Endlich habe ich sie von näher gesehen als aus dem Flugzeug: Die mongolische Steppe! Und wer meint Steppe sei abwechslungsarm und langweilig, der irrt sich aber gewaltig.
Aber erst mal der Reihe nach: Samstagmorgen um 6 Uhr steh ich auf, zieh mir Thermounterwäsche, ein Hemd, zwei Pullis (für alle ejt-ler: der ejt-fleace ist jetzt steppenerprobt und für „sehr gut“ befunden worden), nur eine Hose (bin ich hart) und eine Jacke an. Die Mütze und den Schal muss ich wohl nicht erwähnen 🙂
Los geht’s also durch das „szenische“ Industrieviertel von Ulaanbaatar, wo die Kohlekraftwerke so langsam auf Hochtouren kommen, denn es ist kalt! Die Berge rings um die Stadt sind wieder einmal schneebedeckt und dieses Mal auch Teile der Stadt. Mein Ziel ist erst mal Elenas Bleibe, weil uns da Anne abholen will. Unser Ziel: Amarbajasgalantijn Chijd, einer der letzten, noch erhaltenen, Klöster der Mongolei. Während der sowjetischen Zeit wurden hier nämlich die meisten Klöster zerstört und die Lamas verjagt oder getötet.
Knapp außerhalb der Stadt halten wir an, denn hier steht einer der großen Steinhaufen mit blauen Tüchern. Diese heißen „Ovoos“ (wahrscheinlich total falsch geschrieben, aber egal) und sind den Geistern gewidmet. Man läuft drei Mal im Uhrzeigersinn herum und wirft jedes Mal einen kleinen Stein hinauf. Dabei wünscht man sich etwas (zB eine sichere Reise trotz wahrscheinlich lebensmüden Idioten im Straßenverkehr). Außerdem haben wir ein blaues Tuch dabei, einen „Khadag“, das wir auf dem Ovoo festbinden. Die blauen Tücher sind ein Symbol für den ewig blauen Himmel in der Mongolei.
Nach dem wir die Geister für uns gewonnen haben fuhren wir weiter in Richtung Darchan um Louisa einzuladen. Zum Picknick an einem Fluss gabs zusätzlich zu allem möglichen Mitgebrachten auch noch traditionell geräucherten Fisch, den wir bei einer Händlerin am Straßenrand gekauft hatten. Der schmeckt richtig gut und wird dort frisch aus dem Fluss geangelt. Nach der Vesperpause verließen wir die Straße, denn das Kloster liegt mitten im Nirgendwo. Und hier begann der abenteuerliche Teil der Reise denn in der Steppe macht sich jeder seine eigene Straße, wie man an den vielen Spurrillen erkennt. Außerdem ist gerade die Zeit im Jahr wenn die Nomaden ihr gesamtes Vieh vom Sommer- zum Herbstlager, oder gleich ins Winterlager treiben. So sieht man gigantische Mengen an Schafen, Ziegen, Pferden, Kühen (!) und zugehörige Nomaden, die die Tiere geschickt mit ihren Pferden zusammenhalten, durch die Steppe preschen.
Nach einigen Stunden Fahrt durch diverse Wetterzonen (es kam wirklich vor, dass man in ein Tal fuhr, in dem Schnee lag, bloß um danach um die Ecke zu fahren und bei strahlendem Sonnenschein die Nomaden in T-Shirts rumlungern zu sehen – wie sie das aber machten war mir unklar, denn kalt war es am Samstag trotzdem überall…), sahen wir bald ein riesiges weißes Monument auf einer Bergkuppe in der Ferne: Die nagelneue Shanti-Stupa des Klosters. Bevor wir aber zum Kloster weiter fuhren organisierten wir uns noch eine Bleibe für die Nacht: zwei Jurten 🙂
Danach ging es an Gräbern, die mindestens so alt sind wie Stonehenge, vorbei in Richtung Kloster. Rings um das Kloster ist eine winzige Siedlung – Ein paar Hütten, einige Jurten, zwei Läden und ein paar Plumpsklos. Das Kloster ist von hohen Mauern umgeben und natürlich sind wir zu spät um noch eingelassen zu werden. Aber wir können noch bei einem fantastischen Sonnenuntergang die gigantische Shanti-Stupa und eine riesige Buddha-Statue besichtigen. Wir steigen an vergoldeten Gebetsrollen, vielen kitschigen Plastiklampen und falschen Seerosen eine lange Treppe nach oben zum überdimensionierten Monument, auf dem Buddha sogar in dreifacher Ausführung zu sehen ist. Auf dem Altar liegen haufenweise Räucherstäbchen, Tee, Streichhölzer (die komplette Packung wird angezündet) und irgendeine Masse, die aussieht wie Reis mit Milch. Bei der Stupa sieht es ähnlich aus: Alles in allem zu viel Kitsch! Ohne die sehr chinesisch wirkenden Plastiklaternen hätte alles schon viel monumentaler ausgesehen, aber den Einheimischen scheint es ja zu gefallen (zumindest solange sie nicht merken, dass man die Plastiklaternen als chinesisch empfinden könnte…).
Die Nacht in der Jurte war sehr lustig. Anne und Grit hatten eine, wir Freiwilligen die andere. Gekocht wurde auf dem Ofen (mongolisch eher untypisch: vegetarische Spagetti). Nachts hatten wir mit dem Wetter ein riesen Glück, da sich die Wolken, die zuvor noch zu einem dramatischen Sonnenuntergang beigetragen hatten, sich verflüchtigten. So wurden wir Zeugen einer der wunderschönsten Sternenhimmel, die ich je gesehen habe. Leider hat meine Kamera trotz „Sternenhimmel“-Option versagt den klaren nächtlichen zu fotografieren. Ich freue mich auf jeden Fall jetzt schon auf unseren nächsten Ausflug aufs Land, fern von Abgasen und Lichtverschmutzung. Trotz klarem Himmel war es vor allem nachts eiskalt. In unserer Jurte war es zwar warm, aber auch nur so lang wie der Ofen an war. Der Schlafsack und zwei zusätzliche Decken waren Pflicht; So wurde es nachts in der Jurte auch mal -10 Grad!
Nach einem gemeinsamen Frühstück am nächsten Morgen gingen wir zurück ans Kloster und tatsächlich: Wir durften rein. Das erste was einem an dem Kloster auffällt sind Vögel. Raben, Elstern, Dolen und Tauben kreisen in Schwärmen um die Tempel und die Pagoden und veranstalten einen Lärm, der sich nach der Ruhe der Steppe beinahe mit den Autos in UB messen lassen kann. Dazu kommt noch das Quietschen und Scheppern der etlichen Gebetsrollen. Aber meistens ist es auch hier sehr ruhig. Die Mongolei ist von Touristen noch kaum erschlossen wurden und so musste ich nicht mehrere Stunden warten um ein buddhistisches Wiedergeburtsritual zu machen (Ich glaube Bilder erklären hier mehr als tausend Worte 🙂 ) Außerdem wohnten wir noch einer Sutren-Vorlesung bei. Hierbei sitzen die Lamas an einem Tisch und rezitieren die Sutren, jedoch jeder so oft und so schnell wie er will. Wenn man es dann noch schafft, durch das Durcheinander zu blicken, versteht man trotzdem nichts, weil alles auf Tibetisch ist…
Der Weg nach Hause Führte uns auf einem anderen Weg (der nicht immer ganz klar war) wieder einmal quer durch die Steppe. Es dauerte länger, weil wir oft anhielten und uns umschauten. Wir entdeckten zum Beispiel rein zufällig in einer verwitterten Felswand uralte Fresken von Steinböcken, die wahrscheinlich auch mehrere tausend Jahre alt waren.
Unser letztes Ziel mit dem Geländewagen war Darchan. Anne, Grit und Louisa blieben hier, Elena, Johanne und ich mussten den letzten Bus zurück nach UB nehmen – das heißt 3 ½ Stunden Fahrt in einem doch sehr vollen Bus. Das Problem dabei: Nach ca. 10 min wurde die eigentlich ganz gute Musik abgeschaltet und der Flachbildschirm vorne im Bus angeschaltet. Es lief irgendeine mongolische live-Comedysendung, was kein Problem gewesen wäre, wenn die Lautstärke nicht auf einem absoluten Maximum gewesen wäre (dass auch ja kein müder Europäer, der eh nichts versteht schlafen kann…). Überhaupt war das Motto der Sendung wahrscheinlich „Laut ist lustig“, denn die Komiker auf der Bühne brüllten in ihre Mikros, als wären diese kaputt – typisch mongolisch halt. Zurück in UB war dann endgültig Schluss mit ruhiger Landidylle. Ich freu mich auf jeden Fall jetzt schon auf unseren nächsten Ausflug…