Ich liebe Zugfahren. Passenderweise sitze ich auch gerade im Zug, zurück nach Ungarn. Die Zeit zuhause ist wie im Flug vergangen. Es ist ein ganz seltsames Gefühl, es fühlt sich ein wenig so an, als sei die Zeit in Deutschland stehen geblieben. Alles ist so vertraut, die Straßen, die Sprache, das Essen, die Menschen. Aber dieser erste Eindruck kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich eben doch auch einiges verändert hat. Vor allem ich, vielleicht. Meine Zeit hier war also auch ein Probieren, ein Zurechtfinden in einer entfremdeten Vertrautheit. Ein kurzes Gefühl, wie mein Alltag in Deutschland aussehen könnte. Jetzt im Zug habe ich die Stille und Ruhe, dem nachzuspüren. Mir zu überlegen, was dieser zweiter Aufbruch für mich bedeutet. Währendessen ziehen schwarz-weiße Landschaften an mir vorbei. Schneebedeckte Tannen, kleine Häuser. Komplett still, wie in einem Stummfilm. Im Hintergrund zeichnen sich die Berge ab, aber es ist zu neblig, um mehr als graue Schemen zu erahnen. Orte tauchen auf und verschwinden wieder, aus den Kaminen ziehen Rauchschwaden in den Himmel. Zugfahren, das ist so ein zeitloser Raum für mich, oder vielleicht auch eine raumlose Zeit. Entkoppelt von der Eile des Alltags. Ein Durchatmen. Und immer auch ein Aufbrechen. Wohin, das weiß man vorher nie so genau. Aber vielleicht ist das gerade die Faszination des Unbekannten. Dass alles möglich ist. Um mich herum, komplett weiße Felder. Es wird sicher erst im Laufe der Tage, Wochen und Monate zeigen, was im jetzt noch gefrorenen Boden liegt. Fast unbemerkt ziehen die Bahnhöfe an mir vorbei. Aufbrechen, das heißt auch Ankommen. Und wenn ich etwas gelernt habe in den letzten Wochen, dann, dass Zuhause ein Gefühl ist, was nicht auf einen Ort beschränkt ist. Wenn ich also gerade im Zug nach Ungarn sitze, dann habe ich mich auch auf den Weg nachhause gemacht.
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Mein Heimatland
ÜberDenken
10 Tage am Werbellinsee mit 251 anderen Freiwilligen.
Soweit die Zahlen.Tatsächlich lässt sich das Vorbereitungsseminar schwer in Worte fassen und ich fahre mit vielen Fragezeichen und ein paar Ausrufezeichen nach Hause. Innerhalb von wenigen Tagen wurde so viel Gewohntes in Frage gestellt, gesellschaftliche Strukturen wurden aufgezeigt und aufgebrochen. Es wurden Impulse und Denkanstöße gegeben und die eigene gesellschaftliche Positionierung reflektiert. Ungemütliche Diskussionen geführt. Es ging um (Post)kolonialismus, Rassismus, Sexismus. Und wo ich, ich als Freiwillige, als Weiße, als Frau, stehe. Das sind alles Gedanken, die mich weiter begleiten werden, über das Vorbereitungsseminar hinaus.
Bist du auch bei kulturweit? Wo geht´s denn hin?
Das Seminar war auch Treff- und Austauschpunkt. Das fing schon an Bahnhof in Berlin an, wo sich eine unübersehbare Menschentraube aus jungen Leuten bildete (sehr gut, wenn man nicht wusste, zu welchen Ausgang man sollte). An dieser Stelle ein kollektives Dankeschön an die tollen Menschen, die ich kennengelernt habe (hier können nostalgische Erinnerungen eingefügt werden).
Ein bisschen komisch ist es, jetzt noch kurz nach Hause zurückzukehren. In so eine unbestimmte Zwischenposition zwischen Ankommen und Abschied. Es scheint mir noch ziemlich surreal, in ein paar Tagen schon in Ungarn zu sein. Gleichzeitig steigert sich die Vorfreude auf neue Menschen, neue Erlebnisse und Erfahrungen. Und darauf, dass alles dann doch ganz anders ist, als ich es erwarte.
