Deutsche Woche in Nairamdal

21 02 2011

Letzte Woche fand in Nairamdal (Hайрамдал) die sogenannte deutsche Woche statt und Abgesehen von Johanne, deren Schüler nicht mitgingen, waren wir >>kulturweit<< Freiwillige alle am Start. Nairamdal ist ein ehemaliges Pionierlager aus der sozialistischen Zeit, ist seither aber weiter ausgebaut und, modernisiert worden und wird heute noch als internationale Begegnungsstätte für Kinder und Jugendliche aus aller Welt genutzt. Schon früher kamen hierhin im Sommer Pioniere aus allen Brüderstaaten, seit der Wende kommen auch Kinder aus nicht sozialistischen Ländern her, allerdings nur im Sommer, denn wer kommt schon im Winter in die Mongolei (schade eigentlich, denn sie verpassen etwas!)?

Kuh vorm Pionierlager - So hammers gern 😉

Ab nach Nairamdal

Wir haben momentan keine Schulferien in der Mongolei, die Freizeit war also während der Schulzeit. Deshalb fanden am Morgen immer drei Stunden Deutschunterricht in Form von vielen Arbeitsstationen statt. Die Stationen waren alle zu dem Thema „Kleider machen Leute, Leute machen Kleider“. Elena und ich hatten auch zusammen ein kleines Theaterstück geschrieben, dass auf der Novelle „Kleider machen Leute“ von Gottfried Keller basierte. Abgesehen von uns Freiwilligen waren natürlich viele die Deutschlehrer unserer Arbeitsstellen dabei.

Das war auch bitter nötig, denn ich weiß nicht, wie wir den Kindern manche Sachen ohne mongolische Übersetzung erklärt hätten. Schon mit dieser Hilfe lief nicht alles glatt. So verschwanden Lesezettel an Textverständnisaufgaben oder Deutschanfänger zerbrachen sich den Kopf über DSD Aufgaben, obwohl sie diese gar nicht bearbeiten mussten. Es musste also doch mehr kopiert werden als geplant – ärgerlich! Aber alles in allem hat es gut geklappt und den meisten Kindern scheint es Spaß gemacht zu haben, auch einmal auf diese Weise Unterricht gemacht zu haben.

Aufwärmtraining für die Theatergruppe

Arbeit an den Stationen

Am Mittag war dann aber Freizeit angesagt. Da haben die Nairamdal Lehrer diverse Aktivitäten angeboten oder mit den Kindern Projekte durchgeführt. Oft auch draußen, denn obwohl wir noch Minusgrade haben ist die Sonne sehr stark und man kommt auch mal ins schwitzen, obwohl man gerade bis zum Knie in einer Schneewehe versunken ist: Ich bedanke mich bei den Chinesen, die meine Timberland-Stiefel gefälscht haben 😀 (obwohl die Sohlen so langsam außeinander fallen). Sogar den Valentinstag haben wir hier mit einer großen (kitschigen) Show gefeiert, aber das gehört inzwischen wohl in ganz Asien dazu. Sogar die Moderation war im Grunde genommen aufgebaut wie eine koreanische Soap-Serie. Zumindest kam sie so rüber, denn verstanden hab ich fast gar nix – монгол хил хунд байна (Mongolisch ist schwer).

Ich will aber hier nichts schlecht machen, denn man hat bei allem gesehen, dass viel Anstrengung hineingeflossen ist und den Kindern hat es sehr viel Spaß gemacht. Vor allem die Discos am Abend waren lustig und mal mit den Lehrern nach Programmende ein Bisschen zusammenzusitzen und einen (oder zwei oder drei) zu trinken hat auch Spaß gemacht.

Valentinstag

Disco am Valentinstag

Da das Mittagsprogramm wirklich nur bei den Nairamdal Lehrern lag hatten wir Mittags eigentlich nix zu tun. Also erkundeten wir die Umgebung. Als dann auch noch Marie, eine Studentin von der Humboldt-Uni, die hier ein Auslandspraktikum macht dazu kam, hatten wir auch noch jemanden, den wir gleich in das Land einweisen konnten. Rings um Nairamdal gibt es sehr viel Wald. Das ist hier eher selten – in der Steppe kann es sein, dass kilometerweit kein Baum zu sehen ist. Abgesehen von Natur gibt es noch ein winziges Dorf, in dem es einen Laden, der wohl nie wieder auf machen wird, ein kleines Kraftwerk und ein paar wahrscheinlich sehr teure Ferienhäser, die zur Zeit allerdings auch nicht bewohnt sind sowie einige sozialistische Blockbauten gibt. Das Ganze hat aber irgendwie was.

sozialistisches Dorf-Feeling

Jedes Dorf braucht eine Polizeistation...

Ausblick vom Berg - hinter mir ist Wald

gefrorene Welt

Am letzten Tag stand dann eine Präsentation des Gelernten, sowie eine Modeschau passend zum Thema statt. Hierzu waren plötzlich mitunter der Kanzler der deutschen Botschaft sowie 3 berühmte Mongolen (Miss Mongolia, ein anderes bekanntes, männliches Modell und ein Serienstar) eingeladen. Ich hätte nicht gedacht, dass die Show so groß wird. Unser Theaterstück lief dann auch über die Bühne und bei bei fast allen saß der (nicht immer einfache) Text richtig gut – Respekt! Bilder hab ich vom Auftritt aber keine, da Elena und ich beide hinter dem Vorhang auf der Bühne standen und gelegentlich doch ein Stückchen Text einsagen mussten. Vor allem wurde uns urplötzlich gesagt, wir seien jetzt dran, obwohl es total anders geplant gewesen war. So sollten wir in ein paar Sekunden auftreten und es war noch keiner unserer Schausteller auf der Bühne. Aber unter Druck scheint hier irgendwie alles besser und schneller zu klappen 🙂

Bei der Modeschau hatten einige Schüler eigene Kleider entworfen: Dieses Kleid ist z.B. beinahe vollständig aus Klopapier gemacht.

Wir Deutschlehrer

Nach der Show saßen wir noch mit den Lehrern und vielen der Gäste (auch die Stars!) im Schlafzimmer der Lehrer und aßen Kuchen und tranken – mal wieder – Vodka. Überaschend war für uns, dass auch die Models sich nichts daraus machten die Torte, die fast nur aus Sahne bestand und am Mittag das Kantinenessen, zu essen. Einfach mal mit national berühmten Stars in einem kleinen Zimmer zu sitzen und zu feiern kann ich mir in Deutschland nicht vorstellen. Schon lustig 😀

Am Abend war dann noch Disco und eine Präsentation mit vielen Bildern aus der Woche. Danach kam noch ein sentimentales Abschlusslied und viele fingen an zu heulen. Spätestens bei den Abschlusskreisen der einzelnen Gruppen, bei denen sich alle an den Händen hielten kam ich mir vor wie auf einer Jugendfreizeit vom EJT…Erinnerungen…

Einige unserer Deutschlerner an der Schule 18

Am Freitag gings dann bloß auf einen kurzen Zwischenstopp nach Ulaanbaatar, denn schon am Samstag flüchtete ich wieder in die Steppe zu den letzten mongolischem Wildpferden…





Erster Blogeintrag im neuen Jahr

8 02 2011

Und zwar im mongolischem – ganz so schreibfaul war ich dann doch nicht, auch wenn mein Blogeintrag zu Shanghai mal zurückgestellt werden muss, weil hier gerade wieder viel passiert ist.

Seit Donnerstag (3. Februar) bis Sonntag fand hier Tsaraan Sar (Цагаан сар) statt, das mongolische Neujahrsfest. Und so sind wir seit Donnerstag jetzt auch im Jahr des Hasen. Tsaraan Sar heißt übersetzt entweder „weißer Monat“ oder „weißer Mond“, da Monat und Mond hier das selbe Wort sind, nämlich „sar“. Das mongolische Neujahr richtet sich nach dem ersten Neumond im Jahr und es hat heute wieder angefangen zu schneien. So sind im Grunde genommen beide Übersetzungen richtig 🙂

Meine Nachbarschaft heute morgen

Auf dem Weg zur Schule

Tsaraan Sar ist wahrscheinlich das größte Familienfest in der Mongolei und es ist mit sehr vielen Traditionen verbunden. Das Essen ist z.B. bei jeder Familie das Selbe: Ein ganzes, gekochtes Schaf oder ein größerer Teil gekochtes Rind, sogenannte weiße Speisen, Boov und natürlich abertausende Booz. Unter weißen Speisen versteht man z.B. getrockneten Quark (Aaruul – Аарүүл) oder schar tos (шар тос – eine Art Butter mit Rosinen). Boov ist frittiertes gebäck, das für Tsaraan Sar in flachen, länglichen Formen hergestellt wird. Auf dem Teig sind Mandalas eingepresst. Die einzelnen Boov werden kreisförmig gestapelt und mit weißen Speisen, Zuckerwürfeln und manchmal auch anderen Süßigkeiten bedeckt. Je älter das älteste Familienmitglied im Haushalt ist, desto höher wird der Boov gestapelt. Bei der 80-jährigen Mutter unserer Deutschlehrerin Tuul war der Stapel 7 Lagen hoch! Booz (бууз) sind traditionelle, gedämpfte Teigtaschen, die mit Schafsfleisch oder auch anderen Fleischsorten, sowie Knoblauch gefüllt sind. Der Teig besteht einfach aus Wasser und Mehl. Schon lange vor dem Fest treffen sich die Familienmitglieder (ich glaube hauptsächlich die Frauen, aber ich bin mir nicht ganz sicher) und machen tausende davon – 2000 pro Familie scheinen normal zu sein! Da bei vielen das Fleisch von Hand klein geschnitten wird, nimmt das wahnsinnig viel Zeit in Anspruch. Das Endprodukt schmeckt aber lecker 🙂 . Um die Booz haltbar zu machen werden sie einfach auf den Balkon gestellt, denn zwischen -30°  und -20° ist so ziemlich alles länger haltbar. Auf dem Land legt man die Booz anscheinend einfach auf das Dach der Jurte.

Links steht das Schaf, rechts davon der Boov und im Vordergrund diverse weiße Speisen und andere Beilagen. In den Schüsseln ist Milchtee. Im Hintergrund werden gerade Schnupftabakfläschchen ausgetauscht.

Bei der nächsten Familie: Hinten rechts ist ein kleiner Teller mit Booz und in der großen holzschüssel vorne ist Airag. Dieses Foto wurde ihnen präsentiert von Smirnoff Vodka 😉

An Tsaraan Sar stehen dann etliche Familienbesuche an. Man besucht hintereinander weg alle Verwandten. Als erstes die Ältesten und dann absteigend zu den Jüngeren, wobei es bei allen reichlich zu Essen gibt – wer an Tsaraan Sar nicht satt wird sollte sich auf schwarze Löcher im Magen untersuchen lassen. An den darauf folgenden Tagen besucht man entferntere Verwandte und Freunde; zumindest schien es mir so. Ich wurde von Freunden eingeladen um bei ihrem ersten Tag des Festes dabei sein zu dürfen.

Traditionell fängt das Neujahr damit an, dass immer der Älteste des Haushaltes draußen in eine bestimmte Richtung läuft. Dabei muss er einen tibetischen Text aufsagen und eine bestimmte Aktion ausführen. Man wird immer im Jahr eines bestimmten Elements geboren und dieses muss man irgendwie zeigen. Wenn man z.B. Eisen als Element hat hält man ein paar Schrauben in der Hand und klappert beim Laufen leicht mit ihnen oder wenn man Feuer hat entflammt man ein Feuerzeug.

Pascal geht in die richtige Richtung 🙂

Danach geht es witer zu den Verwandten. Diese werden dann Begrüßt. Die Begrüßung läuft auch rituell ab: Der jüngere Grüßende stützt die Ellenbogen des älteren und überreicht ein Gastgeschenk (z.B. Geld oder Schokolade), das auf einem Khadag liegt. Hierzu wird folgender Dialog aufgesagt:

A: Amar bain uu? (Амар байна үү?) – Sind Sie wohl auf?

B: Amar bain uu? Saian shinelj bain uu? (Амар байна үү? Саихан шинелж байна үү?) – Sind Sie wohl auf? Sind Sie gemütlich am feiern?

A: Saihan saihan. Ta saihan shinelj bain uu? (Саихан саихан.Та саихан шинелж байна үү?) – Gemütlich gemütlich. Sind Sie gemütlich am feiern?

B: Saihan saihan.(Саихан саихан.) – Gemütlich gemütlich.

Das ist die vereinfachte Version, die ich aufsagte, ansonsten kann man auch danach fragen, ob man auch viele Verwandte besucht. Wenn aber sehr viele Leute zu begrüßen sind beschränkt man sich bei den meisten jedoch auf ein kurzes „Amar bain uu?“, weil man ja sitzen und essen will. Der Älteste schneidet das Fleisch an und die Dünnen Stücke werden auf einem Teller oder in einer Schüssel herumgereicht. Bevor man aber vom Fleisch isst nimmt man sich etwas von den weißen Speisen. Außerdem sollte man beachten, dass man die großen Schüsseln oder Teller immer antippt, bevor man sich etwas davon auf den eigenen Teller legt. Booz werden auch herumgereicht. Zu trinken gibt es Suute Tsai (сүүтэй цай), traditioneller Milchtee, Airag (айраг), fermentierte Stutenmilch und natürlich Vodka. Der Vodka wird in kleinen Schalen oder Gläsern gereicht und wird mit der rechten Hand entgegengenommen. Mit der linken Hand stützt man seinen Ellenbogen. Manchmal gibt es noch einen Toast oder einfach ein „Prost!“ (төлөө) und dann wird das Glas geleert. Man darf aber auch einfach nippen (3 Mal). Überhaupt gilt das für alles. Man muss nur probieren, nicht alles aufessen, wenn es einem nicht schmeckt oder wenn man vor lauter Booz schon beinahe platzt. Allerdings sollte man vielleicht noch erwähnen, dass Vodka bei so viel fettigem Essen ein willkommener Verdauungshelfer sein kann 😉

Unter 2000 Booz fand ich einen der beiden mit versteckter Münze - Ich hab dieses Jahr jetzt bei allen Dingen Glück!

7-lagiger Boov bedeckt mit weißen Speisen

Vor und oft auch während dem Essen werden Schnupftabakfläschchen ausgetauscht. Wie der Vodka werden diese mit der rechten Hand entgegengenommen. Wieder gilt: Man muss nicht schnupfen – kurz an der offenen Flasche riechen reicht. Die Flasche wird dann offen zurück oder weiter gegeben (wieder mit rechts und mit Ellenbogen stützen). Bevor man dann zur nächsten Familie weiter geht bekommt man noch ein kleines Geschenk vom Gastgeber.

Tsaraan Sar war auf jeden Fall ein schönes Erlebnis und definitiv mal etwas anderes: Ein dermaßen rituell durchgeplantes Fest gibt es  meiner Meinung nach in Deutschland nicht mehr wirklich. Und ich bin einige Tage lang sehr gut gemäßtet worden 🙂

Gruppenbild beim Neujahrsempfang - ich trage traditionelle deutsche Jugendkleidung 😛

Das Beste am Fest ist aber, dass es den Frühling einleitet, und tatsächlich: Es wird wärmer! Man braucht z.B. nur noch eine Winterjacke und die Thermostrumpfhose kann man auch zu hause lassen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich Mal so über -10° C freue, aber die Mongolei härtet doch ziemlich ab, wenn man wärmere Temperaturen gewöhnt ist. Es ist nachts zwar noch relativ kalt und es schneit ab und zu, aber ich bin jetzt optimistisch und hoffe auf baldiges Grün im ansonsten gerade sehr tristen Ulaanbaatar – auch wenn das anscheinend noch eine Weile dauern könnte…

Unser Fenster im Deutschkabinett (Innen!) - Bei Temperaturen um die 0° ist arbeiten nur in Winterjacke möglich...

Das nördliche Jurtenviertel von Ulaanbaatar, jedoch schon mit vielen kleinen Häusern

Für alle die sich wundern: Unser Neujahr wird in der Mongolei auch gefeiert und zwar so ziemlich wie bei uns mit Feuerwerk und Feiern in der Disco mit Freunden








Zur Werkzeugleiste springen