Archiv für den Monat: September 2015

Meer und mehr

Letzten Freitag kam Cosima (die Freiwillige aus Haskovo) zum Übernachten zu mir, da wir am nächsten Tag mit dem Bus nach Varna fahren wollten.
Nach einem ausgiebigen Erdbeer-Marmeladebrot-Frühstück gingen wir zum Busbahnhof, um drei Karten nach Varna zu kaufen (Für Cosima, mich und einen weiteren Freiwilligen aus Kardzhali). Wir hatten schon Angst es gibt keine mehr, da der Dienstag ein Feiertag (Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich 1908) ist und der Montag dementsprechend auch frei ist.. vielleicht fahren die Einheimischen über lange Wochenenden ja auch gern ans Meer. Letztendlich haben wir die drei Karten für je 26 Lewa (für 8 Stunden Busfahrt ist das wirklich nicht viel) aber problemlos bekommen, sodass ich Cosima noch MEINE Stadt (ja, ich bin verliebt in diese Stadt) zeigen konnte, bis der dritte Freiwillige (Jan-Philipp) mit dem Bus Plovdiv erreichte.

Mit Cosima an meinem Lieblingsplatz in Plovdiv

Um 15:30 konnten wir drei es uns dann im Bus bequem machen, bisschen quatschen und die unglaubliche Landschaft bestaunen. Die Landschaft ist so anders, als in Deutschland: weite Flächen mit Äckern, braun-grünen Wiesen, Hügel und Berge ab und zu winzige zerfallenen Bauernhäuser. Holprige Straßen,an deren Seiten ältere Menschen saßen, um Obst und Gemüse zu verkaufen und der Bus Pferde-und Eselskarren überholen musste. Es gibt hier extra Schilder: Vorsicht Pferdekarren! Schafherden, freilaufende Pferde,.. Für mich war diese Fahrt durch die Landschaft abseits der Stadt wie eine kleine Zeitreise, unglaublich schön.
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Als wir dann nach 8 Stunden endlich in Varna waren und unser Hostel gefunden hatten, in dem noch zwei weitere Freiwillige warteten, waren wir so platt, dass wir erst mal schlafen gingen.
Nachdem wir ausgeschlafen hatten kam noch eine kulturweit Freiwillige, Serra, dazu. Nun waren wir komplett. 6 Deutsche in Varna.

Naja, nur 3 von 6 Freiwilligen

Naja, nur 3 von 6 Freiwilligen

Wir verbrachten fast den ganzen Tag zusammen am wunderschönen Sandstrand. Da es schon Saison-Ende am schwarzen Meer war, war der Strand nicht so voll, was sehr toll war. Das Wasser war schließlich immer noch ziemlich warm. Naja, wie das eben so ist, wenn keine „Aufpasser“ dabei sind, hat niemand an Sonnencreme gedacht.. und jetzt ratet mal, wer einen Sonnenbrand hat. Tada..genau, ich!- oh Wunder. Aber hey, das wird braun.
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Sogar dem Hund ist es zu warm

Sogar dem Hund ist es zu warm

Zu Mittag gab es (typisch bulgarisch) Mais im Becher. Ich weiß leider nicht mehr, wie das richtig heißt. Das ist warmer Mais in allen Variationen, die man möchte. Wir haben ihn mit Butter und Parmesan gegessen. Es schmeckt tatsächlich gar nicht schlecht, aber viel kann man davon nicht essen. Die Verkäuferin meinte zu uns, dass die beste Variation mit Schokosoße ist. Cosima hat das später wirklich probiert.. meins ist es nicht, aber es gibt schlimmeres.

Mais mit Butter und Parmesan- gibt es hier fast überall

Mais mit Butter und Parmesan- gibt es hier fast überall

Den Abend ließen wir gemütlich am Strand mit Mojito ausklingen.
Am Tag drauf machten wir eigentlich das selbe, liefen durch Varna (eine süße Stadt) und aßen sooo viel Eis. Da es schon wieder der letzte Abend in Varna war, wollten wir noch lang nicht schlafen, sondern verquatschten uns in der gemütlichen Hostel-Lobby mit anderen Urlaubern (darunter auch einer aus Bayern- wobei in Varna wirklich auch sonst sehr viele Deutsche rumlaufen) bis halb 4. Nicht unbedingt klug von mir, denn um kurz vor 6 musste ich bereits wieder aufstehen, da der Bus nach Hause bereits um 6:45 abfuhr. Die Busse der anderen fuhren erst um 11..

Mojiiiito in Varna

Mojiiiito in Varna

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Die alte Therme in Varna


Nunja, dafür war ich schon um 13:30 zurück in Plovdiv und konnte noch etwas schlafen, bevor ich abends mit Frau Paskaleva und ihrer Familie und Freunden ins Amphitheater zu einer richtig bulgarischen Aufführung ging. Richtig bulgarisch? Ja- Frauen und Männer in bulgarischen Trachte, die Musik machten, sangen und Volkstänze tanzten (Irgendwann versuche ich auch zu tanzen). So etwas habe ich noch nicht gesehen, das war so unbeschreiblich schön, das ganze Ambiente: das beleuchtete Amphitheater, die Musik, die für meine Ohren zwar fremd, aber dennoch interessant klang und die Rhodopen im Hintergrund. Das frühe Aufstehen hat sich also auf jeden Fall gelohnt!
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An den nächsten zwei Arbeitstagen (harte Woche, nur Mittwoch und Donnerstag musste ich an der Schule arbeiten) überprüfte ich die DSD-Listen, also die die Namen und Geburtsdaten derjenigen, die das deutsche Sprachdiplom machen wollten, auf Richtigkeit. Ich übte mit einem Neuntklässler, dem Schulsieger des Vorlesewettbewerbs, der beim regionalen Ausscheid in Burgas teilnimmt, den neuen Text, „Der Schatz auf Pagesand.“ Ich muss wirklich sagen, ich war sehr beeindruckt, wie er laß. Man fängt hier nämlich in der 8.Klasse an deutsch zu lernen, d.h. Er lernt seit knapp einem Jahr und liest fehlerfrei. Zwar natürlich mit diesem putzigen Akzent und dem gerollten „R“, aber wirklich richtig gut! Wenn ich das nur mal nach einem Jahr französisch von mir hätte behaupten können.. Hier sind eben nur die sehr guten Schüler, die dementsprechend motiviert sind. Wobei ich glaube, dass der Neuntklässler ganz froh war, dass er nach 10 Minuten schon wieder gehen durfte und nichts mehr lesen musste.
Nachmittags ging es dann auch schon wieder los. Diesmal eben nach Burgas zum regionalen Vorlesewettbewerb, an dem die Schulsieger verschiedener Schulen gegeneinander antraten. Wieder ans Meer (ich kann mich wirklich nicht beklagen). Abends gingen wir, alle Lehrer, Mentoren und Schulsieger, gemeinsam zu McDonalds und anschließend (ohne Schüler) ans Meer.
Freitag morgen lasen dann die Schüler nacheinander aus dem Buch vor. Leider hat unser Schüler aus Plovdiv nicht gewonnen, sondern ein Mädchen aus Haskovo.

Die Teilnehmer des Wettbewerbs in Burgas. Alle waren sehr gut

Die Teilnehmer des Vorlesewettbewerbs in Burgas. Alle waren sehr gut

Nach diesem Event spazierten wir noch durch Burgas bis der Bus kam. Bemerkung am Rand: Mit dem Auto braucht man 2 Stunden nach Burgas, mit dem Bus 5. (Zum Glück mag ich Busfahren, besonders durch die schöne Landschaft.)

So und nun sitze ich frisch geduscht in meinem Zimmer und suche eine Verbindung nach Haskovo, da ich meiner Cosima versprochen habe, sie zu besuchen.. Ich freu mich schon sie zu sehen.

Bis bald
Eure Elisa <3

Vollkommen angekommen!

Nachdem der Server vorerst nicht mehr spinnt und ich, wenn auch nur in den ersten zwei Etagen des Schülerwohnheims, WLan habe, kann ich mal wieder ein Lebenszeichen von mir geben.
Ich bin heute ganz genau eine Woche in Bulgarien. Unglaublich..
Am 11. September bin ich um 13 Uhr Ortszeit wohlauf in Sofia gelandet. Da Fliegen nicht unbedingt zu meiner Leidenschaft gehört, war der Flug mit zwei Stunden erträglich. Nachdem ich meinen superschweren (ja, 9 Kilo zu schwer, aber für 6 Monate braucht man halt einiges- hat mich gewundert, dass er nicht geplatzt ist) Koffer in Sofia wieder bei mir hatte ging ich mit meinen sieben Sachen zum Ausgang, wo mir auch direkt eine kleine, sehr sympathische Frau lachend zuwinkte – Meine Mentorin Frau Paskaleva, die während meiner Zeit in Plovdiv ein wenig auf mich aufpasst und mir hilft wo sie kann. Nach der eineinhalb-stündigen Autofahrt und kurzer Holpertour (die Straße zur Schule ist…nicht die beste) brachten wir direkt mein Gepäck in ein Zimmer im Schülerwohnheim. Zimmer 421 im vierten Stock ist offiziell mein kleines Reich mit allem was man braucht: Kühlschrank, Herd, Mikrowelle, Schreibtisch, Schrank, Waschbecken und einem extra Bett für Besuch.
Ich hatte gar nicht so viel Zeit mir mein neues Zuhause ganz genau anzusehen, da Frau Paskaleva mir gerne typisch bulgarisches Essen zeigen wollte (war übrigens sehr lecker!) und ich danach einen groben Überblick über Plovdiv erhielt: in die Jahre gekommenen Plattenbauten am Rand der Stadt stehen dem Springbrunnen, einer großen Moschee, römischen Ausgrabungen und vielen süßen Läden in bunten Häusern der Innenstadt gegenüber. Plovdiv ist vielseitig! Und so anders. Aber unglaublich schön!

Die große Dschumja Moschee

Ich kann gar nicht genau sagen, was ich genau über die Stadt dachte, als ich angekommen bin. Ich glaube gefühlsmäßig war ich zu dem Zeitpunkt immer noch in Deutschland. Dementsprechend war ich in den ersten Tagen sehr froh, dass ich Kontakt zu meinen Freunden und meiner Familie nach Deutschland hatte und auch, dass ich das Wohnheim erstmal komplett für mich alleine hatte war gut, um mich an die neue Situation hier zu gewöhnen. Ich war jeden Tag in der Stadt unterwegs. Mal mit Schülern, die mir den Park zeigten und auf einen der sechs Hügel, auf denen Plovdiv gebaut wurde, stiegen, mal alleine und ich mich auch langsam hier auskenne. Zum Glück ist Plovdiv, obwohl es die zweitgrößte Stadt Bulgariens ist, nicht so überdimensional groß, sodass auch Leute mit wenig bis gar keinem Orientierungssinn (ja, ich gehöre leider zu diesen Menschen) sich nicht ganz so oft verlaufen.

Am Montag wurde ich dann dem Kollegium in der Schule vorgestellt. Besonders die Deutschlehrer sind alle sehr nett und offen. Ich kann mich auf die Arbeit mit ihnen freuen. Auch habe ich jetzt schon einen Schlüssel für das Lehrerzimmer und darf mich wichtig fühlen, auch wenn ich es (noch?) nicht unbedingt bin.
Den ersten Schultag, der am Ivan Vasov Gymnasium mit einer Feier begann, verpasste ich leider größtenteils, da die Freiwilligen aus Bulgarien zur Fachberatung in die deutsche Botschaft nach Sofia eingeladen wurden. Ich habe mich sehr darauf gefreut, nicht unbedingt auf das Treffen mit der Fachberatung, aber darauf, die anderen Freiwilligen wieder zu sehen, sich austauschen zu können, ob sie sich auch noch nicht ganz zurecht im neuen Land finden und herauszufinden, wie das mit dem Busfahren in Bulgarien funktioniert. Besonders, wenn man kein Bulgarisch spricht. Das Ticket nach Sofia besorgten mir Schülerinnen, aber spätestens, als ich in Sofia wissen wollte, wann der letzte Bus zurück nach Plovdiv fährt, war die Dame am Schalter ratlos.. Sie konnte mit meinem Englisch nichts anfangen, was hier nichts Neues ist. Ich werde hier noch eher gefragt, ob ich nicht Französisch kann (hätte nie gedacht, dass mir meine kaum vorhandenen Französisch Kenntnisse mal nützlich sein könnte). Naja, die Sekretärin in der Botschaft musste dann eine Verbindung raussuchen, da kyrillisch lesen auch noch nicht so schnell klappt. Aber ich bin optimistisch, dass das noch wird. Irgendwann. Zumindest weiß ich jetzt wie das mit den Bussen hier funktioniert und kann das Land erkunden, wenn ich frei habe.

Am Mittwoch war dann mein erster Arbeitstag. Ziemlich gut, ich muss nur zwei Minuten dort hin laufen. Ich stellte mich vor einigen Klassen vor und hab bisschen was auf deutsch daher gebabbelt. Die Schüler hier sind alle sehr freundlich und motiviert, nur mit der Schuluniform haben sie es nicht so.. da kommen, wie Silvia sagt, oft „wilde Kombinationen dabei raus.“ Die Stunden enden hier nicht mit einem schrillen Gong, sondern mit Musik, die die Schüler jede Woche abstimmen können. Interessant wird es, wenn die Stunde dann mit Heavy Metal beendet wird.. Überarbeitet habe ich mich fürs Erste nicht, aber Dank der Beschäftigung fühle ich mich jetzt nach einigen Tagen wirklich und vollkommen angekommen.

Und bin wirklich froh hier zu sein. Ich genieße meine Freizeit in der Stadt und entdecke ständig andere schöne Ecken Plovdivs, wie gestern, als ich zusammen mit dem Chinesen, Jiamin, den ich zufällig in der Altstadt bei einem Flötenspieler traf, loszog. Wir gingen durch das Kapana Viertel, einem Labyrinth aus süßen Gassen mit zahlreichen Bars und stiegen auf den Nebet Tepe. Von diesem Hügel, der mit Ruinen verschiedener Epochen übersät ist, hat man eine unglaublich tolle Sicht über Plovdiv. Bisher mein absoluter Lieblingsplatz, aber ich habe ja noch längst nicht alles gesehen.. Wenn ich jetzt noch bulgarisch könnte, könnte ich mir keinen besseren Ort vorstellen, um meine 6 Monate zu verbringen..

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Nebet Tepe. Am Ende der Ulitsa Dr. Chomakov. Hier haben die Thraker im 2. Jh. die erste Siedlung gegründet.

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Kapana-Viertel nördlich der Moschee. Auf deutsch: Die Falle, da man schwer aus dem Straßengewirr wieder herausfindet.

 

 

 

 

 

 

Bis bald
Eure Elisa im Entdeckungsrausch <3

Lindau – Bonn – Berlin

Plötzlich ging alles ganz schnell: Ich erinnere mich, wie ich im November zu Hause in Lindau tatsächlich meine Bewerbung für diesen Freiwilligendienst abschickte. Ich malte mir aus, wie es sein würde, eine Zeit lang im Ausland zu sein und war unglaublich gespannt, ob ich genommen werden würde. Und tada, der PAD lud mich im Februar zum Auswahlgespräch nach Bonn ein. Allerdings dachte ich, dass dieses Gespräch weniger gut verlaufen sei.
Die Tage bis zur Bekanntgabe im April, ob man einen Platz bekommen hatte, wollten einfach nicht vergehen und je länger ich wartete, desto sicherer war ich mir, dass ich in Bonn nur wirres Zeug geredet habe und bestimmt kein Stellenangebot erhalten würde. Dementsprechend überrascht war ich, als die E-Mail von Kulturweit endlich bei mir einging: Einsatzstellenangebot in Plovdiv, Bulgarien am Fremdsprachengymnasium Ivan Vasov. Ich war so unglaublich glücklich und gleichzeitig irgendwie überfordert. Bulgarien? Südosteuropa? Wo genau liegt das denn? Was sprechen die Leute da? Ich hatte mich vorher noch nie großartig mit Osteuropa beschäftigt und alles, was mir spontan zu meinem Einsatzland einfiel war „Goldstrand“ und „ärmstes Land der EU“. Ich musste jedoch schnell feststellen, dass das nicht nur mir so ging, sondern auch größtenteils meinem Umfeld. Diese Tatsache war mit ausschlaggebend dafür, dass ich den Platz direkt annahm. Ich wollte mehr über Bulgarien wissen. Über Osteuropa, die Menschen dort.
Das alles ist nun schon einige Monate her und nun sitze ich hier in der Nähe von Berlin am Werbellinsee, zwischen Bäumen, Räuchertofu und vielen neuen Gesichtern (über 240 um genau zu sein, wobei ich besonders meine Zimmergenossin Vanessa und Bulgarien- Kollegin Cosima schon ins Herz geschlossen habe) und schreibe meinen ersten Blog Beitrag. Endlich mal. Dabei geht mir unser Thema aus der heutigen Homezone, dem „Meeting“ von 12 Freiwilligen und einem Trainer, während welchem man zahlreiche verschiedene relevante Themen bespricht und diskutiert, nicht wirklich aus dem Kopf. Umgang mit Sprache und Bildern. Es lassen sich durch gleiche Bilder unterschiedliche Geschichten erzählen. Lediglich entsteht der Unterschied, ob wir bei „erstens“ oder „zweitens“ beginnen zu erzählen. So kann letzteres die Geschichte von Kindern in Indien sein, von denen der Vater sich entschied Suizid zu begehen. Beginnt man jedoch mit „erstens“ erhält man die Geschichte eines Bauern, der dem Konkurrenzkampfes mit den reicheren Ländern nicht länger standhalten konnte und den Freitod wählte. Ein Bild, zwei Geschichten.
Ich habe in den letzten Tagen so viel erfahren. Von Versicherungen und Partnerorganisationen über Greenwash, Kapitalismus und Kantors 4 players Modell, was ich alles sehr interessant fand.
Jedoch qualmt mir vor lauter Vorträgen und Input der Kopf..

Bis bald
Eure Elisa <3