Von der Ziege zum Affen

Von der Ziege zum Affen, oder : ein Bericht über das wohl wichtigste Fest hier in der Mongolei.

Tsagaan Sar. Ein Wort, das schon Woche vor dem eigentlichen Ereignis immer häufiger Thema der Gespräche hier wurde. Was mir wahrscheinlich nur deshalb ausffiel, weil ich sonst bei den Gesprächen nie ein Wort verstehe. Je näher das Ereignis rückte, desto mehr häufte sich das Wort in den Gesprächen, und auch ich wurde immer gespannter, was es mit diesem Fest auf sich hat.

Das Jahr des Affen naht, das weiß auch Coca- Cola :D

Das Jahr des Affen naht, das weiß auch Coca- Cola

  • Der letzte Abend des alten Jahres

08.02.2016. Der letzte Abend des alten Jahres wird traditionellerweise mit einem Essen in der Familie gefeiert. Netterweise durfte ich bei Marens Gastfamilie mitfeiern, und so falteten wir davor fleißig Buuz und errichteten einen Turm aus Neujahrsbrot. Solch ein Turm, gefüllt mit Aarul und Süßigkeiten und immer mit einer ungeraden Anzahl an Schichten, darf zu Tsagaan Sar an keinem Tisch fehlen.

Aufgetischt wurde dann Einiges : buuz und bansch (große und kleinere, mit Fleisch gefüllte Teigtaschen), Fleisch, Thunfischsalat, Kimchi,, Reis und etwas Gemüse; zu Trinken dann Milchtee und Wodka.
Bevor es dann losging, wurde aber erst etwas Essen auf ein schön geschmücktes Regal gestellt, welches wohl den Opfertisch für die Göttin Tara darstellen sollte. Diese kommt nämlich, so sagt man, am letzten Abend des alten Jahres, um in jedem Haushalt die Lebenden zu zählen. Und weil sie ja auf dieser weiten Reise eine Stärkung braucht, gibt es die Opfergaben. Vom Prinzip her wie der Teller Plätzchen für den Nikolaus.:D
Der letzte Abend des Jahres der Ziege war ein echt lustiger. Mit Marens Gastfamilie, wo auch nur der älteste Sohn etwas Deutsch und Englisch vversteht, redeten wir also in einem lustigen Mix aus Englisch, Mongolisch und Zeichensprache. Vor allem die Gastmama war sehr bemüht,uns alles zu zeigen und zu sagen, so wie dass man an diesem Abend nach dem Essen wirklich bis oben hin voll sein muss- das sei ein gutes Ohmen. Nachdem wir dann noch ein bisschen zusammen am Klavier geklimpert haben, mit den Kindern getanzt haben, virtuell Floß und Ski gefahren sind und uns Familienbilder vom Urlaub am Khusvgul angeschaut haben, ging es dann schließlich ins Bett. Es sollte eine kurze Nacht bleiben…

Beim buuz falten - höchste Konzentration!

Beim buuz falten – höchste Konzentration!

Das letzte Essen im Jahr der Ziege

Das letzte Essen im Jahr der Ziege

Marens Gastgeschwister ganz schick

Marens Gastgeschwister ganz schick

Wer findet die zwei Kuckuckskinder? ;)

Wer findet die zwei Kuckuckskinder? 😉

  • Willkommen im Jahr des Affen

…denn am Neujahrstag steht man der Tradition nach früh auf, um draußen den ersten Sonnenaufgang zu sehen und einige Rituale durchzuführen. Das haben wir zwar nicht gemacht, aber trotzdem waren auch wir vor den ersten Sonnenstrahlen auf den Beinen. Nachdem sich alle die traditionelle Kleidung, den Deel, angezogen hatten, begann die Neujahrsgrußzeremonie, die sich die üblichen Tage noch etliche Male wiederholen sollte. Dazu sitzt der Gastgeber/ der Älteste (ganz wichtig: mit Fellmütze!) auf seinem Platz. Die Gäste begrüßen diesen dann mit einem „“Амар байна уу?“ (Amar baina uu?, zu deutsch: sind Sie wohlauf?)“, stützen ihn von unten ,wenn sie jünger sind, oder werden vom Gegenüber von unten gestützt, wenn sie die Älteren sind. Dabei wird eine Art Küsschen links und rechts angedeutet, das aber bei manchen eher eine Art Schnuppern, bei anderern wiederum ein feuchter Schmatzer auf die Wange ist 😀

Sonnenaufgang

Sonnenaufgang

Da sonnt sich der Hammelrücken

Da sonnt sich der Hammelrücken

Der Khadag (blaue Gebetsschal) wird übergeben

Der Khadag (blaue Gebetsschal) wird übergeben

Neujahrsgruß

Neujahrsgruß

Nachdem der Neujahrsgruß vollzogen war, begannen die Familienbesuche. Der Tradition nach ist Tsagaan Sar ein großes Familienfest, jedoch nicht so wie man das vielleicht von uns kennt, dass alle sich irgendwo zum Essen treffen. Nein, hier tingelt man von Familie zu Familie und ist so im Extremfall sechs Tage und etliche Kilometer unterwegs. Begonnen wird hierbei bei den ältesten und engsten Familienmitgliedern. Die Besuche laufen dann vom Schema alle gleich ab. Man kommt an, macht den Neujahrsgruß „Амар байна уу?“, isst einige buuz und trinkt etwas Wodka, und wenn die Geschenke übergeben worden sind, ist das das Zeichen zu gehen und den Platz an der Tafel für die nächsten Gäste zu räumen. Noch eine Besonderheit tut sich hier auf : es werden immer die Gäste beschenkt! Dafür wird dem Gastgeber dann im Gegenzug beim Neujahrsgruß Geld überreicht.

Unterwegs mit Marens Gastfamilie

Unterwegs mit Marens Gastfamilie

Für mich hieß es es nach dieser Familie dann schon: weiter geht’s. Von meiner Grundschulmanagerin Zaza wurde ich nämlich dazu eingeladen, Tsagaan Sar mit ihr und meinem deutschen Lehrerkollege Stephan zu verbringen. Ein Teil ihrer Familie wohnt in Darkhan, eine der wenigen halbwegs großen Städte hier neben UB. Ganz gemütlich machten wir drei und zwei Söhne von Zaza plus Familie und dann gegen Mittag auf den Weg. Gemütlich ist hier das Stichwort, denn anders als ich es von Urlaubsfahrten meiner Familie kenne, bei welchen so wenig Pause wie möglich gemacht wird, um so schnell es geht anzukommen, wird hier kein Stress geschoben. Dann hält man hier mal und kauft was zu Essen,kurz darauf zur Pinkelpause,  5 km später dann, um eine CD zu kaufen,…:D
Gegen Abend kamen wir dann bei Zazas Mutter an, wo wir schon eine reich gedeckten Tisch vorfanden. Neben Neujahrsbrot, buuz und dem Hammelrücken entdeckte ich zu meinem Erstaunen auch Obst, Trockenfrüchten und Rotkohl.

Zazas Mutter und ich

Zazas Mutter und ich

DIe Festtafel

Die Festtafel

Reichlich buuz gehören dazu!

Reichlich buuz gehören dazu!

...so wie auch der Wodka

…so wie auch der Wodka

Stephan, Zaza, ihre Mutter und ich

Stephan, Zaza, ihre Mutter und ich

Auf dem Hammelrücken selbst lagen auch wieder genau drei buuz. Das muss doch etwas bedeuten, dachte ich mir, und fragte nach. Es hatte, wie bei dem Neujahrsbrot, wieder was mit ungeraden Zahlen zu tun. Das erste buuz steht nämlich für Gutes , das zweite für schlechtes, und um positiv aufzuhören, kommt dann das dritte hinzu, was wieder für Gutes steht. Interessant gerade deswegen, weil die drei bei uns, vor allem bei der Nummer 13, ja eher als etwas Negatives gesehen wird.

Der Hammelrücken mit den drei buuz

Der Hammelrücken mit den drei buuz

Neu für mich war auch, dass man, sobald man sitzt, einfach anfangen darf zu essen, man muss keine Ansprache oder Aufforderung abwarten. Bekannt war für mich jedoch schon ein weiterer Brauch, der des Austauschen der Schnupftabakflaschen zwischen den Männern. Dabei holen beide ihre Schnupftabakflasche hervor und reichen sie dem anderen, der diese dann beschnuppert. Mich erinnerte das Ganze ein bisschen an das gegenseitige Beschnüffeln zweier Hunde 😉

Die Zeremonie der Schnupftabakflaschen

Die Zeremonie der Schnupftabakflaschen

Um ca 21:00 Uhr ging es dann noch weiter zu Zazas jüngerem Bruder. Als wir uns nach dem üblichen Амар байна уу? zu Tisch setzten, fiel mir auf, dass hier nur zwei buuz auf dem Hammelrücken lagen- wie kann das sein ?!? Ich fragte Zaza,  Zaza fragte ihren Bruder, und es stellte sich heraus, dass dessen kleine Tochter sich nachts unbemerkt in das Zimmer geschlichen hatte und einen buuz verspeist hatte! Witzig, dass das ausgerechnet der Nicht-Mongolin in der Runde als erstes auffiel! Mit der nächsten Ladung buuz wurde das fehlende Stück dann sofort wieder ersetzt 😀

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Airag und Schoki

Airag und Schoki

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Lecker Airag

Lecker Airag

Am nächsten Tag besuchten wir dann noch eine weitere Familie, bevor wir uns dann wieder auf den Weg nach UB machten. Es war schön, an so einem traditionellen Fest hautnah teilzunehmen, allerdings mitunter auch anstrengend. Man wird innerhalb der Tage so gestopft mit Essen, da man bei jeder Familie der Höflichkeit wegen eigentlich ordentlich zugreifen sollte. Ein bisschen schade war auch die Sprachbarriere. Man besucht ja oft Verwandte,die man einige Zeit lang nicht gesehen hat, und so gibt es eine Menge zu erzählen.Was erzählt und worüber gelacht wurde, verstand ich leider nicht.
Dennoch erfuhr und erlebte ich so einiges, und bin froh, die Chance gehabt zu haben, ein religiöses Fest eines anderen Kulturkreises in dieser Form mitzufeiern.

Schnell den viel zu engen Gürtel weg!

Schnell den viel zu engen Gürtel weg!

Darkhan

Darkhan

Darkhan

Darkhan

Darkhan

Darkhan

Vorsicht Kühe!

Vorsicht Kühe!

Tiere auf der Fahrbahn sind hier keine Seltenheit

Tiere auf der Fahrbahn sind hier keine Seltenheit

Diese Weiten...

Diese Weiten…

Zurück nach UB

Zurück nach UB

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Tsagaan Sar Feier in der Mongolisch-deutschen Brücke

Tsagaan Sar Feier in der Mongolisch-deutschen Brücke