Am ungarischen Meer

„[…] die Fische und die Vögel, die Krebse, die Ufer und die Tiefen sind noch nicht der Balaton. Der Balaton ist Träumerei und Poesie, Geschichte und Tradition, Ansammlung süß-trauriger Märchen, uralter Sitz sonderbarer ungarischer Menschen, Stolz aus der Vergangenheit und herrliche Hoffnung auf die Zukunft. Ihn zu erkennen wird weder der Ingenieur, noch der Wissen-schaftler, noch der Zoologe jemals die Fähigkeit haben. Ein Reisender ist dazu nötig, der gleichzeitig Dichter und Historiker, und darüber hinaus ein Siebenbürger ist.“
Utazás a Balaton körül [Reise um den Plattensee] von Károly Eötvös (1900)
 
 

Es war einmal…

Kleine Häuser, eine von Bäumen gesäumte Allee. Eine Barockkirche. Sanfte Stille in frühlingshaften Temperaturen. Ein freundliches Nicken und Grüßen, wenn man an einem der Gärten vorbeispaziert. Und inmitten dieser dörfliche Idylle drei Freiwillige aus Pécs.

Letztes Wochenende waren Greta, Peter und ich zu Besuch in Újhartyán, einer Kleinstadt 40 km südlich von Budapest. Újhartyán ist ein ungarndeutsches Dorf, das heißt, dass der Großteil der Bewohner*innen Vorfahren aus Deutschland hat. Diese ungarndeutsche Identität ist sehr wichtig für die Bevölkerung, weshalb es auch einen deutschen Kindergarten und eine deutsche Schule gibt. Auch kulturelle Apekte werden durch beispielsweise eine traditionelle Blaskapelle gestärkt.

Eingeladen zum diesjährigen Schwabenball hat uns Martin, ein ungarndeutscher Student in Pécs. Ganz komfortabel haben wir sogar einen Shuttle von Budapest aus organisiert bekommen. Auch vor Ort wurden wir sehr freundlich aufgenommen. Der Schwabenball selbst war dann durchaus ein Ereignis. Es gab (deutsche) Blasmusik, Tracht und viel zu Essen. Das Ganze hatte schon ein bisschen was von einem bayerischen Volksfest (obwohl ich da keine Expertin bin). Lustig, dass ich mit sowas erst in Ungarn wirklich in Kontakt komme. Meine Tanzkenntnisse sind auf jeden Fall noch deutlich ausbaubar 😀

 

 

 

 

 

Aufbrechen

Ich liebe Zugfahren. Passenderweise sitze ich auch gerade im Zug, zurück nach Ungarn. Die Zeit zuhause ist wie im Flug vergangen. Es ist ein ganz seltsames Gefühl, es fühlt sich ein wenig so an, als sei die Zeit in Deutschland stehen geblieben. Alles ist so vertraut, die Straßen, die Sprache, das Essen, die Menschen. Aber dieser erste Eindruck kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich eben doch auch einiges verändert hat. Vor allem ich, vielleicht. Meine Zeit hier war also auch ein Probieren, ein Zurechtfinden in einer entfremdeten Vertrautheit. Ein kurzes Gefühl, wie mein Alltag in Deutschland aussehen könnte. Jetzt im Zug habe ich die Stille und Ruhe, dem nachzuspüren. Mir zu überlegen, was dieser zweiter Aufbruch für mich bedeutet. Währendessen ziehen schwarz-weiße Landschaften an mir vorbei. Schneebedeckte Tannen, kleine Häuser. Komplett still, wie in einem Stummfilm. Im Hintergrund zeichnen sich die Berge ab, aber es ist zu neblig, um mehr als graue Schemen zu erahnen. Orte tauchen auf und verschwinden wieder, aus den Kaminen ziehen Rauchschwaden in den Himmel. Zugfahren, das ist so ein zeitloser Raum für mich, oder vielleicht auch eine raumlose Zeit. Entkoppelt von der Eile des Alltags. Ein Durchatmen. Und immer auch ein Aufbrechen.  Wohin, das weiß man vorher nie so genau. Aber vielleicht ist das gerade die Faszination des Unbekannten. Dass alles möglich ist. Um mich herum, komplett weiße Felder. Es wird sicher erst im Laufe der Tage, Wochen und Monate zeigen, was im jetzt noch gefrorenen Boden liegt. Fast unbemerkt ziehen die Bahnhöfe an mir vorbei. Aufbrechen, das heißt auch Ankommen. Und wenn ich etwas gelernt habe in den letzten Wochen, dann, dass Zuhause ein Gefühl ist, was nicht auf einen Ort beschränkt ist. Wenn ich also gerade im Zug nach Ungarn sitze, dann habe ich mich auch auf den Weg nachhause gemacht.

Kaffeeflecken in Budapest

Sziasztok!

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Blick von Buda

Letzte Woche waren auch hier in Ungarn Herbstferien, die Greta und ich nutzen, um die Haupstadt besser kennenzulernen. Obwohl das Ganze letzendlich eine etwas kurzfristige Entscheidung war, fanden wir problemlos noch eine Unterkunft bei der sehr gastfreundlichen Ungarin Anna in Józsefváros, einem der ältesten Stadtteile Budapests.

Budapest hat auf jeden Fall einen ganz eigenen Charm, zwischen Gotik, Renaissance, Klassizismus, Jugendstil und dem dynamischen Flair einer jungendlichen Millionenstadt.

 

Am besten sollte man sich ganz ohne Stadtplan auf den Weg machen und so die Seitenstraßen entdecken, in denen sich kleine Cafés und alte Buchhandlungen verstecken. Aber auch die bekannteren Sehenswürdigkeiten sind einen Besuch wert.

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das Parlament

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Szent István-bazilika

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in Buda

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Besonders gefreut habe ich mich, Rita wiederzutreffen, die ich noch von unseren Comenius-Projekt aus kannte. Mittlerweile studiert sie Archäologie und hat Greta und mir eine ganz wunderbare Tour durch Budapest gegeben, inklusive des Ungarischen Nationalmuseums. Köszönöm szépen!

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Blick über die Donau

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im Nationalmuseum

 

 

 

 

 

 

 

Eher zufällig haben wir das Museum für Kunstgewerbe in Budapest gefunden, welches man alleine aufgrund des beeindruckenden Gebäudes mal anschauen sollte.

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das Museum für Kunstgewerbe

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ein Ausstellungsstück

 

 

 

 

 

 

 

Am Mittwoch wurden dann Silja, Greta und ich in der Deutschen Botschaft empfangen. Nachdem wir erst einmal an der falschen Tür geklingelt hatten, fanden wir doch unseren Weg. Eine Sicherheitskontrolle später und Handy und Schlüssel ärmer, wurden wir von einer lokalen Mitarbeiterin abgeholt, welche uns drei dann auch in ein Konferenzimmer brachte. Dort zu Gast: Unser Bundespräsident, der in Form eines Portraitfotos auf einem Stuhl platzgenommen hatte und uns freundlich anschaute. Dieser wurde nun peinlicherweise auch Zeuge, wie ich meinen Kaffee kunstvoll über den Tisch verteilte. Nach einer kurzen Putzpause konnte das Programm aber weitergehen. Die lokale Mitarbeiterin zeigte uns einen Film über die Arbeit des Auswärtigen Amts und erzählte uns, was die Botschaft in Budapest und speziell das Kulturreferat für Aufgaben hat und welche Ziele verfolgt werden.Auch für Fragen und Diskussionsimpulse blieb Platz. Insgesamt also ein sehr spannender Nachmittag (inklusive Kaffeeflecken), der uns einen kleinen Einblick in die auswärtige Bildungs- und Kulturpolitik gab.

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die Deutsche Botschaft (unschwer zu erkennen)

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Budapest bei Nacht

 

 

 

 

 

 

 

Mittwoch Abend hieß es dann schon Abschied nehmen von Budapest. Wobei es sicher nicht das letzte Mal gewesen sein soll, dass ich der Hauptstadt einen Besuch abstatte 🙂