1. Ankunft. Erste Eindrücke.

Ankunft.

Freitag, 24. Februar 2012. Ein wenig durchgeschüttelt nach 20 Stunden Flug von Berlin über London und Houston kam ich schließlich in Puebla an. Vor allem die letzte Flugetappe hatte es in sich.

Eine kleine Embraer-Maschine manövrierte zwei Stunden durch die gewittrige Nacht. Wolken ließen sich kaum von den Bergen der zentralmexikanischen Hochebene unterscheiden. Der Anblick der Stadt, in der ich das nächste halbe Jahr verbringen würde, entschädigte jedoch gewaltig dafür. Kaum war die kleine Maschine über die Berge hinweg, rissen die letzten Fetzen der Gewitterwolken auf und gestatteten einen wunderbaren Blick auf Puebla, deren Lichter den Nachthimmel hinter den Wolken erleuchteten.

Pünktlich landete unsere Maschine mit noch nicht mal 20 Passagieren an Bord auf dem kleinen Flughafen. Sie war die Einzige, die abgefertigt werden musste, demenstprechend zügig und unkompliziert verlief die Einreise. Bei der migra – umgangssprachliche Bezeichnung für die Einwanderungs- und Zollbehörde – einmal Ausweis und Visum vorgezeigt, dann auf zur Gepäckausgabe, schon war ich offiziell in Mexiko. Mein neuer Arbeitskollege Sebastián, der sich freundlicherweise dazu bereiterklärt hat, mich abzuholen, musste also gar nicht lange auf mich warten.

In seinem Auto auf dem Weg in die Stadt bemerkte ich die vielen VW Käfer auf den Straßen. Aus Deutschland kannte ich so etwas nur noch von alten Fotos. Hier heißt er vocho, erläuterte Sebastián. Das war mein erstes mexikanisches Wort!

Er brachte mich zu meinem im Vorfeld gebuchten Hostel am Rand des centro histórico und half mir beim Check-In. Dann ging’s auf in die Stadt.

Mit leckeren Tacos in Sebastiáns Lieblingstaqueria im Zentrum der Altstadt machte ich meine ersten kulinarischen Erfahrungen. Die kleinen flachen Maisteig-Fladen gefüllt mit verschiedensten, kleingehackten Fleischvariationen, Zwiebeln und Koriander – nicht zu vergessen ein paar Tropfen aus frisch aufgeschnittenen Limetten – waren ein echter Gaumenschmaus! Ich war zu Tränen gerührt. Das lag allerdings wohl eher an der Schärfe der salsa roja und salsa verde. Daran werde ich mich noch gewöhnen müssen. Eisgekühltes Bier hilft.

Müde, aber satt und zufrieden kehrte ich ins Hostel zurück und schlief sofort ein. Die durchgelegene Matratze auf dem rostigen Bettgestell in dem Zehnbettzimmer beeinträchtigte meinen Schlaf nicht im Geringsten.

Erste Eindrücke.

Samstag, 25. Februar 2012. Das Wetter war einfach herrlich, frühlingshafte Temperaturen und Sonne satt! Perfekt, um an meinem ersten Samstag Puebla zu erkunden.

Lange schlafen war für mich einfach nicht drin. Aufregung, Neugier und Vorfreude trieben mich relativ früh aus den Federn. Ich wollte raus, die Umgebung erkunden, durch die Altstadt schlendern, sehen, was mich erwartet. Aber nicht, ohne vorher noch das Frühstücksbüffet im Innenhof des Hostels zu plündern. Toast, Marmelade, frisch geschnittene Mango, Kaffee… Super!

Mit meiner Kamera bewaffnet machte ich mich auf Richtung zócalo. Dieser quadratisch angelegte Platz befindet sich in der Mitte der Stadt. Er wird von mehreren Wegen durchzogen, die zu einem zentralgelegenen Brunnen führen. Auf den Grasflächen zwischen den Wegen stehen alte, große Bäume und Palmen. Die beiden wichtigsten kolonialzeitlichen Gebäude grenzen an zwei nebeneinanderliegenden Seiten an den Zócalo an: Die Kathedrale und der Palacio Municipal. Der Palacio ist bis heute Verwaltungssitz der Region und Stadt.

Jeden Tag, ganz besonders am Wochenende, kann man auf dem Zócalo den Puls der Stadt spüren. An diesem Vormittag trat dort ein Orchester mitsamt Sänger auf und präsentierte traditionelle mexikanische Lieder. Unter den Zuschauern und vorbeischlendernden Passanten sah ich Familien mit kleinen Kindern, junge Paare, Jugendliche, Senioren… Menschen jeden Alters, zwischen denen Clowns in bunten Köstümen die Kinder belustigten und die Erwachsene neckten, um sich ein paar centavos zu verdienen. Ich setzte mich auf eine Bank, genoss die Atmosphäre und die wärmenden Sonnenstrahlen in meinem Gesicht.

Ein älteres Paar gesellte sich zu mir und erkundigte sich neugierig nach meiner Herkunft. Man kam ins Gespräch. Über Deutschland weiß man in Puebla Einiges, da Volkswagen seinen mexikanischen Hauptsitz in der Region hat und einer der größten Arbeitgeber ist.

Sie erzählten mir von ihrem Sohn, der dort arbeitet und sogar an einem firmeninternen Austauschprogramm teilgenommen hat, bei dem mexikanische Beschäftigte für einen begrenzten Zeitraum nach Deutschland und deutsche Beschäftigte für einen begrenzten Zeitraum nach Puebla entsandt wurden. Er habe aber auch viele deutsche Kollegen, die hier fest für VW arbeiteten, erzählten sie. Wie sehr die deutsche Präsenz in Puebla wertgeschätzt wird könne man, so fuhren sie fort, unter anderem an den in drei Sprachen bedruckten Hinweisschildern – in Spanisch, Englisch und Deutsch – der zentralen Station für Überlandbusse ablesen. Nicht zuletzt wegen der deutschen Präsenz gelte Puebla ihrer Ansicht nach als eine der sichersten Gegenden Mexikos.

Ich verabschiedete mich höflich und machte mich auf die Suche nach einem Internet-Café, schließlich wurde zu Hause ungeduldig auf ein Lebenszeichen meinerseits gewartet. Dabei konnte ich auch gleich die Gelegenheit nutzen, mich in mein Couchsurfing-Account einzuloggen und nach hier ansässigen Gleichgesinnten Ausschau halten. Außerdem musste ich mich auf die Suche nach einer festen Bleibe machen…