Nach kaum einem Tag in Shanghai, ging es für mich auch gleich wieder los und zwar nach Hangzhou (gesprochen „Hanjo“, oder zumindest so ähnlich). Nach einer gemütlichen Nacht bei Jan Luis und Patrick (danke noch mal für die Gastfreundschaft und die bequeme Couch 🙂 ) ging es mit Patrick und Julia wieder ab zum Bahnhof. Schon auf halber Strecke dorthin kam der erste Vorbote dessen, was uns das gesamte Wochenende begleiten sollte: kleinere „Katastrophen“, wegen denen wir beinahe irgendetwas verpasst hätten. In diesem Fall war es Jan Luis, den Patrick aus Versehen in der Wohung eingeschlossen hatte. So warteten Julia und ich in der U-Bahnstation während Patrick durch halb Shanghai zurück hetzte um seinen armen Mitbewohner zu befreien. Irgendwie schafften wir es dann doch noch zum Zug und trafen dort auch gleich Felix, der auch mit von der Partie war.
In Hangzhou liefen wir dann erst auf der Suche nach unserem Hostel ein paar Mal durch die sehr schöne Innenstadt im Kreis. Dabei fragten wir auch zwei Mal den selben Polizisten, der uns immer in die gleiche und, wie sich spätere herausstellte, auch richtige Richtung schickte. Hätten wir Patrick doch bloß mal beim Adresse suchen geholfen… 🙂
Hat aber alles funktioniert und mein Rucksack war bei weitem nicht so schwer wie am Vortag, deshalb wars eigentlich ganz lustig. Als wir uns in unserem Hostelzimmer, das wir uns mit einer unfreiwillig komischen Chinesin teilten, breit gemacht hatten, ging es auf zum Essen, wo uns eine weitere chinesische Spezialität erwartete. Julia bestellte sich Tofu und bekam Stinketofu. Ich weiß nicht, wie man diesen genießen soll, denn er schmeckt so, wie er riecht und das ist nicht unbedingt nach roten Rosen. Es endete auf jeden Fall damit, dass wir einen zweiten Teller über das Gericht stülpten, sodass wir ohne die Luft anzuhalten weiter esen konnten. Besonders peinlich oder eher lustig an der Situation war, dass an genau diesem Moment die Bedienung mit Patricks und meinem zweiten Gericht an den Tisch kam. Aber ich glaub sie fands auch lustig, weil sie danach mit einer Kollegein ziemlich am kichern war und dauernd zu uns geschaut hat.
Als wir alle vier mehr oder weniger satt waren gings weiter am „Best Tourist City of China“-Denkmal vorbei in Richtung Westlake, alles durch eine autofreie Fußgängerzone. Bloß vor elektrischen Straßenzügen, die Touristen herumkutschierten und selbige statt mit einem normalen Hupen mit einem eklig quietschigem 8-bit „Für Elise“ warnten, musste man sich in Acht nehmen. Am wunderschönen Westlake kämpften wir uns an Gondolieren vorbei, die uns um den See schippern wollten und liefen zu einer scheins altehrwürdigen Pagode. Nachdem wir den Eintritt gezahlt hatten kam es uns schon merkwürdig vor, dass man die Pagode über eine Rolltreppe erreichen konnte und meinten schon scherzhaft, dass es bestimmt einen Aufzug in der Pagode gäbe – und staunten nicht schlecht als wir dort wirklich zwei Glasaufzüge vorfanden (bestimmt „aantic“ und „reel“). Es stellte sich heraus, dass der echte Turm vor ein paar hundert Jahren von Piraten zerstört wurde und bis auf die Grundmauern abgebrannt ist. Die Überreste kann man noch im Keller bewundern. Die Pagode die nun über den Ruinen steht ist im Grunde genommen nur noch eine Aussichtsplattform mit Touristeninformationen über den Westlake und Umgebung. Aber die Aussicht war auch verdammt gut und wir wurden Zeuge eines sehr spektakulären Sonnenuntergangs. Wieder am See angekommen, fanden wir, dass es Zeit für ein Gruppenfoto war – und plötzlich waren wir für viele Chinesen um uns interessanter als die „Best Tourist City of China“ (siehe Beweisbild). Nachdem wir dann noch ein Bisschen durch die ausschweifenden Gartenalnagen rund um den See geschlendert waren, fuhren wir mit dem Bus zurück in das Stadtzentrum, wo wir direkt hinter der Bushaltestelle eine kleine Fressmeile fanden. Auf richtig exotische Speisen ließ ich mich hier aber nicht ein – der Stinketofuvorfall vom Mittag hatte mir gereicht…
Inzwischen waren auch alle Nachzügler mit mehr Arbeit oder weiteren Anreisen im Hostel angekommen: Annika, Friederike, Jan-Luis (der inzwischen aus der Wohnung entkommen war) und Philipp. Mit denen sind wir dann auch gleich wieder zur Fressmeile und danach in eine kleine Kneipe.
Samstag war auch wieder herrliches Wetter und wir kletterten zu einer weiteren Pagode auf einem kleinen Berg. Davor mussten wir uns aber erst einmal wieder finden, denn die beiden Taxis, auf die unsere Gruppe sich verteilt hatte, setzten uns trotz gleicher Zielangaben an total anderen Stellen ab. Kein Tag ohne Chaos 🙂 . Diese Pagode war nun aber tatsächlich sehr alt. Sogar so alt, dass sie noch aus Stein und nicht aus Holz gebaut war, wie alle anderen Tempel und Pagoden, die man in China sonst öfter sieht und somit eher mit China verbindet. In der Näher der Pagode waren Felsen, auf denen leute saßen oder kletterten. Ein paar „harte Jungs“ waren dabei oberkörperfrei die senkrechten Felswände hochzuklettern und versuchten so oft wie möglich zu zeigen, dass es sehr schwer war. Diese wurden aber schnell von einem alten Mann in den Schatten gestellt, der mit seinem Spazierstock ankam und dann wie eine Eidechse die Felswand hochrannte, oben angekommen noch einen ziemlich gewagten Sprung über einen Felsspalt machte und schließlich wieder herunter kletterte, wo er dann anfing an an einem Baum Klimmzüge zu machen und die verdatterten Touristen angrinste.
Ansonsten ließen wir uns noch auf dem Westlake herumschippern und gingen am Abend wieder Hotpot essen. Danach ging es noch in die vom Lonely Planet empfohlene Raggea-Bar, in der ich sehr enttäuscht wurde: Auf der Karte stand bei den Bieren tatsächlich „Old Speckled Hen“! In China! Und weil ich das immer mit England-Urlaub verbinde wollte ich das! Aber leider hatten sie es nicht mehr… Und dann wollten die mir als Alternative auch noch Budweiser andrehen! Die Bar ist aber trotzdem zu empfehlen 🙂
Für den Sonntag hatten wir ein strammes Programm geplant: Fahradtour durch die Teeplantagen, Besichtigung mehrerer Touristenatraktionen auf dem Weg und abschließend eine Schifffahrt auf dem Westlake, bei der wir alle Inseln besichtigen wollten. Also liefen wir erst ein mal schnurstracks los um Frühstück zu kaufen, aber nicht ohne uns zuerst die große Kirche anzuschauen, die bei der Fressmeile stand. Hangzhou scheint eine größere christliche Gemeinde zu haben (auf die Frage hin, ob es sich um eine katholische oder evangelische Kirche handle antwortete ein angagiertes Gemeindemitglied, dass das in China egal wär, es ginge im Grunde genommen eh um Jesus – fand ich lustig). Durch diesen Abstecher verloren wir zwar ein wenig Zeit, aber wir hatten ja noch genug. Weiter ging es durch die Stadt an den See, von wo aus wir die Radtour starten wollten. Da aber in der Stadt eine große Veranstaltung war und auf einer Bühne traditionelle chinesische Musik mit dazu passender Tanzeinlage aufgeführt wurde, brauchten wir für die Strecke eetwas länger als vielleicht nötig.
Die Fahrräder, die wir mieteten waren eher vom „alten Eisen“: Klappräder ohne Gangschaltung und oftmals ohne funktionierende Bremsen. Woraus der nächste große Zeitverlust entstand: Meine Kette sprang die ganze Zeit heraus und letztendlich musste ich umdrehen um ein anderes Fahrrad auszuleihen (danke noch einmal an Anika und Philipp, die mich begleiteten und übersetzten). Mit meinem tollen neuen Fahrrad (mit Kindersitz!) sind wir wieder zurück zu den anderen, die eine gemütliche Stelle am Westlake gefunden hatten, an der man Brautpaaren beim Fotoshooting zuschauen konnte. Weiter gings über gut ausgebaute Straßen zu den Teeplantagen. Dort gab es auch ein Teemuseum, bei dem der Eintritt frei war. Und wir hatten trotz meines Fahrrads noch viel Zeit. Hat sich auch gelohnt, da das Museum ziemlich liebevoll gestaltet war. Außerdem war die Landschaft wunderschön (endlose Teeplantagen und Wälder).
Jetzt kam der schwierige Teil der Tour. Es ging nur noch bergauf und das mit klapprigen alten Klapprädern ohne Gangschaltung. Irgendwann waren selbst die größten Sportler unter uns am Schieben (muss ich noch erwähnen, dass ich nicht zu diesen gehöre?). Oben im Teedorf angekommen besichtigten wir ein altes Teehaus, in dem sogar schon der Kaiser eingeehrt war und tranken etwas weiter oben selbst einen Tee. Sehr lecker! So langsam wurde uns aber klar, dass wenn wir noch die Bootstour machen wollten, wir uns beeilen mussten, denn wir hatten erst ein Viertel des Weges hinter uns und es war bereits später am Mittag. Also fuhren wir weiter in das Zentrum des Dorfes, das in einem kleinem Tal inmitten von Teepflanzen und hohen Bambuswäldern steht. Jan Luis und Felix wollten hier Tee kaufen und ließen sich auf ein Verkaufsgespräch mit einer Verkäuferin am Straßenrand ein. Sie liefen ihr hinterher und das war für die nächsten 20 Minuten das letzte, was wir von ihnen sahen, denn das Teegeschäft lag am hintersten Ende des Dorfes und dazu noch oben am Hang. Die Bootstour hatten wir uns an diesem Zeitpunkt schon aus den Köpfen geschlagen, denn dazu war es jetzt zu spät. Unser Problem bestand nun eher darin, dass wir die Fahrräder wieder rechtzeitig zum Verleih zurückbringen mussten, sodass wir unsere Kaution wieder bekämen. An diesem Zeitpunkt hatten wir immer noch an die 70% der Strecke vor uns, sagten uns aber, dass wenn wir erst einmal aus dem Dorf und vom Teeberg herunter wären, wir sicherlich schneller vorankämen, denn dort unten sei wieder Hauptstraße. Bloß stellte sich jetzt erst heraus, was die gestrichelte Linie bei der Radtourroute im Lonely Planet bedeutete: Mit unseren Fahrrädern absolut unbefahrbahrer Schotterweg, der die nächsten paar Kilometer der Strecke ausmachte. Also blieb nur noch den selben weg zurück zu fahren. Das ging aber um einiges schneller, denn fast die gesamte Strecke ging bergab. Obwohl wir mit einem ziemlichen Tempo und ohne gute Bremsen den Berg herunter rasten fühlten wir uns dabei nie unsicher – in Deutschland wäre mir dabei eventuell etwas mulmig geworden, aber ich bin inzwischen an sehr viel schlimmere Verkehrssituationen gewöhnt 😀
Aber wer jetzt denkt, dass von hier an alles problemlos lief, der irrt sich, denn jetzt machten fast alle anderen fahrradketten schlapp. Vor allem die von Philipp verklemmte sich letztendlich so stark, dass wir sie mit aller Gewalt nicht mehr aus den Zahnrädern herausgehebelt brachten. Glücklicherweise hielt ein hilfsbereiter Chinese an um nach dem Rechten zu sehen. Dieser war durch einen noch größeren Zufall der besitzer eines Fahradladens und bestellte seinen Mitarbeiter mit Werkzeug herbei. Bald waren wir wieder auf der Straße und kamen gerade rechtzeitig vor Ladenschluss beim Verleih an.
Alles in allem ist es mir total egal, dass wir so viel Zeit verloren haben und nicht alles machen konnten, was wir uns vorgenommen hatten, denn gerade die ganzen Pannen und Rumbummeleihen machten einen für mich unvergesslichen Tag aus. Und dadurch, dass wir den Abend noch mit Pulp Fiction, einen meiner Lieblingsfilme, ausklingen ließen, war der Tag erst recht gelungen. Zu viel mehr waren wir auch alle nicht mehr fähig, da wir total fertig waren.
Wer richtig mitgezählt hat merkt, dass wir jetzt bei Montag sind. Fing da nicht das Seminar an? Ja richtig, also ab zum Bahnhof…mit dem Bus…aber wo ist die Haltestelle, an der der richtige Bus hält? Also doch Taxi! Nun aber noch ein Problem: Der Bahnhof liegt nicht mehr im Zuständigkeitsbereich der Taxifahrer, die im Stadtzentrum tätig sind, was hieß, dass wir Jungs in einem Taxi mit einer sehr wütenden Taxifahrerin saßen und die Damenwelt erst gar kein Taxi dazu bringen konnte sie mitzunehmen, was dazu führte, dass wir unseren Zug verpassten (Wir Jungs hätten es zwar gerade noch geschafft, aber Julia, Annika und Friederike wären dann ohne zurückgeblieben). Zum Glück ist es in China möglich, seine Zugfahrkarte noch 3 Minuten vor (und in Annikas Fall auch ein paar Minuten nach) der Abfahrt ohne einen Aufpreis umzutauschen. Und so kam es, dass wir es uns in der Bahnhofshalle bequem machten. Hier wollte man uns ein kleines Werkzeug verkaufen, mit dem man seine Uhr aufschrauben und seine Ohren putzen konnte…wer kommt eigentlich auf so was?
Nach einer relativ ereignislosen Zugfahrt eilten Julia und ich schnell mit Patrick und Jan Luis zurück zu ihrer Wohnung um unser Gepäck zu holen. Und so kam es, dass wir nach einer langen U-Bahnfahrt gerade rechtzeitig zum Seminarbeginn am Hostel ankamen. Fazit: Chaotischer, aber genial guter Urlaub (vom Urlaub) 🙂