In Accra hält man nicht viel vom Ausschlafen. Wenn dann die Sonne wie gewohnt gegen 5:30 die Welt erhellt, dann wird man gerne unsanft durch mehr schreiend als redend geführte Vor-Fenster-Konversationen geweckt. Wenn einen das noch nicht aus der Ruhe bringt, man sich nochmal auf die andere Seite packt und aller Geräuschkulisse trotzt, dann übernimmt das finale Wecken schließlich eine unsagbar furchtbare Dudelei, die an eine langsame Pokémon-Gambeoy-Hintergrundmusik erinnert. Was zur Hölle. Ist das der Eismann? Ich habe keine Ahnung. Auf jeden Fall steht man da offenbar ziemlich drauf, am Samstag gegen 8 Uhr morgens. Ausschlafen ist überbewertet.
Meine erste Arbeitswoche liegt also bereits hinter mir (WOW! Warum rennt die Zeit so? Gutes Zeichen, habe wohl viel zu tun und amüsiere mich), gestern Abend wurde das dann mit unserer ersten „Firday night out“ besiegelt. Meine liebe Kollegin Lisa lud Kathi (meine neue Mitbewohnerin, die beim DAAD als kulturweitlerin eingesetzt ist) und mich zu einem Konzert von „Constant Boty“ ein, ein laut ihr angeblich „sehr guter Freund“ ihres ghanaischen Freundes Sammy. Was mir dazu kurz für die Ghanaische Guriosidädnkiste einfällt: Sammys Vater lebt auf einer Insel im Voltasee und hat mittlerweile drei Frauen. Das ist kein Gerücht oder Mythos, das wird in Westafrika tatsächlich an einigen Orten so gehandhabt. Ich habe zumindest gelesen, dass es da immer ziemlichen Zickenterror zwischen den einzelnen wifes gibt. Wieso auch nicht? Würde ich eine aktive Nebenbuhlerin, die mit meinem Mann Kinder hat, tatsächlich als Schwester behandeln? Nö. Und dieses Recht steht ja wohl jedem zu.
Na jedenfalls machten wir uns nach getaner Arbeit um 17 Uhr auf nach East Legon, im Norden Accras, um zum besagten New Irish Pub zu gelangen. Diese Odyssee zog sich letztendlich drei Stunden hin. Ein kurzer Abriss: zunächst nahm uns ein netter Bürger nahe des Goethe-Instituts, den Lisa angesprochen hatte, zu einer Tro-Tro-Station mit (überaus freundlich). Dort stiegen wir perfekt getaktet in unser Tro-Tro nach 37 ein, offenbar ein anderer Stadtteil. Diese Episode gefiel mir besonders gut, weil wir an einer Art Tro-Tro-Umschlagplatz rausgelassen wurden. Ein pittoresker Ort mit ockerfarbenem Lehmboden, bunten Stoffen überall, charmanten alten Tro-Tros, Menschenschlangen wunden sich über den Platz, warteten auf ihr Anschlusstro-tro, stoisch und immer in Linie. Ich dachte an die Fotos, die mein Opi mir noch vor meiner Abreise gezeigt hatte, Bamako und Dakar in den Siebziger Jahren. Ich war sehr froh über meine Kamera in diesem Moment und muss auch direkt mal welche auf meine „In Farbe und bunt“-Seite pinnen.
Wir fuhren schließlich weiter im Tro-Tro Richtung East Legon. Leider hatten wir weder die Adresse des Pubs, noch wusste unser „Mate“ (so heißen die Tro-Tro-Fahrgeldeinehmer), wo dieser Irish Pub sein sollte. Wir erreichten schließlich Sammy, der in einem kurzen Twi-Gespräch dem Mate erklärte, wo er uns denn rauslassen sollte. Es war bereits dunkel und wir waren in diesem Tro-Tro schon ungefähr eine Stunde durch den Verkehr getuckert. Der Mate verkündete schließlich freudestrahlend, er wüsste, wo wir raus müssten. Erleichterung. Wir stiegen schließlich aus. Irish Pub: Fehlanzeige. Kurze Nachfrage in einem Restaurant: „Oh ja, ich weiß, wo das ist, ihr müsst ein Taxi nehmen, das ist zu weit zum Laufen“. Also rein ins Taxi, Taxifahrer fragt noch 5 Mal nach, schließlich stehen wir vor einem Restaurant namens „Peter Pan“, selbige Figur steht an der Ecke und grinst schelmisch. Mittlerweile stehen vier Leute um das Taxi herum, fachmännisch beratend, wo denn dieser verflixte Irish Pub nun sein könnte. Wir wurden schließlich vor einer Art Elektromarkt heraus gelassen, wo wir auf Sammy warten sollten. Es war nun gegen 19 Uhr, das Konzert sollte beginnen. An der Ecke saßen vor einer Art Getränkeladen zwei Leute, die wir fragten, ob wir uns setzen könnten und ob sie zufälig wüssten, wo denn hier in der Nähe ein Irish Pub sei. „Ja, ich kenne den, kommt, ich führe euch hin!“. Ungläubig lächelnd, ein Gefühl wie in einem Privatfernsehen-Reality-Show-Durchbruchsmoment, folgten wir dem freundlichen Jaja durch die Nacht. Ein friedlicher und lustiger Kerl, der uns von seiner Zeit in Schleswig-Hostein erzählte (Warum um alles in der Welt trifft man am letzen Nordzipfel von Accra, an einer Straßenecke auf einer Bank sitzend einen Kerl, der mal zehn Jahre in Deutschland gelebt hat? Diese Stadt hat es in sich mit ihren Überraschungen). —Gerade ist hier der Strom ausgefallen, ich frage mich, ob ich das hier noch irgendwie posten kann…Internet ist aus.—
Aus seinen anfänglich genannten 200 Metern wurden zwar um die 2000 Meter, aber es machte uns schon längst nichts mehr aus und wir waren unendlich dankbar, als wir endlich, nach drei Stunden Anfahrt/Anlauf vor dem Pub standen. Hier waren schon viele Ubrunis (so nennt man hier uns Weiße, als ich eines abends nach Hause kam, sah ich in meiner Straße drei kleine Jungs, die mich begeistert anstrahlten und „Ubruni, Ubruni!“ riefen. Allerliebst.) am Start, die Cheeseburger und Pizza aßen und auf das „Affro Jazz Festival“ warteten. Nach weiteren zwei Stunden begann dann das Konzert von Constant Boty im Rahmen des Festivals, ein Meister des Jazz von der Elfenbeinküste. Besonders cool wurde es dann, als er eine Art Tina Turner (ihr Name ist leider eher untergegangen) auf die Bühne holte, sowie drei junge Sängerinnen als Backgroundchor. Das hatte dann ein bisschen was von New Orleans. Zumindest, wie ich mir New Orleans vorstelle. Mein erstes Ghanaisches Konzert, ein Ausdruck von Weltmusik – wie könnte es besser sein? In diesem Zusammenhang will ich noch Simba erwähnen, der gestern zu mir meinte „Wenn mich jemand fragt, woher ich komme, sage ich stets ich sei Afrikaner. Wir Menschen sind alle Cocktails. Wir sind eine Mischung aus allen möglichen Nationen und Vorfahren“. Da erscien mir sehr weise und logisch. Es ist nicht alles immer schwarz oder weiß, nicht post-kolonialistisch oder politisch korrekt, nicht ausbeuterisch oder Mutter Theresa. Meistens sind wir alle doch nur eine Mischung aus allem. Cocktails eben. 😉
Mein Fazit nach dieser ersten Woche sieht also sehr rosig aus. Ich habe reizende Arbeitskollegen, mein Arbeitsdruck liegt etwa bei „Wir essen jetzt erstmal ein bisschen Ananas, gehen dann den Bürobedarfkatalog durch und designen dann noch den Flyer, aber erstmal ein kleines Nickerchen“ (noch! Das kann vielleicht noch ganz anders kommen…) und auch hier im Haus herrscht eine ziemlich gechillte Stimmung.
Ich werde mich jetzt aus dem Bett schälen und frühstücken. Habe mir Fake-Nutella besorgt, ich hoffe, mein Brot ist noch gut. Ich muss warten, bis das Internet wieder funktioniert, dann könnt ihr das hier lesen. Bis die Tage, eure Ama (das ist mein Ghanaischer Name, weil ich an einem Samstag geboren bin, also…heute. 🙂 )