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Raus aus der Kälte!

Hochnebel, Tristesse, hier und da ein Mensch, der seinen Hund ausführt. Sonst ist nicht viel los auf den Straßen von Eger, der kalte Nordostwind pfeift mir an diesem Januartag schonungslos ins Gesicht und ich frage mich, warum ich eigentlich noch einmal genau mit dem Fahrrad zum Einkaufen fahren musste.

Nein, der Januar ist objektiv gesehen wirklich nicht der schönste und erst recht nicht der spannendste Monat in Eger. Viele Sehenswürdigkeiten schließen im Winter, aber im Januar ging es sogar noch darüber hinaus: Vom türkischen Zelt (meinem Lieblingscafé) über den Rock-Club unter der Basilika bis hin zur Sandwich-Bar – alle haben sie im Januar geschlossen und ich stelle mir vor, wie die Besitzer vielleicht gerade irgendwo Urlaub machen, wo die Sonne zumindest einmal in der Woche kurz durch die Wolkendecke hindurchspitzelt.

Schöne Wintersonne, leider an nur genau einem Tag im Januar

Schöne Wintersonne, leider an nur genau einem Tag im Januar

Es könnte also nahe liegen, dass der Januar auch in meinem kulturweit-Jahr nicht gerade einen Höhepunkt darstellte. Doch das war keineswegs der Fall – man muss nur das beste daraus machen!

Rückblende, Montag, 22. Dezember. Frierend, aufgeregt und erschöpft zugleich stehe ich am Bahnhof in Wien-Meidling. Es ist einer dieser überlangen Umsteige-Aufenthalte, natürlich an einem Bahnhof, der nicht einmal den Luxus einer Bäckerei bietet. Mein großer Rucksack, bepackt mit allerlei ungarischen Spezialitäten und ganzen vier Flaschen egrischen Rotweins für die Familie, macht sich langsam auf dem Rücken bemerkbar. Ich fühle, dass ich Richtung Heimat komme, die Sprache wird vertrauter, es sind nur noch ein paar Stunden; und doch ist dieses Nachhausekommen eigentlich nur ein Urlaub im Laufe meines Freiwilligenjahres. Es ist ein ungewöhnliches Gefühl, das ich so zum ersten Mal überhaupt erlebe, und ein tolles zugleich – es zeigt, dass Ungarn schon jetzt zu meiner zweiten Heimat geworden ist. Es ist kein Heimweh, das hier durch meinen Kopf schwirrt, sondern etwas viel positiveres: Freude, meine Familie und meine deutschen Freunde wiederzusehen.

Die Weihnachts- und Silvesterfeiertage waren toll, aber ich erspare euch hier ausführliche Beschreibungen von Feiern, Wiedersehen und fränkischem Krustenbraten, weil a) dieser Blog schließlich Eger gewidmet ist und ich b) sonst beim Schreiben zu viel Hunger bekomme. Jedenfalls habe ich meine zwei Wochen voll ausgenutzt und kehrte erschöpft, aber glücklich wieder nach Eger zurück.

09-03-keleti

Dort ging es mit viel Arbeit wieder direkt in den Schulalltag hinein, denn die mündlichen Prüfungen zum deutschen Sprachdiplom (gemeinhin „DSD“, aber nicht zu verwechseln mit DSDS) standen an. Es hieß also: Präsentationstexte korrigieren, viel Feedback zu hervorragenden oder weniger gelungenen Powerpoint-Folien geben, meine Schüler mit möglichst „prüfungsnahen“ Fragen bombardieren, eine nächtliche Generalprobe mitbetreuen und – last but not least – meine doch eher begrenzten psychologischen Fähigkeiten möglichst gewinn- bzw. motivationsbringend einsetzen. Auch wenn die Ergebnisse der ganzen Prüfung noch nicht endgültig feststehen, war ich am Ende schon ein bisschen stolz auf meine Schüler, die es in großer Zahl auf das anspruchsvolle C1-Niveau geschafft haben. Glückwunsch! Dann: Halbjahr, neuen Stundenplan arrangieren, und jetzt mit den Elftklässlern (der nächsten DSD-„Generation“) zusammenarbeiten. Inzwischen habe ich unter anderem begonnen, einmal in der Woche ein Rhetorik-Training zu veranstalten. Meine Befürchtung Anfang des Jahres, ich könnte ab Januar quasi beschäftigungslos werden, entbehrte also jeglicher Grundlage.

Doch nicht nur in der Schule war viel geboten. Nachdem ich mich im alten Kalenderjahr noch lautstark bei meinen Freunden darüber beschwert hatte, dass ich von Ungarn wortwörtlich bisher nur Eger und Budapest gesehen hatte, machte ich mich daran, meine guten Vorsätze in die Tat umzusetzen und fuhr spontan nach Debrecen. Die zweitgrößte Stadt Ungarns ist zwar keine ausgewiesene Touristenmetropole (Zitat Reiseführer: „Debrecen lassen wir hier außen vor, dort gibt es nur eine große Kirche und am 20. August den berühmten Blumenkarneval“), bietet aber im Januar natürlich deutlich mehr (Nacht-)Leben als Eger. Ich war aber nicht nur von den Bars in Debrecen sehr positiv überrascht, sondern auch vom weitläufigen Nagyerdő (großer Wald), der sich wie eine grüne Oase an das Universitätsviertel anschmiegt und den ich ausführlich erkundete. Ein insgesamt also sehr gelungenes Wochenende!

Wie man sieht, war es kalt und grau. Aber der Park war wirklich schön.

Wie man sieht, war es kalt und grau. Aber der Park war wirklich schön.

Besagte große Kirche

Stadionbau gilt neuerdings als eine der ungarischen Spezialitäten

Stadionbau gilt neuerdings als große ungarische Spezialität

Nur drei Tage später konnte ich meinen Augen kaum trauen: Es schneite! Eigentlich wäre das in Eger nichts Berichtenswertes, doch war es in diesem Winter tatsächlich das erste Mal, dass es mehr als nur ein paar Flocken vom Himmel wehte. Gut, dass ich mich sofort mit meiner Kamera auf nach draußen machte, denn nur wenige Stunden später war der Spuk schon wieder vorbei, und am nächsten Morgen begrüßte mich vor meiner Tür der gut vertraute Schneematsch, der zur Begrüßung erst einmal meine Halbschuhe flutete. Toll.

Schnee!

Schnee!

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