Da ich vor ein paar Tagen den Fehler machte, einen alten Mann auf einem Fahrrad anzulächeln, der daraufhin mitten auf dem Weg umdrehte und mir bis zu meiner Haustür folgte, habe ich nun beschlossen, mir Pfefferspray zu besorgen. Vielleicht ist das übertrieben, aber langsam bin ich von den Blicken und imitierten Kussgeräuschen, die mich auf der Straße begleiten, nicht nur genervt, sondern auch irgendwie verängstigt.
Abgesehen von den Männern belästigen mich auch die Stechmücken extrem, ich wurde von oben bis unten zerstochen und konnte einige Nächte von dem ständigen Surren nicht schlafen, habe mir aber mittlerweile solche Dinger für die Steckdose besorgt, die dem Ganzen einigermaßen Abhilfe geschaffen haben. Wahrscheinlich wird sich das Problem demnächst von selbst erledigen, da es seit einem plötzlichen Temperatursturz diese Woche nun nicht mehr Spätsommer, sondern eisekalter Herbst ist. Der stellt mich wiederum vor das Problem, dass ich nur zwei Hosen besitze, und die sind beide im Schritt gerissen, so wie das bei jeder meiner Hosen innerhalb weniger Monate passiert. Hosen sind gemeinhin wärmer als Röcke und vor allem besser dafür geeignet, auf meinem letzter Woche auf dem Flohmarkt erstandenen Fahrrad zur Schule zu fahren, also werde ich mir wohl oder übel trotz meiner tiefsitzenden Abneigung gegen sie welche besorgen müssen. Genug Platz, um Klamotten für zwei zu verstauen, hab ich ja, denn mein riiiieeesiges Zimmer besteht zur Hälfte aus Schrankwand, wo ich dann auch irgendwann mal den kitschigen Deko-Kram, den der Vermieter beim Auszug hiergelassen hat, verstauen sollte.
Ach Gott, der Vermieter. Nun, meine Mitbewohnerin Cami hätte wahrscheinlich nicht drei Tage nach der Einweihungsparty, also mitten in der Woche, wieder Freunde einladen und so bis zwei Uhr nachts Lärm machen sollen. Dennoch halte ich es für eine leicht übertriebene Reaktion, dass der gute Mann dann am nächsten Abend bei uns auf der Matte stand, Freunde, die gekommen waren, um mit uns ein Fußballspiel zu schauen, rauswarf und Cami auf Rumänisch scheinbar etwas davon erzählte, das sei hier ein normales Haus und kein Nachtclub, und er verlange Respekt von seinen Mietern, und wenn er den nicht bekomme, könnten wir unsere Sachen packen und gehen. Seitdem ist Cami im Prinzip wieder bei Alex und Paul eingezogen, sie taucht jedenfalls kaum noch hier auf. Liegt wohl an ihrer furchtbaren Angst vor dem Vermieter (Sie sagt, er erinnert sie an ihren tyrannischen ehemaligen Tanztrainer) und daran, dass sie es nach eigener Aussage nicht leiden kann, wenn ihr jemand Regeln setzt und sie damit einengt. Entschuldigung, liebe Cami, aber das wird dir dein Leben lang passieren! Manchmal habe ich wirklich nicht das Gefühl, dass dieses Mädchen drei Jahre älter ist als ich.
Normalerweise kommen wir aber sehr gut aus, kochen gerne lecker zusammen und haben uns jetzt auch als Hosts bei Couchsurfing angemeldet. Am Wochenende waren wir zusammen auf einer Messe für alternative Medizin hier in Arad, wo ich mich lange und eingehend mit Krisztina unterhalten habe, die aus einer deutsch-ungarisch-rumänischen Familie stammt, in Wien lebt und mit ätherischen Ölen handelt, obwohl sie ursprünglich Architektur studiert hat. Unglaublich interessante Frau, außerdem fiel bei mir als Kind meines von Naturmedizin verschiedenster Couleur geprägten Haushalts alles, was sie in Sachen medizinische Anwendung ätherischer Öle zu sagen hatte, auf fruchtbaren Boden. Habe also ein Öl gegen die ewigen Nackenschmerzen meines werten Liebsten erstanden sowie eins für mich, das entspannend wirkt, gegen Schlaflosigkeit hilft (habe es bereits ausprobiert) und leeeecker riecht.
Entspannung konnte ich auch gestern gut brauchen, denn da hatte ich meine letzte Vertretungsstunde in der 12A. Ich muss sagen, die Woche Vertretungsunterricht hat eigentlich Spaß gemacht, in der anderen zwölften, der neunten und der zehnten Klasse, die ich hatte, habe ich neben der obligatorischen Vorbereitung auf’s Deutschdiplom auch Stunden zum Tag der deutschen Einheit, die ich mit dem Trailer zu „Good Bye Lenin“ einleitete und in der sich eine sehr interessante Diskussion über den Kommunismus in Deutschland und in Rumänien entwickelte, zu deutscher Musik und zur deutschen Jugendsprache, in der mir die Schüler auch entsprechende Wörter auf Rumänisch beibringen konnten, gehalten. Zwar lasse ich nirgends die Autoritäre raushängen und muss mir oft den Mund fusselig reden, damit die Schüler mal ihr blödes Handy weglegen; etwas Handysüchtigeres als Schüler in einem Land, wo die meisten Menschen zwei oder drei Handys mit verschiedenen Verträgen, aber keinen Festnetzanschluss haben, kann man sich nicht vorstellen. Aber wirkliche Probleme hatte ich nur mit der 12A. Die Schüler sind an sich ganz nett, außerhalb des Unterrichts komme ich mit ihnen klar und sie haben Humor, aber im Unterricht ist ihr Verhalten so ignorant, dass ich fast verweifle. Dass sie essen, Musik hören, sich unterhalten, mit dem Handy spielen oder für den Führerschein lernen, statt zuzuhören, ist nicht das Problem, sondern wie vollkommen unbeeindruckt sie von jedem meiner Versuche bleiben, sie zum Mitmachen zu bewegen. Will ich das verflixte Handy irgendwann einsammeln, geben Sie es nicht her und fangen an zu diskutieren, rufe ich jemanden auf, kommt ein dummer Spruch statt einer Antwort. Ich gebe mir wirklich Mühe, und alles was zurückkommt, sind gehässige Kommentare. Gestern war es so schlimm, dass ich schließlich gebrüllt, die deutsche Musik weggepackt und die DSD-Bögen hervorgeholt habe, auch wenn ich von denen mittlerweile genauso gelangweilt bin wie die Schüler. Heute war ich kurz nochmal in der Klasse und habe ihnen mitgeteilt, dass ich nicht mehr zu ihnen komme, bevor sie sich für ihr Verhalten entschuldigt haben.
Ich hoffe, dass ich bald einen Sprachkurs finde, damit ich mir nicht mehr so blöd vorkomme, wenn sich die Schüler untereinander auf Rumänisch unterhalten, und nicht mehr ständig auf fremde Hilfe angewiesen bin. Klar, Einkaufen auf dem Markt bekomme ich mittlerweile hin, denn sich die Zahlen, ja, nein, viel und wenig zu merken ist wirklich nicht so schwierig. Aber um beispielsweise das Problem zu lösen, dass ich immernoch kein eigenes Internet habe, brauche ich dann wieder rumänischsprachige Unterstützung. Leider scheint außer mir niemand in dieser Stadt Rumänisch lernen zu wollen, die Kurse in Französisch, Englisch oder Deutsch hingegen sind an der Sprachschule ausgebucht, da so viele Rumänen zum Arbeiten in andere Länder auswandern.
Da ich aber unbedingt Rumänisch lernen will, und zwar so richtig, damit ich auch das Land bereisen und in ferner Zukunft vielleicht auch mal wiederkommen kann kann, muss ich mich da jetzt mal richtig dahinterklemmen und zur Not einen Privatlehrer organisieren. Ich schaff das schon, ich schaff das schon, würde Rolf Zuckowsky sagen.
frag doch in den deutschsprachkursen (bei höheren nievaus) ob jmd ein tandemprojekt machen will. so lernst du romänisch und er deutsch.
Ist auch ne Idee, das mach ich vll zusätzlich zum normalen Sprachkurs =)
Ich bin nicht beleidigt, sondern zeige den Schülern, dass ihr Verhalten Konsequenzen hat. Abgesehen davon hab ich die nächste Zeit echt keinen Bock mehr, da hin zu gehn.
beleidigt sein is immer doof
irgendwann kannst Du auch sagen DAS IST MEIN TAG (Rolf Zuckowsky)
hohl Dir bei Deinem Bruder Rat,der war genauso….