Nach langer Zeit mal wieder was Neues.
Achtung: Sehr lang, dafür aber auch mit vielen Fotos :)
Mit einigen Startschwierigkeiten habe ich letzte Woche versucht nach Armenien zu kommen.
Erst wollte ich mich super spontan einem weltwärts-Freiwilligen anschließen, der Donnerstagnachmittag die Marshrutka (Mini-Bus) nach Yerevan nehmen wollte. Ich hatte in Eile alles Nötige vorbereitet, d.h. mit meiner Schule geklärt, dass ich mir Freitag frei nehmen könnte, für Donnerstagnachmittag eine Vertretung für mich in der Schule organisiert und ein paar Sachen gepackt. Bevor ich zum Marshrutka Bahnhof gefahren bin, hab ich bei der Public Service Hall noch meine georgische ID-Karte, die endlich fertig war, abholen wollen (ohne die kann ich zwar ausreisen, jedoch käme ich nicht wieder ins Land rein). Tjoa, da ist mir aufgefallen, dass ich meinen Reisepass als Ausweisdokument vergessen hatte… Doch mit der Kopie, die ich immer dabei habe, hat es glücklicherweise geklappt und mir wurde meine Karte ausgehändigt. Freudig überrascht und stolz auf das georgische Ausweisdokument bin ich also zum Treffpunkt. Am Marshrutka-Bahnhof Avlabari hat alles gut geklappt. Wir haben zwei Plätze in einer Mini-Marshrutka bekommen und sind los. Das Wetter war übrigens gigantisch an dem Nachmittag! Der Himmel hatte sich verdunkelt und war tief grau-blau und nur in der Ferne war noch ein heller Lichtstreifen am Horizont zu sehen. Es hat geblitzt und gedonnert und dann hat es plötzlich geschüttet, als hätte jemand den Wasserhahn mit einem Ruck aufgedreht! Da Georgien eine extrem schlechte Kanalisation und quasi keine Gullys hat, kamen reißende Sturzbäche die Straßen runter, sodass die Autos teilweise mehr schwammen als fuhren! Wir saßen sicher im trockenen Auto und haben uns im Verkehrschaos aus der Stadt raus bewegt Richtung Armenien. Irgendwann meinte mein Mitreisender, er freue sich auf den neuen Stempel im Pass. Stempel?! IM PASS!!! Shit! Ich hatte doch meinen Reisepass vergessen… Naja, wir haben nicht lang überlegt oder gesucht, denn ich wusste, dass er zu Hause war, sondern angehalten und dann bin ich mit einer Marshrutka aus der Gegenrichtung zurück nach Tbilisi, was noch mal ne Stunde gedauert hat wegen des abendlichen Verkehrs. Richtig idiotisch! Hatte irgendwie das Gefühl, ich mache nen kurzen Wochenendtrip. Landesgrenze? Aus Europa war ich‘s nicht gewohnt, dass das wirklich eine GRENZE ist, wo man sich ausweisen etc. muss… Man hat gemerkt, dass ich etwas fertig und das so eine richtige Hals-über-Kopf-Aktion war. :(
Freitagmorgen hab ich dann den zweiten Versuch gestartet. Ich hatte sogar noch einen Begleiter gefunden. Wir sind um 9 Uhr am Bahnhof gewesen und wollten eigentlich die erste Marshrutka nehmen, doch die führen nur im Sommer, wurde uns gesagt. Der Fahrer bot aber an – wenn noch ein paar Menschen mit wollten – schon um 10 statt wie laut Plan erst um 11 Uhr zu fahren. Also haben wir noch was gefrühstückt und sind dann um 10 Uhr mit der Marshrutka los. 30 Lari, das sind etwa 13 Euro, kostet die fünfeinhalb stündige Fahrt bis nach Yerevan. Bis zur Grenze kamen wir ohne Probleme. Es war gutes Wetter und so hatten wir eine unglaubliche Sicht auf die Landschaft, insbesondere die Berge des Kleinen Kaukasus‘.

An der Grenze mussten wir aussteigen, haben den ersten Stempel in unsere Pässe bekommen, „raus aus Georgien“, sind dann mit dem Auto ein Stückchen weiter bis zur armenischen Grenze gefahren, wo wir uns in eine Schlange stellen und kurz warten mussten. Dann haben wir den zweiten Stempel, „rein nach Armenien“ bekommen und durften passieren. Alles ohne Probleme und ohne lange Wartezeiten. Die Landschaft hinter der Grenze sah noch aus wie Georgien. Die Dörfer sahen den georgischen ebenfalls sehr ähnlich, kamen uns aber noch etwas ärmer vor, viele waren verlassen. Dann wurde es kärger. Wir kamen in höher gelegene Regionen. Armenien liegt durchschnittlich, glaube ich, auf 1800m! Man sah, dass fast überall bis vor Kurzem Schnee gelegen hatte, weshalb das Gras noch keine Chance hatte, grün zu werden. Rechts und links der kleinen zweispurigen Straße erhoben sich die braun-grauen Berge mit weißen Mützen. Irgendwo dort im Nirgendwo knallte es plötzlich super laut und unser Auto schlingerte kurz. Der Fahrer fuhr an den Rand und ging zielstrebig zum rechten vorderen Reifen. Der war nämlich geplatzt! Erst meinte er, mit dem zerfetzten Reifen voll auf der Felge seines Autos mit 15km/h weiter fahren zu müssen, aber dann hat er wohl auch realisiert, dass das nicht gerade die allerbeste Idee war und hat am Rand gehalten. An der Tankstelle war er allerdings vorbei gefahren. Dort, wo wir dann hielten, war nichts. Nur Natur. Er hat den Wagen aufgebockt (hatte nen Wagenheber dabei) und das kaputte Rad abmontiert. Dann fiel ihm auf, dass es schlauer gewesen wär, erstmal das Ersatzrad zu suchen und bereit zu legen… Das nämlich war nicht im Kofferraum wie erwartet sondern unterm Auto angebracht. Die Schraube war super verrostet und mit unserem Werkzeug war da nichts zu machen. Nach und nach hielten verschiedenste Fahrzeuge bei uns. Zwei LKWs packten ihr gesamtes Werkzeug aus und damit ließ sich die Schraube dann doch noch mühsam lockern. Zwischenzeitlich waren fünf Männer an unserem Auto am Werkeln (ich als Frau durfte nicht helfen). Doch als die Schraube gelöst war, ließ sich das Ersatzrad nicht herausziehen, weil das Auto dummerweise zu tief lag…! Schließlich fehlte ein Rad… Irgendwann hatten sie es schließlich doch geschafft und das Ersatzrad hervor geholt und erfolgreich anmontiert. So konnten wir nach einer Stunde Verzögerung doch weiter fahren.
Der Rest der Fahrt verlief problemlos und plötzlich tauchte halb im Dunst und in den Wolken der Ararat, DER BERG auf, den man von ganz Yerevan aus sehen kann, weil er mit seinen 5000m alles überragt, der jedoch bedauerlicherweise auf dem feindlichen Gebiet der Türkei liegt.

Am späten Nachmittag wurden wir dann jedenfalls in Yerevan rausgelassen. zuallererst haben wir uns um Geld gekümmert. Ich habe meine 100$ in armenische Dram gewechselt und habe dafür 47.040 Dram zurückbekommen!!! Was eine Währung! Ohne Stadtplan, eigentlich überhaupt ohne jeglichen Plan :D sind wir also durch die Stadt gelaufen und haben uns in ein nettes Café am Republic Square gesetzt und die immer noch knallende Abendsonne genossen. Von dort konnten wir dann auch mithilfe des Café-Wifis unseren Standort herausfinden und Kontakt zu Leonie aufnehmen, der kulturweit-Armenien-Freiwilligen, die angeboten hatte, uns für die Tage aufzunehmen. Bevor wir zu Leonie sind, haben wir noch einen Abstecher in die Blaue Moschee gemacht, eine wunderschöne Anlage mit Säulengang, kleinem Garten und durch ein Mosaik verziertem Minarett. Mit frischen Erdbeeren, die wir – uns mit Händen und Füßen verständigend – für mehrere tausend Dram gekauft hatten, sind wir dann zu den Kaskaden, wo Leonie uns abgeholt hat. Wir mussten mehrfach nach dem Weg fragen und waren überrascht und begeistert, dass man uns auf Englisch antworten konnte, denn in Georgien stößt man da schnell an Grenzen. Die Kaskaden selbst sind gigantisch und haben mich an die Spanische Treppe in Rom vermischt mit der georgischen Anlage im Vake Park in Tbilisi erinnert. Leonie wohnt ganz in der Nähe der Kaskaden in einer Art Finka am Hang. Es ist eine ganz normale Wohnung, aber sie hat einfach einen Garten mit Terrasse und Pool und Hängematte!!! Wie viel lebenswerter ein Garten ist, hatte ich schon fast wieder vergessen… Sie waren grad am Grillen, die WG und Freunde, buntgemischt, verschiedenste Nationalitäten, Armenier, Deutsche, Australier, Schweizer, Amerikaner. Super Wetter, gutes Essen, hamma Garten und nette Leute, was will man mehr? War ein perfekter Abend.

Am Samstag haben wir uns alle früh aus den Betten gequält, denn wir hatten am Vorabend entschieden, einen Tagestrip in die Berge zu machen. Das sollte eine organisierte Reit-Tour sein. Erst wollten wir es doch kurz abblasen, weil Gewitter für die Gegend angekündigt war, aber dann haben wir uns aufgerafft und sind doch los. Wir sind am Sewansee, dem größten Binnensee Europas (?), vorbei gefahren und dann in die Berge nach Dilijan. Dort standen zwei Jeeps und 10 Pferde für unsere Gruppe bereit. Wir mussten uns aufteilen, nur die eine Hälfte konnte reiten. Für die erste Runde zu Pferd haben die Organisatoren Leute gesucht, die schon mal auf einem Pferd saßen und etwas Erfahrung hatten und so bin ich an eines gekommen. Es ging kleine Straßen entlang, einen Berg hoch. Ich hab mich erstaunlich schnell wieder sicher gefühlt und so hat es super viel Spaß gemacht! Nach einer halben Stunde wurde gewechselt und wir sind dann zu Fuß gegangen oder mit dem Jeep vorgefahren. Oben haben wir an einer Rasthütte Halt gemacht. Es wurde ein Lagerfeuer entfacht und die Armenier haben Unmengen an Essen ausgepackt! So ähnlich erlebt man das auch hier in Georgien :) Wir fanden es ein bisschen schade, dass wir über vier Stunden dort oben verweilt haben ohne irgendeine besondere Aktivität. Wir konnten zwar die Pferde reiten, aber die wurden ja auch nicht munterer. Erst um sechs Uhr haben wir uns auf den Rückweg gemacht. Trotzdem war es insgesamt ein super Ausflug mit netten Leuten und lustigem wechselhaftem Aprilwetter! Ziemlich erschöpft war in der Marshrutka dann eine sehr schläfrige Stimmung. Doch kurz vor Yerevan wurde der Himmel zunehmend dunkler. Genau über Yerevan hing ein fettes Gewitter! Wir sind aus den Bergen nach Yerevan runter gefahren und es sah wirklich apokalyptisch aus! Es hat geblitzt und gedonnert und als wir in der Stadt waren, hat es geschüttet, als hätte jemand plötzlich den Hahn aufgedreht! Ganz leicht durchgeweicht sind wir bei Leonie angekommen, wo schon wieder gegrillt wurde. Wir haben uns kurz geduscht und sind dann direkt wieder los, zum Geburtstag eines Georgiers.

Zuerst waren wir in der Lieblingsbar von allen. Dort war es rappelvoll und die Stimmung war gut. Wir sind dann noch weitergezogen in eine Bar bzw. einen Club. Naja, den Rest des Abends oder besser den restlichen Verlauf der Nacht haben einige am nächsten Morgen zu spüren gekriegt. Wir waren erst gegen halb sechs im Bett, aber mein Mitstreiter und ich hatten ja irgendwie doch noch das Ziel etwas von Yerevan zu sehen. So sind wir dann noch gute vier Stunden durch Yerevan gezogen. Erst sind wir die Kaskaden hoch zur Mutter Armeniens (wie die Mutter Georgiens eine Statue auf einem Berg), sind dann durch die Innenstadt und haben es sogar irgendwie ohne Stadtplan zur Vernissage, einem großen (Kunsthandwerks-)Markt, geschafft. Dort gab es alles! Von bewundernswerter Handwerkskunst (Holzspielbretter, Schmuck, Messer etc.) über Sammlerstücke wie alte Kameras, Briefmarken oder Münzen, aber auch Kabel, alte Lampen und den landestypischen Kognak „Ararat“. Am späten Nachmittag haben wir schließlich unsere Sachen bei Leonie eingesammelt und sind zum Bahnhof, von wo aus unsere Marshrutka zurück nach Tbilisi starten sollte. Eigentlich hatten wir vorgehabt mit dem Nachtzug zu fahren, aber der fährt leider nur an geraden Tagen (02., 04., 06. Mai …), sodass wir uns wieder mit der Marshrutka begnügen mussten. Dort haben wir dann zufällig den anderen Freiwilligen getroffen und sind zu dritt nach Hause gefahren. Nach Mitternacht waren wir schließlich da.

Es war eine wunderbare Tour, in das bis dato unbekannte Nachbarland, das in vieler Hinsicht wie Georgien ist, jedoch auch erstaunliche Unterschiede aufweist. So hatten wir beispielsweise das Gefühl, dass viele Armenier sich bunter kleiden, die Männer auch schicker als die georgischen, dass mehr Menschen Englisch sprechen (kann an dem riesigen Anteil an Diaspora-Armeniern liegen) und dass Yerevan mehr Parks und Straßencafés zu bieten hat. Besonders auffällig ist aber, dass fast alle Gebäude aus (oft rötlichem) Sand- oder Tuffstein sind bzw. damit verkleidet sind. Dadurch wirken die alten Sowjetbauten – die es sowohl in Georgien als eben auch in Armenien zu Hauf gibt – ganz anders. Ich finde, es wirkt dadurch etwas mehr wie eine europäische Stadt. Jedenfalls war es unglaublich schön! Das Gefühl, nach Tbilisi nach Hause zurück zu kehren, aber auch :)









Pferde, Mond, Ararat und die schwarz-weiß-Bilder – Du hast ja tolle Fotos gemacht!
Schönes Land, schöne Fotos. Danke :)