It's Ghana be great

Meine Zeit am Goethe-Institut in Accra

Ein dickes Walross

Da sind wir also angekommen, am Tag der Abreise zu unserem Zwischenseminar. Weil die Zeit sich so beeilt, sind jetzt bereits 10 Wochen unseres kostbaren Praktikums hier vorüber. Zeit, ein bisschen zu resümieren? Vielleicht schon etwas spät, denn ich habe eben gerade ausgerechnet, dass mir jetzt nur noch so um die acht Arbeitswochen hier verbleiben, neben Weihnachten, Ausgleichstagen und Urlaub. Aber es geht ja auch darum, das Land kennen zu lernen. Accra kennen wir jetzt ganz gut, das ist jetzt eine Heimat, wir wissen, was wir wie wo machen müssen und wo wir wie was finden. Soweit, so gut. Da gibt es aber noch so so so viel zu sehen und zu entdecken. Wir finden, wir möchten hier nicht eher gehen, als bis wir einen ordentlichen und ausgewogenen Gesamteindruck gewonnen haben. Und den kriegt man ja nicht nur von einer Stadt und ein oder zwei Wochenendhupferln in die nähere Umgebung. Nein, nein, nein, wir wollen mehr sehen und deswegen ist es gut, dass auch noch ein bisschen Zeit für Adventure Time bleibt.
Dabei ist ja hier eigentlich immer Adventure Time. Ohne zu lügen, kann ich sagen: das ist der coolste Job, den ich je hatte. Hier habe ich nie dieses Gefühl entwickelt, auf die Uhr zu schauen und zu denken „Jetzt noch zwei Stunden bis zur Mittagspause und danach noch mal 4 und dann kann ich endlich gehen“. Nope. Das ist ganz anders hier. Man kommt gerne zur Arbeit und man arbeitet gern, das Non-plus-Ultra an Tagesinhalt, früh aufstehen hat nicht diese bitterfiese Beinote, man macht das gern, hüpft ins TroTro, diskutiert so lange mit dem Mate und nimmt in der Endkonsequenz noch Mitfahrer zu Hilfe, bis man endlich das korrekte Wechselgeld ausgehändigt bekommt, dann sitzt man im Französischkurs und freut sich über sein Vorankommen, en fait je suis très contante que dans seulement quelques semaines je me suis améliorée tant que maintenant je peux avoir entières conversations avec Jérémy en français. Anschließend läuft man zum 37, kauft sich ein bisschen Obst und steigt ins Nafti-Taxi zur Arbeit, wo man dann in sein Büro tritt, die Sonne scheint vom Balkon her durchs Fenster, man darf die gestrig gemachten Fotos durchsehen und veröffentlichen, man darf mit Künstlern in Kontakt treten, deren Konzerte und Ausstellungen besprechen und organisieren, man ist Herr des Social Media oder man informiert höchst professionell wirkend auf Messen. Das Ganze kann man sich vielleicht so vorstellen wie eine dieser typischen Filmszenen in amerikanischen Komödien, in denen positive, motivationale Musik gespielt wird und erfolgreiche Entwicklungen in mehreren Wochen innerhalb eines Songs zusammengefasst werden, mit typischen Szenen aus dieser Zeit, die ineinander übergehen und dem Zuschauer vermitteln, dass es jetzt wieder bergauf geht. Was wäre mein Themesong? Ich glaube, ich würde mir „The man“ wählen, von Aloe Blacc, davon habe ich seit dem Wochenende in Cape Coast einen Ohrwurm und außerdem ist das was zum auf die Kacke hauen. I am the woman, yes I am. Klingt doch super.

Na jedenfalls bin ich hier zufrieden wie ein dickes Walross. Das ist mein Resümee. Wir haben jetzt Plantain, ghanaische Schokolade und natürlich Wengeze im Gepäck, um unseren fellow Seminarteilnehmern in Kigali dann mal zu seigen, die der Snackhase hier so läuft. Gestern war mal wieder pünktlich zum Rucksack packen Stromausfall, als ich gerade dabei war, den komplett in Schimmel eingebauschten Rucksack mit Spiritus einzureiben, gingen Licht und Ventilator aus und ich blieb zurück in meiner feuchtwarmen Grotte und sah die Hand vor Augen nicht. Zum Glück haben wir ja eine kleine Vorsorge für derartige Fälle, Max‘ batteriebetriebene Lampen, die so ein bisschen ein altes Burgfeeling vermitteln, die nimmt man dann immer in die Hand und läuft damit durch die dunklen Gänge, in die Küche oder zum Zähneputzen. Im fahlen Licht der Notlampe eröffnete ich außerdem das NoBite-Feuer auf die fiesen Mosquitos, die die Gunst der Stunde genutzt hatten, sich komplett in meinem Zimmer zu versammeln, einer der wenigen Lichtquellen im Umkreis. Ich kam also nicht wirklich zum Sachenpacken. Mein Boss machte mich außerdem darauf aufmerksam, dass mein Rucksack besser noch ein bisschen auslüften sollte, weil Brandbeschleunigergeruch am Gepäck beim Flughafenpersonal vielleicht nicht ganz so klasse ankommt und unsere Reiseroute ja außerdem sowieso schon als „verdächtig“ eingestuft wurde. Wir wollen niemandem was Böses, wir wollen einfach nur im Flugzeug sitzen und uns auf unsere Reise freuen. Gestern habe ich mir nochmal Charlie Chaplins wundervolle und weise Rede aus „The Great Dictator“ angesehen, die in diesen Zeiten wieder äußerst aktualisiert betrachtet werden kann: https://www.youtube.com/watch?v=CsgaFKwUA6g
Die Aufmachung in dem Clip sagt mir nicht ganz so zu, alles sehr pathetisch und plakativ, aber seine Worte bleiben die gleichen und ich musste mal wieder heulen. Vielleicht ist ein bisschen Hollywood-Pathetik manchmal gar nicht schlecht, um jemanden vom guten Kern der Menschheit zu überzeugen. „You have the love of humanity in your hearts! You don’t hate! Only the unloved hate – the unloved and the unnatural! Soldiers! Don’t fight for slavery! Fight for liberty!“ Wir sind schlau genug, um gar nicht erst Hass aufbringen zu müssen. Eigentlich.

Ansonsten bin ich in letzter Zeit auf der Suche nach einem Job für den zweiten Teil meines Gapyears, wenn ich dann im März nach Europa zurück gehe, „jung bin und das Geld brauche“. Habe jetzt fünf Bewerbungen abgeschickt, wenn noch jemand nen Tip hat, immer her damit. Ich kann Kommunikation, Marketing und Fernsehen und habe einen Hochschulabschluss. Cool, wa?

Manchmal vermisst man die kleinen, trivialen Dinge aus einer heilen Welt, wie zum Beispiel eine Waschmaschine, mit einem Bullauge, vor die man sich setzen kann und stundenlang zusehen könnte. Zumindest geht mir das so. Wir haben keine Waschmaschine, wir waschen in drei Bottichen mit Hand, meinen vorzüglichsten Dank an Max an dieser Stelle, das hat seinen Charme und seine Romantik, aber es ist hart anstrengend und die Sachen werden, bei aller Liebe, nur halbherzig sauber und riechen stets „neutral“. Wenn ihr das nächste Mal wascht – genießt den Duft von Waschmittel und Weichspüler, beobachtet, wie die bunten, wohlriechenden Flüssigkeiten langsam in die Kammern nach unten laufen, wie dann das Wasser zu rauschen anfängt, wenn ihr die Knöpfe und Rädchen betätigt und wie wunderschön die Wäsche duftet, wenn ihr sie dann auf den Wäscheständer hängt. Das sind wohl die kleinen Freuden des Alltags, die manchmal im janzen Scheißstress unterjehn.

So. Dann mach ich mal noch ein paar Stunden und hau dann rein mit Kathi. Bis Ruanda!

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