Doch endlich winkt das Ziel: Im Schimmer der weissen Mauern leuchtend nah, in goldener Kreuzeskuppeln Flimmer liegt gross und herrlich Moskau da!
A.S.Puschkin.
Ja, es liegt wirklich alles so glanzvoll und schwer da.
Als ich nach meiner schönen Zugfahrt am Bahnhof Leningradski von den Mädls Anna und Alisa in Empfang genommen wurde, war ich schon richtig froh nicht alleine im riesigen Moskau dazustehen.
Deswegen war es super, dass die beiden mit mir das Zugticket (welches später noch Probleme machen sollte), Metroticket und russische Rubel organisierten. Nachdem wir nach etwas Suchen auch mein Hostel entdeckt hatten, wurde schnell der Rucksack abgestellt und es ging los ins Getümmel.
Die Straßen waren zwar deutlich voller als in Tartu, jedoch nicht so sehr, dass es mich stresste. Auch die Metro war erstaunlich leer. Aber trotzdem war ich froh die beiden an meiner Seite zu haben, da meine kyrillisch Lesekünste noch ausbaufähig sind. Wieder an der Erdoberfläche waren wir mitten im Zentrum und spazierten über den roten Platz. Im Edelkaufhaus GUM ein Eis gegönnt, spazierten wir die Kremlmauer entlang. Da sich Putin auch durch heftiges Winken vor seinem Fenster nicht meldete spazierten wir weiter Richtung Christi-Erlöserkirche. Dies ist für die Gläubigen eine besondere Kirche und deswegen verhüllten sich die beiden und bedeckten auch die Haare. Ich machte ihnen einfach nach, um mich nicht zu sehr als Tourist zu fühlen. Jedoch natürlich nicht so wie Pussy Riot, die in diesem Gotteshaus zugange waren und damit einen grossen Skandal auslösten. Dazu vielleicht: Bevor ich es überhaupt anschneiden konnte, wurde ich oft von russischen Bürgern gefragt, was ich denn von der Politik ihres Landes hielte. Und irgendwie fand ich es verdammt schwierig auf diese Frage zu antworten. Noch dazu, wo ich auch nicht so gut informiert war. Dassder Staat zwar stärker anwesend schien, als ich es gewohnt bin, merkte ich aber schon. Hat jedoch auch seine Vorteile, denn so kann man immer leicht nach dem Weg fragen.
Denn auch waschechte Moskauer verlaufen sich mal – schliesslich fanden wir unseren Weg in den Gorkipark. Dort fand auch frisch angelegten Grünflächen eine Art Massenentspannung statt. Also passten auch wir uns der Masse an und genossen die Abendsonne. Doch die Grossstadt zeichnete ihre Spuren an mir ab und ich wurde nach einem Besuch im russischen Supermarkt bis ganz zurück ins Hostel begleitet, damit ich mich nicht verlaufe. Mein Abend endete schon ganz früh mit einer Teerunde, einem Zusammentreffen mit anderen deutschen Freiwilligen und nur noch meinem Bett. Trotz viel Komfort im Zug hatte ich viel nachzuholen, weshalb ich mich am nächsten Tag erst um 13 Uhr mit Olga traf. Supergut, dass hier ein paar liebe Leute auf mich warteten und richtig darauf brannten mir ihr Land zu zeigen. Dieses Gefühl habe ich in Estland doch etwas vermisst. Heute verliessen wir den braunen Kaffeetassenrand, gemeint ist die wichtigste Metrolinie, die Kreisbahnen um das Zentrum fährt. Die Legende hierzu ist, dass Stalin einmal seine Kaffeetasse auf den vorläufigen Metroplan gestellt hatte und die Architekten den braunen Kaffeerand auch einfach mitbauten. So besichtigten wir zuerst Krasnjy Oktjabr, das Gebäude einer alten Schokoladenfabrik, das jetzt viele Ateliers und Cafes beherbergt und so zu einem richtigen Hipsterplace wurde. Es war jedoch nicht so einfach dorthin zu kommen, denn zahlreiche Absperrungen und Polizeikontrollen waren im Weg, weil mal wieder eine Demo gegen Putin war.
Um dem Getümmel zu entkommen machten wir uns bald auf Richtung Hauptuniversität. Dort angekommen gab es endlich ein bisschen mehr Grün, sogar eine Skisprungschanze und einen netten Überblick über das Moskauer Häusermeer.
Wahnsinn, kein Ende in Sicht. Schliesslich gönnten wir uns einen Kartoffel-Imbiss bei картошка.Gestärkt zogen wir weiter zur Universität. Die Größe hier hat mich echt wahnsinnig überwältigt. So musste ich erstmal einige Augenblicke in den Himmel schauen, um ein Ende zu erkennen.Leider konnten wir nicht in das Gebäude, denn ich hatte ja keinen Ausweis. So war unser Plan nach Moscow City zu fahren. Und so kam ich zu meiner ersten Marshrutkafahrt, was ich alleine sicher auch nicht getan hätte. Einfach Wahnsinn mitten im größten Verkehrschaos der Welt zu sitzen!
Im Schatten der Wolkenkratzer und zu russischer Popmusik, die anlässlich des Feiertages gespielt wurde, genossen wir ein erfrischendes Kwas, was auch oft russische Cola genannt wird. Es war auch schon wieder spät geworden und ich entschied mich erstmal für günstige Nudeln mit Pesto im Hostel, bevor es ans Feiern des Nationalfeiertages ging. Jedoch war ich nach dem Feuerwerk und etwas Club Propaganda einfach zu müde und bin wieder in mein Bett gefallen, wobei mir hier ein schnarchender Peruaner die Nerven raubte. Bis schliesslich niemand im Schlafsaal mehr ein Auge zu brachte und der Schnarcher in Gemeinschaftsarbeit geweckt wurde. Am nächsten Morgen packte ich schon früh meine sieben Sachen und ging zu einer Free-Walking-Tour, um mich noch einmal richtig als Tourist zu fühlen. Am Anfang war es super interessant, später seilten sich der Amerikaner John und ich zu unserer eigenen Metrotour ab. In den zwei Tagen hier, habe ich mich zu einem echten Metrofan entwickelt. Ich bin jedoch auch nie zur rush hour gefahren. Nach einem Supermarktmittagessen, das gezeigt hat, dass billig nicht immer gut und schmackhaft sein muss, habe ich mir erstmal eine Sitzbank gesucht um das Ganze zu verarbeiten. Die harmlos aussehende Wasserflasche stellte sich nämlich als Heilwasser mit Kanalgeschmack heraus. Also seid gewarnt und besser nicht nachmachen. Nach kurzer Erholungspause ging es wieder ins Hostel. Dort holte ich nur meinen Rucksack, denn diese Nacht blieb ich noch bei Tanya, die ich über Couchsurfing kennen gelernt habe. Denn ich hatte eigentlich geplant schon heute Nacht nach Petersburg zu fahren. Mir wurde jedoch vermittelt, dass alle Züge schon ausgebucht waren – war jedoch falsch, wie sich am nächsten Abend herausstellen sollte.
Pünktlich um sechs Uhr und etwas nervös wegen meinem ersten Couchsurfingversuch, wartete ich an Tanyas Metrostation, die am Anfang der Wohnviertel Moskaus, also außerhalb des braunen Kreises lagen. Als wir uns dann trafen,waren wir sofort auf einer Wellenlänge und ich hatte echt Glück bei ihr gelandet zu sein. Dadurch erlebte ich Moskau auch außerhalb der Tourimeilen. Zuerst wurde ich mit traditionell russischer Kost zugestopft, bis mir dann endlich geglaubt wurde, dass ich echt keinen Hunger mehr habe.
Kurz darauf zogen wir auch wieder los. In ein russisches Zeitcafe – eine richtig geniales Konzept. Man zahlt hier für seine Zeit – Tee,Kaffee und Kekse gibt es umsonst dazu. So endeten wir in einer kleinen Abstiege eines Wohnblocks. Und versuchten uns erst einmal an der Playstation. Da die Betreiber des Cafes aber offensichtlich mehr Spaß daran hatten,als wir, ging es weiter. Das nächste Ziel war ein kleines, irisches Nest, am Moskauer Highway. Da Tanya und ich beide Guiness-Liebhaberinnen sind, gönnten wir uns zur Feier des Tages ein Bier für 290 Rubel! Doch für heute Abend hatten wir noch ein weiteres Ziel: Das Dach von Tanyas Wohnhaus. Also schnell im Supermarkt mit russischen Leckereien eingedeckt – wobei hier vieles so extrem süß ist, dass sogar ich es viel zu süß finde. Mit der Metro zurück geflizt und mit dem Aufzug bis in den 17.Stock. Das letzte Stück in den 18.Stock musste zu Fuß zurückgelegt bzw. geklettert werden. Also haben wir uns einfach mal durch eine kleine Öffnung im Metallgitter gequetscht. Doch dann die erste Ernüchterung: Tür zu – fest verschlossen. Aber da meinte Tanya schon, dass es noch eine andere Möglichkeit gibt und so tapsten wir im Dunkeln über Rohre und Leitungen. Doch auch die nächste Tür war verschlossen. So ein Mist- alles rütteln, zerren und treten war vergeblich. Doch Plan B. Wie öffnen wir dieses Monstrum von Schloss? Der ganze Weg wieder zurück, wieder durch das Metallgitter gequetscht und in den 16.Stock in die Wohnung und losgegoogelt. Das zwei Mädels ohne kriminelle Vorerfahrungen auch mithilfe von Youtube-Anleitungen kein Schloss knacken können, war ja irgendwie vorhersehbar. Dafür machten wir uns dann einen schönen Abend mit einem neuen Spiel: Mit einem Fernglas standen wir am Küchenfenster und beobachteten,was die Nachbarschaft so tut. Das Spiel heißt übrigens KGB! Daneben gab es unsere Einkäufe, typische russisches Fernsehen und wir haben uns Pussy Riot Masken gebastelt. Am nächsten Morgen zog ich dann auch mal völlig alleine los, da Tanya arbeiten musste. So verbrachte ich den Tag vor allem mit Stadplan lesen und herumsuchen. Trotzdem lernte ich so viele neue Ecken kennen und ich fühlte mich langsam ziemlich wohl hier in Moskau. Pünktlich um sechs Uhr traf ich mich wieder mit Tanya, wo ich jedoch erst mal mit Schrecken feststellen musste, dass mein Nachtzug heute, wohl schon gestern abend ohne mich gefahren ist. Ich hatte also ein Ticket für den 13.Juni bekommen und war immer der Überzeugung es wäre der 14.Juni gewesen. Das war zumindestens das, was die Frau am Ticketschalter mir erzählte. Zum Glück hatte ich Tanya, die für mich alles abtelefonierte. Keinen Platz im Bus mehr frei heute. Aber für heute Nacht gab es zufälligerweise noch Tickets. Da das Onlinebuchen nicht funktionierte, mussten wir erst noch durch halb Moskau cruisen, bis wir am Ticketschalter standen. Der sollte jedoch in fünf Minuten schliessen, weshalb wir eine neue Schlange und neues Glück brauchten. Das klappte dann alles reibungslos und wir konnten uns in einem Cafe von diesem Schock erholen. Dann ging es auch schon zurück und ich holte meinen Rucksack. Tanya konnte leider nicht mit zum Bahnhof kommen, da sonst keine Metro mehr zurückging. Da war mir schon etwas mulmig! Aber zum Glück war Nkeshia, ein Kameruner, den ich im Hostel kennen gelernt hatte so nett, bis 3.20 Uhr mit mir am Bahnhof zu sitzen. Ich war richtig froh, als ich in meinem Bettgemach im Zug liegen konnte. Unser Wagon war wie ein riesiger, fahrender Hostelschlafsaal und supergemütlich. Vor allem ein wunderschönes Gefühl morgens bei wildfremden Menschen auf dem Bett zu sitzen ( was dann mein offizieller Sitzplatz war) und gemeinsam das mitgebrachte Essen zu teilen. Trotz so viel Harmonie, war ich froh,als ich endlich in Peterburg angekommen bin. Nach einigen Kommunikationsschwierigkeiten habe ich mir noch eine russische Simkarte gekauft und die Leute im Laden waren so nett, mir ihr Wlan zu geben. Erschöpft und glücklich kam ich dann in der Wohnung von meinen kulturweit-Homies Jan und Lea an. Doch das ist schon wieder eine neue Geschichte…



