Reisefieber

Hallo liebe Freunde, Verwandte und zufällig Vorbeigekommene,

schön, dass ihr euch die Zeit genommen habt, den ersten Eintrag in meinem Kulturweit-Blog zu lesen. Um das zu würdigen, werde ich euch auch gar nicht allzu lange mit öden Fakten langweilen. Hier aber dennoch einige Details vorab für diejenigen, mit denen ich noch keine ausschweifenden Diskussionen über das mit Spannung erwartete Jahr nach dem Abitur führen konnte:

Mein Name ist Kai, ich bin 19 Jahre alt und gerade dabei, aus den traumhaften Tagen zu erwachen, die sich an die Ausgabe des letzten Schulzeugnisses anschlossen. Dafür ist es auch höchste Zeit, denn in genau zwei Wochen, das heißt am ersten September, werde ich das wohlbehütete Hohenlohe für ein ganzes Jahr hinter mir lassen und in den Flieger nach Wuhan steigen. Wuhan, das ist eine Stadt mitten in China und mit ihren 8,3 Millionen Einwohnern so ziemlich das komplette Gegenteil von meinem Heimatort Rot am See, den gerade einmal fünftausend Menschen ihr Zuhause nennen (demnach würde die Bevölkerung von Rot am See schlappe 1660 Mal in Wuhan passen). In jeder Hinsicht also Kulturschock pur für ein Landei wie mich. Was sollte es dort für mich geben?, werden sich vielleicht manche fragen.

Primär wird es dort die „Middle School Attached to Wuhan University“ für mich geben. An dieser darf ich den Schülern Deutsch beibringen, deutsche Kultur vermitteln und andere lustige und meist, naja, deutsche Dinge unternehmen, von denen ich noch vor Ort erfahren werde. Ermöglicht wurde mir das Ganze übrigens durch eine Bewerbung bei Kulturweit, bei der ich trotz zahlloser anderer brennend interessanter Einsatzländer recht unmissverständlich angedeutet habe, dass ich gerne am Ende in China landen würde. „Du wagst dich also freiwillig zur gelben Gefahr?“, bekam ich daraufhin von einigen zu hören, teilweise mit besorgtem, teilweise mit verständnislosem Unterton. Und ja – auch wenn die Aufregung vor der Abreise langsam immer größer wird, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich das will. Denn ich will endlich mit eigenen Augen sehen, was meine liebe Chinesischlehrerin schon seit Jahren über das Reich der Mitte erzählt. Ich will all die kulinarischen Köstlichkeiten probieren, die so gar nichts mit dem zu tun haben, was in unseren deutschen Chinarestaurants geboten wird (wer mich kennt, weiß warum das ganz oben in meiner Liste steht). Ich will neue Denkweisen erfahren und viele spannende Bekanntschaften machen, ein Land zwischen Aufschwung und jahrtausendealter Tradition entdecken, eine faszinierende Sprache studieren, auf eigenen Beinen stehen, durch das Land reisen, ein unvergessliches Jahr erleben! Zwei Worte haben mir ein paar gute Freunde in meiner Abizeitung auf den Weg gegeben: MUT und VERTRAUEN. Nun liegt es bald an mir, Mut zu beweisen und Vertrauen zu lernen!

Um von diesem sentimentalen und überdramatisierten Ausbruch abzulenken (gewöhnt euch besser schon mal dran, das wird garantiert nicht der einzige bleiben), erkläre ich besser an der Stelle, warum ich mich zu der vielleicht etwas irreführenden Betitelung meines Blogs hinreißen ließ. Dummerweise fand ich erst nach dessen Taufe heraus, dass er sich seinen Namen mit der englischen Benennung von Hermann Hesses Erzählung „Die Morgenlandfahrt“ teilt. Auf ein Buch soll „Journey to the East“ dennoch anspielen, allerdings auf ein vollkommen anderes. Bei dem Titel zu meinem Blog handelt es sich eigentlich um ein kleines Wortspiel mit dem Namen von einem der vier berühmtesten chinesischen Romane.

Das Werk, von dem ich spreche, heißt „Journey to the West“ oder etwas deutscher „Die Reise nach dem Westen“, und jeder, der glaubt, China zu kennen, sollte es mal gelesen haben (wozu ich mich nicht zählen darf, aber glücklicherweise gibt es ja Wikipedia). In der ebenso komischen wie fantastischen Geschichte begibt sich der Mönch Guanyin auf eine lange Reise und wird dabei begleitet von seinen himmlischen Helfern Sun Wukong (dem Affenkönig, dessen etwas freizügige Interpretation auch vielen weniger Belesenen als Son Goku bekannt ist), Zhu Bajie (einem Schwein-Mensch-Hybrid) und Sha Wujing (einem Wasserdämon). Gemeinsam wollen die vier nach Indien, um die buddhistischen Schriften nach China zu bringen. Und da ich ja sozusagen die deutsche Kultur nach China bringen darf (allerdings ohne diese verrückten Viecher im Schlepptau, sondern zusammen mit 21 netten Mitfreiwilligen), dachte ich, passt diese Hommage an die klassische chinesische Literatur ganz gut.

Um weiterhin kurz auf den Untertitel einzugehen: in China bezeichnet man die werten Ausländer neben dem etwas gängigeren Wort “Laowai” als Langnasen („Da Bizi“). Naja, und wer mich schon mal gesehen hat, der weiß, dass ich nicht eben nach China gehe, um dieses Klischee zu widerlegen.

Das waren wohl doch ein paar Details mehr, als ich ursprünglich anberaumt hatte (ich glaube, auch daran solltet ihr euch lieber gewöhnen). Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn sich  mancher dazu hinreißen lässt, hin und wieder mein Geschwafel zu lesen! Behaltet dennoch dabei im Hinterkopf, dass es sich hier um rein subjektive Erfahrungen und Eindrücke handeln wird, die man nicht auf ein ganzes Land beziehen kann, vor allem nicht auf eines, das fast so groß ist wie ganz Europa zusammengenommen. Um meiner Aufgabe als Freiwilliger auch im umgekehrten Sinne nachzukommen, werde ich außerdem ein wenig chinesische Kultur, Eigenheiten und Traditionen an den Westen vermitteln und diese hoffentlich wohlportioniert in meinen Blog einfließen lassen. Bitte behandelt jedoch diese Aussagen genauso mit Bedacht und verwechselt mich nicht mit einem abgeklärten China-Experten, denn ein solcher werde ich vermutlich selbst in zwölf Monaten noch nicht sein. Vielleicht kann ich trotzdem dazu beitragen, dass der eine oder andere das mit der gelben Gefahr nochmal überdenkt.

Viel Spaß beim Mitreisen und beste Grüße (noch aus Deutschland)

 

Kai

5 Gedanken zu „Reisefieber

  1. Boah Kai Ey… Du setzt ma neue Maßstäbe für Blogschreiber.. ich freu mich schon auf viele berichte 🙂

    • Hallo Großer, das fängt ja schon super an!
      Werde jedenfalls ganz oft den Blog öffnen und deine Worte aufsaugen. Bin schon sehr neugierig auf deine Berichte. Bleib zuversichtlich und verliere nicht deinen Humor beim gelben Riesen!

    • Kai, ich bin jetzt schon entzückt von deinem Blog & werde ihn mit Sicherheit oft besuchen! – Hab eine wunderbare Zeit dort & genieß einfach das „Andere“. Die allerbesten Grüße aus dem Hohenloher Land! 🙂

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