Terve, Hej und Moi aus dem Land der Finnen. Mit meinen Gedanken bin ich noch immer dort und vergleiche Preise, aber in Wirklichkeit sitze ich in meinem Zimmer in Tartu und versuche die vergangene Woche in Tastenform zu bringen.
Damit in den Herbstferien bloß keine Langeweile aufkommt sind wir zwei Kulturweitler (Carolin und ich) in das 80km nahe Finnland gecruist. Wir wollten nun auch den (eher unbeliebten) Nachbarn der Esten genauer kennenlernen. Das ist vor allem wieder einmal eine Sache des Geldes. Fernab von estnischen Studentenpreisen und dem nächsten Maxima, haben wir eine Woche nüchtern und bei Lidl verbracht (ich bin fast ausgeflippt, als mir eine deutsche Erasmusstudentin verraten hat, dass es dort auch Brezen gibt).
Das soll jedoch nicht heißen, dass wir wie Kulturbanausen in den Lidl gestürzt sind, um unsere geliebten Produkte aus der Heimat für den doppelt und dreifachen Preis zu erwerben. Ein kurzer Abstecher bei H&M in Helsinki musste aber sein, ganz einfach um zu sehen, was alle hippen Leute denn gerade so tragen.
Kaum von der Fähre wurden wir von schönster finnischen Morgensonne empfangen. Unser Stadtspaziergang wurde durch verschiedene Picknickpausen an den verschiedensten Sehenswürdigkeiten ausgedehnt. Als bei Dämmerung immer noch nicht klar war, wo heute unser Schlafplatz sein sollte, nutzten wir die Bahnhofswäre, das Wlan dort und die Hilfsbereitschaft anderer Leute und organisierten uns ein Hostelbett. Nach einer Nacht CheapSleep und Nudeln mit Analogkäse wurden wir am nächsten Abend bei unserem Host Jari mit karelischen Reispiroggen und feinster Fazer-Schokolade empfangen. Falls jemand je finnische Teletubbies sehen sollte, aufgepasst, die wurden nämlich von ihm übersetzt.
Davor waren wir auf einer kleinen Oase im Wasserbecken vor Helsinki – Suomenlinna. In unserem überteuerten Tagesticket war sogar die Fähre enthalten.Sehr empfehlenswert ist hier die Pulla im Cafe Vanille und der Ausblick von der Inselfestung auf die weite See. Um unser Ticket wirklich auszunutzen machten wir uns auf die weite Reise zur nördlichsten Metrostation der Welt. Und nein, die Bilder sind nicht gestellt, es war wirklich kalt, am nächsten Morgen gabs es sogar Schnee!
Durch neblignasse Landschaft erreichten wir nach nur 1,5 Stunden mit dem Zug unseren nächsten Stop: Turku. Dort erwarteten uns schon unsere Gastgeber Juho und Emma. Über Brücken und durch Sträucher hindurch ging es in ihre gemütliche Wohnung im Studentendorf. Bei Tee und Ofenkartoffeln verbrachten wir einen super Abend, weshalb es am nächsten Morgen etwas später wurde. Im strömenden Regen begannen wir unsere Stadttour, die dann doch irgendwann im warmen Einkaufszentrum endete. Beim Zimtschnecken essen im Cafe kam uns die Idee. Heute Abend sollte noch eine Pulla-Massenproduktionsparty in der Küche steigen. Nach den nötigen Einkäufen (Lidl !!) und einer warmen Gazpacho-Suppe von Juho, erfüllte bald ein wunderbarer Duft von Hefe und Kardamom die Wohnung. Ob einfach pur, getunkt in Milch oder mit der Kreisesstechnik – es gab viel Diskussionsbedarf über die beste Esstechnik. Hintendran gabs den Dokumentarfilm „Miesten vuoro“ über emotionale Männergespräche und – geschichten in der Sauna.
Am nächsten Morgen (leider schon dem letzten in Turku) wurde das Frühstück in eine Lakritzeisverkostung ausgedehnt und nach einer langen und sehr herzlichen Abschiedszeremonie ging es mit dem Bus für uns auf die Insel, bevor wir mit dem Zug weiter nach Tampere tuckerten. Unsere romantisches Mittagessen am Meer hat leider nicht geklappt, aber dafür wurden wir einmal in unserem Leben auch mal mit Tütentomatensuppe überweht.
Bei Betreten des tamperschen Fußbodens dachte ich beim ersten Anblick an eine amerikanische Einkaufsstraße, so hell erleuchtet war das alles. Leider half uns das bei der Bushaltestellesuche nicht viel, der hilflose Touristenblick half uns aber dann immer weiter. In Tampere soll man nämlich immer winken, damit der Bus anhält. War eben ein Anfängerfehler,als der Bus Nummer 13 so einfach an uns vorbeigebraust ist. Doch einfach durchfragen und man bekommt die wahre Hilfsbereitschaft der Finnen zu spüren. Also wirklich Esten, in Sachen Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft könntet ihr den Touristen doch häufiger mal einfach freundlich entgegenlächeln. Endlich im Bus ging es Richtung Hervanta( einem Viertel aus vielen Wohnblocks ca.8km außerhalb des Zentrums). Dort wohnen eigentlich nur Studenten und vielleicht auch wegen der erschwinglicheren Preisen wurde Tampere zur lebenswertesten Stadt in Finnland gekürt. Angekommen wurden wir von unserem Host Jatin, einem indischen Materialwissenschaftsstudenten in Empfang genommen. Bei Nudeln und amerikanischem Film klang der Abend aus.
Denn am nächsten Morgen ging es früh raus. Jatin an die Uni, Carolin ins Museum und ich die Innenstadt anschauen. Leider konnte die mich nicht so begeistern. Nachdem die Gruppe wieder komplett war, begaben wir uns auf die Hügel Tamperes und genossen von einem Turm den Ausblick über die ganze Stadt. Danach unbedingt die hiesige Spezialität Munkki im Cafe darunter essen. Und nein, das ist kein Donat, es sieht nur so aus und schmeckt tausendmal besser. Gestärkt schafften wir es auch endlich noch in die Sauna, nachdem wir bei unseren vorherigen Hosts einfach zu wenig Zeit hatten. Ausgeschwitzt und ausgehungert gab es dann indisches Curry und nach einer kleinen Verdauungspause ging es zu einer Vor-Vappu-Party. Vappu ist das wohl wichtigste Ereignis für einen finnischen Studenten. Dabei handelt es sich um ein Fest des Frühlings in Tagen um den 1.Mai – einer Mischung aus übermäßigem Alkoholkonsum und Studententraditionen. Bis dahin sind es nur noch sechs Monate und das wurde an diesem Abend ordentlich gefeiert. Dabei tragen die Finnen praktischerweise funktionale Ganzkörperoveralls (die Farbe hängt vom Studienfach ab), die sich ganz verschiedenen Situationen, wie zum Beispiel Sauna oder OpenAir – Konzert anpassen. Die Idee dieser sogenannten haalarit finde ich sehr super und ich werde mir so etwas für mein eigenes Studium auch zulegen.
Doch irgendwann hatte auch die Feierei ein Ende, wie auch unser Finnlandtrip, der hiermit schon fast wieder vorbei war. Von Tampere ging es wieder zurück ins nebelige Helsinki, wo wir unser Abenteuer noch mit heißem Punsch und frischer Pulla am Hafenbecken abschlossen. Zusammen mit H&M-Tüten beladenen Esten und mit Alkohol beladenen Finnen schaukelten wir zurück nach Tallinn. Doch wir werden uns bestimmt bald noch einmal wieder sehen, liebes Finnland. So lange kann ich ja noch die mitgebrachten Salzlakritz naschen!