Jetzt, wo ich schon eineinhalb Monate hier bin, verfasse ich mal so ein kleines Sammelsurium an Erlebnisschnipseln.
Mir geht es sehr gut hier, auch wenn ich die letzten Tage ziemlich im Stress war. Aber sagen wir, ich beende hier jeden Tag mit einem „wieder was gelernt“. Insgesamt ist natürlich vieles anders als erwartet. Wenn man als normal mit Klischees ausgestatteter Europäer an Südamerika denkt, hat man doch wahrscheinlich unter anderem einen sehr entspannten Lebensstil im Kopf. Außerdem gutes Wetter, vielleicht spät aufstehen und ständiges Salsa tanzen. Und wahrscheinlich denkt man nicht an nervende Behörden.
Aber daran sieht man, dass Vorurteile was für Abergläubische sind! Wie ihr euch jetzt schon denken könnt, fällt mein bisheriges Leben hier nämlich ziemlich gegenteilig zu alledem aus: Mittlerweile musste ich leider feststellen, dass mir das Wetter hier oben eine Spur zu kalt ist. Es ist vielleicht wärmer als in Deutschland, aber dafür kann man sich dort drüben über den kalten Winter beschweren und wird dafür nach langem Warten mit Sommer belohnt. Für mindestens zwei Wochen, und die sind richtig schön. Aber immerhin wird es in Bogotá am Mittag warm, wenn es nicht gerade regnet. Man muss halt ein bisschen Glück haben, dass man zur richtigen Zeit draußen ist. Da sind wir wieder beim Aberglauben. Ansonsten kann man auch einfach ins Warme fahren, dauert zwei bis drei Stunden. Im Sommer (okay okay im Juni) habe ich das auch vor. Das wird super, ihr hört noch davon.
Im Moment ist Freizeit eher ein Fremdwort für mich. Na gut, gerade ist langes Wochenende. Konnte es gar nicht fassen… Vier Tage frei? Wer ich??
Okay das klingt jetzt etwas wehleidig. Zur Erklärung hier mal meine letzte Woche. Ich arbeite in meiner Einsatzstelle, einer PASCH-Schule, immer von 6:30 bis 14:30. Die Arbeit gefällt mir auch echt gut, weil ich die Lehrer und Schüler sehr nett und locker finde und es nie zu viel und nie zu wenig zu tun gibt. Dann habe ich eine Viertelstunde zu Hause zum Mittagessen (!). Danach geht es wieder los zum Sprachkurs. Um 7 Uhr abends bin ich mit Glück wieder zurück. Und ich bin dann wirklich froh, wenn ich es um 9 ins Bett schaffe. Was ich ehrlich gesagt so gut wie nie schaffe.
Das letzte Wochenende habe ich sogar auch noch gearbeitet, und zwar auf dem Stand vom Goethe Institut auf der Buchmesse hier. War aber cool, ich hoffe es wurden jede Menge Leute dafür begeistert, Deutsch zu lernen. Und zwar mithilfe von Armbändern mit deutschen Lieblingswörtern: Augenblick, Pusteblume, Vielleicht, Sommerregen, Wirrwarr… Auf dieser Messe war ich jetzt schon 5 Mal. Und morgen wieder, zum deutsche Märchen auf Spanisch vorlesen. (Die anderen Male waren zweimal mit der Schule und heute mit meiner Gastfamilie.) Wenn jemand einen Guide für die Büchermesse braucht kann ich mich selbst eigentlich nur empfehlen, andererseits gehe ich ganz sicher nicht noch ein zusätzliches Mal freiwillig hin.
Hier noch ein kleiner Einblick zum Thema Entspanntheit. Entspannt sein kann ich nur empfehlen, man braucht definitiv eine Einstellung in diese Richtung, wenn man hier was auch immer vor hat. Beispielsweise habe ich in der zweiten Woche hier meinen Ausländerausweis beantragt, was auch so verlangt wird. Inklusive sieben Stunden in der Behörde herumsitzen und 70 Euro bezahlen und Bluttest. Angeblich sollte diese Cedula dann nach vier Tagen abholbereit sein. Ha, und das ist jetzt 5 Wochen her… Von anderen habe ich gehört, es dauert auch mal ein halbes Jahr, was blöd ist weil ich diesen Ausweis brauche.
Aber es reicht eigentlich auch schon der öffentliche Verkehr, um jemanden von der weniger harten Sorte aus der Ruhe zu bringen. Vor allem meine ich damit, dass es mir erscheint, als würde in den Straßen Bogotás generell keine besonders große Rücksicht auf Leben genommen. Beziehungsweise ist man besser beraten, wenn man das für sich selber tut. Abgesehen von den kraterartigen Schlaglöchern, die jedes Gefährt an manchen Stellen zum Slalom auffordern (der aber auch so die beliebteste Fahrweise ist), gibt es beispielsweise auf den Fußgängerwegen Löcher, weil die Abdeckung von irgendwelchen Kanalisationsvorrichtungen fehlt. Hansguckindieluft lebt in Bogotá gefährdet.