So, endlich funktioniert der Kulturweit-Blog wieder, es fühlt sich an, als wäre ich eine Ewigkeit nicht mehr hier gewesen und in der Zwischenzeit sind auch wieder neue Dinge passiert.
Zunächst bin ich seit einem Monat hier – wow, ein Monat, die Zeit rennt unglaublich. Das heißt gleichzeitig aber leider auch, dass ein Zwölftel meiner Zeit hier schon um ist. Es ist zwar noch genügend Zeit, aber bei den ganzen Plänen die ich hier noch habe, ist das gar nicht mehr so viel. Nicht zu vergessen ist auch, dass diese ewig lange Zeit von guten zwei Monaten von meiner Ankunft bis zum Zwischenseminar in Tallinn gut zur Hälfte „überbrückt“ – gut, jetzt würde ich das nicht mehr so ausdrücken, da das gewissermaßen suggeriert, dass ich hier von Langeweile und nerviger Arbeit geplagt werde, dem ist aber nicht so. Im Moment arbeite ich zwar viel am Computer hier in der Mediathek, aber ich habe mittlerweile auch etwas Kontakt mit den Schülern, vor allem mit denjenigen, mit denen ich nächste Woche im Rahmen eines Projektes nach Berlin fahre. Nicht zu vergessen sind natürlich auch die Fünftklässler, bei denen ich mich wohl mit den Preisen für das Quiz zum Tag der Deutschen Einheit beliebt gemacht habe 🙂 Wenn ich dann mal durch das Schulhaus (Komplex gebautes Gebäude übrigens!) wandere und von Fünftklässlern erblickt werde, bekomme ich ein „Viiiicky!“ (Ach Gott, die sind alle so süß) zu hören, was mich dann grinsen lässt und mich froh macht. Ansonsten habe ich etwas Kontakt zu zwei Schülerinnen aus der 10. Klasse, letzten Sonntag (Übrigens gab es hier ein politsches Großereignis, die deutschen Medien haben berichtet) waren wir zusammen Dranniki essen, also das belarussische Nationalgericht, Kartoffelpuffer mit Smetana, saurer Sahne. Картошка, Plural Картошки, also Kartoffeln gibt es hier überall und zu sehr günstigen Preisen zu kaufen (Belarus ist sehr landwirtschaftlich geprägt), demnach spielen sie auch eine große Rolle in der belarussischen Küche und in den Hauptmahlzeiten. Über Kartoffeln und die Selbstwahrnehmung von Belarussen hat meine Russischlehrerin gestern einige Witze erzählt. Und was kann ich sagen? Sie erinnern mich sehr an die Polen, welche immer im Selbstmitleid versinken und erzählen, wie schlecht doch alles sei. Frei nach dem Motto „stara bieda“ (Antwort auf die Frage „Wie gehts?“, wörtlich übersetzt heißt das alte Armut)
Überzeugt euch selbst: https://www.youtube.com/watch?v=uvzdCfFVBrk
Apropos Russisch: Letztens bin ich an den Fällen verzweifelt. Ich weiß nämlich nicht, ob es gut oder schlecht ist, dass ich Polnischkenntnisse besitze, denn manchmal schleichen sich diese unbemerkt ein. Die Fälle kann ich jetzt mehr oder weniger, aber ab und zu kommt dann der Gedanke auf, warum ich nicht eine einfachere Sprache lernen kann, wie zum Beispiel Spanisch, was ich zu Genüge in der Schule hatte und eigentlich nur noch den Wortschatz ausbauen muss. Dennoch wollte ich seit Jahren schon Russisch lernen und denke mir, dass ich das jetzt sowieso tun muss, ob ich nun möchte oder nicht, und dass ich früher oder später sowieso dadurch muss. So versuche ich die kurz davor verlorene Hoffnung wiederzuholen und höre meiner Russischlehrerin gespannt zu. Worin ich Fortschritte gemacht habe, ist definitiv die Aussprache. Ich kann endlich mehr oder weniger die Zahlen + Aussprache und traue mich auch, immer mehr Russisch zu sprechen, auch wenn ich desöfteren beim ersten Anlauf nicht verstanden werde. „восемнадцать“ ist zum Beispiel auch kein Problem mehr.
Jetzt ist auch hier bei mir die Routine angekommen, Essen kochen, putzen, bügeln, staubsaugen, Wäsche machen, abwaschen gehören zum Alltag. Ich bin verwundert, wie gut das eigentlich bei so einem faulen Menschen wie mir klappt, aber was sein muss, muss wahrscheinlich eben sein.
Im Moment läuft hier die Deutsche Woche, es finden echt interessante Veranstaltungen statt. Überwältigt bin ich hier übrigens auch vom Sprachniveau und den Gedankengeängen der DSD-Schüler, die am Montag ihre Bücher zum Lesefuchs-Wettbewerb vorgestellt haben. Sie können echt stolz auf sich sein. Morgen soll ich nach dem Theaterstück der Schüler aus Pinsk, zu dem auch die Freiwillige aus Pinsk (Marianna) mitkommt, die Schüler bespaßen, irgendwie freue ich mich darauf, wieder was mit Schülern zu machen. Zudem kommt auch Gina aus Vitebsk zu Besuch, wird bestimmt ein schönes Wochenende hier!
Um nochmal zu Brest und dem ersten Monat zurückzukommen: Es war nicht immer einfach, nicht immer fühlte man sich wohl, da man vielleicht etwas Heimweh hatte, alles fühlte sich fremd an, sodass man keinen objektiven Blick auf gar nix hatte, es war so, als hätte man die Augen vor der Realität verschlossen und sich nur auf sich selber konzentriert. Was prinzipiell ja auch stimmt, nur sollte man in so einer Lage nur zu vorschnell urteilen. Ich muss sagen, dass Brest eine lebenswerte Stadt ist. Ich komme gut mit der Größe klar, denn es ist für meine 3,5 Millionen gewöhnte Seele nicht zu klein. Wäre ich in eine 20.000 Kleinstadt, wo man vom einen Ende bis zum anderen vielleicht eine halbe Stunde braucht, gekommen, wäre dies sicherlich eine größere Herausforderung gewesen. Hier fährt man schon mehr als eine Stunde. Zum Russischkurs brauche ich ca. 35 Minuten mit dem Bus. Brest bietet eine Vielfalt an kulturellen Aktivitäten (wie ich es auch aus Berlin gewohnt bin), aber auch Restaurants, Supermärkte und das Shoppen kommen nicht zu kurz. Ich habe hier sogar zwei meiner Lieblingsläden entdeckt 😉 Knapp 400.000 Einwohner sind mehr als man denkt und man kann Brest selbstverständlich nicht mit der internationaleren Großstadt Minsk vergleichen, dieses Gefühl gibt es hier einfach nicht. Brest ist dafür kuschelig und wirkt sonntags sehr verschlafen, an den restlichen Tagen aber eher wie eine größere Stadt. (Liegt wahrscheinlich an der Tatsache, dass ich praktisch im Zentrum der Stadt wohne) Achso, nochmal zurück zur Kultur: Am Dienstag habe ich mir ein georgisches Ensemble hier angeguckt, es war wunderschön!! Bilder findet ihr unter dem angegebenen Link.
Auf weitere Monate mit dir, liebes Brest!
Verschiedenste Fotos gibt es wie immer hier: https://picasaweb.google.com/113320351859752854031/Belarus?authkey=Gv1sRgCOD2jZSs8Yjz-AE