It's Ghana be great

Meine Zeit am Goethe-Institut in Accra

Oh Lord, won’t you take a picture with me?

Gestern Nacht habe ich Jesus getroffen und hätte nicht gedacht, dass der doch tatsächlich so viel Charme hat. Es ist schon wieder spät am Allerheiligensonntag. Wie gut, dass es dieses schöne Phänomen names Habituation gibt und ich die Ohrenbetäubungskriche ab 6:30 Uhr eigentlich gar nicht mehr wahrnehme. Meine halbe Abendbrotpapaya liegt leer gegessen neben mir auf dem Nachttisch und irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich in meine Gemüsepfanne vorhin vielleicht doch nicht den Rest Brie und den Rest Butter als Kühlschrankentleerungsmaßnahme hätte rein rühren sollen. Ich muss planmäßig in 8 Minuten schlafen, also beeile mich mich mal lieber mit dem ganzen Palaver hier. Ich nenne das nicht so, nur Leute, die Dr. Gonzo nicht gelesen und/ oder verstanden haben, die nennen das so.

Obwohl ich ja Atheist/ Agnostiker bin, hat mich mein gestriges Kurzdate mit Jesus doch ziemlich geflasht. Ich meine, ich wusste nicht, dass Jesus doch so sexy ist. Und einen kalifornischen Akzent hat. Es war nämlich so, dass wir anlässlich der großen Jack-Skellington-Nacht ein gruseliges Club-Hopping veranstalten wollten, unsere eigene Halloweenparty wurde aus „privaten Gründen“ lieber gestrichen. Wir hatten auch kein Kostüm, was natürlich auch nicht ganz so von Vorteil war. Aber wie der Zufall oder eine ausgeklügelte Marketingstrategie es so wollten, stand da vor unserem ersten Club eine Truppe gut ausgebildeter Maskenbildnerinnen mit allerlei Schminkzubehör und Make-up-Vorlagen auf den Smartphones. Wir waren dann natürlich alle angetan, ich ging als etwas Undefinierbares, weiß gezacktes, Jérémy meinte, das wäre der Clown Pierrot, aber der hat meiner Meinung nach mehr Stil. Jedenfalls sahen wir dan alle ganz hinreißend furchteinflößend aus, Magnus floss das Blut aus den Augen und Becky verschreckte wirklich jeden, weil ihre Vampirvisage so unglaublich echt aussah. Im ersten Club waren die Leute dann mal wieder Fan vom Linedance, ich ja eher nicht so, hatte aber dennoch was Urdrolliges, den Papst beim sehr versierten Abdancen in der front row zu beobachten. Wir reihten uns dann natürlich irgendwie mit ein, eine schrittsichere Ghanaerin nahm mich dann beherzt bei der Hand und schob und zog mich in die jeweils richtige Position, ich fühlte mich wieder wie der letzte Körperklaus im Aerobickurs. Und dann war er da plötzlich, mit einem Heiligenschein und einer Schar Mädchen um ihn herum, strahlte einfach so, der Jesus. Wir waren hin und weg und wollten auch in die Gunst seines Zaubers kommen, der machte dann aber den Abgang zur nächsten Venue, wir ließen uns aber nicht abschütteln und sagten einem herbei eilenden Taxifahrer „Follow Jesus!“. Das tat der dann auch und wir fanden ihn wieder im Fire Fly, wo wir durch den Extra-Gruseleingang rein durften, ob unserer angsteinflößenden Gesichter. Es wurden dann erstmal Hochglanzfotos von uns zusammen mit dem Staff gemacht, dann schoben wir uns in die berstende Menge und hielten Ausschau.

Erstmal aber waren da zwei Typen mit leicht russischem Akzent, die uns einfach auf Deutsch anquatschten und dann meinten, mein Beutel hätte uns verraten, ja, der hübsche emeraldfarbene Uni-Jena-Beutel hat es wohl drauf. Die Heren luden uns dann nämlich ungefragt auf ein paar Drinks ein, an der Seite hatten sie eine kleine Privatbar aufgebaut, man hatte es offenbar. Heute Morgen fand ich dann eine Visitenkarte einer der Herren in meinem Beutel, eins von zwei Fünf-Sterne-Hotels in Accra, das wurde mir jetzt erstmal bewusst, ich hatte im Eifer des Gefechts und zwischen dem ganzen lauten Gewummere kaum etwas verstanden. Wir fanden Jesus wieder und fassten ihn mal kurz an, er hielt dann seine hand über einen jeden von uns und strahlte mit seinen weißen Zähnen und leuchtenden Augen. Jesus hatte noch weitere Fans abzufrühstücken, also tanzten wir ausgelassen und irgendwann schenkte uns so ein Kerl ein paar Stückchen Torte, da hatte wohl gerade jemand Geburtstag, manchmal hilft Wünschen eben doch. Wie lange schon hatte ich nicht mehr derartig luftig fluffige Erdbeercremebiskuittorte gegessen…yummy.

Irgendwann stolperten wir wieder nach draußen, dort warteten Hassan und Toffic, vielleicht erinnert man sich an die Gentlemen, die sind ja nun schon zum festen Bestandteil unserer Ausgehnächte geworden, früher oder später tauchen die auf mit ihrer Familienkutsche, nie ein Tropfen Alkohol, immer zurückhaltend und freundlich. Dann war der Moment, in dem wir tatsächlich ein Foto mit Jesus machen durften, wir fragten einfach und er lachte nur und stand bereit. Ich hätte mich ja gerne noch weiter mit Jesus unterhalten, aber der Kerl ist eben busy, er verschwand in der Nacht und später sahen wir ihn noch die Oxfordstreet entlangschlendern mit einem Mädchen, „I bet Jesus is getting laid tonight“. Nachdem Magnus dann im Club erkannt hatte, dass sein Tinder-Date eine ziemliche Enttäuschung war, machten wir nen Abgang zur nächsten Location, quetschten uns in die Familienkutsche und trällerten ein bisschen zusammen.
Jesus war nicht mehr da und unsere Schminke fühlte sich nunmehr trocken und fahl an, irgendwann hatten wir keine Lust mehr und dann gab es Egg and Bread, das tat gut und schmeckte unglaublich. Wir wurden am Danquah Circle abgesetzt, legten eine ausgiebige Bürgersteig-Tanzsession mit einer Barbesitzerin zu unserem Lieblingssong „My woman, my everything“ ein und unterhielten die Umsitzenden. Dann gab es ein paar obligatorische Gute-Nacht-Indomie und ich kriege schon wieder Hunger darauf. Das war ein Halloween der besonders spirituellen Art.

Am Nachmittag hatten wir noch eine weitere spooky time, mit meinem Französischkumpel Mubarak fuhren wir nämlich ins Planetarium und nahmen an ein paar „gruseligen Experimenten“ teil, das ganze war als Familienevent ausgeschrieben und wir dachten uns, dass das doch bestimmt ganz cool werden konnte. Das war es dann auch, nach dem ersten kleinen Schock darüber, dass wir die einzigen Volljährigen ohne direkten Kinderanhang waren. Wir bastelten Thaumatrope, die mich an X-Factor und Jonathan Frakes erinnerten und sahen im Anschluss noch einen kleinen Film über die Unbeständigkeit des Universums in der Planetariumskuppel. Ich liebte das wirklich und hätte da noch Stunden drin sitzen bleiben können.

Jetzt ist es schon viel zu spät, ich muss ins Bette, hopp hopp.
Je dois me lever trop tôt demain.
A plus, bonne nuit, gros bisous.
Amen.

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