It's Ghana be great

Meine Zeit am Goethe-Institut in Accra

20. September 2015
von Elisa Teichmann
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Wir sind alle Cocktails und stecken voller Überraschungen

In Accra hält man nicht viel vom Ausschlafen. Wenn dann die Sonne wie gewohnt gegen 5:30 die Welt erhellt, dann wird man gerne unsanft durch mehr schreiend als redend geführte Vor-Fenster-Konversationen geweckt. Wenn einen das noch nicht aus der Ruhe bringt, man sich nochmal auf die andere Seite packt und aller Geräuschkulisse trotzt, dann übernimmt das finale Wecken schließlich eine unsagbar furchtbare Dudelei, die an eine langsame Pokémon-Gambeoy-Hintergrundmusik erinnert. Was zur Hölle. Ist das der Eismann? Ich habe keine Ahnung. Auf jeden Fall steht man da offenbar ziemlich drauf, am Samstag gegen 8 Uhr morgens. Ausschlafen ist überbewertet.

Meine erste Arbeitswoche liegt also bereits hinter mir (WOW! Warum rennt die Zeit so? Gutes Zeichen, habe wohl viel zu tun und amüsiere mich), gestern Abend wurde das dann mit unserer ersten „Firday night out“ besiegelt. Meine liebe Kollegin Lisa lud Kathi (meine neue Mitbewohnerin, die beim DAAD als kulturweitlerin eingesetzt ist) und mich zu einem Konzert von „Constant Boty“ ein, ein laut ihr angeblich „sehr guter Freund“ ihres ghanaischen Freundes Sammy. Was mir dazu kurz für die Ghanaische Guriosidädnkiste einfällt: Sammys Vater lebt auf einer Insel im Voltasee und hat mittlerweile drei Frauen. Das ist kein Gerücht oder Mythos, das wird in Westafrika tatsächlich an einigen Orten so gehandhabt. Ich habe zumindest gelesen, dass es da immer ziemlichen Zickenterror zwischen den einzelnen wifes gibt. Wieso auch nicht? Würde ich eine aktive Nebenbuhlerin, die mit meinem Mann Kinder hat, tatsächlich als Schwester behandeln? Nö. Und dieses Recht steht ja wohl jedem zu.

Na jedenfalls machten wir uns nach getaner Arbeit um 17 Uhr auf nach East Legon, im Norden Accras, um zum besagten New Irish Pub zu gelangen. Diese Odyssee zog sich letztendlich drei Stunden hin. Ein kurzer Abriss: zunächst nahm uns ein netter Bürger nahe des Goethe-Instituts, den Lisa angesprochen hatte, zu einer Tro-Tro-Station mit (überaus freundlich). Dort stiegen wir perfekt getaktet in unser Tro-Tro nach 37 ein, offenbar ein anderer Stadtteil. Diese Episode gefiel mir besonders gut, weil wir an einer Art Tro-Tro-Umschlagplatz rausgelassen wurden. Ein pittoresker Ort mit ockerfarbenem Lehmboden, bunten Stoffen überall, charmanten alten Tro-Tros, Menschenschlangen wunden sich über den Platz, warteten auf ihr Anschlusstro-tro, stoisch und immer in Linie. Ich dachte an die Fotos, die mein Opi mir noch vor meiner Abreise gezeigt hatte, Bamako und Dakar in den Siebziger Jahren. Ich war sehr froh über meine Kamera in diesem Moment und muss auch direkt mal welche auf meine „In Farbe und bunt“-Seite pinnen.

Wir fuhren schließlich weiter im Tro-Tro Richtung East Legon. Leider hatten wir weder die Adresse des Pubs, noch wusste unser „Mate“ (so heißen die Tro-Tro-Fahrgeldeinehmer), wo dieser Irish Pub sein sollte. Wir erreichten schließlich Sammy, der in einem kurzen Twi-Gespräch dem Mate erklärte, wo er uns denn rauslassen sollte. Es war bereits dunkel und wir waren in diesem Tro-Tro schon ungefähr eine Stunde durch den Verkehr getuckert. Der Mate verkündete schließlich freudestrahlend, er wüsste, wo wir raus müssten. Erleichterung. Wir stiegen schließlich aus. Irish Pub: Fehlanzeige. Kurze Nachfrage in einem Restaurant: „Oh ja, ich weiß, wo das ist, ihr müsst ein Taxi nehmen, das ist zu weit zum Laufen“. Also rein ins Taxi, Taxifahrer fragt noch 5 Mal nach, schließlich stehen wir vor einem Restaurant namens „Peter Pan“, selbige Figur steht an der Ecke und grinst schelmisch. Mittlerweile stehen vier Leute um das Taxi herum, fachmännisch beratend, wo denn dieser verflixte Irish Pub nun sein könnte. Wir wurden schließlich vor einer Art Elektromarkt heraus gelassen, wo wir auf Sammy warten sollten. Es war nun gegen 19 Uhr, das Konzert sollte beginnen. An der Ecke saßen vor einer Art Getränkeladen zwei Leute, die wir fragten, ob wir uns setzen könnten und ob sie zufälig wüssten, wo denn hier in der Nähe ein Irish Pub sei. „Ja, ich kenne den, kommt, ich führe euch hin!“. Ungläubig lächelnd, ein Gefühl wie in einem Privatfernsehen-Reality-Show-Durchbruchsmoment, folgten wir dem freundlichen Jaja durch die Nacht. Ein friedlicher und lustiger Kerl, der uns von seiner Zeit in Schleswig-Hostein erzählte (Warum um alles in der Welt trifft man am letzen Nordzipfel von Accra, an einer Straßenecke auf einer Bank sitzend einen Kerl, der mal zehn Jahre in Deutschland gelebt hat? Diese Stadt hat es in sich mit ihren Überraschungen). —Gerade ist hier der Strom ausgefallen, ich frage mich, ob ich das hier noch irgendwie posten kann…Internet ist aus.—

Aus seinen anfänglich genannten 200 Metern wurden zwar um die 2000 Meter, aber es machte uns schon längst nichts mehr aus und wir waren unendlich dankbar, als wir endlich, nach drei Stunden Anfahrt/Anlauf vor dem Pub standen. Hier waren schon viele Ubrunis (so nennt man hier uns Weiße, als ich eines abends nach Hause kam, sah ich in meiner Straße drei kleine Jungs, die mich begeistert anstrahlten und „Ubruni, Ubruni!“ riefen. Allerliebst.) am Start, die Cheeseburger und Pizza aßen und auf das „Affro Jazz Festival“ warteten. Nach weiteren zwei Stunden begann dann das Konzert von Constant Boty im Rahmen des Festivals, ein Meister des Jazz von der Elfenbeinküste. Besonders cool wurde es dann, als er eine Art Tina Turner (ihr Name ist leider eher untergegangen) auf die Bühne holte, sowie drei junge Sängerinnen als Backgroundchor. Das hatte dann ein bisschen was von New Orleans. Zumindest, wie ich mir New Orleans vorstelle. Mein erstes Ghanaisches Konzert, ein Ausdruck von Weltmusik – wie könnte es besser sein? In diesem Zusammenhang will ich noch Simba erwähnen, der gestern zu mir meinte „Wenn mich jemand fragt, woher ich komme, sage ich stets ich sei Afrikaner. Wir Menschen sind alle Cocktails. Wir sind eine Mischung aus allen möglichen Nationen und Vorfahren“. Da erscien mir sehr weise und logisch. Es ist nicht alles immer schwarz oder weiß, nicht post-kolonialistisch oder politisch korrekt, nicht ausbeuterisch oder Mutter Theresa. Meistens sind wir alle doch nur eine Mischung aus allem. Cocktails eben. 😉

Mein Fazit nach dieser ersten Woche sieht also sehr rosig aus. Ich habe reizende Arbeitskollegen, mein Arbeitsdruck liegt etwa bei „Wir essen jetzt erstmal ein bisschen Ananas, gehen dann den Bürobedarfkatalog durch und designen dann noch den Flyer, aber erstmal ein kleines Nickerchen“ (noch! Das kann vielleicht noch ganz anders kommen…) und auch hier im Haus herrscht eine ziemlich gechillte Stimmung.

Ich werde mich jetzt aus dem Bett schälen und frühstücken. Habe mir Fake-Nutella besorgt, ich hoffe, mein Brot ist noch gut. Ich muss warten, bis das Internet wieder funktioniert, dann könnt ihr das hier lesen. Bis die Tage, eure Ama (das ist mein Ghanaischer Name, weil ich an einem Samstag geboren bin, also…heute. 🙂 )

17. September 2015
von Elisa Teichmann
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Pillenträume und andere Guriosidädn

Ich liege im Dunst meines Mückenschutzmittels unter meinem Mosquitonetz und ganz nah und ganz laut sieht sich jemand seit geraumer Zeit ein Fernsehprogramm auf Twi an. Das weiß ich, weil ich ein paar Worte aufgeschnappt habe, die ich gestern bei Chambas gelernt habe. Ein großartiger und beeindruckender Kerl. Es ist generell beeindruckend, wie viele verschiedene Sprachen die Leute hier teilweise beherrschen.

Seit drei Tagen arbeite ich jetzt am Goethe-Institut und es gefällt mir von Tag zu Tag besser. Heute durfte ich den Flyer für den „German Day“ am dritten Oktober entwerfen und der hat meiner Big Boss sogar auf Anhieb gefallen. Die Motivation ist also noch oder schon ganz oben. Ich bin nur momentan extrem müde. Könnte unter Umständen auch an der Malariaprophylaxe liegen, die mir tatsächlich sehr seltsame Träume beschert. Nichts Beängstigendes, nur eben sehr Seltsames. Zum Beispiel ein Paul Rudd, den ich Anfang des 20. Jahrhunderts auf der allerersten Flugschau der Welt seine Erfindung, das Motorenflugzeg, vorführen sehe und der dann unter mysteriösen Umständen fliehen muss Das ganze spielte irgendwo dort, wo es wie an einem bayerischen Gebirgssee aussah. Es geht also rund in meinen Träumen. Meine liebe Freundin und Kollegin Lisa träumt dafür von Gorillas, die Ghanaische Banken ausrauben und damit das Wirschaftssystem lahm legen. Auch nicht schlecht.

Unser Sprachkurs gestern hatte etwas sehr Anheimelndes und zugleich etwas ganz Aufregendes, noch nie da Gewesenes. Dort lernten wir mit einer Frau aus Ghana, die aber nicht dort aufgewachsen ist, drei Deutschen (wovon einer ein sehr amerikanisch klingender Militärmann mit Bulldozerstimme ist), einer Deutsch-Italienerin, einem Sudanesen, einem Togoer (sagt man das so? wenn nicht dann wird er mir diesen political-correctness-fauxpas sicherlich verzeihen, der wirkte nämlich sehr locker und sympathisch), einer Israelin und vier Amerikanern, die von einem ghanesischen Deutsch-/ Englisch-/ und Twi-Lehrer mit noch vielen weiteren anderen Sprachkenntnissen unterrichtet werden. Das ist eine bunte, angenehme Mischung, die irgendwie auch wieder an Schule und Uni erinnert. Es gab sogar eine kleine Hausaufgabe: wie reagieren unsere ghanesischen Mitbewohner auf kleine Grüße auf Twi? Max, Kobi und Papa Joe waren ziemlich begeistert und amüsiert.

Ein großes Abenteuer, was ich jetzt schon insgesamt sechs Mal erleben durfte, ist mein Hin- und Rückweg zur Arbeit im Tro-Tro. Da kommt so ein kleiner, rostiger Minibus angefahren, bis unters Dach voll mit Angestellten, Schülern, Studenten, Praktikanten, eine charakteristische Handbewegung gibt das Fahrtziel an, Fahrpläne oder Linien gibt es nicht. Man bezahlt dann, wenn man sitzt, umgerechnet pro Fahrt etwa 25 cent. Die „Mates“, die das Geld eintreiben, versuchen ab und an auch gern, die unwissenden Europäer einfach mehr bezahlen zu lassen. Zum Glück weis mich eine Lady am ersten Tag emotionslos aber fair darauf hin, dass ich mein Wechselgeld verlangen sollte. Jetzt weiß ich es besser. Man lernt schnell und hört gern auf die Ratschläge der Anwohner. Nicht mit aufdringlichen Straßenverkäufern sprechen (wirklich einfacher gesagt, als getan, wenn die einem hinterher joggen), nicht in der Dunkelheit allein auf die Straße gehen, als Weiße nichts in der Oxford Street kaufen, weil man dann knacki 100 % drauf zahlt.

Was mich bisher besonders beeindruckt ist, dass viele Straßenverkäuferinnen tatsächlich schwere Lasten auf dem Kopf tragen. Kein stereotypes Postkolonialistenbild, äh-äh, das sieht man hier wirklich sehr oft. Interessant ist ebenfalls die große Schere zwischen Arm und Reich, die ich bisher so nur in Paraguay beobachtet habe: ein sehr westlich aussehendes Haus mit richtigem Fensterglas aus massivem Stein und Holz und nur ein paar Meter weiter eine Wellblechbarracke. Ich muss endlich mal Fotos machen. Ich will euch mein Haus zeigen und die Straße (den Sandweg), in der ich wohne, die keinen Namen, dafür aber eine Wäscherei hat.

In Anlehnung an eine Idee meiner lieben Freundin Sanny möchte ich hier zuletzt noch eine kleine, immer wieder kehrende Kategorie aufgreifen: De Ghanaische Guriosidädngiste. Wer das übersetzen kann, ist klar im Vorteil. Darin packe ich zunächst meine gestrige Begegnung mit dem Riesenquaker. So nenne ich den kleinen Frosch, der am Rande der Straße in den tiefen Gossen sitzt und, wenn es dunkel ist, so laut quakt, dass man sich einen zwei-Meter-Ochsenfrosch vorstellt. Ich war ziemlich platt.

Jetzt bin ich aber wirklich ziemlich platt. Ich muss ins Bettchen. Meine Augen fallen schon zu. 40-Stunden-Woche bin ich doch nicht mehr gewohnt.

Maadwo! Me din de Elisa.

15. September 2015
von Elisa Teichmann
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Akwaaba!

Also mir reicht’s hier jetzt langsam mit diesem kulturweit-Blog-Server. Ich schreibe jetzt also alles in einem guten alten Word-Dokument nieder und warte auf bessere Internetzeiten.

Da bin ich also in Ghana und habe schon meinen ersten Arbeitstag hinter mir. Mein Kopf platzt vor Eindrücken, mein Herz vor Gefühlseisenbahnen. Aber mal janz von vorne.

„Akwaaba“ war das erste Twi-Wort, was mich am Flughafen in Accra offiziell auf dem Kontinent begrüßte. Nachdem der spanische Geschäftsmann neben mir in der letzten Reihe und ich beim Start schon unser letztes Gebet gesprochen hatten, als wir plötzlich einen Knall hörten und das Flugzeug dann sehr bedrohlich und unnormal wankte, fühlte man sich nun in der tropischen Abendschwüle so richtig geborgen und wohlbehalten. Nachdem ich also meine Gelbfieberimpfung nachgewiesen, brav mein Visum gezeigt und meine Fingerabdrücke hinterlassen hatte, begab ich mich zum Gepäckband, wo schon die meisten meiner Mitfluggäste warteten. Leider war der Zugang, der weitere Gepäckstücke auf das Band befördern sollte, geschlossen. Hmm. Allgemeines Herumwundern, zumal durch den beständig sich lüftenden Vorhang nun auch dem letzten Passagier klar war, dass da so schnell wohl kein neuer Koffer angerollt kommen würde. Ich fragte also mal einen jungen Mann in einer gelben Weste, der zuständig aussah. Untröstlich schüttelte er nur den Kopf „I don’t know“. Okay. Wer denn dann? Einige mitwartende ghanaische Frauen entrüsteten sich „They don’t know!“. Na gut. Ruhe bewahren, mein lieber Abholer Maxwell steht sicherlich (bitte bitte!) auch noch nach einer Stunde draußen und wartet auf mich. Nachdem dann von ein paar Angestellten ein paar mal auf dem Gepäckband herum gelaufen und fachmännisch geguckt wurde, kamen tatsächlich weitere Gepäckstücke angerollt, meiner war einer der ersten, geschnappt und ab durch die Mitte. Akwaaba. Ich sah einen Bankautomaten und nutze noch schnell meine Chance, 60 Cedi, umgerechnet 15 Euro, die für einen Adapter, ein Frühstück, zwei Flaschen Wasser, ein komplettes Abendbrot und zwei Tro-Tro-Fahrten reichten und ich glaube, ich hatte immer noch etwas übrig. Man kommt also ganz gut zurecht soweit. Na jedenfalls wollte ich dann noch gerne ein bisschen Wasser kaufen und fragte einfach mal im nächstbesten Flughafenladen nach, derer es nur diesen einen gab. Der freundliche Verkäufer holte ein Plastikpäckchen voll Wasser aus dem hinteren Abteil des Ladens und schenkte es mir einfach so. Also das war eine sehr freundliche Begrüßung. Ich war total geflasht. So ging ich raus in die warme Schwüle und erblickte sogleich meinen Namen auf einem weißen Blatt, dahinter der strahlende Maxwell, den die Wartezeit überhaupt nicht gestört zu haben schien. Ein herzensguter Kerl, genauso wie sein Kumpel Kobi, die mich zusammen in mein neues Zuhause hier in Osu brachten.

Hier lebe ich nun, mit Maxwell, Simba (ja, ich denke, er heißt wirklich so, alle Afrikaklischees beiseite lassend; sehr cooler Typ, Filmemacher, schneidet mit dem gleichen Programm wie ich, fand ich sofort sympathisch) und Papa Joe (ein mürrischer kleiner Opi xD). Bisher sind das zumindest dauerhafte Bewohner des Hauses, Michele habe ich nur einmal kurz gesehen (laut Kobi „always partying“) und Rebecca ist nur noch bis Morgen hier. Es sind wohl schon neuer Bewohner im Anmarsch und ich bin gespannt, wie die Stimmung im Haus so wird. Bisher ist es sehr angenehm. Von Maxwell wurde ich gleich am Sonntag zu meinem ersten ghanaischen Mittagessen eingeladen, Red-Red (eine Art scharfe Tomaten-Bohnensauce) mit Süßkartoffeln, Kochbananen und Banku, einem Mehl aus Manyok. Das haben wir zu dritt zusammen aus einer Schüssel gegessen auf der Veranda, das hatte was. Heute Abend hatte er wieder gekocht, Reis mit Palmnusssoße und Fisch, sehr lecker, aber extrem scharf. Mein Magen rebelliert ein wenig seit Sonntag. Frage mich, ob das eigentlich an der Malariaprophylaxe liegt.

Heute war bereits mein erster Arbeitstag und ich bin hellauf begeistert. Meine Stimmung hat sich von gestern auf heute um 200 % verbessert. Gestern noch von Heimweh und Gefühlseisenbahnen und –achterbahnen zerschüttelt, hielt ich mich die meiste Zeit im Bett auf und sah mir auf Youtube mit einer 140 p-Qualität alte „Berlin, Berlin“-Folgen an. So was kann ich übrigens nur empfahlen, macht was, was euch nicht nur ablenkt, sondern euch ein Stück Heimat mitgibt. Abends schälte ich mich dann aus dem Bett für eine Tour mit Simba und Rebecca zum „Ivorian“, wo wir herrlichen Avocadosalat und gegrillten Fisch mit den Fingern aßen. Ich liebte das. Danach ging es mir schon mal besser. Stabilisierung eingeleitet. Heute Morgen wurde ich nicht nur von emsigem Stimmgewirr vor meinem Fenster geweckt, sondern auch von krampfartigen Magenschmerzen. Wat is dat hier nur mit diesen Unverträglichkeiten ständig…aber alles halb so wild, nach keinem Frühstück (ist hier nicht so angesagt, habe mir heute aber dennoch mal Müsli und Milch geholt) brachte mich Maxwell zur Tro-Tro-Station und erklärte mir, wie ich von der Endstation zum Goethe-Institut käme. Als ich endlich da war, fand ich mich an einem paradiesischen Ort wieder, mit prachtvollen Blumen, strahlenden Menschen, einer freundlichen Atmosphäre und einer sonderbaren Drucklosigkeit. Ich mochte es dort auf Anhieb. Ich lernte zuerst meine sehr liebe Praktikantinkollegin für die Sprachabteilung, Lisa, kennen. Meine Chefin Becky führte mich durch das Institut und stellte mich persönlich jedem Mitarbeiter vor. Es wird sich hier geduzt (Yes!). Ich habe mit Lisa zusammen ein wundervolles Büro mit Balkon und Badezimmer, es wirkt viel zu schön, um tatsächlich wahr zu sein. Meine Arbeit bestand am ersten Tag darin, mit Becky ein Konzept für die große Feier zum Tag der Deutschen Einheit zu gestalten und administrativ zu organisieren. Ich fühlte mich auf Anhieb wohl. Manchmal spukte so ganz leicht ein kurzer innerer Vergleich zu „Klinik unter Palmen“ oder ähnlichen „Ich habe den allerschönsten Arbeitsplatz“-Konzepten hervor. Man wird mit allem Möglichen an Deutschland erinnert (da gibt es sogar die Riesenmärchenbücher mit den schönen Bildern, die wir als Kinder hatten, eine Sprachlern-CD hat heute was über „Sie machen eine Stadtrundfahrt in Potsdam“ erzählt und hinter mir hängt groß die Deutschlandkarte), hat aber das tropische Wetter, die Sonne, die Gelassenheit der Leute und das extrem gute und frische Essen direkt vor der Nase. Das ist eine sehr reizvolle Mischung.

Ich glaube, ich habe jetzt erstmal genug geschrieben. Mal sehen, was der Server sagt. Ich möchte mich jetzt in mein Himmelbettchen kuscheln, ja, ein Prinzessinenbettchen, mein Mosquitonetz hängt, meine Bilder auch, mein kleines 5qm-Reich wird zu einer richtigen, anheimelnden Wohlfühlbude. Morgen beginnt mein Twi-Kurs. Mal sehen, was ich danach so zu erzählen habe. Höhö.

 

Haut Rhin! Ist eine Region in Frankreich. <3

7. September 2015
von Elisa Teichmann
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Solitude – a threatened resource

So this is a premiere. I have never done this before and I am pretty nervous and I have no idea if it’s working or if it will have the same flow and style but I promised. So here we go (Salut Jérémy :p).

It turned out that I kind of reached some state of fame. Mostly, negative, as far as I heard and noticed. I think I am turning into the secret villain of this seminary, the evil queen, that most of the people want to avoid, that is walking unwillingly to all the workshops, rejecting cheerful and way too loud „Good mornings!“ and absolutely senseless small talks. Actually, I am kind of conditioned now to those like Pavlov’s dog: Every time somebody only lets themselves fall down on the chair next to me I wince in fear of being slapped in the face with another question like „So, who are you at all?“. I must say, after six days and the feeling of a hundred conversations like that, I feel „kind of exhausted“. Warning: as this piece of writing is neither academic, nor scientific nor in any kind absolutely serious (This is just not my style. Although I might seem absolutely annoyed here, normally I am a very cheerful person, I like to be nice and friendly and I love to just smile at people. I just don’t feel like it here. And this has never happened to me before.) please just bear in mind that I personally love satirical writing. If you don’t then I recommend you to follow a gardening blog or something.

After my second workshop today which was some kind of „dream journey to myself“ (really interesting indeed although I am sorry that I couldn’t take it as serious as I should have to) I had a very interesting talk with one of the few people here I actually enjoy talking to. Well, „a few“ is not absolutely true, there are quite some people I actually like to talk to here. Anyway he made me aware of some really interesting things. As these days are full of new awarenesses above all, it was good to add another awareness to my pool of new awarenesses. It is very interesting that we learn here everyday that we are not supposed to judge each other and especially not to judge anybody we don’t know and thus there are so many people that like to judge other people, preferably behind there backs. Dear judgmental people, would you like to criticise me, would you like to complain about me, would you like to discuss with me or interact with me in any way? I would love to as well. So I kindly invite you to write some comments or to meet up for a coffee to tell me either in which way you think I offended you or in which way I am an arrogant cow or whatever. But I would really like to be confronted with that just to know. Because I am not a wise guy. Pun intended. 😉 Oh but one wise piece of advice I could give to you is the following: Practise being on your own as much as you can as you will be all alone soon in a foreign place very far away from home. We are learning so much here but unfortunately this is one very essential thing that we are not learning here it all.

Today when I was standing in line in the dining hall and once again was looking at this huge „Meat eaters are climate killers“-style poster with all its arguments I had to think of this extremely delicious Steak Tartare I had in Paris a couple of weeks ago when I was still a dumb and shameless and irresponsible person. People in France don’t seem to care about sustainability at all. But they seem to care a lot about gluttony and indulgence and oh god how much I miss those two. Eating that steak was so politically incorrect. But sometimes it just tastes so good to be politically incorrect. Sometimes I just want to let go, you know? Just to be sustainable with your own body and soul. Yes, I like that.

So after having my dream workshop and talking in the sun I went down to the lake. I was listening to music on my very capitalistic mobile with my very capitalistic headphones and I guess the music I was listening to was also way too capitalistic. But as I was walking alone through the woods by the lake, over sticks and roots, with the sun shining sparkling above the water surface, I actually felt the happiest and calmest since this whole thing has started. I was watching two swans diving and swimming and a granddad on a bicycle who was wearing Nike sneakers. Ahh, sorry Grandpa, you know that you are pretty much feeding the capitalistic system, don’t you? I was finally alone in the woods by the lake and I felt brilliant. Nobody was bothering me. Nobody was judging me. Nobody was screaming with a bulldozer-voice into my ear. That was actually really nice. Solitude seems to be a very rare resource these days.

For dinner, I even managed to have one table all for myself. I think by now even my coach is pretty annoyed by me because I am bringing the others down with all my nagging and my anti-attitude. I don’t intend to bring anybody down or to offend anybody or to be a complaining grumpy cat. Why would I? Way too exhausting. It’s just that – this whole thing is just not my thing. I think this is pretty clear by now. I can’t change it and I am trying hard but I can’t do magic either and so I am just counting the days and the workshops and can’t wait to finally break free into civilization again. Tomorrow it’s our day off and I am already allowed and able to leave the compounds. YES.

It just occurred to me that in one week it’s my first working day at Goethe-Institut in Accra. This is crazy. I am so nervous and so looking forward to going. And I am also very excited to see how long lasting the contents of this whole seminary will be and to what extent they will be applicable to the real world. I am happy to see.

C Ya.

3. September 2015
von Elisa Teichmann
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Hamstertaschen und Kulturbeutel

Wir wurden heute darauf hingewiesen, dass wir hier gar nicht so meinungs- und pressefrei sind, wie ich eigentlich dachte. Ich habe bisher in meinem Leben und in meinen Blogs immer, immer, immer frei von der Leber weg geschrieben und, zumindest solange ich in Deutschland bin, werde ich mich auch von nichts und niemandem daran hindern lassen. Hier wo ich saß, saßen noch vor 30 Jahren Leute (warum sagt man neuerdings eigentlich immer ‚Menschen‘, ist ‚Leute‘ nicht mehr politisch korrekt?), die eben wirklich nicht sagen konnten, was ihnen vielleicht gerade durch den Kopf ging. Ich kann das aber, ohne dass ich Angst haben muss, weg gesperrt zu werden. Und dann mache ich das auch, frei und bewusst und ehrlich.

Wie ich bereits erwähnt habe, bin ich absolut kein Vereinsmeyertyp. Leider bin ich hier mit dieser Einstellung komplett falsch und fühle mich nach dem dritten Tag im Camp bereits wie ein Hamster im Käfig, wie ein Papagei im Vogelbauer, wie eine Maus in der Falle. Ich komme hier nicht raus, ich komme hier nicht weg, ich kann mich so gut wie nie der Gruppe, dem Lärm, der Gemeinschaft und des gemeinschaftlichen Diktats entziehen. Ich frage mich, ob jeder der 240 Teilnehmer (ich hasse gendern übrigens; es trägt nicht bei zur Gleichberechtigung sondern hebt etwas hervor, was eigentlich selbstverständlich sein sollte) die hier verbreiteten, teilweise populistisch-linksradikalen Redebeiträge, die weder Toleranz noch Pluralität fördern, diese auch tatsächlich so unterstützt. Ich habe keine Lust, hier schon wieder in einen politischen Diskurs einzusteigen und mich am Ende vielleicht noch rechtfertigen zu müssen, was ich in meinem eigenen Blog schreibe. Nee nee nee.

Natürlich bin ich dankbar für diese Chance und freue mich über meinen Auslandseinsatz und die Möglichkeiten, die damit verbunden sind. Aber ist es wirklich nötig, mich vorher 10 Tage politisch, ökonomisch und ökologisch meinungsbildend auszustatten? Bin ich mit 24 Jahren und einem abgeschlossenen Hochschulstudium nicht selbst dazu in der Lage, mich gewissenhaft, selbstsicher und gewandt auf einen Dienst im Ausland einzulassen und dabei die deutsche Kultur (warum geht es eigentlich immer nur um Politik und Wirtschaft?) verantwortungsvoll und würdig zu vertreten? Absolute Kapitalismuskritik bei Finanzierung durch Steuermittel finde ich fragwürdig. Ich lerne gern dazu. Aber ich mag weder Heuchelei noch Scheinheiligkeit. Ich möchte mich gerne mehr mit meiner Kultur befassen, denn die soll ich im Ausland repräsentieren, am Goethe-Institut. Das Goethe-Institut ist nämlich unpolitisch. Es darf keine explizite politische Meinung vertreten. Das haben wir heute erst gelernt.

Ich genieße die Ruhe in meinem Zimmer. Vorhin rutschte ein kleiner Junge das Treppengeländer runter und sang dabei „Smoking weed everyday“. Das war seltsam. Das haben wir nicht gemacht, damals. Wir haben Spirelli mit Jagdwurst und Tomatensoße gegessen, damals. Das geht heute nicht mehr. Es ist nicht nachhaltig. Der Trainer blickt mit einer stoischen Ruhe im Stuhlhalbkreis umher. Die Stille ist peinlich. Mit einer durch jahrelange Übung aufgebaute Kommunikations-Expertise wird entweder leise ge’hmm’t oder sehr ruhig „gut“ oder alternativ auch „okay“ gesagt. Überall hängen bunte Zettel. Eddings in allen Farben liegen in Plastikkisten bereit. Flipcharts stehen bedrohlich, bereit für die nächste pädagisch ausgefeilte Überschrift. Das. Ist. Nicht. Meine. Welt. Es tut mir Leid. Ich möchte damit niemandem zu nahe treten. Auch, wenn das alles nichts für mich ist, weiß ich, was etwas für mich ist: ein Auslandsaufenthalt an einer Kulturinstitution. Und diese Inhalte haben damit zum Glück eher wenig zu tun.

Ich gehe jetzt ins Bett und lese noch ein bisschen FAZ, um gesellschaftspolitisch auf dem Laufenden zu sein. „Ich bitte dich, komm sei so gut, mach meine heile Welt kaputt“.

1. September 2015
von Elisa Teichmann
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Auch in Brandenburg wird nicht mit den Wölfen geheult

Auf einmal ist September und ich bin bereits mitten im Dienst. Der Regen rauscht beständig hinter mir, kein Erich Honecker starrt mich von der Wand an, dafür hängen da absolut neutrale Tulpen, in orange und rot. Ich befinde mich im Brandenburgischen Nirgendwo, im Wald, mit lahmem Internet und vegetarischer Vollverpflegung. Habe mir vorhin nach dem Essen noch meinen bereits seit Stunden erkalteten Chicken-Nugget-Burger reingezogen, der im Vergleich zum Räuchertofu immer noch ein Genuss war.

Also bin ich jetzt offiziell kulturweit-Freiwillige, heute hat das Vorbereitungsseminar begonnen und es ist gar nicht so seltsam und BoBo, wie ich erwartet hatte. Die meisten Leute sind nett und freundlich und bis auf ein paar Quiekend-Anstrengende oder Klischeeseltsame kommt man doch mit den meisten gut zurecht. Man ist eben doch schon älter und weiser als der Durchschnitt. Das ist keine Überheblichkeit, sondern einfach nur ein Fakt. Ich freue mich sogar, dass ich als eine Art Mentor meinen jüngeren und unerfahreneren Mitfreiwilligen mit Rat und Tat zur Seite stehen kann.

Jérémy ist so weit weg und so weit weg erscheint mir unser Bonnie-und-Clyde-Tramper-Trip durch Frankreich, Spanien und Portugal. Es war ein sehr großes Abenteuer. Wir lernten syrische Familien und alte französische Trucker kennen, hörten Geschichten von zwei jungen Engländern in einem weißen Buildervan und rauchten am Strand von San Sebastian mit einem Kleindealer, der dealte, um die Strafe für’s Weedrauchen in der Öffentlichkeit abzubezahlen. Das ist Ironie, liebe Kinder. Oder einfach nur Konsequenz. Jedenfalls waren wir immer ‚on the road‘, lebten im Spirit von Kerouac und Co, schliefen mal im Strand und mal im piekfeinen Hotel. Das war eine Zeit, die ich mir schöner nicht hätte vorstellen können.

Jetzt bin ich nun seit zwei Wochen wieder getrennt von ihm und kriege meine Broken-Heart-Disease-Anfälle nur allmählich in den Griff. So ist wohl das Nomadenleben, immer auf dem Sprung, Heute hier, Morgen dort. Das habe ich ihm vorgespielt, Hannes Wader, und habe übersetzt. Aber was soll ich hier rumheulen oder mich beklagen, ich bin aufgeregt, Mann, und wie ich aufgeregt bin, wie ich mich auf Afrika freue, Afrika, ist das zu glauben?! Ich fliege nach Afrika und zwar in 11 Tagen. Vorher muss ich noch Malariapillen schlucken, Mosquitonetz imprägnieren, Goethe-Institut um eine Back-up-Telefonnummer bitten (falls mich Maxwell Samstagabend doch nicht vom Flughafen abholt; mal eben so nen Bus nehmen ist da vielleicht nicht ganz so ein easy Unterfangen) und erstmal das noch 9 Tage andauernde Vorbereitungsseminar überstehen. Habe mich heute ertappt, wie ich leichte Klassenfahrts-Unwohlsein-Anflüge hatte. Dieses Gefühl, gefangen zu sein und über mehrere Tage nicht ausbrechen zu können. Ich bin einfach weder ein Lager- noch ein Vereinsmeiertyp. Ist nicht mein Ding. Brauche mehr Freiraum. Deswegen sind solche Lager für mich eine harte Probe, die ich aber in Anbetracht des exzellenten Programms gerne gewillt bin, auf mich zu nehmen. Erstens kommt alles anders und zweitens als man denkt. Daran hat mich gestern Nacht der liebe Jul freundlicherweise nochmal erinnert.

In 7 Minuten ist hier offizielle Nachtruhe. Ich denke, ich mache es so wie bei ner Misswahl, gehe jetzt duschen, hole mir dann eine große Portion Schönheitsschlaf neben meiner Mitbewohnerin und träume vom Weltfrieden. Oder von Bildung durch nachhaltige Entwicklung, das klingt ein bisschen elaborierter und das habe ich heute oft gehört. Aber wirklich, ich freue mich auf die nächsten Tage und alles ist sehr spannend und neu und aufregend. Am Ende bräuchte ich nochmal ’nen Abschlussbericht. Nur nicht zu viel davor, ist ja noch gar nicht so weit. Geduld, Geduld.

Bis die Tage!

29. Juli 2015
von Elisa Teichmann
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Transit in Paris

Ich sitze auf meinem Bett in der Pariser Wohnung, in der ich seit fast drei Wochen lebe, standesgemäß wie Gott in Frankreich. Es ist ganz ruhig im Moment, nur dumpf höre ich ein paar Nachbarn und Musik von irgendwoher. Licht fällt aus dem Innenhof durch das Fenster zu meiner Rechten. Die Tür zum Wohnzimmer steht offen. Unser Schlafzimmer ist ein Durchgangszimmer. Ich führe hier ein zufriedenes Hippieleben. Meistens ist viel Leben und Musik und gutes Essen im Haus.

Eigentlich bin ich hier, weil ich mich verliebt habe. Hals über Kopf. Und zwar in den Franzosen, der hier wohnt, in der hübschen, stuckbesetzten Wohnung inmitten der lauten und charmant-schmuddeligen Welt von Barbès. Ich habe Jérémy im April kennen gelernt, als er mich und zwei Freundinnen für zwie Nächte bei sich aufnahm. Seinen Kontakt hatte ich von meinem Kumpel Romain, der mit mir in Chile gewohnt hatte. Im April hatte ich einen Freund und überhaupt nichts Derartiges im Sinn, wieso auch? Mein Leben war perfekt und ordentlich ausgerichtet. Ich war in Frankreich, um eine Reportage über Erasmus zu drehen, für den Studentensender, bei dem ich arbeitete. Meine Bachelorarbeit war gerade angemeldet und mein Ticket nach Bangkok zu meinem Freund gebucht. So würde ich genau pünktlich zum Juli fertig werden, um nach seinem Auslandssemester in Korea zu ihm zu fliegen und sechs Wochen lang Südostasien mit ihm zu bereisen. Es hätte alles kaum beser sein können. Und dann kamen wir in unserer zweiten Pariser Nacht nach Hause und ich las die kulturweit-Email, die mir die Möglichkeit eröffnete, nach Ghana zu gehen. Ich konnte es nicht fassen. Ich wollte schreien und lachen und weinen gleichzeitig. Ich brachte immer nur wieder ein ersticktes „Oh Gott, ich geh nach Ghana! Oh Gott, oh Gott!“ hervor. Dabei habe ich mit Gott so gut wie nichts am Hut. Mein Glück war perfekt und tadellos. Da musste es ja einen klitzekleinen Haken geben.

Der Haken bestand darin, dass ich Jérémy nach dieser berauschenden Pariser Zeit mit Astrid und Caro nicht vergessen konnte. ‚Haken‘ ist vielleicht ein unglücklich gewähltes Wort. Eigentlich bin ich unendlich dankbar dafür, ihn kennen gelernt zu haben. Obwohl er nicht meine Muttersprache spricht, habe ich das Gefühl, dass er mich manchmal am allerbesten versteht. Vielleicht bin ich auch einfach zu Disney- und Hollywood- beeinflusst. Jedenfalls – nach vielen Wochen des Kopfzerbrechens, einer herzzerbrechenden Entscheidung und resistenten Schuldgefühlen cancelte ich also den Flug nach Thailand und fand mich kurz darauf im Bus nach Paris. Bisher habe ich eine unglaublich schöne Zeit hier verlebt. Ab und zu huscht eine Maus über den Boden, die Fruchtfliegenplage wird immer unerträglicher und seit über einer Woche gibt es keim warmes Wasser mehr. Aber ich liebe es. Ich liebe dieses Leben. Ich liebe die Zeit mit Jérémy und Adrien, mit denen ich hier hause und koche und diskutiere und phantasiere. Mein Französisch wird besser. Mein Englisch hört sich immer englischer an. Manchmal gehe ich in ein Museum und versinke in den impressionistischen Malereien, manchmal sitze ich an der Seine und schreibe in mein Reisetagebüchlein, manchmal gehen wir abends aus oder essen. Die Stadt ist wirklich magisch und ich fühle mich sehr zu ihr hingezogen. Sie ist ein bisschen eingebildet und zu schick für meinen Geschmack, nicht so locker und schnodderig wie meine Heimat Berlin. Aber dieser bestimmte Zauber, der ist einmalig. Wenn man im Jardin de Luxembourg auf einer Bank im Schatten sitzt und Gedichte liest. Oder mit seinem Liebsten ein Macaron von Pierre Hermé verputzt. Ich finde, jeder sollte in seinem Leben eine kleine Pariser Etappe gehabt haben. Irgendwie finde ich, dass das der optimale Abschluss meines Germanistikstudiums ist. Das hat so etwas Weltliteratur-mäßiges. Wie Rilke oder Hemingway einfach eine Pariser Zeit einlagen, lange schlafen in irgendwelchen Buden, es sich gut gehen lassen und die Leute beobachten. Lernen. Sehen. Schmecken.

Jérémy und ich sind letztes Wochenende in die Normandie getrampt. Ich fühlte mich sehr frei und glücklich. Wir kamen an und stiegen in einem piekfeinen Hotel ab, ich liebte diesen Kontrast, in Schlabberhose und mit Tramperschildern im Rucksack in ein Superhotel mit Superdiner und Superkingsizebett zu spazieren. Nach unserem Gourmandiner zogen wir auf die Kingsizeinsel und redeten studenlang, das Englisch floss mittlerweile, kein Thema ein Problem, wir hörten den Kirchturm und Möwen, wir lachten und rauchten und ließen uns immer tiefer in die weiße Flauschigkeit des Bettes fallen.

Meine Tage hier sind nun bald gezählt. Am Freitag fahren wir nach Metz, um am Samstag in sein Heimatdorf zu fahren, wo er eine BBQ-Pool-Party geben möchte. Franzosen feiern nämlich auch einfach mal ihren Geburtstag vor. Macht das irgendjemand in Deutschland? Kommt mir sehr suspekt vor. Er hat jedenfalls erst nächsten Dienstag Geburtstag. Vorher mache ich auch nichts. Man möchte doch nichts beschreien. Am Montag werden wieder die Pappschilder gezückt, diesmal wollen wir den ganzen Weg bis nach Portugal schaffen (in kleineren Etappen natürlich). Davon sollte ich auch berichten. Das wird bestimmt ziemlich abenteuerlich. Mindestens so cool wie die Abenteuer von Jack Kerouac und Co. Kann die Lektüre nur empfehlen, bin jetzt ‚Experte‘, Bachelorarbeit und so, ihr wisst schon.

Ich bin gespannt und freue mich und kann nicht glauben, dass mein großes Ghanaabenteuer in einem guten Monat schon fast beginnt. Ich bin unendlich dankbar für diese Chance. Ich habe keine Angst, keine Panik, keine Sorgen. Ich spüre reine und tadellose Freude. Meine Wochen hier in Paris sind eine Art Transit für mich. Der Übergang von meinem Grundstudium, vom Bachelorarbeitsstress und vom Leben in Jena in ein neues Abenteuer auf einem unbekannten Kontinent mit neuen Herausforderungen. Nach Australien und Chile ist das nun meine dritte Abenteueretappe, mein dritter Kontinent und meine dritte Arbeitserfahrung. Diesmal geht es nicht um körperliche Knochenarbeit und auch nicht um das Studentendasein, sondern darum, mein Land, meine Kultur und meine Sprache vor Ort zu repräsentieren und mein Bestes für die Projektarbeit zu geben. Bevor das allerdings beginnt, lehne ich mich zurück und freue mich auf meinen Jérémy, der bald von Arbeit zurück kommen wird und mir ein Lachstartare zaubern will. Zu klischeehaft? Ja, ich weiß. Mein Leben ist wohl manchmal eine einzige Aneinanderreihung von Traumfabrikklischees mit allen Hochs und Tiefs. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich wirklich auf mein Herz höre, wenn ich es denn recht verstehe. Diesmal war das genau richtig.

 

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