Meine erste ghanaische Schokoladentafel ist fast alle und ich erinnere mich an die ghanaische Schokolade in Paris, bei Patrick Roger, 75%ige Wuchermasse, hier ganz bescheiden und mit einem weißen Film überzogen, erinnert an Kuchenglasur, meinte Kathi. Stimmt, da zündet dann einfach wieder das alte Rodolphe-Lindt-Conge-Argument. Ich esse sie trotzdem und denke dabei an Weihnachtskalenderschokolade, bald ist es ja wieder soweit, aber zunächst erst mal Halloween. Wir schmeißen eine Party am Samstag, das soll ganz groß werden, mit vielen Wurstfingern und blutigen Tüchern und was sonst noch dazu gehört. Vielleicht kriegen wir es ja sogar hin, einen traditionellen Kürbis zu schnitzen. Kathi haut erst mal rein am Mittwoch und kommt erst Samstag wieder, das ist natürlich schade, weil sie eigentlich Hauptinitiatorin war, aber wir machen das schon alles irgendwie, hier klappt das auch immer ohne viel Vorbereitung.
Als wir uns dann am Samstag so langsam aus den Betten rollten, auf der Veranda den Gossip der letzten Nacht austauschten und einen ausgiebigen Snack zu uns nahmen, ging es daran, die nächste Night out zu planen. Diesmal sollte es nach Kokrobite gehen. Insgeheim spielte ich ja immer noch mit dem Gedanken, einfach doch als Roadie mit nach Takoradi zu fahren, der Hipsterdrummer hatte mir dann tatsächlich noch geschrieben und mir gesagt, wann ich wo sein sollte, das hatte alles schon wieder was sehr Cineastisches. Aber ich wollte nur pennen, ich wollte nicht dort um 10 auf der Matte stehen und wollte auch nicht mit den eher arrogant und dünkelig wirkenden anderen beiden Bandmitgliedern in ein Auto gepfercht werden und mir deren Selbstbeweihräucherung anhören. Also drehte ich mich nochmal um und entschied mich doch für Kokrobite. Dort sollte nämlich eine dicke, fette Oboruniparty steigen, erst später erfuhren wir, dass ein gewisser Tony zu seinem 40. Geburtstag lud. Das hörte sich erst mal nach einer „10 nackte Friseusen“- Ballermannparty an, entpuppte sich dann aber zu etwas ziemlich Magischem. Aber dazu später mehr.
Als erstes besuchten wir nämlich am Nachmittag die 10th annual Vegfair in Osu und waren sehr überrascht von der recht üppigen vegetarischen community, die sich doch in Accra aufzuhalten schien. Es gab Schokoladen- und Kokosbrot, frischen Ananassaft und Tofukekse, die an Tassensuppenpulver erinnerten. Wir saßen dann ein bisschen in der Sonne und tankten unsere Batterien auf, weil es ja schon bald darauf nach Kokrobite gehen sollte.
Herausgeputzt und aufgebrezelt machten wir uns schließlich auf den Weg, Kathi, Beatriz und ich, wartend auf eine französische Freundin von Bea, die schon bald so nervte, dass ich mir gewünscht hätte, mich irgendwie anders im Taxi hingesetzt zu haben. Nach über einer Stunde fragwürdigem Gequatsche und noch fragwürdigeren Witzen von meiner rechten Seite her, zwischenzeitlich gepaart mit grobschlächtigen Anremplern hatte ich die Alte sowas von satt und war überrascht und absolut erleichtert, als Kathi sich, endlich am Ziel angekommen, dankbar in meinen „Die Alte nervt mich ja so unglaublich“-Kanon mit einreihte. Wir kamen dann zu dem Schluss, dass man nun, mit Mitte Zwanzig, eine zumindest so gut ausgebaute Menschenkenntnis hat, dass man bei manchen Leuten einfach auf Anhieb weiß „Die sind einfach bescheuert“. Ohne Vorbehalte, mit sehr gutem Willen, man lässt sich ja gern drauf ein und fragt nach und ist ganz freundlich, aber wo nur Scheiße kommt, da ist halt nicht gut Kirschen essen. Wir hielten dann eher unseren Abstand, nahmen noch einen kleinen Indomie-Snack, der mir beinah den gesamten Mundraum wegbrannte (wie machen die Ghanaer das?) und dann ging es auch schon zu Tonys Party. Die war High End. Es gab Koks und Nutten. Und das ist nicht metaphorisch oder figurativ gemeint. Es gab einfach Koks und Nutten, Letzteres wurde mir mehrmals angeboten, ich lehnte dankend ab. Die Party war also alles andere als Ballermann, eher so Californication-Beachparty-Style. Wir waren nämlich tatsächlich direkt am Meer, am Strand, die Musik dröhnte mit wohlbekannten Mainstreamklängen auf Englisch und Französisch, das Wasser war warm und man dachte an alte Zeiten an der Copacabana. Da gab es eine kleine Insel, da konnte man tanzen, es wurden dann Lampions angezündet und die stiegen in den tiefschwarzen Himmel hinauf, vom Rauschen der Wellen begleitet.
Zunächst wurden wir von drei Indern angequatscht, das heißt, von einem zunächst, der meinte, seine Kumpels würden uns doch so toll finden und verkuppelte uns dann leicht peinlich mit denen. Die gaben dann erst mal eine Runde Gin Tonic, nachdem wir ein bisschen gequatscht hatten und ich den einen wiedererkannte, der bei seinem A1-Examen die ganze Zeit über den Eindruck machte, zu spicken. Irgendwie sah der auch eher aus wie so ein kleiner Latino, Kathi hatte den größeren Modeltypen an der Backe, es wurde angestoßen und die Luft war sehr warm, die Musik laut, man schrie und amüsierte sich. Irgendwann löste sich diese Runde dann auf, wir ließen unsere Blicke durch die Menge schweifen und Kathi wies mich dann auf einen blonden Oboruni hin, der ihrer Meinung nach mein Typ zu sein schien. Jajaja, mal ganz ruhig, wir hatten ja alles unter Kontrolle, außerdem habe ich hier Folgendes gelernt „I don’t need to take a second look at another man because I already have got the best“. Das stimmt ja auch. Also nehmen wir immer nur einen Blick und das war’s dann. Dieser blonde Oboruni entpuppte sich als ein Deutscher, der so stralle war, dass wir zunächst dachten, der wäre vielleicht gar nicht in Deutschland aufgewachsen, weil seine Sprache so seltsam war. Der drückte mir dann den obligatorischen Backenschmatzer auf, als der eine Franzose, den wir liebevoll Udo Jürgens nannten (aber in seinen guten Jahren und ohne Schmalzattitüde), mich beobachtete. Keine Chance, der Babbelbade, der sich aber doch eher wie ein Göttinger anhörte, hatte mich fest im Plaudergriff und irgendwann ging es dann tanzen, wir tanzten mit dem Inder und dem Baden und nem anderen bärtigen Deutschen einfach so, als wären wir alte Schulfreunde, schnell machten wir klar, dass wir nicht einen auf sexy Lapdance machen wollen, also war die Stimmung ausgelassen und bro-zone-ig.
Da war dann noch dieser eine Typ, der sah aus wie ein Schauspieler aus „12 years a slave“, der plauderte dann mit mir und wollte mir irgendwelche Pillen andrehen, nachdem ich ihm von „der verrücktesten Sache, die ich je gemacht habe“ erzählt hatte. Der war eigentlich ganz cool und hatte lange in England gelebt, dachte das auch von mir und später sah ich ihn noch mit nem anderen Schnuffbruder verstohlen aus dem Klo kommen. Der Tony war ganz happy über seine Klientel an diesem Abend, glaube ich. Auf jeden Fall kann er dann später, wenn er groß ist, mal erzählen: „Ja, so war also mein 40. Geburtstag“. Wir jedenfalls hatten Spaß, am Ende holte ich mir noch einen Burger und setzte mich glücklich und satt ins Taxi, die Alte, die wir pb der schönen Eignung zum „reinhauen“ Wortspiel kurzerhand Ryan getauft hatten, saß wieder neben mir, hielt sich aber zum Glück zurück und ich schlief auf Beas Schulter ein, die Nacht immer noch warm, der Fahrtwind angenehm auf unserer Haut.
Gestern war dann Dumsor den ganzen Tag, da gab es neulich erst einen ganz interessanten Spiegel-Artikel drüber, Ghanas Energieversorgungsproblem, könnt ihr ja mal googlen, denn mein Internet ist gerade passenderweise so lahm, das nichts wirklich funktioniert. Das Ganze war natürlich etwas nervig, weil wir für 24 Stunden von jeglichem Strom abgeschnitten waren und das bei konstanten 30 Grad, also nichts mit Ventilator oder so. Mein Zimmer schimmelt beständig und auch der Spiritus, den ich mir zur Bekämpfung geholt habe, hält leider nicht lange vor. Aber das bleibt eben nicht aus bei einer Luftfeuchtigkeit von 80%.
Wir rückten dann näher zusammen, Max’ Kumpeline Vivianna hatte für uns alle gekocht, eine deutsch-ghanaische Familie mit zwei süßen Kidern war auch am Start, genauso wie ein Deutsch-Ghanaisches, frisch verheiratetes Ehepaar, wir saßen da also im Dunkeln, hatte eine kleine taschenlampenartige Lichtquelle und ließen es uns schmecken, ein Hoch auf den Gasherd. Das Ganze hatte dann etwas von einer ruhigen Zombieapokalypsenszene, vielleicht habe ich auch nur zu viel „The Walking Dead“ gesehen. Jedenfalls ist der Strom jetzt wieder da, aber das Internet möchte noch nicht so recht, glaube ich.
Jetzt lebt ihr übrigens nur noch eine Stunde getrennt von mir in der Zukunft. Ich mach mir jetzt mal ein Omelette oder sowas. Das war der zweite Streich für heute, der nächste kommt dann schätzungsweise in drei Tagen. Jetzt will ich mich doch wirklich mal wieder an meinen Rhythmus halten.