Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Blogeintrag schreiben soll, aber er gehört ebenso zu meinem Freiwilligendienst, wie die Sesamringe am Straßenrand, die langen Busfahrten, die wechselnde Schulklingel, die mich spätestens am Donnerstag in den Wahnsinn treibt und das Eis bei Affreddo, in welches ich schon sehr viel Geld investiert habe, auch wenn über dieser Geschichte kein Weichzeichner und kein gelber Filter liegt. Dieser Blogeintrag soll weder ein Vorwurf noch eine Fingerzeig auf was auch immer sein, er soll einfach nur meine Situation beschreiben. Er spricht weder für alle Freiwilligen, er spricht nur von meinem halben Jahr und meinen Erfahrungen, die durch die entsprechenden Umstände entstanden sind.
Ich habe teilweise vielleicht eher kryptisch, teilweise zwischen den Zeilen angedeutet, dass ich in meiner Einsatzstelle nicht so wahnsinnig viel zu tun hatte, dass ich nicht immer mit meinem Arbeitspensum zufrieden war. Zumindest nicht so wie ich erwartet hatte. Das lag einerseits daran, dass meine Betreuerin spontan zum Sommer gewechselt hat und nicht genau wusste, welches meine Aufgaben sind, andererseits aber auch daran, dass am Anfang des Schuljahres eine der sechs Lehrerinnen gekündigt hat und nachdem ich keinen Unterricht mehr vertreten durfte/musste, die anderen Lehrerinnen dafür umso mehr zu tun hatten.
Nach besagtem Vertretungsunterricht waren meine Aufgaben also zwischen kopieren, Ankreuzarbeiten korrigieren, eine Wandzeitung zu gestalten und zu warten sehr beschränkt. Ich bat meine Hilfe an, fragte nach und wartete. Doch nach jedem „Vielleicht nächste Woche“ und jedem „Das passt jetzt wirklich nicht so gut. Ich mache doch nur Grammatik“ schwand meine Motivation. Bis ich irgendwann einfach keine Lust mehr hatte, ich wollte nicht nochmal den Satz „Setz dich doch in die Bücherei und entspann dich“ hören, dazu war ich nicht hier. Aber genau das machte ich irgendwann, blieb einfach in der Bücherei, ich wollte nicht nochmal abgeblockt werden. Was mich noch mehr mitnahm, als die Aufgabenlosigkeit, war die Tatsache, dass ich einfach keine Motivation mehr hatte. Und das wusste. So wartete ich, kopierte, malte ein bisschen am Adventskalender, füllte Listen aus und guckte mittags auf sehr wenig Produktivität zurück. Zwar hatte ich schon gehört, dass es Freiwillige gab, die nichts zu tun hatten, aber als ich das hörte, dachte ich immer nur „Jaa, bei denen war das so, aber Ich finde immer was zu tun, natürlich mache Ich super viel“. Weil ich in den Jahren davor auch immer was gemacht habe, unterwegs war und vor allem, motiviert für neue Sachen war. Mir würde so etwas nie passieren, ich bin zu aktiv, engagiert und ideenreich dafür. An dessen Stelle war jedoch eine Frustration und Müdigkeit getreten.
Im Januar dachte ich plötzlich, dass es das nicht sein kann, zwar hatte ich mehr Aufgaben, leitete die Lesefüchse, bereitete dafür Material vor und traf mich wöchentlich mit den Schülern und übte in den achten Klassen lesen, aber das war nicht das, was ich mich befriedigte und auf einen erfolgreichen Freiwilligendienst zurückblicken lies. Also überlegte ich mir ein Projekt zum Thema „Glücksmomente“ für die 9. Klasse. Eine Lehrerin sagte wirklich für die darauffolgende Woche zu. Da die kostbare Unterrichtszeit nicht so viel genutzt werden sollte, leitete ich nur kurz mit einer Geschichte ein, besprach mit den Schülern alles und gab ihnen den Auftrag eine Geschichte zu schreiben. Nach 25min ging ich motiviert und stolz aus dem Unterricht raus. In der nächsten Woche kam ich zurück um die Texte einzusammeln. Genau fünf von 29 Schülern hatten einen Text geschrieben. Vor dem Raum betrachtete ich die Texte. Natürlich war ich enttäuscht, dass es nicht mehr waren, schließlich wollte ich damit eine 2mx2m Pinnwand schmücken, aber irgendwie merkte ich, dass das nicht der Punkt war. Ich war auch stolz. Die fünf Texte waren süß und ich freute mich, dass sie geschrieben worden waren. Vielmehr freute ich mich aber darüber, meine Motivationslosigkeit überwunden zu haben. Klar ist nichts gigantisches dabei rausgekommen, vielleicht wäre auch bei den anderen Projekten nichts riesiges rauskommen, vielleicht auch gar nichts. Darum geht es aber nicht, mir zumindest nicht, wichtig ist, es wieder zu probieren und trotzdem seine Grenzen zu kennen, sich abzuarbeiten an etwas, das nicht funktioniert bringt auch nichts.
Beim Zwischenseminar habe ich gelernt, dass man in fast allen Fällen Hilfe braucht, sei es bei der Unterstützung der eigenen Ideen, bei der Entwicklung, bei der Umsetzung, dem Raum, der Zeit… Diese Hilfe hat mir in vielen Bereichen gefehlt, vor allem hätte ich jemanden gebraucht, der gegen mein Inneres „Das-klappt-doch-eh-nicht“ angeredet hätte. Vielleicht hätte ich einfach eine andere Freiwillige vor Ort gebraucht, jemand, der in der gleichen Situation ist und das eben nicht nur über Whatsapp, vielleicht hätte ich eine Lehrerin gebraucht, die sagt „Komm mit, wir machen jetzt was zusammen“, vielleicht eine Einsatzstelle, die mehr Aufgaben gehabt hätte, vielleicht auch einfach nur ein bisschen mehr Sonnenschein, ich weiß es nicht. Doch obwohl ich nicht das Megaprojekt auf die Beine gestellt habe, habe ich etwas Wichtiges gelernt, meine Frustration zu überwinden und wieder zu probieren, es nicht persönlich zu nehmen, wenn es nicht klappt und vor allen Dingen mich nicht zu vergleichen.
An alle anderen Freiwilligen, die das lesen, es bringt überhaupt nichts, sich mit den vorherigen Freiwilligen oder denen im Nachbarort oder sonst wo zu vergleichen. Du musst das machen, was zu deiner Zeit an deinem Ort möglich ist, soweit du eben kannst und soweit du willst und darfst dabei natürlich über die Möglichkeiten hinausgehen. Aber vergleiche nicht, weder dich, noch andere. Du kannst nicht die Situation anderer beurteilen, weil du sie nicht kennst. Außerdem ist jeder Mensch unterschiedlich, jeder hat andere Stärken. Manche passen eben perfekt zu der Einsatzstelle oder den Personen, die dort arbeiten, dann hat man Glück gehabt, manche aber eben nicht. Und da kann man sich natürlich anstrengen und sein Bestes geben und versuchen Dinge auf die Beine zu stellen, aber manchmal liegen mehr Steine im Weg als gedacht.
An dieser Stelle möchte ich auch nochmal sagen, wenn einem immer wieder gesagt wird, du musst es einfach nur nochmal versuchen, sei aktiv, such dir doch eine Person, mit der du etwas machen kannst, ist mir bewusst, dass dies total nett gemeint ist und nur als Hilfe dienen soll, aber das oft, obwohl es nicht so gemeint ist, als Vorwurf klingen kann. Vor allem kann es so aufgefasst werden, als wäre es ein persönlicher Vorwurf, als hätte man wirklich noch nicht alles probiert, als wäre man selber dran Schuld, dass es bei einem nicht so läuft, wie bei anderen Freiwilligen. Bitte, nehmt die Dinge nicht persönlich, obwohl viele Freiwillige ähnliche Situationen und Probleme meistern, so ist doch jeder in einer anderen.
Wenn ich schon dabei bin, möchte ich auch nochmal betonen, dass man seine Erlebnisse auch nicht mit anderen Blogs von Freiwilligen vergleichen sollte oder gar als Maß ansehen. Ich für meinen Teil habe eigentlich immer nur aufregende, witzige, manchmal nachdenkliche oder eindrückliche Erlebnisse aufgeschrieben. Das heißt aber nicht, dass ich durchweg solche Geschichten erlebt habe. Die Dinge sind zwar eins zu eins so passiert, aber die Teile dazwischen, in denen ich Nachmittage komplett verschlafen habe, mit weit entfernten Freunden und meiner Familie geskypt und telefoniert habe, die täglichen einstündigen Busfahrten vorbei an tristen Häuserblöcken und die Spaziergänge durch die Stadt, die zwar nicht schlecht, aber auch nicht besonders aufregend waren. Ich genieße die Zeit, mit allen Höhen und Tiefen, ich möchte nur davor warnen, den Blog als vollständiges Abbild der letzten Monate zu nehmen, weil ich euch die Tiefen eben oft im Blog verschweige (und ich entschuldige mich, dass ein, wenn auch kleines Abbild, der letzten zwei Monate komplett fehlt, obwohl diese wohl die ereignisreichten und wahrscheinlich auch glücklichsten meiner Zeit als Freiwilligen waren. Kommt aber noch, versprochen! Geschichten haben sich angesammelt). Dazu noch ein letzter Punkt, die Darstellung meiner Erlebnisse sind wie gesagt, meine Darstellung, sie sind subjektiv, wie ich sie wahrgenommen habe. Dass heißt nicht, dass wenn ich zum Beispiel schreibe, dass diese Jacken mit den knallrosa Fellkragen, die jetzt sehr viele Mädchen in Bulgarien tragen, sehr hässlich sind, auch wirklich hässlich sind. Das ist meine Meinung und ich hoffe, dass ihr das auch immer so wahrgenommen habt und zum Beispiel meine Darstellung über Bulgarien nicht als endgültige Version, wie Bulgarien auch wirklich ist, anseht. Das ist eine Sicht auf die Dinge, nur eine Geschichte und keinesfalls die Grundlage sich eine Meinung über Bulgarien, die Menschen, den Freiwilligendienst oder ähnliches zu bilden. (Obwohl die Jacken wirklich hässlich sind, wie eine andere Freiwillige mir erzählt hat, sind sie durch ein Musikvideo einer serbischen Sängerin total hipp geworden.)
Ich hoffe ich habe euch nicht gelangweilt, aber diese Dinge wollte ich noch loswerden.
Zuletzt möchte ich sagen, dass ich trotz all dem unglaublich dankbar bin, diesen Freiwilligendienst durchgeführt haben zu dürfen. Vielleicht wäre es anderen Menschen in der gleichen Situation anders ergangen, aber das ist egal, weil genau zu der Zeit war ich eben dort und bin meinen Weg gegangen und habe unglaublich viel gelernt. Vor allem wieder aufzustehen, auch wenn es schwierig ist und auch wenn man wieder hinfällt.