Mohács, Sonntag, 17 Uhr. Es kann sich nur noch um Minuten handeln, bis der Winter endgültig erledigt ist. Zwei Busós im traditionellen Kostüm – einem ausladenden, hellen Fell und einer kunstvoll ausgearbeiteten Maske, die auch die schrecklichsten Dämonen zu vertreiben weiß – erklimmen den Scheiterhaufen. Die Menge jubelt, grölt und tanzt; der Feind, symbolisch festgekettet an einen Holzrahmen, kann seinem Schicksal nicht mehr entrinnen. Die beiden Busós tanzen ausgelassen auf dem riesigen Heuhaufen. Plötzlich entzünden sich zwei Flammen, die sich mit jeder Sekunde mehr und mehr Stroh einverleiben, mit jeder Sekunde einen Zentimeter weiter vordringen zu ihrem Opfer. Es gibt kein Zurück mehr. Der Winter ist tot.
Das große Feuer am Faschingssonntag ist mit Sicherheit der Höhepunkt des farsang (Fasching) im beschaulichen Mohács in Südungarn. Eigentlich ein Dorf mit 20.000 Einwohnern, wächst die Bevölkerung in der zweiten Februarwoche auf ein Vierfaches an, denn aus ganz Ungarn (und aus dem Ausland) strömen scharenweise Touristen in die südlichste Donaustadt des Landes, um dieses ganz besondere Fest mitzuerleben.
Das Event stand ziemlich weit oben auf meiner inoffiziellen „can’t miss“-Liste und war ganz nebenbei sogar im kulturweit-Sinne ausgesprochen wertvoll. Rückblick: Sechs Monate zuvor, im August, hatten wir uns im Auswärtigen Amt in Berlin ganz brav einem Vortrag zum immateriellen Erbe der Menschheit angehört, und auch wenn die Präsentation durchaus interessant und interaktiv war, ist es noch einmal etwas ganz anderes, eine solche Tradition einmal selbst mitzuerleben.
Meinen (immerhin dreitägigen) Skiferien sei Dank hatte ich mich schon am Donnerstag in den Süden aufgemacht, um Pécs noch einmal auf eigene Faust ausführlich zu erkunden. Dieses Mal spielte mit strahlendem Sonnenschein sogar das Wetter mit! Voll motiviert bestieg ich also beide Hügel, auf denen je eine Kapelle gepaart mit einer wunderschönen Aussicht über die Stadt untergebracht sind, dazu ein brutalistisches Siegesdenkmal aus der kommunistischen Zeit – seht selbst!
Nach einem kleinen Rundgang durch die Innenstadt stieg unsere Aufregung (unsere multinationale Gruppe – zwei Deutsche, eine Französin und eine Schweizerin – war inzwischen auf vier angewachsen), denn zum ersten Mal in unserem Leben hatten wir unsere Unterkunft über Couchsurfing organisiert. Das Ergebnis, kurz und bündig: Es war ein unvergessliches Erlebnis. Ein unfassbar netter Host, eine Unterkunft in einem wunderschönen Haus am Stadtrand, geduldige Begleitung bis in den frühen Morgen hinein und ein riesiges ungarisches Frühstück am nächsten Tag! Das wird sicher nicht meine letzte Couchsurfing-Erfahrung gewesen sein.
Dann ging es aber endgültig weiter in die Stadt, wegen der wir eigentlich in den Süden gekommen waren – 40 Kilometer, also eine Stunde mit dem schnellen (!) Bus, nach Mohács. Schon am Samstagmittag erwartete uns dort die geballte Ladung Kultur: Ein großer ungarischer Markt, auf dem von kolbázs (Innereien-Wurst, mmmmh, lecker!) über lángos über Kartoffelschäler bis hin zu hübschen Trianon-Holztafeln fürs heimische Wohnzimmer alle Ungarn-Reiseführer-Klischees feilgeboten wurden (OK, vielleicht ist der Kartoffelschäler hiervon auszunehmen). Dazu traten zahlreiche Volkstanzgruppen auf, auch aus den deutschen und kroatischen Minderheiten, und natürlich kreuzte hin und wieder der eine oder andere Busó mit einer Flasche pálinka den Weg.
Der eigentliche Höhepunkt aber stand am Sonntag an. Noch vor dem Feuer zogen alle Busó-Gruppen (insgesamt waren es 3000 Teilnehmer!) mit eindrucksvoll dekorierten Wagen durch die Hauptstraße. Dabei muss man sich einmal komplett von der deutschen Vorstellung des „Uff-da-da“-Faschingszugs verabschieden und sich vorstellen, dass hier keine überdimensionierten Wägen mit Bonbons werfenden Karnevalisten durch die Straßen kurven, sondern vielmehr die Dorfjugend offenbar eine riesige Freude daran hatte, ein paar alte Trabis in „traditionelle“ Gefährte umzuwandeln. Das ist auf jeden Fall mehr als gelungen!
Nach einem standardgemäßen (und sogar ziemlich guten) lángos und einem Sonnenuntergangs-Bier an der Donau ging es zum Höhepunkt: dem Feuer. Und wirklich, es wirkte – zumindest ist das Wetter seitdem spürbar wärmer und sonniger geworden. Der Winter ist tot, es lebe der Frühling!














1 Kommentar