Eine Weile ist es her und ich merke, je mehr Tage vergehen, desto schwieriger ist es, wieder anzusetzen und auch einen ordentlichen, geeigneten Ansatzpunkt mit „Spritz und Drive“ zu finden. Gerade in dem Moment wischt sich Lischen mir gegenüber Rührungstränen aus den Augen, weil sie an ihre kleinen Klavierschülerinnen denken muss, sie hört gerade das Lied, was sie ihnen beigebracht hat. In den letzten Tagen haben wir oft geweint. Mal aus Trauer, mal aus Wut oder Rührung. Wir hatten auch oft Magenschmerzen oder fühlten uns schwach und konnten trotzdem nicht schlafen. Es ist viel passiert, jeden Tag passiert viel und in der menschlichen Natur im Allgemeinen und in der Nachrichtenwerttheorie im Besonderen liegt es, die Nähe zu einem selbst als ausschlaggebend für Relevanz und Reaktionen zu erachten, was weniger mit Ignoranz oder Desinteresse, sondern mit ungeheuchelter Ehrlichkeit zu tun hat. Das ist eine Meinung. Manchmal fühlt man sich eher allein.
Meine erste Urlaubswoche liegt hinter mir und meine Eltern sind gestern wieder nach Hause geflogen. Weil ich mal komplett die Beine baumeln lassen wollte, habe ich auch nichts von uns hören lassen. Ich wollte meinen Eltern mein Accra zeigen, mit all seinen Eigenheiten und Facetten und in all seinen Varianten und Ausmaßen. Das beinhaltete Sardinenquetsche-Tro-Tro-Fahrten, Schweiß- und Lärmmärsche über den Makola Market, brandheiße Verhandlungen mit hochchristlichen Taxifahrern, eine Abendbrotreise durch verschiedenste Köstlichkeiten, das Spiel „Wer kann am besten den nervigen Verkäufer ignorieren?“, rauschende Superströmungen mit gestrandeten Walrossmanövern, Kakerlakentänze in Strandjurten, „Inseln der Moderne“ sowie „Ghanaische Rohbauten“, von meinem Papa geprägt. Wir lachten viel zusammen, zankten viel zusammen und machten es uns in gewohnter Weise nicht immer leicht. Mein Geburtstag war der wunderschönste, wenn man diese von mir sehr gemochte „Wahnsinnig verliebt“-Filmstrategie verfolgt und bis zur ersten Hälfte des Films die Geschichte aus einer Perspektive erzählt. Leider gab es aus der Sicht der zweiten Hälfte ein paar wirtschaftsingenieurstechnischen Komplikationen, die mich zunächst sehr traurig, dann grübelig und schlussendlich wütend machten. Was lernt man daraus? Ich könnte jetzt sagen Toleranz und Gelassenheit. Allerdings bezeichne ich mich als einen toleranten Menschen und habe schon vor fünf Jahren mit der Gelassenheitsumschulung begonnen, also was soll’s, es würde wahrscheinlich immer wieder so laufen und irgendwie hat das ja auch etwas vom unüberbrückbaren „Weihnachtsstreitphänomen“. Allerdings gehöre ich eher zu den Leuten, die es als selbstverständlich ansehen, einen überaus geliebten Menschen einfach mal anzurufen an seinem Geburtstag.
Jedenfalls, um zur Sicht der ersten Hälfte zurück zu kommen, fuhren wir an den Strand in Kokrobite, stürzten uns in den lauwarmen Atlantik, speisten abends beim Franzosen burgundisches Rind und anschließend gab es noch eine Karaokesause mit meinen Mitbewohnern. Ich durfte singen und es wurde sogar für mich gesunden, der ganze Laden sag auf einmal und ich schlug die Hände strahlend vors Gesicht, es war süß und ich war zu diesem Zeitpunkt bereits 25 Jahre alt. Es war ein herrlicher Geburtstag, so will ich mich daran erinnern. Bin ich jetzt alt, muss ich jetzt heiraten und Kinder kriegen? 30 ist das neue 25, also trinke ich noch ein bisschen mehr Wasser und denke an mein Feuchtigkeitsfluid.
Am Wochenende sind wir dann nach Cape Coast gefahren, der Bus fuhr vier Stunden und zwei Stunden lang durften wir wieder einer Schreipredigt hören, anschließend verkaufte der Typ dann noch „Wunderpillen“, die Leute fuhren ab auf das Zeug wie nichts. Das war wieder aus psychologisch-soziologischer Sicht eine sehr lehrreiche Aktion, aber der HNO-Arzt hätte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen – viel zu laut und außerdem viel zu anstrengend für den Schreihals. Religion hat hier nichts mit Privatheit zu tun, die wird einem überall aufgedrängt und ins Ohr gebrüllt.
Wir hatten dann eine sehr interessante Führung durch Elmina Castle, Kwame wusste sehr viel über die Geschichte der ehemaligen Sklavenburg und vermittelte sein Wissen auf eine sehr sensible Art und Weise.
Wir wohnten dort in einem kleinen Paradiesresort, direkt am Meer, schliefen ein mit dem Meeresrauschen und dem entfernten Dudeln von „Daddy Cool“ von der Tanzfläche.
Ich habe das Gefühl, ich habe noch viel zu wenig erzählt von dieser schönen Urlaubswoche, aber ich belasse es bei der kleinen Zusammenfassung. Das war unsers. Danke, Mama und Papa, für die schöne Zeit.
Am Freitag wollen wir reisen nach Ruanda und haben noch immer unsere Pässe nicht. Es bleibt spannend und nervenaufreibend. Werden Sie ihre Pässe am Freitag haben? Wird das Visum verlängert worden sein? Werden wohl ominöse Strafzahlungen auf unsere beiden Reisenden zukommen? Schauen Sie demnächst wieder vorbei.
Das war heute ein relativ knackiges Update, gerade mal im Siebenhunderter Wortbereich.
Muss erst wieder zur alten Form zurück finden.
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