16 Uhr. Ich muss mich ein bisschen beeilen, denn im Anzug wird es ziemlich ungemütlich kalt an diesem Samstagabend. Die Sonne verabschiedet sich schon wieder an einem der kürzesten Tage des Jahres, noch bevor dieser überhaupt richtig begonnen hat. Es sind noch vier Tage bis Weihnachten, und eigentlich sollte auch niemand mehr in der Schule sein, denn es sind ganz offiziell bereits Ferien! Jetzt kreuzen aber ganze Heerscharen junger Menschen, die sich ordentlich in Schale geworfen haben, die Straße vor der Schule. Die Aula selbst ist schon bis zur obersten Etage gefüllt mit Eltern, Verwandten und Freunden der Abiturienten (und ja, glücklicherweise sind auch die Lehrer eingeladen), denn es ist für sie das größte Fest des Schuljahres: gombavató.
Gombavató, wörtlich übersetzt etwa „Knopfweihe“ (ja, das deutsche Wort ist nicht halb so schön wie das ungarische), wird hier kurz vor Weihnachten begangen und ist schon einmal ein mentales Abschiednehmen für die Abiturienten – etwa ein halbes Jahr, bevor ihre Schullaufbahn dann wirklich für immer Geschichte ist. Mit dazu gehören natürlich ein großer Tanz, eine selbsterdachte „Performance“ der Schüler, höfliche Danksagungen an die Klassenlehrer und ein großes Festessen. Aber von vorne.
Einige Lehrer hatten das Fest im Vorhinein insgeheim doch ein bisschen verflucht, denn es bedeutete für sie: Schreibtische aufräumen, und zwar komplett! Wer einmal das Lehrerzimmer gesehen hat, weiß, dass diese Herausforderung nicht so einfach auf die leichte Schulter genommen werden kann. Als aber auch diese Hürde erfolgreich gemeistert war, strömten eifrige Mittelstüfler ins Lehrerzimmer und dekorierten die Tische. So wurden wir sofort, noch bevor das eigentliche Programm des gombavató begann, mit kleinen Kuchen-Häppchen begrüßt.
Sogleich begann die Walzermusik und die elegant gekleideten Paare liefen ein. Die Jungs hatten sich alle ein Jackett übergeworfen und eine Fliege angebunden; die Mädchen bewegten sich in diesem Moment mit enorm ausladenden Kleidern elegant in Richtung Tanzfläche. Jetzt wurde es ernst, für diesen Moment hatten sie über Wochen hinweg zweimal die Woche in Tanzstunden geübt. Eine Schülerin ließ sich sogar durch eine Knieverletzung, mit der sie zu Beginn kaum laufen konnte, nicht davon abbringen, noch am Tanz teilzunehmen. Das nenne ich mal Willensstärke! Nach einer Viertelstunde war der letzte Takt der Musik ausgeklungen und die Eltern machten noch stolz einige (manche durchaus auch hunderte) Fotos von und mit ihren Sprösslingen, bevor sie das Feld schon wieder räumen mussten, denn: Für den Rest der Veranstaltung waren nur noch Schüler und Lehrer zugelassen.
Weiter ging es mit den Präsentationen der Klassen, die meist aus (selbst getexteten) Gesangseinlagen mit nicht ganz ernst gemeinten Seitenhieben auf ihre Lehrer, kurzen Filmsequenzen und der obligatorischen Danksagung an die Klassenlehrer bestanden. Nicht ganz so spektakulär wie zwei Monate zuvor bei den Schülertagen, aber dennoch unterhaltsam. Natürlich durften schließlich die kleinen Knöpfe, denen das Fest seinen Namen zu verdanken hat, nicht fehlen. Jede Klasse hatte ihren eigenen Knopf („Anstecker“ ist vielleicht das treffendere Wort, denn die Dinger sind sicher um die fünf Zentimeter groß) entworfen, den sie nach den Präsentationen von ihren Klassenlehrern feierlich überreicht bekamen. Wie immer kamen kam auch der Gaumen nicht zu kurz, denn direkt nach dem Sektempfang mit Direktor und Kollegen eröffnete in der Aula ein riesiges Buffet, das reichhaltig mit allerlei ungarischen (Weihnachts-)Spezialitäten bestückt war. Mmmh, lecker!
Nach dem Essen wurde dann schon einmal ausgiebig in der Aula gefeiert und getanzt, auch wenn sich selbige relativ schnell leerte – denn ein wichtiger, wenn nicht gar elementarer Teil des gomavató stand noch bevor: die Afterparty in der Stadt. Böse Zungen, die behaupten, Eger besitze so gut wie kein Nachtleben, hätten sich das mal ansehen sollen – immerhin dauerte die Feier bis 4 Uhr morgens!
Leider konnte ich an diesem Abend keine eigenen Bilder machen, dafür möchte ich euch zum Abschluss ein paar Aufnahmen vom Vortag nicht vorenthalten. Ich war eigentlich nur auf der Suche nach winterlichen Postkarten von Eger (die die ansässigen Schreibwarenhändler natürlich nicht in ihrem Sortiment führten). Ich machte mich schließlich auf die Suche nach einem weiteren Laden am Eingang der Burg, den ich zwar nie erreichte, dafür fand ich mich auf einmal im Innenhof der Burg wieder, die normalerweise Eintritt kostet. An diesem lauen Dezemberabend hatte die Kasse aber bereits geschlossen, und – ahnungslos, was mich erwartete – traf ich auf diese geniale Aussicht auf die Stadt. Die überraschendsten Momente sind oft die schönsten!



