„Eat, pray, love“ liegt hier neben mir, nachdem ich gerade wieder einmal vergeblich versucht hatte, Jérémy daraus vorzulesen – ein Wettlauf gegen das Internet und die Skype-Verbindung. Immerhin sind wir schon auf Seite 80. Keine allzu schlechte Quote.
Seit fast 15 Stunden bin ich jetzt wach und da fällt mir ein, ich muss noch meinen mittlerweile wohl viel zu starken Pfefferminztee aus der Küche holen. Tag zwei meiner 12-Tage-Woche ist nun vorbei. Ja, ich arbeite das Wochenende durch, aber das macht mir nichts aus und außerdem kriege ich dafür vier freie Tage, die ich um meinen Geburtstag herum gleich mal auf den Kopp kloppen will. Gerade eben hatte ich erst vorgelesen, dass eine Statistik besagt, dass sich viele Amerikaner wohler in ihren Büros als in ihren Privatwohnungen fühlen. Ich möchte nicht sagen, dass es bei mir auch so ist. Aber ich kann auch nicht sagen, dass ich hier in meiner kleinen Muffkammer lieber bin, als im Büro. Beide haben ihren eigenen Charme und ihre Vorzüge. Es ist gerade alles gut so, wie es ist.
Bis auf ein paar kleine Ausnahmen natürlich und die üblichen Wermutstropfen, die einen im Traum überkommen oder in einem unbeobachteten Moment am Arbeitsplatz und einem erbarmungslos und hinterhältig in den Nacken beißen. Dann kann man wieder nicht loslassen, obwohl man doch sollte, seinen Hintern nicht in die Vergangenheit, sondern die Vergangenheit hinter sich bringen, predigt das und kann sich doch selbst nicht daran halten. Dann liest man eben Sachen, die längst in einem großen Eisenkasten mit schwerem Vorhängeschloss unzugänglich hätten gemacht werden sollen und alles wird bitter und Galle. Aber Contenance heißt bei uns eben mehr als Fassungsvermögen eines Hohlkörpers. Also abschließen und den Schlüssel verstecken, ganz schnell. Warum kommt eigentlich ausgerechnet dieser Kerl von der südkoreanischen Botschaft in unser Büro hereinspaziert? Ist das der Moralteufel? Lese ich zuviel Zafón? Als Daniel den Hinkenden mit dem Ledergesicht zum ersten Mal trifft, den Teufel vermeintlich, krabbelt eine Fliege so über die Buchstaben, dass ich innehalten muss. Der Her der Fliegen. Verwerfen wir das, der Curryreis schmeckt so gut. Ich habe hier meistens großen Hunger. Ob das an der Luftfeuchte liegt? Der Biorhythmus kommt aus dem Gleichgewicht wie ein zu schneller Zug in der Kurve.
Die Alliance Francaise hier in Accra hat leider ein sehr seltsames Sprachkurssystem. Ich freute mich noch über den unkomplizierten Ablauf des Einstufungstests und darüber, dass mein Französisch vor George, der sich weigerte, ein Wort Englisch mit mir zu reden, eigentlich ganz flüssig funktionierte, bis er mir dann darlegte, dass mein aktuelles Sprachniveau bei 300 Stunden liegt. Okay, das sagt mir jetzt genau…was? Ich verstehe es immer noch nicht. Hier misst man offenbar das Niveau eines Sprechers nicht an Stufen und Inhalt, sondern anhand von Zeiteinheiten. Heißt das jetzt, ich bin so gut wie 300 Stunden Französischunterricht? Vielleicht. Keine Ahnung. Jedenfalls kam dann nach langer Diskussion heraus, dass ich das Level A2 habe und dementsprechend auch einen A2 Kurs machen sollte. Aha, funktioniert das nicht anders, nach einem festgestellten Level das nächsthöhere? Wie auch immer, George war nach 5 Minuten französisch radebrechendem Herumdiskutiere so genervt, dass er mich höflich rausschmiss. Merci beaucoup. Leider war die Dame am Empfang dagegen eher eine Verschlechterung. Offenbar will man den Leuten dort einfach das Geld aus der Tasche ziehen. Die Sache ist nämlich die: für den A2 Kurs kann man nicht drei Mal die Woche kommen, man MUSS 5 Mal die Woche kommen und dementsprechend mehr bezahlen. Was zur Hölle. Könnte man sich vielleicht an einem europäischen Institut an den europäischen Referenzrahmen halten und Niveaukurse nach Inhalten und nicht nach Zeitaufwand messen? Jedenfalls bin ich jetzt nicht wirklich schlauer, was meine Sprachkurskarriere betrifft. Fünf Mal die Woche 5:30 aufstehen…how about no? Außerdem liegen bisher auch nur vier Anmeldungen vor, sieben sind minimal benötigt. Na Porst Mahlzeit. À la votre.
Zum Glück kann ich Morgen mal ein richtiges Schlaftier sein, bis ca. 8 Uhr. Danach darf ich auf Institutskosten ein Taxi nach Jamestown nehmen, wo ich ein Filmprojekt mit der Kamera dokumentiere. Ich sage ja, mein Job ist der absolute Traumjob. Ich treffe mich da mit Jonathan und Francis, die ein kurzes Video als Beitrag für das African Futures Festival in Südafrika drehen. Oh yes, Baby, das ist genau die Art von Arbeit, die ich gesucht habe. Ich darf zusehen und lernen und mit der Institutskamera alles dokumentieren und dann die Fotos veröffentlichen.
Ab Freitag habe ich für zwei Monate noch einen neuen Job, in dem ich 12 Stunden pro Woche arbeiten soll. Ich sitze dann in unserer Bibliothek, nehme Anmeldungen entgehen, verleihe und bestelle neue Bücher und Musik. Klingt bisher auch echt nicht schlecht. Mal so als kleiner Spoiler; ab Donnerstag weiß ich dann mehr.
Ich müsste jetzt mal meinen Tee holen. Eine Banane muss noch sein. Mann, habe ich einen Hunger, was ist denn los. Ich sollte auch Schokolade kaufen, man braucht immer eine Notsüßigkeit. Das ist mein Tip des Tages.
Da yie! Heißt Gute Nacht auf Twi.