Baal erhöre uns oder „Kuula Baal“

Siehe die Feinde verspotten uns – Gib uns Antwort Baal – Der Fluch ist über uns gekommen – Die Wasserwogen sind groß und brausen gewaltig.

Zur Erklärung: Nein, ich bin nicht verrückt geworden. Sondern es gibt Neuigkeiten: Ich bin jetzt in einem echten estnischen Chor.  Genauer gesagt im ersten Alt des Tartu Noortekoors. Doch überraschenderweise hört man gar kein Estnisch – sondern es wird aauf Deutsch gelault ( Laulma = singen) und zwar der Elias von Mendelsohn. Seit zwei Wochen hatten wir fast jeden Tag und manchmal auch bis zu 8 Stunden täglich Probe. Hier wurde ich auch gleich kräftig miteingebunden, indem ich die Vorleserin für komplexe Sprachkompositionen aus biblischen und alten deutschen Wörter spielte. Aber zum Glück ist die Aussprache von Estnisch und Deutsch nicht komplett verschieden.

Nach so vielen intensiven Proben – war jeder mit dem Baal-Virus infiziert. Sowohl  was Ohrwürmer als auch Halsschmerzen. Das ganze begann mit einem Eröffnungskonzert der Saison im Vanemuise Theater in Tartu. Es war übrigens auch im Radio hier zu hören, aber ich habe es bis jetzt noch nicht online gefunden.

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Noch einen oben drauf gab es am nächsten Morgen, also wir uns mit Opernchor und Orchester nach Riga aufmachten. Denn dort wurde an diesem Abend in der lettischen SDomkirche der estnische Elias aufgeführt. Nach einem Zwischenstop in der lettischen Lidokantine und im Kettenkarussel fühlte sich alles ein bisschen nach Klassenfahrt an. Doch keine Zeit für Späße. Einsingen, letzte Probe und die edlen, aber jedoch sehr unpraktischen Chorkleider angezogen. Nach gefühlten drei Stunden war das Projekt Elias erledigt und jeder glücklich über den gelungenen Auftritt. Jedoch ging es sofort wieder in Richtung Heimat, denn der Abend war noch nicht gelaufen. Zu estnischen Dauerbrennern und Nationalliedern (ich muss endlich mal die Texte lernen) schaukelten wir wieder zurück. Angekommen ging es gleich weiter um sich alle Sorgen von der Seele zu tanzen (oder zu trinken).
Und dieser Abend wird mir noch ewig in Erinnerung bleiben: Mein Estnisch wurde schon fast fliessend und ich fühlte mich das erste Mal seit sechs Monaten hier 100% integriert und rein gar nicht mehr als Ausländer.

Und das ist doch wohl das beste Zeichen?

 

 

 

 

 

 

Und schon wieder Wochenende!

Da die ersten Schultage jedoch ziemlich turbulent waren, habe ich mir am Wochenende noch einmal eine kleine Auszeit gegönnt.

Zusammen mit einer Freundin bin ich am Samstag Mittag Richtung Osten aufgebrochen. Und damit meine ich den stark russisch geprägten Teil Estlands. Mit dem Bus ging es nach Sillamäe, meine Reisebegleitung fuhr noch etwas weiter. Vielleicht wollten wir uns später wieder treffen.

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Eine  sehr wichtige Erfahrung, die ich hier machen konnte. Gemeinsam reisen ist schön, aber manchmal ist alleine unterwegs zu sein noch viel schöner. Am Strand hatte ich Zeit zum Durchatmen und Luft holen  –  durch einige russische Trampbekanntschaften kam ich noch nach Toila an die Steilküste und ließ mich darauf nach Jõhvi kutschieren. Mit „Autostopiga“ – so wie das hier genannt wird kommt man wirklich gut rum. Ich muss das auch unbedingt in Deutschland ausprobieren. Vielleicht kann ich so die günstigen Sparangebote der Bahn meiden. Nach einem Eis mit einem estnischen Wanderer war ich wieder in Tartu und genoss mein Alleinsein wirklich. Denn die nächsten Turbulenzen kommen bestimmt!

 

 

 

 

Ilusat uut kooliaastat Raatusepere!

Ein schönes neues Schuljahr, liebe Raatuse-Familie!

Das stand heute in Großbuchstaben am Haupteingang meiner Schule. Da freut man sich doch über den Schulbeginn. Aber gefreut habe ich mich sowieso schon. Nach drei Monaten Sommerpause ist es einfach schön, wieder anzufangen. Im Eingangsbereich empfing mich eine Baustelle ( die Garderobe wird noch umgebaut) und schon ordentlich aufgereihte Schüler. Sehr festlich gekleidet, mit Blumensträußen für die Klassenlehrerin in der Hand und nach Klassen sortiert wurde in die Aula eingezogen.  Neben Tanzvorführungen, Gedichtvorträgen gab es auch Powerpointpräsentationen über die Sommerferien zweier Schüler. Ein bisschen komisch,aber zugleich auch nett. Nachdem auch noch die Schülerverwaltung und der Direktor ihr Wort gesprochen haben ( was mir ungewohnt kurz vorkam – Gott sei Dank!) hatten alle Schüler noch eine gemütliche Klassleiterstunde.

Für mich ging es aber dann erst richtig los. Im Lehrerzimmer gab es nämlich ein kleines „Wieder alle da und wieder Arbeit“-Buffet. Was mich aber noch mehr freute war, dass mich viele Lehrer sogar mit „Oi,tsau!“ begrüßten, was für Esten eigentlich schon sehr viel bedeutet. Jetzt musste ich erstmal über meinen Sommer erzählen. Zum Glück lernt man durch das Sprachbuch so unnützliche Dinge, wie Ländernamen. Manchmal sind sie dann doch ganz nützlich. Außerdem wurde ich für mein so tollen Estnischkenntnisse gelobt, die sich seit Mai nicht so arg verbessert haben. Aber das ändert sich leider nur durch harte Arbeit und leider nicht, wenn man  sich in sieben Ländern mit sieben verschiedenen Sprachen herumtreibt. To be followed…

Doch das Beste kommt noch: Imbi und ich haben uns beim Direktor ein Zimmer erbettelt. Also eher Imbi, ich stand nur daneben. Auf jeden Fall bin ich jetzt stolze Besitzerin eines Zimmerschlüssels. Mir gehört jetzt das größte und superausgestattete Klassenzimmer – komischerweise war es immer unbenutzt. Und deswegen wird bald ein Schild meine Türe zieren mit „saksa keel vabatahtlik Johanna Hiebl ja keele projektid“ (Übersetzung: Freiwillige für die Deutsche Sprachabteilung und Sprachprojekte) . Meine Sprechstunden sind übrigens … kleiner Scherz. Ich freue mich echt sehr, dass ich noch mehr Verantwortung und Möglichkeiten bekomme und ich so super in meiner Schule eingebunden bin. Ja, liebe Lehramtspraktikanten – von so etwas könnt ihr euer Leben lang nur träumen.

Da das Klassenzimmer noch etwas kahl ist und trotz Whiteboard wenig Charme hat, werde ich die nächste Zeit ein wenig Tine Wittler und Einsatz in 4 Wänden spielen. So informiere ich mich gerade über pädagogisch sinnvolle Tischformen und male mir aus, wo ich was aufhänge. Also falls jemand noch Ideen hat oder euch die Bastellust überkommt, ihr habt ja meine Adresse.

Viele Grüße aus meinem gerade so wunderbaren Leben!

PS: Falls ihr euch fragt, warum zur Hölle die Schule am Sonntag anfängt? Richtig bemerkt: Denn der 1.September ist wieder einmal ein Feiertag, nämlich der „teadmiste päev“(Übersetzt: Wissenstag). Also eben ein guter Tag um langsam wieder in die Schule zu gehen. Und der nächste Feiertag kommt gewiss, nämlich schon am 8. September, da ist „vanavanematepäev“, der Großelterntag. P1140233

Insel Europa

 

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Was man hier sieht ist mein Europa. Ziemlich westlich orientiert. Doch das war vor dem Frühjahr 2013 und hat sich in den vergangenen Monaten ziemlich verändert.

Mein Europa - nach dem Sommer 2013

So sieht mein Europa nach diesem Sommer aus. Angefangen mit meinem Selbsterfahrungstrip in Russland war ich zehn Tage in Moskau und St.Peterburg unterwegs. Darauf folgte mit einer Nacht Waschpause in Tartu eine radikale Woche in Norwegen. Erlebt habe ich neben einem Seminar über Radikalismus auch die norwegische Bahn, Mitsommer in der Nähe von Oslo und die Idylle Nordnorwegens.

Wieder zurück blieben noch zwei Tage um an meinen Vorbereitungen für die Fahrradkarawane zu feilen. Das Packen erforderte wieder höchste Disziplin und Konzentration – und meine Nerven. Bevors an Radeln ging machte ich noch einen Zwischenstop in Riga um die Atmosphäre des Tanz- und Sängerfestivals etwas aufzusaugen. AirBaltic brachte mich dann in die ungarische Hitze – wo ich mit den anderen Kulturweitlern das super Wetter, viel Kultur und Kulinarisches genossen habe. Übrigens gibt es in Ungarn Brezen (mein Highlight), leider sind sie etwas matschig und können nicht mit ihren Nachbarn mithalten. Und Kefir ist stichfest und lässt sich nicht trinken, wie ich erleiden musste.
In Csepel traf sich unsere Karawane in einem Jugendzentrum,  und wir machten uns gemeinsam mit Drahtesel auf nach Belgrad. Dort angekommen erforschten wir noch alle möglichen Ecken dort. Und ich musste feststellen,dass Serbien einfach toll ist. Burek und Eurokrem, ich komme wieder. Per Nachtzug wieder nach Budapest geschaukelt und das Flugzeug bringt mich wieder nach Riga – direkt in die Arme meines Freundes. Wunderbar und noch etwas komisch, wenn man nach fünf Monaten das verpixelte Skypegesicht endlich wieder live haben kann. Nach einem gemütlichen Geburtstag in Riga folgen drei Wochen Backpackerurlaub durch Estland. Und es war eine super Tour. Zum Glück gibt es kostenlose rmk-Zeltplätze und genügend nette Autofahrer, die sofort zwei dreckige Reisende mitnehmen. Anfangs klangen drei Wochen nach viel Zeit für viele Dinge – doch da waren sie auch schon wieder vorbei. Um dem Abschiedsschmerz keine Chance zu geben ging es gleich weiter für mich nach Polen. Nach einem Kurzbesuch in Warschau ging es einen Tag drauf auf die 10-stündige ZUgfahrt nach Hel. Und es war wirklich „the hell“. Ich habe mich schon über den günstigen Preis von umgerechnet acht Euro gewundert, bis mir ein Mitreisender erklärte, dass ich keine Garantie auf einen Sitzplatz hatte. Wunderbar, nach drei Stunden stehen wurde ich schön langsam ziemlich grantig. Aber half alles nix – kurz später wurde dann auch ein Platz frei. In Hel traf ich mich mit zwei kulturweitlern und wir grillten mit unserem Riesenwasserball am Strand. Doch schon wieder verabschieden und auf zum nächsten Ziel: In Sopot wollte ich auf meine Familie warten, die nach einigen Schwierigkeiten mit dem Wohnmobil auch endlich eintrafen. Freudige Familienzusammenführung und noch einmal Geburtstag: Ich hab mich sehr über neue Brotaufstriche und Shampoo gefreut. Doch auch wir hatten viel vor. Über Danzig,  danach die Masuren ging es nach Kaunas. Von dort noch einen Abstecher zur kurischen Nehrung und über Riga nach Estland. Und ich freute mich echt wieder ziemlich in meiner neuen Wahlheimat angekommen zu sein.

Reisen kann doch sehr anstrengend sein. Deswegen möchte ich erst mal wieder hier bleiben. Gelingt leider auch nicht so einfach, da ich Ende September für ein paar Tage nach Hamburg zum deutsch-norwegischen Jugendforum jette.
Und eigentlich habe ich auch noch mehr vor.

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Stockholm und Helsinki stehen dieses Jahr noch auf dem Programm. Und danach wird mir sicher auch nicht langweilig – es gibt ja noch einige weiße Flecken auf meiner Karte. Oder um es mit den Worten des Kindheitshelden Marvi Hämmer zu sagen „weil die Welt sich dreht“ . Bis bald!

 

Az egész sebes seggünkre!

Dingelingeling… und wieder da! Schon länger war es etwas ruhig hier, aber jetzt bin ich von großer Fahrt wieder heimgekehrt.

Es geht natürlich um die kulturweit-Fahrradkarawane 2013. Wie wir die nachhaltige Mobilität und Land und Leute (er) fahren haben und was wir sonst noch Spannendes erlebt haben, das könnt ihr hier auf dem Karawanenblog nachlesen.

Für mich ging es auf der Route von Budapest nach Belgrad heiß her – die Hitze war ih aaus Estland dann doch nicht ganz gewöhnt. Doch Wassermelonen, ganz viele Müsliriegel, Gesänge und Schüttelbaumeinlagen versüßten uns den Radelalltag. Außer einigen Platten, Sandpisten,leeren Wasserflaschen und einem Stich im Hals gab es eigentlich keine Zwischenfälle.Und ehe wir uns noch umschauen konnten, waren wir schon an unserer letzten Etappe in Novi Sad angekommen. Von hier ging es noch mit dem Bus nach Belgrad, wo alle drei Etappen das Belgrader Freibad eroberten und sich bis in die Tiefe der Nacht ihre Geschichten erzählten.

Dann war der ganze Spaß im Balkan auch schon wieder vorbei – herzzereißende Abschiede und für mich ging es wieder mit  einem Sprung ins Baltikum. Aber ich werde definitiv wiederkommen – denn Serbien ist einfach zu toll.

PS: Der Titel ist übrigens unser ungarisches Motto! Aber das bleibt geheim!

 

 

 

 

VonNorwegen

Die Miniaturwelt, über der ich vor wenigen Augenblicken noch zu schweben schien, wird immer grösser und grösser. Mit einem ruckeligen Rumps rollen wir die Landebahn entlang und ich erlebe alles wieder in Lebensgrösse.

Doch kaum in Norwegen gelandet, bleibt keine Verschnaufpause. Um dem deutschen Stereotyp der Pünktlichkeit gerecht zu werde, hüpfe ich zuerst in den Bus, dann in den Zug und später ab auf die Fähre. Nach einem langen Marsch über die halbe Insel bin ich endlich am Ziel: das Hostel in Borre, wo dieses Wochenende ein radikales deutsch-norwegisches Alumnitreffen des DNJFs stattfindet. Radikal zusammen gefasst verbrachten wir ein wunderschoenes Wochenende mit einem dreistuendigen Besuch des deutschen Botschafters, Baden im eiskalten Fjord, um der Radikalitaet gerecht zu werden, probierten wir das praktisch, indem wir uns beim Lasertack abballerten. Ausserdem beschaeftigten wir uns mit einer norwegischen Kuenstlerin und damit, wie radikal Kunst sein kann – das ganze auf Norwegisch, deswegen auch sehr anstrengend zu folgen. Der Hoehepunkt hier war, dass wir das Buero der Leitung in unsere Galerie Horten verwandeln konnte. Am ersten Abend hatten wir auch noch die Moeglichkeit, den Film GNADE von der norwegischen Filmproduzentin hoechspersoenlich vorgestellt zu bekommen. Im Gesamtpaket war es richtig super und es sind viele neue Freundschaften und Plaene fuer den deutsch-norwegischen Austausch entstanden. Deswegen hier ein radikaler Schnitt!

Ziemlich müde von so viel Radikalität machen wir uns Sonntag mittag wieder Richtung Oslo. Wieder einmal hatte ich viel Glück und konnte mit Monica, einer Norwegerin, nach Asker mitfahren und ausserdem konnte ich noch eine Nacht bei ihr im supergemütlichen Bauernhaus schlafen. Neben einer Tour mit dem Hund, der Verkostung von lett, skemmet und so weiter (den verschiedenen Milchsorten, von wässriger Konsistenz bis dickflüssig), haben wir auch noch Sankt Hans, das norwegische Mittsommerfest gefeiert.

Im grossen Kreise ihrer Familie wurden zwei Geburtstage nachgefeiert, viele Leckereien aufgetragen und wahnsinnig viel Kaffee getrunken und gesnust. Schon am Wochenende war ich verwirrt von den kleinen, bunten Dosen. Die Norweger schieben sich diese kleinen Teebeutel unter die Oberlippe und spucken sie nach einiger Zeit wieder aus. Vorteil dieses komischen Hobbys – es macht keine Raucherlunge und ist auch noch günstigster als Zigaretten. Und dass die Norweger nicht ohne Kaffee können, sei es um dunkle und helle Zeiten zu überstehen, ist ja schon bekannt. Deswegen steht die Kaffeemaschine nicht in der Küche sondern in Reichweite des Esstisches.

Fix und fertig krochen wir diese Nacht in die Betten. Denn am nächsten Morgen wurde nach norwegischer frukost für den billigsten Benzinpreis in Oslo getankt. Dann verabschiedete ich mich auch schon von Monica und ich fuhr mit dem Zug nach Oslo City. Dort holte ich mir erst einmal einen Stadtplan. Aber keinen gewöhnlichen, sondern ein Plan speziell für junge Reisende von einheimischen Jugendlichen. Dem folgte ich und entdeckte so verschiedenste Ecken Oslos für mich. Nach einem Imbiss mit Knäckebrot, brunost und rosin boller (das Einzige, was bezahlbar ist) auf einer Bank im hippen Viertel Grünerlokka genoss ich die Abendsonne an und auf der Oper. Man kann nämlich einfach das Dach hochlaufen.

Damit diesmal mit meinem Nachtzug alles klappt, habe ich mich schon zwei Stunden früher zum Bahnhof begeben. Dort wieder mal Papier gegen Tickets tauschen und noch im Wlan des Burger Kings verweilen. Als dieses Internetcafe dann aufgelöst wurde und wir sozusagen alle rausgeschmissen wurden, sah ich an der Infotafel, dass wohl wieder nicht alles glatt laufen würde. Aus einer Stunde Verspätung wurden schnell zwei oder fast drei. Es war zwar saukalt, aber die Stimmung nicht im Keller. Als endlich der Zug eintrudelte und der Zug die Stadtgrenzen Oslos erreichte, war bereits ein tiefes Schnarchen durch den Wagon zu hören. Und es war tatsächlich ein paar Stunden dunkel, den Rest machte meine Schlafmaske.

Natürlich wurden die Anschlusszüge in Oslo nicht mehr erreicht, weshalb wir in einen Bus umquatiert wurden und  prompt meine schweineteure, niegelnagelneue Regenjacke im Zug verschwand, was ich natuerlich auch erst spaeter merkte. Nach weiteren zehn Stunden Bus, Bahn und nochmal Bus bin ich dann endlich bei June angekommen. Im Regen habe ich sie fast nicht wiedererkannt – und zudem war ich auch nicht sicher, ob ich jetzt wirklich da bin. Aber nach 17 Stunden Fahrt war ich endlich in Nordland, schon fast bei den Lofoten. Von der wunderschönen Umgebung zeigte sich jedoch nicht viel, denn alles war in Nebel gehüllt.

Doch angekommen im supergemütlichen Holzhaus waren alle Reisestrapazen vergessen und wir machten es uns in dem kleinen Holzhaus im Garten bequem. Jetzt verstehe ich auch, warum die Norweger die Steinhäuser in Deutschland so fad und ungemütlich finden.

Nach einem typisch norwegischen middag, dem Abendessen, bauten wir Mädls unsere Gewaltbereitschaft  bei GTA ab bzw. auf. Und als das Licht immer heller wurde, so hatte ich zumindest das Gefühl, gab es eine coole Überraschung für mich. Junes Papa spielte für heute Abend unser Taxi, da June es vorzieht lieber im Riesenquad mitzufahren, anstatt es selber zu reiten. So düsten wir schnell zum hauseigenen Strand. Dort suchten wir alle Steine nach den grössten Krebsen ab und stießen dabei noch auf viele Seesterne und Seeigel. Die Stimmung war jetzt fantastisch:Das Nebeldickicht war komplett verschwunden und die Sonne präsentierte sich in ihrem besten Licht. Am liebsten wäre ich jetzt noch in den Fjord gesprungen, aber dazu war es sogar mir viel zu kalt. Trotzdem endete dieser Tag nass: und zwar unter der heissersehnten warmen Dusche – bevor ich ins Bett fiel. Das war dann leider wiedermal viel zu gemütlich, so dass wir eben erst um halb 12 frukost hatten. Mit Lefse (einem traditionellen, dicken Pfannkuchen mit Butter, Zimt und Zucker) im Gepäck begann unsere Tour. Der erste Stopp war die Finnmark, ein Schiff, das die bekannte Hurtigruten fährt. Als alle reisebegierigen Renter das Schiff für einen kurzen Landgang verlassen hatten, schlichen wir uns hinein. Durch verschiedene Gänge tasteten wir uns auf Deck. Alles ganz nett und schick, sogar mit Whirlpool. Jedenfalls brauche ich als rüstige Rentnerin nun nicht mein Vermögen für dieses Schiff ausgeben, da ich ja schon da war. Wir dagegen nahmen  eine kleine Fähre auf die Insel Bjørn. Bjørn als Name ist in Norwegen übrigens verboten, weil es zu sehr an den Bæren erinnert. Dort angekommen duesten wir über die Insel-und auch kein Vogelvieh vor der Heckscheibe konnte uns daran hindern. Wichtige Lektion: Als fortgeschrittener Fahrer oder als Einheimischer kann man allem mit Federn gekonnt ausweichen, nur den Elch sollte man stehen lassen.

Die nächste Zeit verbrachten wir mit vielen Zwischenstopps zum Sehen, Staunen und Genießen. Bald wurde es richtig warm und das Wasser schimmerte wie in der Karibik. Da wir leider nicht mit solchem Superwetter gerechnet haben, ging es leider nicht ins Wasser. Dafür mit einer grossen Packung Hello Kitty Eis ans Hafenbecken. Und was ist schöner, als zu zweit, so eisschleckend dazusitzen, die Beine vom Steg baumeln zu lassen und mit einer frischen Meeresbrise über Dies und Das zu reden. Fast hätten wir dadurch die Fähre verpasst, aber die kam zum Glück zu spät. Danach schnell heim zum Abendessen: Es gab wieder traditionelle Küche, nämlich fiskeboller, die sogar ich als Vegetarier gut fand. Nach kurzer Verschnaufpause packten wir uns wärmer ein, bevor es auf eine kleine Wanderung ging. So ein bisschen Berg tat nach so viel flachem Estland doch mal wieder gut und nach kurzer Zeit hatten wir bestes Abendsonnenlicht und einen grossartigen Blick über die Gegend. Und es war schon 23.00 Uhr! Da es nun immer windiger wurde und auch ziemlich frisch, konnten wir unser Programm mit Kajak fahren und anschliessendem Fjordgang nicht mehr durchziehen. Stattdessen klang der Abend bei Reality-Tv aus Amerika, Kerzenlicht und norwegischem Geknabber aus.

Leider muss ich jetzt schon, nach dieser kurzen, wundervollen Reise meine Rückreise antreten. Es fiel mir schon schwer, die herzliche Atmosphäre von Familie Stokka und dem wunderbaren Nordland wieder zu verlassen, wo ich doch gerade erst angekommen war. Doch ich werde garantiert wiederkommen. Ob mit dem Tandem, meinem hoffentlich bald vorhandenen Reisebus oder eben wieder der norwegischen Bahn. Trotz Verspätung nimmt sie sich dem Wohl ihrer Fahrgäste an und unterstütze auch mich auf meiner Suche nach der verloren gegangenen Regenjacke mit Mitleid, Tipps und Telefonnummern. Und falls das nicht hilft, vielleicht kann mir Dr. Walter ja unter die Arme greifen.

So hoffe ich, dass die nsb mich nun rechtzeitig zum Flughafen bringt und ich mich wieder Richtung Tartu bewegen kann.

Auch wenn ich sofort ausgewandert wäre, vielleicht sollte ich erst viele Dinge in Estland wieder regeln und nochmal im dunklen Winter herkommen.

PS: Fotos kann ich leider noch nicht hochladen, da der PC in meinem Hostel in Budapest keinen Platz fuer SD-Karten hat. Aber seid gespannt!


Petersburger Galerie

Nach so viel Text einfach mal ohne Worte!

Weiße Nächte in St. Petersburg

Gerade saß ich noch in Moskau am Bahnhof und wartete, dass die Zeit schneller verging. Heilfroh war ich, als ich einstieg und als ich dann endlich mein Schlafgemach hatte, war ich nicht mehr ansprechbar. Als ich wieder aufwache, fliegen auch schon die Außenbezirke Petersburgs an uns vorbei. Kurz darauf betrete ich wieder Neuland.

Denn wenn man nach St. Petersburg kommt, sollte man unbedingt:

– darauf eingestellt sein, dass dein Tele2-Handy wieder mal gesperrt ist, weil kein Geld mehr drauf ist. Und das beste ist dann einfach zu Beeline zu wechseln. Das funktioniert auch nur auf gut Glück.

– sich von Anfang an alleine den Weg durch die Metro bahnen. Denn die ist übersichtlicher, langsamer und leerer als in Moskau.

– den benachbarten Dixisupermarkt als Standardtreffpunkt vereinbaren und dort verschiedenste russische Leckereien einkaufen. Ich war ja sehr begeistert von der dickflüssigen Dosenmilch. Man kann sie auch einfach auf Toastbrot schmieren. Da musste ich davon gleich drei Dosen nach Estland exportieren.

– den ersten Abend gemeinsam mit den anderen beiden Freiwilligen Jan und Lea die beste Reis-Gemüsepfanne verzehren und als Nachtisch unsere eingekauften Leckereien. Die Filmauswahl danach hat uns so fertig gemacht, dass wir wohl alle nur die ersten fünf Minuten mitbekommen haben.

– Nach kräftigem Ausschlafen und Frühstück mit Jan´s special Spiegelei ging es an den Stadtrand von Petersburg. Dort fand heute „roof swinging“ von einer alten Lagerhalle. Diese Art von Adrenalinkick ist bei den Russen sehr beliebt… denn wenn da irgendetwas Hohes steht, dann muss man entweder hochklettern oder eben runterspringen. Ich war leider von den Videos, die wir uns davor angeschaut haben zu skeptisch geworden und traute mich nicht. War aber trotzdem lustig, den andern beim Springen zuzusehen

– von richtig netten und gastfreundlichen Bekannten der Freiwilligen einfach mit zum Essen eingeladen werden – typisch russische Nudeln

– mit der langsamsten Straßenbahn der Welt wieder Richtung Stadtzentrum schleichen

– einen ersten Überblick über den Nevsky Prospekt im strömenden Regen. Deswegen haben wir uns in der Buchhandlung Singer die Bilder in den Touribüchern angesehen.

– da ich ja jetzt schon alles „gesehen“ hatte, ging es auf ins Zifferblatt. Das ist definitiv das beste Zeitcafe in Russland. Hier wärmten wir uns bei heißer Schokolade und Marzipankeksen wieder auf.

– Am nächsten morgen dann alles noch einmal bei Sonnenschein und mehr Touristengewusel entdecken

– Plötzlich von einem schlimmen Wärmegewitter überrascht werden, auf der Peter und Paul Festung zusammen mit vielnen Brautpaaren die Sonne abwarten. Leider vergeblich und so patschnass einen Brückentreffpunkt um 3km verfehlen

– Nachmittags in der größte Kletter- und Boulderhalle Russlands das schlechte Wetter draußen und im Seil hängend die Zeit vergessen. Danach ausgiebig saunieren – natürlich nur mit einem verrückten Filzhut auf dem Kopf, um den Kreislauf zu schonen.

– Doch die luftige Höhe bleibt:  Das Outfit wechseln und sich  so der Sommerkühle anpassen. Noch rasch im Supermarkt mit den nötigen Leckereien eindecken. Und ehe man sich versieht: Tür auf, in den Aufzug rein, hochgefahren, das letzte Stück zu Fuß und nun noch elegant aus dem Fenster schwingen. Und – wir sind „on the roof“! Herrlich diese Harmonie hier oben einzusaugen und von oben das Petersburger Leben beobachten. Dort ausharren, bis es dämmert und bis deine Finger und Gesicht zu einem Eiszapfen geworden sind

– Den Tag mit einer aromatischen Massage à la Lea beschließen, um so die schweren Muskeln vom Klettern wieder etwas durchzukneten.

– Den nächsten Morgen wohlverdient im Bett verbringen und nach einer erfrischenden Dusche Richtung ERIMITAGE spazieren. Dort die Zeit während des Anstehens nutzen, um andere Touristen zu begaffen, wie diese sich über die lange Schlange oder die teuren Tickets aufregen. Ich dagegen kann nach etwas Warten mein kostenloses Studententicket abstauben.

– Dann einfach nur die Augen aufmachen und die Pracht genießen. Nach circa 1,5 Stunden und vielen, vielen Räumen lässt die Konzentration jedoch nach. Deswegen einfach am Tag darauf wieder in diese lange Schlange begeben, diesmal kann man sich die Zeit ja sinnvoll mit Postkarten schreiben vertreiben.

– Diese und das Zubehör hat man vorher kompliziert bei der russischen Post höchstpersönlich erstanden. Nun hoffe ich, dass meine lieben Grüße auch ankommen, denn für einen Umschlag, der sonst üblich ist, hat es leider nicht mehr gereicht.

– Nach so viel Kultur kann ein bisschen Natur gut tun. Dazu am besten in den botanischen Garten gehen, der von außen her als eingezäuntes Stück Park daherkommt, für das man auch noch bezahlen muss. Durch einige Blumenbeete und Zeichenkurse schlendern und dabei die beste Schaukelbank am Spielplatz ergattern.

– um nicht gestresst zu werden, die rush hour elegant mit einem kleinen Picknick direkt vor dem Supermarkt umgehen. Dabei den Leuten beim Feierabend machen zusehen und ihre schnellen Laufschritte Richtung Metro verfolgen.

– sobald sich diese geleert hat, können wir wieder damit fahren. Unser Ziel wird ein Hipsterplace, bei heute ein russisch-israelisches Festival eröffnet wurde. Die erste Band haben wir leider verpasst, aber dafür war die zweite umso besser. Zu Acollective hüpfen wir vor der Bühne umher. Jedoch als die komischen vier Ausländer, denn die Russinnen stehen in Sicherheitsabstand zu uns.

– Der erste Gedanke am nächsten Morgen wird sein, dass es der letzte Tag hier in St. Petersburg sein wird und ich heute Abend per Bus zurück nach Tartu fahren werde

– Deswegen noch einmal die kostenlosen Studententickets für die ERIMITAGE ausnutzen, über einen Freizeitpark im reichsten Viertel von Petersburg schlendern und auf dem Nachhauseweg russische Leckereien auf Vorrat einkaufen.

– Ein lecker Thai-Curry zum Abschied zu bekommen und dann leider schon vollbepackt Richtung Busbahnhof spazieren. Doch auch hier kommt keine Langeweile auf, denn der Amerikaner Peter unterhält mich die ganze Busfahrt.

– An der Grenze wieder kurz Spannung. Darf jeder wieder jeder mit? Ja, nur eine alte Frau mit Herzschrittmacher hat Probleme, weil die Beamten glauben, sie träge eine Bombe in sich.

– Schließlich landet man heilfroh wieder im eigenen Bett, hat noch immer nicht alle Erlebnissen kapiert und archiviert , da träumt man schon von der nächsten Russlandreise.

 

 

Um die Hochhäuser Moskaus – Part 2

Beim um die Häuser ziehen, habe ich mal hier und da ein Bildchen geschossen. Ich hoffe ihr bekommt dadurch einen Eindruck davon, wie schön Russland sein kann.

Um die Hochhäuser Moskaus – Part 1

Doch endlich winkt das Ziel: Im Schimmer der weissen Mauern leuchtend nah, in goldener Kreuzeskuppeln Flimmer liegt gross und herrlich Moskau da! 

A.S.Puschkin.

Ja, es liegt wirklich alles so glanzvoll und schwer da.

Als ich nach meiner schönen Zugfahrt am Bahnhof Leningradski von den Mädls Anna und Alisa in Empfang genommen wurde, war ich schon richtig froh nicht alleine im riesigen Moskau dazustehen.

Deswegen war es super, dass die beiden mit mir das Zugticket (welches später noch Probleme machen sollte), Metroticket und russische Rubel organisierten. Nachdem wir nach etwas Suchen auch mein Hostel entdeckt hatten, wurde schnell der Rucksack abgestellt und es ging los ins Getümmel.

Die Straßen waren zwar deutlich voller als in Tartu, jedoch nicht so sehr, dass es mich stresste. Auch die Metro war erstaunlich leer. Aber trotzdem war ich froh die beiden an meiner Seite zu haben, da meine kyrillisch Lesekünste noch ausbaufähig sind. Wieder an der Erdoberfläche waren wir mitten im Zentrum und spazierten über den roten Platz. Im Edelkaufhaus GUM ein Eis gegönnt, spazierten wir die Kremlmauer entlang. Da sich Putin auch durch heftiges Winken vor seinem Fenster nicht meldete spazierten wir weiter Richtung Christi-Erlöserkirche. Dies ist für die Gläubigen eine besondere Kirche und deswegen verhüllten sich die beiden und bedeckten auch die Haare. Ich machte ihnen einfach nach, um mich nicht zu sehr als Tourist zu fühlen. Jedoch natürlich nicht so wie Pussy Riot, die in diesem Gotteshaus zugange waren und damit einen grossen Skandal auslösten. Dazu vielleicht: Bevor ich es überhaupt anschneiden konnte, wurde ich oft von russischen Bürgern gefragt, was ich denn von der Politik ihres Landes hielte. Und irgendwie fand ich es verdammt schwierig auf diese Frage zu antworten. Noch dazu, wo ich auch nicht so gut informiert war. Dassder Staat zwar stärker anwesend schien, als ich es gewohnt bin, merkte ich aber schon. Hat jedoch auch seine Vorteile, denn so kann man immer leicht nach dem Weg fragen.

Denn auch waschechte Moskauer  verlaufen sich mal – schliesslich fanden wir unseren Weg in den Gorkipark. Dort fand auch frisch angelegten Grünflächen eine Art Massenentspannung statt. Also passten auch wir uns der Masse an und genossen die Abendsonne. Doch die Grossstadt zeichnete ihre Spuren an mir ab und ich wurde nach einem Besuch im russischen Supermarkt bis ganz zurück ins Hostel begleitet, damit ich mich nicht verlaufe. Mein Abend endete schon ganz früh mit einer Teerunde, einem Zusammentreffen mit anderen deutschen Freiwilligen und nur noch meinem Bett. Trotz viel Komfort im Zug hatte ich viel nachzuholen, weshalb ich mich am nächsten Tag erst um 13 Uhr mit Olga traf. Supergut, dass hier ein paar liebe Leute auf mich warteten und richtig darauf brannten mir ihr Land zu zeigen. Dieses Gefühl habe ich in Estland doch etwas vermisst. Heute verliessen wir den braunen Kaffeetassenrand, gemeint ist die wichtigste Metrolinie, die Kreisbahnen um das Zentrum fährt. Die Legende hierzu ist, dass Stalin einmal seine Kaffeetasse auf den vorläufigen Metroplan gestellt hatte und die Architekten den braunen Kaffeerand auch einfach mitbauten. So besichtigten wir zuerst Krasnjy Oktjabr, das Gebäude einer alten Schokoladenfabrik, das jetzt viele Ateliers und Cafes beherbergt und so zu einem richtigen Hipsterplace wurde. Es war jedoch nicht so einfach dorthin zu kommen, denn  zahlreiche Absperrungen  und Polizeikontrollen waren im Weg, weil mal wieder eine Demo gegen Putin war.

Um dem Getümmel zu entkommen machten wir uns bald auf Richtung Hauptuniversität. Dort angekommen gab es endlich ein bisschen mehr Grün, sogar eine Skisprungschanze und einen netten Überblick über das Moskauer Häusermeer.

Wahnsinn, kein Ende in Sicht. Schliesslich gönnten wir uns einen Kartoffel-Imbiss bei картошка.Gestärkt zogen wir weiter zur Universität. Die Größe hier hat mich echt wahnsinnig überwältigt. So musste ich erstmal einige Augenblicke in den Himmel schauen, um ein Ende zu erkennen.Leider konnten wir nicht in das Gebäude, denn ich hatte ja keinen Ausweis. So war unser Plan nach Moscow City zu fahren. Und so kam ich zu meiner ersten Marshrutkafahrt, was ich alleine sicher auch nicht getan hätte. Einfach Wahnsinn mitten im größten Verkehrschaos der Welt zu sitzen!

Im Schatten der Wolkenkratzer und zu russischer Popmusik, die anlässlich des Feiertages gespielt wurde, genossen wir ein erfrischendes Kwas, was auch oft russische Cola genannt wird. Es war auch schon wieder spät geworden und ich entschied mich erstmal für günstige Nudeln mit Pesto im Hostel, bevor es ans Feiern des Nationalfeiertages ging. Jedoch war ich nach dem Feuerwerk und etwas Club Propaganda einfach zu müde und bin wieder in mein Bett gefallen, wobei mir hier ein schnarchender Peruaner die Nerven raubte. Bis schliesslich niemand im Schlafsaal mehr ein Auge zu brachte und der Schnarcher in Gemeinschaftsarbeit geweckt wurde. Am nächsten Morgen packte ich schon früh meine sieben Sachen und ging zu einer Free-Walking-Tour, um mich noch einmal richtig als Tourist zu fühlen. Am Anfang war es super interessant, später seilten sich der Amerikaner John und ich zu unserer eigenen Metrotour ab. In den zwei Tagen hier, habe ich mich zu einem echten Metrofan entwickelt. Ich bin jedoch auch nie zur rush hour gefahren. Nach einem Supermarktmittagessen, das gezeigt hat, dass billig nicht immer gut und schmackhaft sein muss, habe ich mir erstmal eine Sitzbank gesucht um das Ganze zu verarbeiten. Die harmlos aussehende Wasserflasche stellte sich nämlich als Heilwasser mit Kanalgeschmack heraus. Also seid gewarnt und besser nicht nachmachen. Nach kurzer Erholungspause ging es wieder ins Hostel. Dort holte ich nur meinen Rucksack, denn diese Nacht blieb ich noch bei Tanya, die ich über Couchsurfing kennen gelernt habe. Denn ich hatte eigentlich geplant schon heute Nacht nach Petersburg zu fahren. Mir wurde jedoch vermittelt, dass alle Züge schon ausgebucht waren – war jedoch falsch, wie sich am nächsten Abend herausstellen sollte.

Pünktlich um sechs Uhr und etwas nervös wegen meinem ersten Couchsurfingversuch, wartete ich an Tanyas Metrostation, die am Anfang der Wohnviertel Moskaus, also außerhalb des braunen Kreises lagen. Als wir uns dann trafen,waren wir sofort auf einer Wellenlänge und ich hatte echt Glück bei ihr gelandet zu sein. Dadurch erlebte ich Moskau auch außerhalb der Tourimeilen. Zuerst wurde ich mit traditionell russischer Kost zugestopft, bis mir dann endlich geglaubt wurde, dass ich echt keinen Hunger mehr habe.

Kurz darauf zogen wir auch wieder los. In ein russisches Zeitcafe – eine richtig geniales Konzept. Man zahlt hier für seine Zeit – Tee,Kaffee und Kekse gibt es umsonst dazu. So endeten wir in einer kleinen Abstiege eines Wohnblocks. Und versuchten uns erst einmal an der Playstation. Da die Betreiber des Cafes aber offensichtlich mehr Spaß daran hatten,als wir, ging es weiter. Das nächste Ziel war ein kleines, irisches Nest, am Moskauer Highway. Da Tanya und ich beide Guiness-Liebhaberinnen sind, gönnten wir uns zur Feier des Tages ein Bier für 290 Rubel! Doch für heute Abend hatten wir noch ein weiteres Ziel: Das Dach von Tanyas Wohnhaus. Also schnell im Supermarkt mit russischen Leckereien eingedeckt – wobei hier vieles so extrem süß ist, dass sogar ich es viel zu süß finde. Mit der Metro zurück geflizt und mit dem Aufzug bis in den 17.Stock. Das letzte Stück in den 18.Stock musste zu Fuß zurückgelegt bzw. geklettert werden. Also haben wir uns einfach mal durch eine kleine Öffnung im Metallgitter gequetscht. Doch dann die erste Ernüchterung: Tür zu – fest verschlossen. Aber da meinte Tanya schon, dass es noch eine andere Möglichkeit gibt und so tapsten wir im Dunkeln über Rohre und Leitungen. Doch auch die nächste Tür war verschlossen. So ein Mist- alles rütteln, zerren und treten war vergeblich. Doch Plan B. Wie öffnen wir dieses Monstrum von Schloss? Der ganze Weg wieder zurück, wieder durch das Metallgitter gequetscht und in den 16.Stock in die Wohnung und losgegoogelt. Das zwei Mädels  ohne kriminelle Vorerfahrungen auch mithilfe von Youtube-Anleitungen kein Schloss knacken können, war ja irgendwie vorhersehbar. Dafür machten wir uns dann einen schönen Abend mit einem neuen Spiel: Mit einem Fernglas standen wir am Küchenfenster und beobachteten,was die Nachbarschaft so tut. Das Spiel heißt übrigens KGB! Daneben gab es unsere Einkäufe, typische russisches Fernsehen und wir haben uns Pussy Riot Masken gebastelt. Am nächsten Morgen zog ich dann auch mal völlig alleine los, da Tanya arbeiten musste. So verbrachte ich den Tag vor allem mit Stadplan lesen und herumsuchen. Trotzdem lernte ich so viele neue Ecken kennen und ich fühlte mich langsam ziemlich wohl hier in Moskau. Pünktlich um sechs Uhr traf ich mich wieder mit Tanya, wo ich jedoch erst mal mit Schrecken feststellen musste, dass mein Nachtzug heute, wohl schon gestern abend ohne mich gefahren ist. Ich hatte also ein Ticket für den 13.Juni bekommen und war immer der Überzeugung es wäre der 14.Juni gewesen. Das war zumindestens das, was die Frau am Ticketschalter mir erzählte. Zum Glück hatte ich Tanya, die für mich alles abtelefonierte. Keinen Platz im Bus mehr frei heute. Aber für heute Nacht gab es zufälligerweise noch Tickets. Da das Onlinebuchen nicht funktionierte, mussten wir erst noch durch halb Moskau cruisen, bis wir am Ticketschalter standen. Der sollte jedoch in fünf Minuten schliessen, weshalb wir eine neue Schlange und neues Glück brauchten. Das klappte dann alles reibungslos und wir konnten uns in einem Cafe von diesem Schock erholen. Dann ging es auch schon zurück und ich holte meinen Rucksack. Tanya konnte leider nicht mit zum Bahnhof kommen, da sonst keine Metro mehr zurückging.  Da war mir schon etwas mulmig! Aber zum Glück war Nkeshia, ein Kameruner, den ich im Hostel kennen gelernt hatte so nett, bis 3.20 Uhr mit mir am Bahnhof zu sitzen. Ich war richtig froh, als ich in meinem Bettgemach im Zug liegen konnte. Unser Wagon war wie ein riesiger, fahrender Hostelschlafsaal und supergemütlich. Vor allem ein wunderschönes Gefühl morgens bei wildfremden Menschen auf dem Bett zu sitzen ( was dann mein offizieller Sitzplatz war) und gemeinsam das mitgebrachte Essen zu teilen. Trotz so viel Harmonie, war ich froh,als ich endlich in Peterburg angekommen bin. Nach einigen Kommunikationsschwierigkeiten habe ich mir noch eine russische Simkarte gekauft und die Leute im Laden waren so nett, mir ihr Wlan zu geben. Erschöpft und glücklich kam ich dann in der Wohnung von meinen kulturweit-Homies Jan und Lea an. Doch das ist schon wieder eine neue Geschichte…

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