2. Erstes Zimmer. Entdecke Puebla.

Erstes Zimmer.

Sonntag, 26. Februar 2012. Wieder ein wunderschöner Morgen in einer wunderschönen Stadt. Ich muss aufstehen. Den Tag nutzen. Und aus diesem Zehnbett-Zimmer raus! Außerdem treffe ich heute María, eine der ‚Couchsurferinnen‘ der Gruppe aus Puebla. Sie wird mir mehr von der Altstadt zeigen.

Während des kleinen aber feinen Frühstücks kam ich mit einem der Hostelmitarbeiter ins Plauschen. Als er erfuhr, dass ich eine Bleibe für länger suche machte er mir ein Angebot. Ich könne ein Zimmer in einem benachbarten Hostel für 1.800 Pesos – etwa 100 € – pro Monat mieten. Genial! Auf eine weitere Nacht in diesem Zimmer mit durchgelegener Matratze in rostigem Bettgestell konnte ich gerne verzichten. Meine sieben Sachen zusammengerafft und rüber ging’s, zur „Casona Poblana“.

Das Centro Histórico besteht nahezu ausschließlich aus casonas. Das sind diese beeindruckenden, kolonialzeitlichen Herrenhäuser mit liebevoll gestalteten Fassaden, kleinen Balkons mit hohen Fenstertüren, offenen lichtdurchflutete Innenhöfen und großen schönen Zimmern mit massiven Wänden.

Die „Casona Poblana“ entsprach dieser Vorstellung. Mein neues Zimmer allerdings nicht. Es war hässlich; kein richtiges Fenster vorhanden, die Wände nachträglich eingezogen. Zwischen Wand und Flur war oben ein Spalt, durch den ich jedes Geräusch aus den Nachbarzimmern, der Küche und dem Bad hören konnte. Egal, es gibt Schlimmeres! Kann ja noch mal umziehen! Immerhin musste ich Küche und Bad nur noch mit zwei Bewohnern teilen. Und ich hatte eine Tür, die ich hinter mir abschließen konnte. Um mir das Angebot schmackhaft zu machen, führte mich einer der Hostelbetreiber auf’s Dach. Der Blick auf die Kathedrale mit Popocatepetl im Hintergrund und die zentrale Lage sollten mich ködern.

Ich machte mich auf die Suche nach einem Supermarkt, der Kühlschrank füllt sich ja schließlich nicht von alleine. Sonntags ist das hier gar kein Problem. Ruhigen Gewissens ließ ich meine Sachen im Zimmer zurück.

„We’re all living in Amerika, Amerika ist wunderbar…“, ging mir das Lied von Rammstein durch den Kopf, als ich kurze Zeit später den nahe gelegenen Walmart verließ. Ich hatte überhaupt zum ersten Mal in meinem Leben einen solchen betreten. Riesig, unübersichtlich, laut, chaotisch… Das nächste Mal werde ich die Sachen des täglichen Bedarfs wohl doch lieber bei mehreren kleinen tienditas zusammensuchen…

Entdecke Puebla.

Ich traf mich mit María – wie könnte es anders sein – vor dem Brunnen am Zócalo. Wir verstanden uns auf Anhieb. Sie ist eine Couchsurferin aus Leidenschaft. Geht sie nicht in die Welt, kommt die Welt eben zu ihr. Sie hat selbst ein halbes Jahr als Austauschstudentin in Spanien gelebt und freut sich immer, wenn sie Fremden die Stadt zeigen kann. Mich führte sie zu ihren Lieblingsorten der Altstadt: Zócalo – Bazar Los Sapos – Paseo, Parque und Templo de San Francisco – Barrio del Artista – Zócalo.

Los Sapos. Dieser Platz und seine umliegenden Straßen sind einfach wunderschön. Die schmucken Häuser mit ihren bunten Fassaden verleihen ihm einen ganz eigenen Charme. An den Wochenenden gibt es hier einen Basar. Verkauft werden Antiquitäten, aus Holz gefertigte Möbel oder auch Weidengeflochtenes. Wenn es Nacht wird, kommen die Farben der Fassaden besonders gut zur Geltung. Dann verwandelt sich Los Sapos in einen Party-Ort, und die bunten Häuser in Clubs und Bars.

Templo de San Francisco. Die Kirche und das dazugehörige Kloster wurden im 16. Jahrhundert von Franziskanern erbaut. Im Laufe der folgenden 200 Jahre wurden sie erweitert und ausgeschmückt. Die Verziehrungen der Kirchenfassade aus handbemalten Kacheln schmücken sie in der Tat. Sie sticht zwischen den vielen anderen Kirchen, die ich auf dem Weg sah, eindeutig hervor.

Die Klostergärten sind heute ein kleiner, öffentlicher Park. Die Atmosphäre ist angenehm. Gepflegter grüner Rasen, schattenspendende Bäume, feste Fußwege, die nachts sogar beleuchtet werden… Umgeben wird das ganze von den alten, niedrigen Klostermauern. Mitten in der Stadt gelegen kann man hier einen Moment der Ruhe finden.

Barrio del Artista. Das Künstlerviertel. In den offenen Läden und Ständen wird allerlei handgefertigtes pfeilgeboten. Typische Souvenirs wie beispielsweise Mützen mit der Aufschrift ‚Puebla‘ oder ‚México‘, Figuren von Totenschädeln oder der Catrina in allen Größen und Farben, Ölgemälde und Zeichnungen, aber auch von Indigenen aus dem Umland gewebte Stoffe und Kleidung. Da konnte ich nicht widerstehen; typisch Touri, aber diese Hemden finde ich umwerfend! Und die Qualität ist spitze!

Um die Läden herum gibt es nette, kleine Cafés. Hier bekommt man wirklich guten Kaffee! Wie auch Los Sapos verwandelt sich der zentrale Platz am Abend, die Cafés werden zu Bars. Der Unterschied: Hier geht man hin, um sich gemütlich bei einem Bier zu unterhalten, und nicht um zu trinken und zu tanzen. Tische und Stühle stehen draußen. Auf Musik muss man trotzdem nicht verzichten. Wenn es voll ist, vor Allem am Wochenende, hört man Sänger mit Gitarrenbegleitung Salsa-Lieder spielen. In diesen Tagen war besonders angesagt Yo no sé mañana von Luis Enrique. Es ist mein absoluter Lieblingsort in Puebla. Also kam ich in den nächsten Tagen wieder hierher, ins Café „Rentoy“. Und lernte in diesem wunderbaren Ambiente weitere Couchsurfer kennen. Alles tolle Menschen, absolut sympathisch!

Zócalo. Noch bevor wir mit dem Rundgang begonnen hatten, schoss ich ein Foto von der Kathedrale. Mir war ein Banner aufgefallen, das zu Ehren des Papstes angebracht worden war. Er wird Mexiko diesen Monat besuchen. Während wir durch die Altstadt spazierten, erzählte mir María, dass sie von allem Katholischen in Puebla ein wenig angenervt sei. Alles sei reglementiert. Es sei schwierig, als Studentin ein Zimmer zu mieten, in das man Besuch mitbringen dürfe. Manche Vermieter hätten sogar „Schließzeiten“. Viele Eltern vertrauten darauf, dass sie ihre Kinder „beschützen“ würden. Bei einer so konservativen Bevölkerung dürfe sich niemand über die Bezeichnung pipope wundern.

…Pipope, eigentlich kann man das nicht übersetzen. Es ist die Kurzform für pinche pendejo poblano. In etwa: ‚mieser poblanischer – aus Puebla – Spießer!‘

Wieder zurück am Zócalo war es bereits dunkel und die Bars und Restaurants um den Platz gut gefüllt. In dem Restaurant „Mi Viejo Pueblito“ ließen wir den Abend bei einem kühlen Bier ausklingen. Die Inneneinrichtung – inklusive Altar der Virgen de Guadalupe – ist einmalig schön. Und die Aussicht über den Balkon im ersten Stock muss man einfach genießen!