Normalerweise bin ich kein Typ, der sich sonderlich für Landschaften begeistern kann. Mir haben es nun mal alte Gemäuer, Kirchen und Museen angetan. Nichtsdestotrotz kommt man, wenn man den Süden Chinas bereisen möchte, weder an der boomenden Metropole Guangzhou, noch an den von atemberaubenden Landschaften geprägten Städten Guilin und Yangsuo vorbei.
Am 27. Januar 2014 begann meine dreiwöchige Rundreise durch dem Süden Chinas. Zur Vorbereitung hatte ich mir einen Backpacker-Rucksack, wohlwissend, dass das Budget wegen der vielen Flüge, nicht für 5-Sternehotels, sondern eher für 8-Personen Dorms in Hostels reichen dürfte, gekauft. Hochmotiviert, aber dennoch etwas verschlafen und unter Zeitnot, fuhr ich am Montag morgen mit dem Taxi zum Flughafen von Hangzhou. Dort wartete ein 2-stündiger Flug nach Guangzhou auf mich. Von Hangzhou nach Guangzhou (Wortspiel) sind es ungefähr 1500 km. Dieser Entfernung ist es zu verdanken, dass ich dem Winter Hangzhous (5-10 C) entkommen und stattdessen die Sonne im immer warmen Guangzhou (22-28C) genießen durfte.
In Guangzhou angekommen frühstückte ich an den ersten zwei Tagen das Standardtourismusprogramm ab: Sun Yatsen Gedenkstädte, Cantontower, Fahrt auf dem Perlfluss, der Besuch in drei relativ enttäuschenden Museen – alle Beschriftungen nur auf Chinesisch und keinerlei spannnende Ausstellungen- und die internationale Konzession, standen auf dem Plan. Am dritten Tag traf ich eine Freundin, die an der Zhejiang University Soziologie studiert und plant ihren Master in Deutschland zu machen. Wir guckten uns die Kathedrale des heiligen Herzens an, die komplett im Stil der frazösischen Gotik erbaut wurde. Obwohl laut Guide bei diesem Bauwerk europäische und chinesische Elemente organisch verschmolzen sein sollte, fühlt man sich als sei man auf einmal nach Frankreich telepotiert worden. Danach besichtigten wir die erste Moschees Chinas, die angeblich noch zu Lebzeiten Muhammads 628 von seinem Neffen erbaut worden sein soll. Sehr eindrucksvoll wie in diesem Fall wirklich islamische Theologie und chinesische Architektur organisch miteinander verschmelzen und etwas Neues erzeugen. Nach ein paar Stunden war dann das Pflichtprogramm abgearbeitet und der gemütlichTeil des Abends konnte beginnen. Das Abendessen. Deutsche Küche versteht sich. Im Restauarant angekommen wartete ein herrlicher bayerischer Biergarten auf uns. Genau wie für meine Begleitung war es auch für mich „das erste Mal in einem Biergarten“ und dann ausgerechnet in Guangzhou, China. Ein paar Worte Essen: Authentisches deutsches Essen sieht anders aus. Ich hatte mir eine Currywurst bestellt. Diese war aber als eine solche weder optisch noch geschmacklich zu erkennen… Das Wiener Schnitzel meiner Begleitung war hingegen ganz okay… Am nächsten Tag besichtigte ich mit einer Freundin, die ich über ein Sprachportal kennengelernt hatte, das Guangdong Museum. Es ist das meines Erachtens einzige Museum Guangzhous, dass dem Durchschnittsbesucher auf spaßmachende Art und Weise die vielfältige Geschichte Guangzhous nahebringen kann.
Am Abend stand dann ein Treffen mit Tony, dem Kulturweit-Freiwilligen aus Guangzhou, auf dem Plan. Es war so ein Heidenspaß, dass ich am nächsten Tag fast verschlafen und damit den Flug nach Guilin verpasst hätte. Aus dem Zusammenhang habt Ihr bestimmt erschließen können, dass dann auch etwas Alkohol im Spiel gewesen sein muss 😉
In Guilin, dem zweiten Zwischenstop meiner Reise, angekommen, traf ich mich sofort mit anderen kulturweit-Freiwilligen, die bereits zwei Wochen durch China gereist waren. „Geteiltes Glück ist doppeltes Glück“ ist ein bekanntes Zitat von Konfuzius, das auch auf Sightseeing zutrifft. Auch wenn Guilin sight-seeingtechnisch ein wenig hinter seinen Erwartungen zurück blieb war es interessant. Der „elephantlooking rock“ hält was er verspricht. Es ist halt ein Felsen, der ein bisschen so aussieht, wie ein Elefant beim Trinken. Wenn man davor steht gibt es aber keinen „Aha“- oder gar „Boah-Eh“ Effekt wie beim Kölner Dom oder der Skyline von Shanghai… Der Tagesausflug zu den Reisterassen von Guilin war da schon eindrucksvoller: Zum ersten Mal in unserem Leben konnten wir bestaunen, wo dieses weise, körnige Zeugs, dass für nun gut 5 Monate unsere heimische Kartoffel als Grundnahrungsmittel ersetzt hatte, herkommt. Nach eine fünfstündige Wanderung durch die Reisterassen stärkten wir uns dann mit der Lokalspeise: Klebereis.
Das eigentliche Highlight Guilins sind aber weder Reisterassen noch der „elefenatlooking rock“, sondern die wunderschöne Karstlandschaft, die als Vorlage für zahlreiche, meist Science Fiction Filme, dient.
Am besten lässt sich die Landschaft aber von Yangsuo erleben. Ein kleines beschauliches 50.000 Einwohner-Dorf, von dem ich aber vorher auch noch nichts gehört hatte. Auf Anraten praktisch aller Leute, die ich bis dato getroffen hatte, verkürzte ich meinen Aufenthalt in Guilin von 5 auf 2 Tage und verbrachte die drei übrigen Tage in Yangsuo. Ich sollte es nicht bereuen: Die Landschaft in Yangsuo ist noch einmal um ein vielfaches eindrucksvoller, als die von Guilin. Schlichtweg deshalb, weil alles noch so unberührt wirkt. Am ersten Tag machte ich einen Botsausflug auf dem Li Jiang , von dem Mann unter anderem dem Blick auf das Motiv des 20 Yuan-Scheins genießen kann. An dieser Stelle sei noch mal auf die Bildershow hingewiesen, Worte können den Anblick nicht ansatzweise so nahebringen, wie Bilder es vermögen. An die Botfahrt anschließend habe ich all meinen Mut zusammengenommen und bin Raften gewesen/gegangen/gefahren (was auch immer). Am Abend machte ich dann eine Tour durch eine Höhle, die so ausgeleuchtet war, dass man sich atmosphärisch an eine 70er Jahre Disko erinnerte. In der Höhle gab es die Möglichkeit ein Schlammbad zu machen: Bei 15 C keine sich unbedingt aufdrängende Gelegenheit, aber warum denn nicht. Ich war aber dummerweise der einzige, der das gemacht hat. Ganz zur Freude der chinesischen Touristen, die dann erst mal alle ein Bild von mir gemacht haben. Gegen meinen ausdrücklichen Willen versteht sich. Über die sanitären Einrichtungen dort möchte ich übrigens kein Wort verlieren. Ich werde auf jedem Fall nie wieder in Deutschland ein Schwimmbad „unsauber“ nennen. Nach dem Tag fiel ich dann übermüdet ins Bett und freute mich auf den nächsten Morgen. Ausgeschlafen aufgewacht beschloss ich eine Radtour zu machen. Dass aus einer kleinen Tour am Ende des Tages eine mehr als 60km Tortur wurde, verdankte ich der Tatsache, dass ich sowohl meine Orientierung, mein Handy seinen Saft und mein Fahrrad seinen Sattel verloren hatte. Als es dann um 19.00 langsam dunkel wurde bekam ich es etwas mit der Angst zu tun. Schlussendlich ist dann aber doch alles gut ausgegangen und ich konnte bei McDonald um 21:00 Abendessen.
Erstaunlich: Obwohl Yangsuo wie ein kleines Dorf anmutet ist hier alles zu finden, was das feiersüchtige Backpacker-Herz begehrt: Fastwood (westlich und chinesisch), billiger Alkohol und Bars und Clubs en masse. Sogar eine kleine Reggae-Bar, die erste ganz Chinas, um genau zu sein, kann Yangsuo sein Eigen nennen. Hier feierte ich noch ein bisschen und verabschiedete mich so schischarauchend und biertrinkend von meinen neugewonnen Freunden, die ich mit Sicherheit in ihren zweiten Heimaten (Italien->Shanghai – Ingenier | London -> Wuxi – Englischlehrer) besuchen werde und dir mir auch einen Besuch abstatten werden. Am nächsten Tag machte ich mich dann mit einem lachenden und einem weinenden Auge zum Flughafen auf. Destination: Yunnan, der bunte Erlebnispark Chinas mit seiner großen Vielfalt. Also bis zum nächsten Blogeintag 🙂