Vierzehn Pferde, Wodka und Energie

Vierzehn Pferde, Wodka und ganz viel (alternative) Energie – mit diesen Worten lässt sich wohl mein Wochenende am Besten beschreiben. Wie das alles miteinander zusammenhängt und was man in der Mongolei tut, wenn mitten im Nirgendwo das Auto streikt – nun, lest selber.

Alles begann vor ein paar Wochen, als mich der deutsche Lehrer an meiner Schule fragte, ob wir nicht Lust auf einen Ausflug hätten. Ziel der Reise: das Shambala Energiezentrum bei Sainshand, circa 460km südöstlich von Ulaanbaatar.
Energiezentrum? Nein, damit ist hier nicht eine Ansammlung von Windrädern oder ähnlichem gemeint, sondern eine buddhistische Anlage, wo diverse Rituale durchgeführt werden, welche einem selbst Energie bringen sollen. Nun gut, ob das stimmt oder nicht, darüber kann man diskutieren, ausprobieren kann man es dennoch.
Gesagt getan – und so machte sich am Samstag ein Russenbus voller energiebedürftiger Deutschen plus Guide Tseegi und Fahrer Naraa auf in Richtung Südosten.

Am Sonntag dann Kirche buddhistisches Energiezentrum. Als erstes tankten wir dann Energie bei einer kleinen Zeremonie in der Klosteranlage von Khamariin Khiid. Eigentlich wollten wir bloß den Tempel mit seinen wunderschön bunten Wandgemälden bestaunen, doch plötzlich rief ein Lama uns alle in die Mitte. Leicht verwirrt positionierten wir uns auf seine Anweisung erst alle in einer Reihe und legten dabei unsere Hände auf den Rücken des Vordermanns. Der Lama sprach ein paar Worte und durch die Reihe sollte dann die Energie fließen. Gefühlt habe ich zwar nichts, aber es war schön, einmal solch ein Ritual mitbekommen zu haben.

Die Zeremonie der fließenden Energie

Die Zeremonie der fließenden Energie

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In einem weiteren Tempel wartete auf uns dann eine besondere Art des Horoskops. Eine Hand voll Schafknöchel wird dreizehnmal geworfen und die Anzahl der Pferde addiert. Pferde in Schafsknöcheln? Nun ja, jeder Knöchel hat vier unterschiedlich aussehende Seiten, die nach den Tieren hier benannt sind. Eine Seite ist also ein Kamel, eine ein Pferd, die nächste ein Schaf und die vierte eine Ziege. Bei diesem Horoskop hier wurden dann also immer nur die Knöchel gezählt, die auf der Pferd – Seite landeten. Und siehe da: ich würfelte gleich vierzehn Pferde, was für besonders viel Glück stehen soll. Dann kann ja dieses Jahr eigentlich nichts schief gehen!

Eine buddhistische Gottheit

Eine buddhistische Gottheit

Die Schafsknöchel

Die Schafsknöchel

Etwas oberhalb der Klosteranlage sahen wir dann schon die nächste Opferstelle auf unserem Weg zu mehr Energie. Diese hier sollte Frauen eine hohe Fruchtbarkeit bringen. Passend dazu wurde also Milch an zwei riesige Steinbrüste gegossen, die schon komplett weiß waren. Bei minus 30 Grad und mehr gefriert das Ganze nämlich ziemlich flott. Und mit der Menge an Milch, die wir geopfert haben, sollten theoretisch für jede von uns mindestens fünf Kinder drin sein 😀

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Weiter ging es in das eigentliche Herz der Anlage, das Shambala Energiezentrum, wo dann weiter fleißig geopfert wurde.
Zuallererst war jedoch das Verbrennen von vorher aufgeschriebenen bösen Gedanken angesagt. Bei dem eisigen Wind allerdings nicht durchführbar.
Nicht so schlimm, weiter geht’s zu den positiven Gedanken und Wünschen, um die es sich an der nächsten Station drehte. In die drei im Boden markierte Kreise, symbolisch für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, opferten wir Wodka und Reis.
Anschließend liefen wir ein Stück weiter zu einem wohl besonderen Platz mit besonderer Energie, die man am besten liegen auf dem Boden empfängt. Auch das ließen wir nicht aus, wobei sich der Boden tatsächlich als einen Tick wärmer und angenehmer herausstellte als die Lufttemperatur.
Und dann, ein Stück weiter bei einer Ansammlung von Meditationshöhlen, der Höhepunkt: unsere Wiedergeburt. Diese sah aber eher amüsant aus als spektakulär aus. Um diese zu erlangen, mussten wir nämlich durch eine kleine Öffnung in eine Höhle kriechen und dann unten wieder hinaus. So schnell wird man also wiedergeboren.

108 Stupas stehen hier insgesamt

108 Stupas stehen hier insgesamt

"Wenn wir uns jetzt drehen, ist das dann die Energiewende?"

„Wenn wir uns jetzt drehen, ist das dann die Energiewende?“

Maren vor Wiedergeburt

Maren vor Wiedergeburt

Jessy vor Wiedergeburt

Jessy vor Wiedergeburt

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Die Wiedergeburtshöhle

Die Wiedergeburtshöhle

Dick eingepackt gegen den mongolischen Winter

Dick eingepackt gegen den mongolischen Winter

Nach einer kurzen Autofahrt mit Wodka zum Aufwärmen erreichten wir den Berg Bayanzurkh Uul, den es zu Besteigen galt. Zumindest für die Männer unter uns, die Frauen dürfen nur bis zur Hälfte hinauf. In einem kleinen Tempel dort opferten wir dann noch unsere Kekse ,beziehungsweise versuchten es. Nachdem ich die Schale schön gefüllt hatte, spazierte sogleich eine Horde hungriger Ziegen hinein und machten über unsere Opfergaben her. Nur durch das tatkräftige Anpacken von Tseegi konnten wir den Göttern dann noch ein paar Kekse sichern.

Diese Ziege hat Style

Diese Ziege hat Style

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Tseegi und Ziegi ^^

Tseegi und Ziegi ^^

Nach einem späten Mittagsessen war dann die Heimfahrt eingeplant, eigentlich nichts so spektakuläres. Beim Losfahren rechneten wir optimistisch mit Ankunft in UB um Mitternacht.
Kommen sollte es jedoch ganz anders. Während die energiegeladenen Deutschen nämlich vor sich hin dösten, kämpfte unser Russenbus mit Schneestürmen und der Kälte. Und auch mit dem Motor schien irgendetwas nicht zu stimmen. Circa 50 km vor UB ging dann nichts mehr, irgendein Schlauch war kaputt und Naraa machte sich dran, einen neuen zu organisieren. Nun, gar nicht so leicht um kurz vor 12 nachts irgendwo mitten im Nirgendwo. Schließlich hatte einer seiner Bekannten wohl doch einen, und so fuhren wir noch ein kleines Stück. Bei eisigen Außentemperaturen blieb dann nur die Frage, was wir solange machen. Hier hier zeigte sich wieder die mongolische Gastfreundlichkeit. Obwohl es kurz vor ein Uhr war, empfingen uns Naraas Bekannte in ihrer Jurte, baten uns Tee und Aruul an und kochten dann sogar noch Fleisch. In Deutschland unvorstellbar, mitten in der Nacht spontan acht Fremde in das Wohnzimmer zu lassen und dann auch noch schön Gastgeber zu spielen.
Nach fast zwei Stunden Aufwärmpause mit der mongolischen Version von Mamma Mia im Fernsehen ( die mich fast noch mehr schockte als die ganze Situation überhaupt) hat Naraa das Auto repariert bekommen. Dass er mitten in der Nacht zwei Stunden draußen in der Kälte rumwerkeln durfte, hat ihn dabei nicht zu stören gescheint und er war trotzdem noch gut drauf! Die hier oft vorherrschende Mentalität, Dinge einfach zu nehmen, wie sie sind, und sich nicht darüber aufzuregen, kann natürlich in manchen Situationen natürlich auch negativ sein. Aber in Fällen wie diesen ist sie goldrichtig.

Und so fielen wir um fünf Uhr morgens zwar nicht wirklich energiegeladen, aber zufrieden und glücklich ins Bett.