It's Ghana be great

Meine Zeit am Goethe-Institut in Accra

„There’s a man with a gun over there, telling me“…nothing

Gerade flatterte mir hier eine Einladung des deutschen Botschafters „zu einem Empfang aus Anlass des 25. Jahrestages der Deutschen Einheit“ auf den Schreibtisch. „Elisa Teichmann und Gatte“. Ich fühle mich geschmeichelt. Schade nur, dass mein „Gatte“ in Frankreich ist. So sehr in Anführungszeichen setzen muss ich das hier eigentlich gar nicht. Wir haben uns hier angewöhnt, dadurch, dass dich jeder männliche Kontakt nach deiner Handynummer und nach einem potentiellen boyfriend fragt, zu erzählen, dass wir verheiratet wären. Gestern fragte mich einer, wo denn mein Ehemann sei und ich sagte, in Frankreich. Er antwortete mir dann „Du musst deinen Mann wirklich lieben, so wie du lächelst, wenn du von ihm sprichst“. Das war ein süßer kleiner Hollywood-Kitsch-Moment in einem Taxi im verschlafenen Ort Winneba. Ursprünglich mal „Windy Bay“, der Einfachheit halber ein bisschen vernuschelt. Es war ganz entzückend da. Wir entdeckten hinter einem unscheinbaren Gartentor mit rostiger, altehrwürdiger Glocke ein magisches Paradies mit Bananen- und Papayabäumen, Kokosnussreis und Bananenporridge. Das Wasser wurde durch ein so geschickstes System gefiltert, dass man sogar aus der Leitung trinken konnte. Wir schliefen in einer Art Bambus-Baumhaus, das wackelte, wenn einer die Treppe hoch kam. Kathi und ich konnten unser Glück gar nicht fassen, die beiden Besitzer des Summeryards, Bob Marley noch einmal und eine Ghana-Australierin waren die herzallerliebsten Menschen und wir glaubten, ein kleines Paradies mit Hintertor zum Strand gefunden zu haben.

Zwar lernten wir am nächsten Morgen, dass der Strandabschnitt jenseits des Meerwasserpools vornehmlich als öffentliche Toilette und Müllplatz genutzt wird (da bricht das Herz, bei so viel Müll und Scheiße, entschuldigt, aber das kann doch wirklich keiner mit ansehen), aber leider scheint das an der Küste Gang und Gäbe zu sein, wie man auch aus Kokrobite hört. Das akzeptiert man dann und läuft schweigend daran vorbei, peinlichst auf seine Schritte achtend.

Irgendwie verzettele ich mich ständig mit meinen Erzählungen. Es passiert einfach so viel, dass ich manchmal gar nicht mehr weiß, wo ich anfangen und aufhören soll. Da war zum Beispiel die Ziege im Tro-Tro, am Sonntag auf dem Weg nach Winneba. Sonntag, da Montag, also gestern, Feiertag war, founders day, Kwame Nkrumahs Geburtstag, der erste Präsident der Republik. Das arme Ding wurde hinter uns in den nicht vorhandenen Kofferraum gequetscht und musste dort an die zwei Stunden verharren, ganz still und reglos. Wir hatten zwar auch nicht viel mehr Platz als das Zicklein, aber immerhin waren unsere Köpfe weit oben am Fenster und bekamen reichlich Zugluft ab. Im Stau kauft man gerne von Straßenkäufern mit immer gleichem Tonfall „Plantaaaiiiin“ ab, köstlichste Kochbanenenchips für umgerechnet ca. 25 cent. Dann fährt man los über eine Buckelpiste vom Busbahnhof aus, es riecht nach Benzin, verbranntem Müll, Exkrementen und in der Sonne faulendem Fisch, jemand rennt vor’s Tro-Tro, Marktschreier preisen ihre Ware an, die Sonne brutzelt, allerlei Lebensmittel am Straßenrand feil geboten, Hähne krähen, Hühner gackern und laufen über die Straße. Man schwitzt in der hohen Luftfeuchte und erfreut sich an diesem aufregenden Treiben da draußen. Und fragt sich, ob man das angebotene Fleisch tatsächlich noch so kochen könnte, dass alle Bakterien restlos abgetötet wären. Aber das ist eine andere Geschichte.
Als wir dann mit Becky, Chris und Kathi am Strand von Winneba lagen, da kam das Urlaubsgefühl dann so richtig auf. Die Wellen rauschten mächtig, wir trauten uns nicht ins Wasser, die Strömungen sind hier sehr stark und tückisch.

Am Samstag wollten wir uns Accra ein bisschen ansehen, zunächst versuchten wir es bei Lisa in der Nähe, am Independence Square, mit ein bisschen Strandgucken – leichter gedacht als getan. Denn an diesem Tag hatten sich einige findige Geschäftsmänner gedacht „Richten wir doch eine kleine Strandgebühr für alle Weißen ein“. Natürlich vollkommen lächerlich und wir wollen die Korruption ja auch nicht haltlos unterstützen. Also orientierten wir uns an freundlichen Locals und fanden ohne Gebühr zum Strand. Nicht ohne vorher noch ein kleines Intermezzo mit einem Kerl in Militäruniform zu gehabt zu haben, der offenbar zu seinen Hobbies Touristen erschrecken zählte. Zumindest kam der einfach an, als ich mit seinem Kollegen diskutierte, warum wir uns denn nicht das Osu Castle ansehen dürften, wir würden ja schließlich auch Eintritt bezahlen. Offenbar wusste niemand irgendetwas. Da konnten nur noch Maschinengewehre sprechen. Wir machten uns fassungslos von dannen (ohne Schussverletzung, Mama, wirklich).
Abends ging es dann weiter, meine erste, richtige „Night out“, die komplett unter dem Titel „Wengeze“ stand – Underberg, nur noch schlimmer. Simbas letzte Nacht war das, also wurde auf Wengeze bestanden. Das Bier war super da, „The republic“ eine absolut charmante Bar, die laut meines Lonely Planets auch in Brooklyn nicht fehl am Platz wäre. Wir amüsierten uns köstlich, tranken und lachten und tanzten und sprachen mit Nordghanaern über die europäische Flüchtlingspolitik. Hut ab für soviel außerkontinentales Interesse in diesem jungen Alter!

Es ist wirklich spannend hier, die Überraschungen häufen sich. So gab es da dieses Mädchen in der Marina Mall, ich stand nur ganz unschuldig vor dem Supermarkt und wartete auf Chris und Kathi und sie kam an, stellte sich neben mich, hielt ihr Handy über uns, zum Selfie bereit und sagte dann „Smile, smile for me!“. Okay. So fühlt man sich also als Elefant. Oder Babykatze. Oder Koala. Das war extrem seltsam. Ich war so perplex, dass ich nichts sagte, nur lächelte. Manchmal strecken Leute auch einfach die Hand nach dir aus und fassen dich an. Vielleicht meinen die ja, das bringt Glück. Den Schornsteinfeger frage ich allerdings vorher. Es ist alles anders, aber sehr interessant und bereichernd anders. Ich fühle mich nun nach einer Woche und reichlich mehr Orientierung doch schon fast heimisch hier, in der Ring Close (laut meines Waschsalon-Kumpels, der Manchester United und den BVB mag und mir vielleicht wegen dieses kleinen Gesprächs einen 10 %-Rabatt gegeben hat, wohnen wir in der Ring Close – jetzt muss ich nur noch eine Hausnummer heraus finden), bei Maxwell, Kathi und Co. Auch der Mann aus dem Tante-Emma-Laden vor unserem Haus scheint ein netter Kerl zu sein, Alex, der seit 35 Jahren mit seiner Frau verheiratet ist, die auch dort arbeitet. Ich schwatzte neulich so ein bisschen mit ihm und möchte auch immer gerne Twi mit den Leuten reden, aber die meisten hier sprechen doch leider nur Ga. Naja, ein paar Fetzen Ga muss ich mir auch noch aneignen. Und mein Französisch muss endlich besser werden! Aber bloß nicht mit afrikanischem Slang. Der klingt zwar nicht so unsexy wie der kanadische, ist aber trotzdem nicht wirklich classy. Dann doch lieber Oxford-English und Parisien Francais.

Gerade hatte ich wieder mal ein Meeting mit meinen beiden Chefinnen zur Besprechung der Planung unseres großen Fests am 3. Oktober. Ich kann schon so viel verraten: es gibt Kuchen! Yay! Ich bin sehr gespannt auf das Event, immerhin ist es das erste große, was ich mitorganisieren darf. Bleibt nur noch eine Frage: was ziehe ich an zu diesem großen Empfang da in der „Residenz des Botschafters“? Ich sehe mich mal wieder in eine astreine Bridget-Jones-Nummer hineinschlittern…das kann ja heiter werden. Dann übe ich bis dahin noch ein bisschen meinen Hofknicks. Gerade hat meine liebe Lisa von meiner Einladung erfahren und fing auf einmal an, aufgeregt zu kichern und „Oh, ist das aufregend!“ zu kreischen. Fand ich ziemlich süß. xD Die Situation erinnerte mich ein wenig an so eine Aschenputtel-muss-zum-Ball-und-braucht-ein-Kleid- oder Leo-hat-nichts-zum-Anziehen-und-das-dachte-sich-Ms Brown-schon-Situation. Ganz aufgeregt meinte sie dann, wir müssten unbedingt am Donnerstag (zufälligerweise wieder ein Feiertag) zum Makola Market und Stoffe kaufen, damit mir dann ein traditionelles Dress geschneidert werden kann. Das finde ich auch ziemlich aufregend. Wollte ich sowieso machen: Deal.

Jetzt muss ich gleich zum Twi-Kurs beim coolen Chambas. Dann bis die Tage. Wengezeeeee!

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