil für uns und nirgendwo eine hyperaktive Super-Mutti in der Nähe, die die ganze Nacht ihr Kind bespaßte.
So kamen wir am nächsten Morgen entspannt in der Stadt an, die übersetzt so viel wie „Duftblütenwald“ bedeutet. Von Duftblüten sahen wir allerdings bei unserer Ankunft nicht sonderlich viel, denn die namensgebenden Osmanthus-Bäume, die hier überall wuchsen, trieben gerade erst ihre Knospen aus. Wenn man aber erst einmal am Bahnhof die Schwärme von nervtötenden, semiprofessionellen Reiseanbietern abgewimmelt hat, bietet die Stadt durchaus selbst ohne Duftblüten ein einigermaßen beeindruckendes Bild. Vor Urzeiten war das gesamte Areal nämlich von einem Ozean überflutet, aus dessen abgelagerten Sedimenten durch Abtragung heutzutage beeindruckende Karstberge gewachsen sind. Diese meist sehr steil abfallenden, bewachsenen Gesteinsformationen prägen das Bild der Stadt Guilin, da sie sich wie gigantische Wächter an einigen Stellen mitten aus dem Häusermeer erheben und der Siedlungsgebiet ein recht grünes Gesamtbild verleihen.
Als erstes Ziel unseres zweitägigen Aufenthalts hatten wir uns hier eine der ältesten Attraktionen überhaupt ausgesucht – den weitläufigen Seven-Stars-Park, der seine Tore bereits seit der Sui-Dynastie für Touristen öffnet. Am Eingang traf man bereits die ersten Vorbereitungen für das nahende Frühlingsfest, indem man die Bäume mit knallroten Lampions schmückte. Mein persönliches Highlight dort fand ich in den wildlebenden, rotgesichtigen Affen, die den Park unsicher machten und sich wahrscheinlich prächtig über die zahlreichen Besucher amüsierten, die versuchten, das beste Affenfoto zu schießen. Viel leichter vor die Linse bekam man stattdessen das „Kamel“, eine von den unzähligen Steinformationen der Region Guangxi, die scheinbar an irgendein Wesen erinnern sollen. Meist ist dafür eine gehörige Portion Fantasie von Nöten, doch der Camel Rock machte es auch den weniger kreativen Beobachtern ausgesprochen einfach. Weiterhin spazierten wir durch einen Figurenwald voller unglaublich missratener Nachbildungen von verschiedenen Zeichentrickfiguren aus Stoff und Drahtbögen. Ein Glück habe ich die in einem Alter gesehen, wo mir verkrüppelte Versionen meiner Kindheits-Helden keine Alpträume mehr bescheren. Viel kunstvoller wirkten hingegen die (vermutlich) höchst poetischen Inschriften in einer kleinen Höhle, die der Fluss in den Berg gegraben hatte. Tausende Schriftzeichen bedeckten die steil abfallenden Wände, versteinerte Gedanken von Soldaten, die dort irgendwann einmal bei einer Belagerung zu viel Zeit gehabt hatten.
Auch der darauf folgende Ausflug führte uns in eine Höhle, die „Reed Flute Cave“, in der wir zum „Spelunking“ abtauchen wollten. Diese hübsche Vokabel hat mir David beigebracht und bezeichnet – wer hätte es gedacht – das Erkunden von unterirdischen Gängen und Höhlen. Wirklich gerecht wurden wir dieser Definition allerdings nicht, denn letzen Endes trabten wir die ganze Zeit im Stechschritt einer chinesischen Touristenführerin hinterher, die zu jedem Steinhäufchen einiges zu erzählen wusste. Überwältigend war das Ganze aber trotzdem. Es wäre ja auch zu langweilig, einfach mit der Taschenlampe die verschiedenen interessanten Gebilde anzuleuchten. Stattdessen hatte man überall geschickt LED-Bänder und Strahler installiert, die die Stalagmiten und Stalagtiten in allen Farben ausleuchteten. So fühlte man sich ein bisschen, wie als würde man durch Alice’s Wunderland wandern, während im Sekundentakt die Blitze von Fotoapparaten im Dunkel aufzucken.
Zu jeder imposanten Auftürmung von Kalkstein gab es zur zusätzlichen Erheiterung noch anregende Geschichtchen und Betitelungen zu verkünden, so dass man an Schneemännern, prähistorischen Wäldern und einem „Tausendfüßler, der vor einem magischen Spiegel zurückschreckt“ vorüberging. Der Höhepunkt der Expedition folgte schließlich, als der Gang in einen riesigen natürlichen Saal mündete, wieder komplett ausgestattet mit dem poetischen Titel „Crystal Palace of the Dragon King“. Während man dort heute die Lichtreflexionen auf der spiegelglatten Oberfläche eines wahrscheinlich weniger natürlichen Sees bewundern kann, diente die Halle früher als Kriegsbunker diente.
Zu guter Letzt entdeckten wir die unfreiwilligen Bewohner des Höhlenkomplexes. In einem etwas abgetrennten Bereich befanden sich ein paar kleine Steinbecken, in denen Schnappschildkröten und sogar einer majestätischen Karett-Schildröte missgelaunt hin- und herschwammen. Die hatte es allerdings immer noch besser getroffen als zwei ihrer Verwandten, welche sich als lebendiger Verkaufstisch keinen Zentimeter rühren durften und gefälschte Jade-Anhänger auf ihrem Panzer trugen. Was sich wohl die schlauen Köpfe gedacht hatten, die die touristische Erschließung der Reed Flute Cave geplant hatten? Wohl frei nach dem Motto: „Faszinierende Tropfsteine sind definitiv zu öde, lasst uns Schildkröten ins ewige Dunkel werfen, damit sich da unten wenigstens irgendwas bewegt “. Aus Mitleid für die armen Kreaturen sah ich jedenfalls trotz wärmster Erinnerung an die goldene Woche in Wuhan davon ab, ihre Schädel mit Münzen einzuschlagen (ich hätte sie ja gerne gerettet, Marie, aber leider haben die Armen nicht ganz ins Handgepäck gepasst!).
Bevor wir unsere Reise fortsetzen, erfuhr ich noch vom ähnlich unglücklichen Schicksal einer ganz anderen Tierart. In einer der hübsch angelegten Snack-Streets der Stadt sahen wir dabei zu, wie eine Frau vor einem Laden Seide herstellte. Dazu muss man die Seidenraupen-Kokons erst einmal auskochen, sodass sich das sterbende Insekt von seinen Spinnfäden löst. Anschließend trennt man den feinen Stoff und die toten Körper voneinander. Und einen dieser bräunlichen, glitschigen Leichname hielt mir die Seidenspinnerin auf einmal vor meine neugierige Nase. Was sollte ich den jetzt damit? Grinsend nahm die nette Dame eine der Raupen und biss einmal herzhaft hinein. Wäre ja auch wenig nachhaltig gewesen, die armen Tierchen einfach wegzuwerfen. Um zu verhindern, dass die Gute mich am Ende noch eine davon höchstpersönlich in den Mund steckte, nahm ich also dankend ein paar davon entgegen und legte sie mir auf die Zunge. Recht mehlig, das Ganze, mit einem an Shrimps erinnernden Chitin-Panzer leicht nussig im Abgang. Naja, aber wie uns Timon und Pumbaa so schön lehrten: Schleimig, aber vitaminreich! Und immerhin kostenlos!
Wie die Ameisen schmeckten, die in den Spezialitäten-Läden feilgeboten wurden, wollte ich anschließend allerdings nicht mehr austesten. Die gab es aber auch nur in viel zu großen Packungen und mein Hunger nach Insekten war fürs Erste gestillt. Flo meinte jedoch, dass man die zum Würzen von Suppen benutzen konnte und sie dem Essen aufgrund der enthaltenen Säure eine leichte Schärfe verliehen.
Früh am Morgen unseres dritten Tages stiegen wir in einen Touri-Bus, der uns nach Yangshuo bringen sollte. Unser Reiseführer stellte sich mit dem einprägsamen Namen „KFC“ vor, mit der schlagfertigen Begründung, das seine Lieblings-Fastfood-Kette überall den gleichen Qualitäts-Standard bietet. Das konnte ja nur gut werden. Wir düsten nämlich nicht nur geradewegs zum nächsten Bestimmungsort, sondern hielten auf halben Weg in einem Dorf am Li-Fluss an, der von Guilin nach Yangshuo fließt. Hier stiegen wir an jeweils zu viert auf ein Boot, das aus ein paar langen, hohlen Plastikrohren und einem kleinen Sonnenschutz zusammengebaut war. Nachdem wir vom Ufer abgelegt hatten, bot sich uns zum ersten Mal die Gelegenheit, die überwältigende Landschaft der Region Guangxi zu bewundern.
Während wir sanft auf dem Fluss entlang glitten, türmten in unmittelbarer Nähe des Wasserlaufs gewaltige Felswände auf, von denen Wasserfälle stürzten und vor denen sich Bambuswälder im Wind wiegten. Durch den morgendlichen Dunst erhoben sich die weiter entfernten Hügel als mächtige, scharf umrissene Silhouetten in verschiedenen zarten Grautönen und man meinte fast, direkt auf ein chinesisches Tuschegemälde zuzufahren. Als die Sonne ihre Strahlen durch den Dunst sandte, fiel es nicht schwer, in den steinernen Türmen, Bögen, Kuppen und Graten irgendwelche Figuren zu erkennen, auf die uns KFC zuvor hingewiesen hatte und die Bezeichnung „Zauberberge“ erklärte sich ganz von selbst. Wie unser Guide so schön gesagt hatte: „20 Prozent der Schönheit der Berge erschließen sich durch das simple Beglotzen, für weitere 10 Prozent ist der Touristenführer zuständig und die restlichen 70 Prozent entspringen der Fantasie des Beobachters.“ Ein Mann, der sich zu einem Mädchen hinunter beugt, ein Haufen Pferde und das Motiv des 20-Yuan-Scheins hatten wir gesehen, als wir wieder zurück zum Bus kehrten und unsere Reise fortsetzten. Wenn es so weitergeht, werde ich bis zum Ende meines Aufenthalts alle Geldscheine abgearbeitet haben!
Als geübter Reiseführer hatte uns KFC überzeugt, dass wir unbedingt noch einen zusätzlichen Stopp in einem Dorf einlegen und einen gesalzenen Touri-Preis dafür bezahlen müssen. Anscheinend herrscht dort die Tradition, dass junge Mädchen eine besondere Kleidung tragen, einen Seidenball anfertigen und in die Luft werfen. Der glückliche Freier, der diesen Ball fängt, muss eine Nacht im Dorf verbringen darf das Mädchen heiraten. Mit der Erwartung, von einem Seidenball-Regen willkommen geheißen zu werden, stiegen wir aus dem Bus – und erfuhren wenig später, dass das nur am Frühlingsfest der Fall war. Reingelegt!
Wenigstens erfuhren wir ein paar weitere interessante Details der chinesischen Kultur, die mir bisher noch nie aufgefallen waren, weil sie in der Stadt nicht mehr so häufig ausgelebt werden. An den Hauseingängen hier sind üblicherweise auf den Türflügeln die Abbildungen von zwei schützenden göttlichen Kriegern und ein Spiegel direkt über dem Eingang angebracht. Etwa, damit geladene Gäste vor dem Betreten noch einmal checken können, ob das Make Up auch sitzt? So ähnlich. Dämonen, die das Haus heimsuchen wollen, müssen in China scheinbar immer den Haupteingang nehmen. Und sobald sie sich im Spiegel erblicken, erschrecken sie derart über ihre eigene hässliche Fratze, dass sie lieber auf der Schwelle kehrt machen.
Anschließend durften wir in der Nachmittags-Sonne eine kleine Bambus-Floßfahrt antreten, diesmal auch tatsächlich auf einem Boot, das nur Platz für zwei Personen bot und ausschließlich aus ein paar Bambusstangen angefertigt war. Während unser Steuermann sachte immer wieder einen langen Bambusstab auf den Flussgrund stieß, sahen wir einem Fischer zu, der einige effiziente Gehilfen ausgebildet hatte: drei Kormorane halfen ihm gekonnt bei seiner Arbeit. Nur noch wenige nehmen die Bürde auf sich, jahrelang einen der großen, schwarzen Vögel zu trainieren, doch angesichts der Tatsache, dass Kormorane täglich bis zu fünfzig Kilogramm Fisch fangen können, lohnt sich die Mühe am Ende vermutlich.
Einen weiteren Gehilfen der lokalen Bevölkerung lernten wir auf einer kleinen Insel imFluss kennen. Dort grasten ein paar Wasserbüffel vor sich hin, die normalerweise bei der Feldarbeit mit anpacken. Den Exemplaren auf der Insel wurde jedoch die höchst ehrenvolle Aufgabe zuteil, Touristen auf dem Rücken herumzutragen. Als ich es ebenfalls geschafft hatte, auf einen der Hufträger zu klettern, begriff ich recht schnell, warum kein mir bekanntes Volk der Welt Kühe als Reittiere nutzte. Auch wenn mir nicht gerade ein Rodeo-Ritt beschert wurde, schwankte man obenauf wie ein Betrunkener und konnte nicht wirklich bestimmen, in welche Richtung der Gute denn jetzt gehen sollte. Wäre da nicht der chinesische Aufpasser gewesen, hätte ich meine Reise vermutlich auf einem Wasserbüffel fortsetzen müssen. Halb so schlimm, denn man konnte einfach nicht anders, als die gemütlichen Riesen mit den langen, geschwungenen Hörnern und den treuherzigen dunklen Augen ins Herz zu schließen.
Wieder auf dem sicheren Bambusboot tuckerten wir flussabwärts unter der Drachenbrücke hindurch, die zwar als einfach Steinkonstruktion nicht die entfernteste Ähnlichkeit zu einem Drachen teilte, dafür jedoch wahrscheinlich älter war, als die meisten chinesischen Tempel, die alle paar Jahre rundum erneuert zu werden scheinen. Während wir uns von der Nachmittagssonne bescheinen ließen, posierten auf vorbeigleitenden Flößen fleißig Brautpaare, die erfahrungsgemäß an schönen Tagen vor jedem halbwegs malerischen Panorama auftauchen, um ihre besiegelte Liebe auf wahnsinnig teuren Bildern festzuhalten. Für das obligatorische Stromschnellen-Foto wollte allerdings keiner der jungen Liebenden posieren – da wäre ja auch das wunderbar stimmig giftgrün-pinke Brautkleid (passend zum Kermit-der-Frosch-Anzug) gar nicht richtig zur Geltung gekommen.
Anstatt uns danach noch Zeit zu geben, das Dorf zu erkunden, lotste uns KFC schließlich direkt zum Bus nach Yangshuo zurück. So hatte sich sein Name irgendwie bestätigt. Chinesische Touri-Ausflüge schienen wohl einiges mit Fastfood gemein zu haben – zwar recht gut, aber überteuert und nicht gerade sättigend. In Yangshuo angelangt würde sich uns allerdings noch ausreichend Gelegenheit bieten, unseren Erkundungshunger zu stillen.






















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