It's Ghana be great

Meine Zeit am Goethe-Institut in Accra

Zuhause ist, wo man Familie hat

So. Mal wieder ist der Server down, hat schon was von nem Running Gag irgendwie. Nur finde ich „Dinner for One“ irgendwie lustiger als das. Naja, wir verzagen nicht und warten ab, bis alles wieder läuft. In der Zwischenzeit erzähle ich halt und irgendwann seht ihr das dann. Es ist eben alles ein bisschen verzögert hier, unabhängig vom Medium.

Heute bin ich tatsächlich schon einen Monat hier in Accra, dessen rauer Charme aus Müllverbrennungsduft, bunten Stoffen, allerlei essbarem und auch nicht essbarem Straßenessen, den verwegenen Tro-Tro-Touren, seinem einzigartigen Nachtleben und seinem unverwechselbaren Rhythmus mir beständig ans Herz wächst. Ich kann sagen, das ist mein Zuhause. Mein afrikanisches Zuhause. Nach meinem europäischen, australischen und lateinamerikanischen habe ich jetzt auf ein afrikanisches Zuhause. The world is flat, fällt mir da immer wieder ein. Ich bin dankbar, denn in diesen fünf Jahren Nomadendasein auf vier verschiedenen Kontinenten habe ich es gelernt, mich in kürzester Zeit in fremden Gefilden einzuleben, mich anzupassen, aber dabei nie meinen eigenen, kritischen und aufmerksamen Blick zu verlieren. Wenn ich durch Accras staubige Straßen gehe, dann halte ich meinen Kopf hoch und laufe so gerade wie die Frauen mit den Bottichen auf den Köpfen. Dann akzeptiert man mich und nimmt mich schon kaum mehr als Oboruni wahr, die vielen Bemerkungen nehmen ab und man fühlt sich dazugehörig. Zumindest nicht ganz außen in der Touristenverarsche-Sparte. Twi hilft da natürlich ungemein, da freut sich der eingefleischte Twi-Sprecher und behandelt dich plötzlich wie einen Obibini.

Meinen Samstag Vormittag nutzte ich für ein Hardcore-Ausschlafen, nachdem mich 12 Tage Dauerarbeit etwas nieder gerafft hatten. Fit und glücklich wachte ich auf, die Sonne strahlte und es war Benjamins Geburtstag, mein großer Bruder ist 27 Jahre alt geworden, an dieser Stelle noch mal meinen Herzlichsten Glückwunsch.  Das schöne Wetter konnte ich ihm zwar nicht schicken, aber wir drei Mädchen, also Kathi, Beatriz und ich, die wir schon drei eingeschworene Mitbewohnerinnen sind, wollten den schönen Tag für einen ausgiebigen Strandaufenthalt am Labadi Beach nutzen. Klingt erstmal total paradiesisch und die Fahrt dorthin im Tro-Tro mit eingebautem Fernseher (leider lief „Wrong Turn“, Menschengehirnfressende Mutanten auf dem Bildschirm mit Kloakengeruch von draußen sind zwar eine astreine 4D-Erfahrung, brachten aber leider auch einen astreinen Brechreiz hervor – wieso zur Hölle zeigt man so etwas, wenn Kinder mitfahren?) ließ auch schon das Beste hoffen, auch der bunte Anstrich, die laute Céline Dion Mucke und der Eintritt von 10 Cedi schürten unsere Hoffnung auf einen wunderschönen Badestrand. Ja. Leider war das dann nicht ganz so doll. Um nicht zu sagen: das Wasser ist komplett verseucht. So weit das Auge reicht, Müll, Müll, Müll. Schwarze Plastiktüten vorwiegend, die wie traurige, leblose Zeugen einer untergehenden Natur immer und immer wieder zwischen den Wellen auftauchen. Kurz ins Wasser hopsen war also nicht drin, naja, macht nichts, wir setzten uns in den Schatten, knabberten Plantainchips und frische Papaya und genossen den Sand zwischen unseren Zehen.

Zufälligerweise (und mal wieder: kulbprovokatorischerweise, danke Mama und Papa, für diese wirklich notwendige Wortschöpfung) saß da, als ich mich mal umdrehte, plötzlich der Spanier, der genau vier Wochen zuvor mit mir die Nahtoderfahrung in der bedrohlich plautzenden und polternden TAP-Maschine hatte. Beatriz kannte ihn natürlich, na klar, die spanische Gesellschaft. Man sieht sich hier immer wieder, wenn man weiß ist. Liegt wohl auch daran, weil wir so leuchten und auffallen. Aber bei einer 3 Millionenstadt ist das doch trotzdem nicht ganz selbstverständlich.

Nach unserem kleinen Bad in der Sonne fuhren wir nach Hause und bereiteten Kathis himmlisches Erdnusssaucengericht vor, was sie uns an diesem Abend kredenzen wollte. Es war wirklich himmlisch. Papa Joe weigerte sich zunächst, etwas davon zu probieren, es geht eben nichts über Banku. Dafür kamen dann Lisa und Sammy noch vorbei, das Essen schmeckte himmlisch, anschließend holte Sammy noch seine Gitarre raus und dann saßen wir im Wohnzimmer, lauschten, lachten und saßen einfach. Max hatte noch eine Rooftopparty im Ärmel, die wir natürlich nicht verpassen wollten, also gingen Bea und ich dann mit ihm los, noch mal schnell bei der Späti-Oma unseres Vertrauens ein paar Häuser weiter vorbei, die, ganz omi-typisch, sich ein Samstagabend-Showprogramm im Fernsehen ansah, eine Art afrikanische Kittelschürze tragend (sehr anheimelnd, dass bestimmte Omiverhaltensweisen global sind). Die holte dann aus ihrem Laubenkühlschrank ein paar Bier, die wir ihr dankbar abkauften.

Es ging dann also zur Party, im Taxi, das Haus war hoch und vom Dach schauten Steinbeißer-artige Figuren auf uns herab, die da sehr unpassend wirkten. Das Haus an sich wirkte irgendwie unpassend in dieser Straße, es war groß und turmte über allen anderen normalen Häusern. Auch das Treppenhaus sah irgendwie ganz fehl am Platze aus. Als wir oben auf der Dachterrasse waren überkam mich ein kühler Nostalgieschauer, ich dachte an meine erste Dachterrassenparty in Santiago, ungefähr 100 Meter höher, ungefähr zwei Jahre zuvor, auch ein Bier in der Hand und laute Musik im Ohr. Hier war nur plötzlich alles anders, irgendwie ernüchternder, die Leute sahen alt und fad aus, wie eine Rückkehr zum grauen Königsfelsen unter Scars Herrschaft war das irgendwie, fehlte nur noch Slowmotion und die traurige Savannenmusik, mein Gesicht hat vielleicht so ausgesehen wie Simbas in dem Moment. Doch ich hatte mein Team an meiner Seite zwar weder Erdmännchen noch Warzenschwein, aber sie waren da, meine neue Familie, und so schaute ich auf meine neue Stadt, viel flacher als Santiago, und nach und nach schien sich die Feier doch in etwas zu verwandeln, was mir sehr bekannt vorkam. Auf einmal waren da wieder junge Oborunis, die letzten ihrer Art, und auf einmal spielten die Leute Beerpong, mein Herz ging mir auf, und auch, wenn mein Team verlor (knappe Kiste!), alles war gerettet, nichts mehr grau und nichts mehr fad. Da war ein Kanadier, den wir nur Matthias nannten, weil er so unglaublich deutsch aussah, mit seinen blonden Haaren und kariertem Schweigersohnhemdchen, ein gewaschener Hamster, den Bea dann liebevoll „die Ratte“ nannte. Dann war da noch ein Franzose, mit dem ich mich zunächst auf Englisch unterhielt, weil ich dachte, er sei auch Nordamerikaner, dann sprach der auf einmal Deutsch, weil er zwei Jahre in Fürstenwalde gelebt hatte (was zur Hölle?) und dann auf einmal Französisch, weil er eigentlich Franzose war, aber Ladislas hieß. Diese verrückten Leute hier! Wahnsinn. Irgendwann stolperten wir die Treppen hinab hinaus in die schwüle Nacht, oben war es frischer und es gab keine Mücken, Max führte uns über Schelichwege nach Hause und was uns daheim in Europa der Gute-Nacht-Döner ist, ist hier die Gute-Nacht-Indomie Portion. Das war ein Segen! Wir saßen glücklich und zufrieden am Esstisch im Wohnzimmer und ließen es uns schmecken. Max philosophierte dann noch eine Weile über seine Familie und kramte in alten Anekdoten des Africa House, aber das sind viele andere Geschichten. Ich fiel in einen langen Schlaf, meine bizarren Träume lassen so langsam nach, bald schon ist es aus mit der Malariaprophylaxe. Am Sonntag führte uns max dann zu einem Brunch à la Osu, es gab Fufu mit Erdnusssuppe und Fisch wir hatten das Gleiche mit Reisbällchen. Ich mag nicht so sehr die Art, wie man hier isst: aus großen, metallenen Schüsseln mit der Hand mehr geschlabbert, schön mit der Hand immer in die Matsche reinpanschen, das ist vielleicht auch Gewöhnungssache. Jedenfalls schmeckte mir die Erdnusssauce besser als Max’ obligatorischer Tomatostew.
Der Server ist immer noch nicht fertig. Ich kann es nicht ändern. Do what you can, with what you have, where you are. Das sagt Teddy Roosevelt. Das habe ich gemacht. Also dann, bis zu dem Tag, an dem der Server wieder funktioniert. 😉

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