Žarnovica, Montag, Punkt 15 Uhr. Wir kommen an, irgendwo in der Zentralslowakei, zweieinhalb Stunden entfernt von Bratislava. Der Himmel hat sein standardgemäßes November-Grau angenommen, es ist doch ziemlich kalt und der Wind trägt sein Bestes dazu bei, uns die Kälte unter die Jacken zu pusten. Der Busfahrer mustert uns genau, eine Gruppe deutscher Jugendlicher, die hier gerade mit großen Rucksäcken bepackt aus dem Bus klettert, und wird sich in diesem Moment die gleiche Frage stellen wie wir: „Was machen die eigentlich hier?“ Hier, in einer 6000-Einwohner-Kreisstadt, die einmal bei der Abstimmung einer Zeitung zum „letzten Loch der Slowakei“ in den Top 3 landete.
Und trotzdem sind wir euphorisch, aufgeregt und hervorragend gelaunt, denn wir haben gegenüber dem Busfahrer einen entscheidenden Wissensvorsprung: Es geht für uns noch weiter, einige Minuten mit dem Auto ins Mittelgebirge, an einer einsamen Abzweigung rechts ab, eine Schotterpiste, so steil, dass man hier im Winter locker mit dem Schlitten herunterheizen könnte, hinauf und wir sind da: Auf dem Berg. Beim Zwischenseminar, im Herzen der Slowakei.
Wir tauschen für eine Woche die Hektik der Stadt und des Alltags gegen ein urgemütliches Domizil in der Natur ein. Schon beim Aussteigen springt uns Hund Čaika entgegen. Und was uns im Haus erwartet, zaubert schon auf den ersten Blick ein Lächeln ins Gesicht: Zwei Kamine, in denen das Feuer für eine wohlige Wärme sorgt, ein gemütlicher Seminarraum, ein großer geselliger Esstisch, eine Kanne Tee und eine große Schüssel Kekse erwarten uns schon beim Ankommen. Falls noch jemand Zweifel hatte, eine Woche ohne Internet auskommen zu können, bei dem sollten diese spätestens jetzt beseitigt sein. Entschleunigung pur!
Besonders schön ist es, die anderen Freiwilligen aus der Region wiederzusehen, aber auch neue Gesichter kennenzulernen – wie erwartet, war es beim Vorbereitungsseminar doch ziemlich unmöglich, alle 200 Menschen kennenzulernen. Umso mehr können wir uns jetzt austauschen, bei einem Tee vor dem Kamin, bei Gesellschaftsspielen oder einfach beim gemütlichen Zusammensitzen bis spät in die Nacht. Natürlich geht es immer um unsere Erfahrungen und Erlebnisse, Sorgen und Probleme, aber auch um Politik, die Kultur unserer Länder oder einfach um Gott und die Welt. Ganz nebenbei spinnen wir viele Pläne für die nächsten Monate, vom Reisen über die „Was ich noch in Ungarn machen will“-Liste bis hin zu gemeinsamen Aktionen im Sommer.
Natürlich gab es beim Seminar auch ein „offizielles“ Programm, das sich aber als deutlich freier und entspannter als vielleicht befürchtet herausstellte. Schon am ersten Tag konnten wir unsere Fragen, Ideen und Themen aufschreiben, die dann von unseren sehr netten Seminarleitern Jörn und Maria zu einem Programm geordnet wurden. Natürlich ging es darum, den bisherigen Aufenthalt zu reflektieren, Projektideen weiterzuspinnen und in einen konkreten Plan zu verwandeln. Es ging aber auch um unsere Landessprachen, Geschichte und ernste Fragen wie den Status der Roma.
Natürlich haben wir unser gemütliches Haus auch ein paar Mal verlassen, denn auch ein Ausflug in das alte Bergbaudorf Banská Štiavnica (früher einmal die drittgrößte Stadt Ungarns – größer als Budapest, kann man sich das heute noch vorstellen?!) stand auf dem Programm. Durch den ersten Schnee des Winters stiegen wir über schöne Wanderwege mit Aussicht hinunter in das Dorf, nein, die Stadt.
Und wenn man schon einmal ein Zwischenseminar auf einer Pferdefarm besucht, darf man natürlich die einmalige Chance nicht verpassen, zum ersten Mal im Leben das Reiten auszuprobieren! Und so machte ich mich in einer Mittagspause zusammen mit anderen neugierigen Freiwilligen zur anliegenden Reithalle auf, und auch wenn mein Pferd verhältnismäßig faul war, kann ich von zwei Erfolgserlebnissen berichten: Erstens, das Pferd hat mich nicht abgeworfen. Zweitens, es ist tatsächlich mehr als einmal auf mein Kommando hin schneller als Schritt gelaufen!






