It's Ghana be great

Meine Zeit am Goethe-Institut in Accra

22. Februar 2016
von Elisa Teichmann
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Eat Play Love oder Medaase

Auf einmal ist das Ende da. Jérémy sitzt neben mir, die Klimaanlage plärrt und ein es riecht ein bisschen verbrannt. Die Kirche spielt heute nur ganz leise und jetzt nicht mehr. Ich sitze hier ganz ruhig und entspannt. Sehe mich so ein bisschen um im Zimmer. Jérémy packt seine Souvenirs eins nach dem anderen auf dem Bett aus. Sie sind wunderschön und ich stelle mir vor, wie sie eines Tages bei ihm in einem selbstgemachten Regal stehen, wenn er schon graue Haare hat und Fünfjährige daran vorbei gehen und sie ansehen wie ich damals die Ebenholzelefanten meines Opas. Ich beobachte ihn und muss grinsen. Er lächelt zu mir herüber und sagt „That was a cool day“. Das war eine coole Zeit.

Wochen sind vergangen jetzt und ich habe nie geschrieben. Ich fühle mich ein bisschen schuldig meiner Blogehre gegenüber, wenigstens ein mal pro Woche hätte ich ja ein bisschen was festhalten können, aber in den letzten paar Wochen, besonders in den ersten zwei ein halb, habe ich mich mehr so gefühlt wie in den Tag hineinleben, Völlerei ausleben, ins Wasser springen, wenn mir danach war, singen und dabei die Füße gen Himmel strecken, viel schlafen und faultieren und die Zeit zu vergessen. Was ist Zeit?, haben mich mal zwei kalifornische Hippies gefragt. Auf jeden Fall etwas, was ich für dieses Afrikaabenteuer mal für einige Zeit vergessen wollte. Meistens waren wir einfach irgendwo im Paradies und da war keiner, außer ein paar freundlicher Menschen, die uns ab und zu fragten, ob und was wir denn essen wollten. Dann sprang man mal in die Fluten wie man war und spürte das Meer wild um einen herum, in der Bucht sind die Wellen barmherzig und umspielen einen wie Liebhaber, ich vermisste das Meer so unendlich und wollte nun jeden Augenblick genießen. Manchmal glaube ich, am Meer finde ich etwas, was ich lange gesucht habe. Ich war wirklich glücklich in diesen letzten Wochen. Weil ich das alles teilen konnte mit genau demjenigen, mit dem ich das alles teilen wollte.

Wir begannen unser Abenteuer versteckt hinter den sieben Hügeln von North Legon, irgendwo an einem Pool, in einem Zimmer mit Balkon und lebten von Früchten, Champagner und KFC-Buckets, Chelsea-Hotel-Style in Accra, dann lauschte ich ihm, wie er mir Le Petit Prince vorlas oder wir drehten de Musik ganz laut und rieten, von wem dieser eine bestimmte Rocksong war. Pixies. Wir verbrachten dann auch eine Nacht in Lima, bei dem Rosamunde-Pilcher-Hostelbesitzer, der war aber gar nicht da und wir bekamen das letzte verfügbare Zimmer, was ich immer haben wollte. Wir liefen durch die Nachbarschaft, kauften Sobolo und Brot und aßen in weiße Laken gehüllt den französischen Käse auf, den wir noch gerettet hatten.

In Winneba trafen wir Becky, nachdem wir an die 7 Stunden gebraucht hatten, hauptsächlich wegen eines Phantomstaus, den sich niemand letztendlich erklären konnte. Aber Zeit spielte ja keine Rolle. Es war also sehr spät, wir mussten aber unbedingt Indomie probieren, da schwatzen wir dann noch ein bisschen mit der Indomie-Lady und das Essen schmeckte hervorragend. Mit Becky gingen wir dann in die heißersehnte Dorfdisse, da wackelte schon alles, was wackeln konnte und animierte uns, mitzuwackeln und das taten wir dann auch, die Clubs flossen uns die Kehle hinunter und ich trug mein hübsches neues A-Schnitt-Kleid mit kleinen Zebras. Wir liefen durch die kühle Winnebaer Nacht und am nächsten Tag ging es schon in mein geliebtes Cape Coast, im Oasis kannte man sich langsam schon, der kleine Bungalow direkt am Meer hatte eine Hängematte und ich las ihm Gilbert vor.

Eine schon erprobte Odyssee trug uns nach Butre, wir lernten den Radiomann Latiph kennen, der uns erklärte, warum in Ghana Musik ständig durch Gequatsche unterbrochen wird (rein kommerzielle Gründe) und erzählte uns von seinen Radioshows, von einem Programm, in dem er gerne anspricht, was niemand anspricht, während um uns herum nur Dschungel und kein Licht war. In Butre wartete niemand auf uns außer dem süßen Team, was uns unseren Bungalow aufschloss und uns essen kochte, wir saßen allein mit den rauschenden Wellen und genossen das Foodfest. Am nächsten Morgen waren frittierte Bananapancakes die besten, die wir je hatten, wir zogen um ins Baumhaus und planschten ein bisschen, saßen lange da auf dem Sarung und schauten aufs Meer. Am nächsten Tag verließen wir das kleine Paradies, um unsere paradiesische Strandroute fortzusetzen. Auf Twi manövrierten wir uns durch das Dorf bis nach Busua, ein Marsch von knapp zwei Stunden mit 18 Kilogramm auf dem Rücken. Dann kam man auf der anderen Seite des Berges an, ein leerer Strand, alles fallen lassen und ins Wasser sprinten, bevor es weiter geht nach Busua. Dort saßen zwei Vorzeige-Hippies am Strand, Sartre, Notizbuch, Kraut, der eine war ganz lässig und ihm schien alles mehr oder weniger egal, er wollte nur was sehr Gutes schreiben, für sich, der andere war gewollt exzentrisch und hatte uns beobachtet, entschieden dass wir „im Leben gewinnen“. Wir saßen dann da eine Weile, philosophierten darüber, wie man denn die Schaumkronen auf den Wellen am besten bezeichnet, die beiden waren nicht so zufrieden mit einfach nur Schaum, es musste ein flauschigeres Wort her.

Wir wollten dann eigentlich zum Cape Three Points, nach einer Nacht im entspannten Busua, landeten dann daneben in Akwidaa, da gab es eine kleine Lodge ohne Gäste, geleitet von einem alten Australier, uns wurde ein großzügiger Bungalow zugeteilt, es war schon ganz dunkel, wir bekamen wieder Essen und saßen dann am Meer, Fear and Loathing at the Gold Coast, aber wenn man sang und die Füße austreckte und sich das Gesicht mit kaltem Wasser wusch, dann war weniger Fear und mehr loslassen, Sigur Ros sang etwas, was klang wie „Tu es où?“ und wir mussten lange lachen.

Wir wollten uns nicht so recht von der Küste trennen, aber doch wollten wir das geheimnisvolle Kumasi kennen lernen, dort, wo Ashantikultur ganz groß war, also nahmen wir einen Bus von Takoradi in den Norden und ließen uns absetzen in Bekwai, wieder war es viel zu spät, aber wir fanden ein Taxi, was uns zum Lake Bosumtwe bringen sollte, weil es da so wunderschön und friedlich sein sollte. Der Taxifahrer war leider alles andere als friedlich und schmiss uns aus dem Taxi, mitten im Nirgendwo, dort war es so duster, dass man seine eigene Hand vor Augen nicht sah, weil er nicht glaubte, dass es tatsächlich nur noch 2 km bis zum Ziel waren, dabei lügt google maps in der Regel nicht. Wir liefen dann also, wutentbrannt du missmutig, durch die kühle und stockfinstere Nacht, erreichten die hübsche Lodge und fielen in einen langen Schlaf. Als wir erwachten, stellten wir fest, dass wir in einem paradiesischen Garten waren, mit allen Arten von Früchten, da waren Mangos an den Bäumen und Papayas und Soursap und Sternenfrüchte, die aßen wir zum Frühstück. Es war dann Sonntag und wir gingen um den See, da war ein kleines Dorf mit weiteren Mangobäumen, die Kinder nahmen uns bei der Hand und folgten uns auf Schritt und Tritt, im Paradiesgarten las ich ihm wieder vor, ich hatte eine rote Blume im Haar, die hatte er mir angesteckt. Dann gab es ein großes Dinner, Tilapia und Fried Rice, das wird mir fehlen, manchmal ging der Strom aus und man sah nichts, dann bekamen wir eine kleine Kerze und das gefiel mir noch mehr.

Am nächsten Tag ging es dann also nach Kumasi, eine stickige und staubige Stadt, unser Hotel machte einen ungemütlichen Affären-Absteige-Eindruck und irgendwie zog das die Stimmung runter. War es vielleicht einfach dieser Grauschleier über der Stadt, das Umherirren zwischen Ständen und Menschenmassen, die behelfsmäßig überall auf den Straßen verteilt wurden, weil der Kejetia Market eigentlich neu gebaut wird, wie wir dann erfuhren. Es war wohl schlichtweg zu heiß. Manchmal rang man nach Luft. Trotzdem lernten wir einiges über die Ashanti. Und dann war da noch dieser eine Tag, den wir einfach an einem Pool verbrachten und Essen bestellten, es ging immer um Gourmandie, wir genossen das wirklich, jeden Bissen und jeden Schluck und wir redeten viel und waren dann oft sehr müde und schliefen einfach ein, obwohl man ja noch so viel machen wollte. Schließlich waren wir dann auf dem Weg in den hohen Norden, nach Tamale, knapp 400 km aber innerhalb Ghanas eine neunstündige Weltreise. Irgendwann brannte der Bus, die Leute wurden laut und der Fahrer wurde beleidigt, nichts geschah dennoch, wir fuhren einfach weiter. Wir kamen sicher in Tamale an, es war nun wirklich viel zu spät, aber irgendwie klappt immer alles, natürlich gab es allerhand Zickereien zwischen uns, den Protagonisten dieses Abenteuers, aber das bleibt wohl nicht aus, wenn man 24/7 für Wochen aneinander klebt wie zwei kleine Otter. Und manchmal werden dir die Augen geöffnet von jemandem, wie nie zuvor, der noch nicht mal deine Sprache spricht. Mit dem würde ich mich auch bis an mein Lebensende anzicken.
Dort blieben wir also zwei Nächte bei zwei lieben Hundedamen, denen gefielen wir sofort, im Norden war es wüstenheiß und wir schlichen durch die Mittagshitze, im Stadtzentrum trafen wir auf einen Kerl, der mit uns Oware spielte, dem kauften wir dann ein solches Spiel ab und ich fand eine Ledertasche, in die ich mich verliebte (so muss es sein). Ein anderer Kerl zeigte uns eine Bar auf einer Dachterrasse, der Kellner dort war cool und selbstreflexiv, das erlebten wir nicht oft, normalerweise war die Reaktion auf „Haben Sie das?“ ein Pokerface-„No“, kurz und knapp, ohne Skrupel, es ist ja nicht meine Schuld. Aber der eine fand das selbst nicht ganz so cool, dass die Speisekarte zwar 20 Seiten umfasste, aber vielleicht 10% vom Inhalt verfügbar war. Wir lachten nur und mittlerweile hatte sich auch Jérémy daran gewöhnt, man wird hier sehr flexibel und dann zuckt man einfach mit den Schultern und ist einverstanden.

Dann fuhren wir nach Larabanga, da wo die alte Moschee steht, die Allah aufzubauen half, wir schliefen dort bei einer großen Familie in einer kleinen Lehmhütte, die Mama kochte uns Spaghetti mit Tomatensoße, die waren ganz zerkocht, aber wir liebten sie und aßen mit großem Appetit, der kleine Babypawian saß auf meinem Schoß und trank seine Ersatzmilch, die er größtenteils auf meinen Beinen verteilte. Am späten Nachmittag führten uns zwei Jungs zur Moschee und der eine, Jussef, plauderte ein bisschen mit mir, 11 Jahre alt, war stolz auf sein Dorf und wollte mal ein großer Fußballstar werden. Der Junge war überaus wohlerzogen und höflich, wir ließen die beiden Getränke aussuchen und gaben ihnen auch noch unsere Wasserflaschen, am liebsten hätte ich den kleinen Jussef mitgenommen. Sehr geduldig zeigten sie uns ihr Dorf und die Moschee und wären am nächsten Tag auch noch bis zum Nationalpark mit uns gelaufen, aber wir dankten herzlich und verabschiedeten uns und schickten sie nach Hause zu ihren Familien.

Am nächsten Morgen mussten wir viel zu früh aufstehen und zum ersten Mal seit Monaten spürte ich wieder etwas, was sich Kälte nannte. Die Mami machte uns Frühstück und der Papa fuhr uns dann zum Nationalpark, für zwei Stunden gingen wir auf eine Walking Safari mit John, der zwar bewaffnet war aber mir später erzählte, dass er die Waffe noch nie benutzen musste. Die Elefanten waren sehr friedlich. Ganz nah standen wir dabei, als sie sich unter einen Baum quetschten und einen Snack einnahmen oder am Wasserloch tranken. Ganz viele Pumbaas sahen wir außerdem, mit mächtigem Haarpelz. Pawiane liefen durchs Dorf wie King Louie.
Am Ende waren wir wieder in Accra, der Kreis hatte sich geschlossen, nachdem wir 13 Stunden zurückfuhren, ein Nollywoodfilm nach dem anderen, „Kiss on a Royal Balcony“ mit gefühlten fünf Fortsetzungen, wer sich mit mir über die Qualität dieser Filme streiten möchte ist herzlich eingeladen, die Dialoge sind himmelschreiend haareraufend, der Plot ist unmotiviert dramatisch und ohne erkennbare Aussage, die Schauspieler verkörpern keine Rolle sondern die bestmögliche Darstellung ihrer eigenen Person. Aber bitte. Die drittgrößte Filmfabrik der Welt, wird einfach total unterschätzt. Ja, bitte. Seht gerne selbst.

Das ist jetzt auch wieder über eine Woche her. Meine letzte Arbeitswoche verbrachte ich mehr damit, mein komisches Fieber und meinen nervigen Husten auszukurieren. Das ist normal hier, hat man mir gesagt. Wenn man in Ghana reist, ist man danach erst mal krank. Das war es dann jetzt fast. Ich sitze an meinem Schreibtisch im Büro, keiner ist mehr da, Lischen müsste gleich kommen und mich abholen, dann will ich zu meiner Schneiderin und mich verabschieden, so gern hätte ich noch ein Kleid gehabt aber sobald man nicht mehr im Urlaub ist, ist Zeit wieder existent und kann Probleme verursachen. Heute ist mein vorletzter Tag. Also eigentlich kein Grund zur Panik. Ich will Jérémy ausführen heute Abend, ein großes Gourmandie-Abschiedsessen, eine letzte tropische Nacht, denn tropisch ist eine Nacht ab über 20 Grad, manchmal ist das viel zu viel hier aber ich weiß, dass mir das fehlen wird in Deutschlands kaltem Februar.

Jetzt ist also wieder ein Kapitel vorbei. Das sind jetzt wohl die dramatischen letzten Zeilen. Vielleicht sollte ich das gar nicht so dramatisch fassen. Mehr so locker und mental angepasst, es geht los, wenn das TroTro voll ist, nicht, wenn es Zeit ist. Das nehme ich mit, auf jeden Fall. Dieses andere Zeitgefühl. In Europa wartet wieder der Zeitkäfig, 14:53 oder 37 Minuten oder morgens, mittags, abends. Ich weiß das, aber ich kennen auch die freie Zeit und kann los lassen. Vielleicht habe ich das in diesem halben Jahr noch viel besser gelernt. Dafür bin ich dankbar. Und für all die coolen, süßen, inspirierenden Leute, die ich hier getroffen habe und die das alles mit mir geteilt haben. Das war ne tolle Zeit. Mit nem grandiosen Finale. Ja, ich glaube, jetzt ist wirklich ein guter Zeitpunkt, um zu gehen. Neue Abenteuer warten auf unsere Helden. Vielleicht sollte ich ja mal aus Paris berichten. Da gibt es bestimmt auch ne Menge zu erzählen. Aber zunächst: Medaase Paa paa paa. Danke, Ghana. Danke, dass ich hier zu Hause sein durfte. Yebehiya.

25. Januar 2016
von Elisa Teichmann
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Die weichen Uhren

Meine Taschen sind gepackt, mein Film ist fertig und meine Vorfreude auf Dienstag ist nunmehr unbeschreiblich. „Du freust dich echt auf ihn, eh?“ war das letzte, was ich von Francis hörte, bevor ich sein Apartment ein letztes Mal verließ. Ja, das tue ich und jetzt sind es nur noch 48 Stunden. Ich fühle mich ein bisschen surreal, als würde meine eigene Vorfreude sich gemeinsam mit der Zeit der letzten fünf Monate überschlagen und selbst nicht so recht wissen, was eigentlich passiert. Ich muss denken an die letzte Szene in „Mathilde“ und bin nicht weniger nervös als sie.

Meinen Sonntag nutzte ich zum Ausschlafen, so gut es ging, mit dem Kirchenchor, der pünktlich um 6 Uhr einsetzte. Heute Morgen erinnerte ich mich an mein erstes Mal davon geweckt werden, das ist nun genau 19 Wochen her. Ich fand ein bisschen altes Baguette vom letzten Wochenende im Kühlschrank, was zu meinem großen Erstaunen noch essbar war, und machte mir mit Nutella einen Brunch daraus. Anschließend schnappte ich mein Zeug und nahm ein Taxi zu Francis. Die Taxifahrer schmunzeln immer ein bisschen, wenn ich ihnen den Namen des Hotels nenne, einfach nur Orientierung, weil hier keiner Straßennamen kennt oder benutzt. Meine kleine Nachmittagsaffäre, die ich werktags pünktlich 13 Uhr und am Wochenende etwas später treffe. Nein, es wird einfach nur gearbeitet und ich für meinen Teil verhalte mich professionell.

Mein Yoda allerdings öffnete mir die Tür heute nur in Jeans gekleidet, wie ein Ghanaischer Grey stand er da vor mir im Türrahmen seiner Bude, eine nackte Glühbirne hinter ihm fungierte als einzige Lichtquelle des Raums, der sonst vom Tageslicht abgeschnitten war. Einen Arm lässig an der Tür und schief grinsend bat er mich herein und einmal mehr kam ich mir vor wie ein kleines, unsicheres Mädchen, was mit allen Mitteln versucht, nicht auszusehen wie ein kleines, unsicheres Mädchen. Ich weiß, wie man Untertitel einfügt. Ich kenne Premiere Pro besser, als du. Das fing an, nachdem er meinen Film abgenommen hatte und meinte „Er gefällt mir nicht“, mich lange forschend ansah, sich in seinem Bürostuhl niederließ, ohne seinen Blick abzuwenden und sich auf die Unterlippe biss. Das gefällt ihm. Er mustert gern. Ich blieb so cool wie möglich, ich hatte ihm gesagt, ich wollte seine ehrliche und ehrlichste Meinung, also sagte ich nur „Also?“, woraufhin er mir die Hand hin reichte und mir gratulierte. Offenbar gefiel er ihm doch, obwohl er mir eine Note von 65% gab. Wie kommt der überhaupt dazu, mir Noten zu geben? Vorher stritten wir noch leidenschaftlich über ein von mir verwendetes Bild, was er zu gewagt fand, aber ich meinte nur „Dann sollen sie sich bei mir beschweren, ich weiß, was ich zeigen will“, da lachte er sein viel zu lautes Lachen und zollte mir irgendwie Respekt. Er zeigte mir dann ein paar von seinen Dokumentationen und am liebsten hätte ich geheult. Super Timing, klasse ausgespielt, oh ja, sonne dich im Lichte deiner Perfektion und der Faszination deines kleinen Protégés gegenüber deiner großen Werke. Aber ehrlich, das war extrem gut. Das zeugte von unglaublichem Talent, einer schon unheimlichen Präzision und Beobachtungsgabe. Ich sagte nichts. Später sagte ich dann, er wäre jetzt mein Yoda, aber ich denke, er hätte genug Bewunderer und bräuchte nicht noch einen. „You’re so vain“ deklarierte ich dann als seinen Song und er fand es witzig. Das war’s dann jetzt. Leb wohl, Yoda.

Es ist jetzt also soweit. Eh man sich’s versehen hatte, war die Zeit gekommen. Am Dienstag ziehe ich aus hier. Dann bin ich erstmal da, wo man mich weder finden, noch erreichen kann und dann irgendwo in Ghana.
Ach! Ich gehe nach Paris im April. Für ein halbes Jahr. Das ist wohl gerade mein persönlicher Surrealismus. Alles wirkt irgendwie wie Elisa Show. Jemand sagt was, da passiert jetzt das und das, Achtung, noch zwei Minuten, zack, dann kommt’s auf einmal, man ist mittendrin und das Adrenalin treibt dich einfach so weiter, ohne, dass du es wirklich merkst. Ich will in einer kleinen Bude unterm Dach leben, mit einer alten Schreibmaschine und sonst nichts, na vielleicht noch ne Katze und ne alte Matratze, wie Julián Carax, nur nicht so verloren und herzgebrochen. Einmal in Paris leben, das war mein Traum und jetzt mach ich das plötzlich. Abgefahren, abgefahren…

Am Freitagabend waren wir in der Alliance Francaise, im Amphitheater wurde eine Dokumentation gezeigt, die mich über die Maßen fasziniert und inspiriert hat und die ich jedem nur sehr warm ans Herz legen möchte. Wenn ich groß bin, dann will ich mal genau solche Filme machen: https://www.youtube.com/watch?v=vdb4XGVTHkE
Becky und ich teilten uns eine Pizza, die tatsächlich innerhalb von drei Minuten fertig war und Mubarak wollte ich davon überzeugen, dass er mich doch in Paris besuchen sollte, schließlich hatten wir uns ja im Französischkurs kennen gelernt, dann würde sich der Kreis irgendwie schließen.

Eigentlich möchte ich jetzt schnell schlafen und durchschlafen bis Dienstagabend. Nee, wobei. Gibt noch viel zu tun und viel zu sehen. Meine Augen sind ganz trocken von zu vielen Untertiteln, die ich heute eingetippt habe. Die Mangosaison hat jetzt begonnen und die Mangos schmecken herrlich und kosten nichts mehr.

18. Januar 2016
von Elisa Teichmann
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Dancefloor Dialektik

Jesus hat seinen Hintern an mir gerieben und ich mochte es. Klingt vielleicht nach nem sehr seltsamen Christenfetisch-Softporno-Textfetzen, ist aber tatsächlich so passiert Samstagnacht. California Jesus, den wir nach Halloween nie wieder gesehen hatten. Auf einmal stand er da auf der Tanzfläche, zeigte auf mich und rief „I remember your face!“. Wenn es so etwas gibt, dann habe ich mich in dem Moment tatsächlich ein bisschen gesegnet gefühlt. Sowas passiert aber auch nur im gefühlt christlichsten Land der Welt.

Am Donnerstag kam Becky aus Winneba vorbei und da ich die ganze Woche hart an meinem Film gearbeitet hatte, musste mal wieder ein bisschen los gelassen werden. War übrigens ne ziemlich coole Zeit, ich fühlte mich so wohl in dieser abgewrackten WG, mit all dem Krach und der selbst gemachten Musik, der Kunst an den Wänden und auf den Bildschirmen, Francis, der sein Essen mit mir teilte und sich in langen Gesprächen mit mir verlor. Dann sitzt man da und fühlt sich wieder wie damals, Mentor-Protegé, und dann erzählt man so vor sich hin und merkt plötzlich, wie sehr einem doch noch gewisse Erinnerungen, die ja noch viel weiter zurück liegen, weh tun und sich plötzlich wieder alles nach 2012 anfühlt. Aber Déjà-vûs halten uns ja zum Glück so fabelhaft davon ab, in Cola in der Wüste Illusionen zu verfallen und dann sitzt man da, ganz kühl aber wissend, triumphierend und irgendwie mitleidig, fasziniert und doch abgeschreckt, weil Form der Füße und Farbe des Nagellacks plötzlich viel zu viel krankhafte Aufmerksamkeit bekommen.

Freitagabend also ließ ich mich in ein Wochenende fallen und zog hinaus mit Becky, Magnus und seiner Freundin, um Mubarak zu treffen, der im Republic schon auf uns wartete. Oh, wie sehr werde ich diese über die Maßen charmante Bar, mit ihrem kleinen Open-Air-Dancefloor und diesen roten Abfüllerdrinks, vermissen. Wie die Lieder so spielten und die Leute sich mischten und die Zeit so verging, meinte ich irgendwann, es sei jetzt wohl der richtige Zeitpunkt, Mubarak zu fragen, ob er denn überhaupt eine Freundin haben darf, als Moslem. Rückblickend betrachtet erscheint mir das natürlich absolut indiskret, aber ich glaube, er hat einiges erzählt und das auch eigentlich ganz locker aufgenommen. Für den einen Abend war er unser beider Husband, weil plötzlich zwei den Rotdrink-Trick bei uns angewandt hatten und wild jubelnd um uns herum tanzend doch ein wenig zu nah kamen. Als ich dann irgendwann in Mubaraks Auto schlafen wollte und mein Kopf auf der Veranda gegen ihn fiel, war natürlich alle Etiquette dahin und ich kam mir, rückblickend betrachtet, wie der absolute Frevler vor. Ich glaube, diese ganzen Religionen hier gehen mir irgendwie ans Gemüt. Zum Glück war er auch in diesem Fall lockerer, als ich dachte, der Engel Mubarak, der nichts trinkt und raucht und anfasst.

California Jesus war da schon etwas heidnischer am Start, als wir ihn etwa 24 Stunden später im gleichen Club antrafen. Ja, da war er also wieder, seine weiße Kutte abgelegt, die Haare nach hinten genommen und in einem karierten Hemd steckend, ein Johnny-Depp-Jesus all the way from Los Angeles, Baby. Becky hatte ihn einfach angequatscht, wie man das mit einem Promi macht, wenn man sich traut. Und dann kam er plötzlich und strahlte und dann kam besagte Segen-Szene. Francis stand die ganze Zeit daneben, ganz in schwarz gekleidet, ein skurriler Antagonist am Rande, der uns durch die Holzbretter der Tanzflächenbegrenzung beobachtete. Wir tanzten ausgelassen, Sara und Anna waren noch mit dabei, zwei neue Lehrerinnen. Irgendwann war die Tanzfläche leer, Jesus war fort, nicht, ohne unseren Kontakt mitzunehmen, wir fanden ihn aber kurze Zeit später schon wieder, das ist wohl die Standard-Osu-Route, ausm Republic raus direkt ins Firefly, aber wir nehmen ja alles mit, wir nehmen alles mit, denn wir sind noch jung und knackig und können ausschlafen. Im Firefly fand uns Jesus dann wieder und feierte den Moment mit besagter Nahtanzanschmiegung, ich lachte nur und genoss das kleine Semi-Promi-tête-à-tête. Francis hatte sich dann doch überlegt, den Dancefloor zu rocken und irgendwann war auch hier wieder eine Alarmstufe erreicht, die Becky und mich schließlich abziehen ließ, Francis im Schlepptau, leicht bedeppert, so zogen wir durch das nächtliche Osu nach Hause, wo wir, auf einmal wieder ganz gentleman, als hätte es nichts gegeben, verabschiedet wurden.

Ich fiel in einen langen Schlaf, der sich in Etappen bis etwa 14 Uhr zog. Achja, am Samstag hatten wir auch endlich das Danksagungsdinner mit meinen beiden Joes, den Engeln. Naja, der eine zumindest war ein Engel, der andere meinte, dass ich mir mit meiner Bänderzerrung ein bisschen mehr Mühe hätte geben können und von Anfang an den Fuß hätte belasten sollen, aber da ich ja ein Mädchen bin, ist das vielleicht auch anders. Lieber Joe. Ein Bein ist ein Bein. Ein Fuß ist ein Fuß. Bei Frau oder bei Mann oder bei Kind. Fuß ist Fuß. Bänderzerrung heißt Fuß muss Ruhe haben. Wenn du deinen Fuß in dem Fall gerne belasten möchtest und vielleicht ein bisschen Basketball spielen oder an nem Marathon teilnehmen willst, bitte. Zwar bezweifle ich, dass du dazu in der Lage sein wirst, aber so eine OP mit nem richtig schön zerdepperten Fuß hat doch bestimmt auch seine Vorzüge. Mir blieb der Bissen im Hals stecken und ich hätte ihm gerne mit meinem gesunden Fuß einmal schön gegen sein gesundes Schienbein getreten unterm Tisch. Ich verkniff es mir und beließ es bei einer ganz sachlichen Erklärung. Seiner Meinung nach sind auch nur Männer dazu im Stande, mehrere Frauen gleichzeitig zu haben, mehrere Männer zur gleichen Zeit könne eine Frau ja gar nicht im Griff haben. Als Becky in schallendes Gelächter ausbrach und meinte, Männer wären vielleicht sogar unkomplizierter im Griff zu haben, als Frauen, und ich ihm erzählte, dass es sogar möglich ist, an einem Wochenende drei Männer parallel zu haben, meinte er nur mit verklärter Miene, er hätte uns nicht verstanden. Gleiches Recht für alle, mein Freund. Und vor allem für alle Füße. In Ghana ist meine Diskussionslust noch mal um einiges angewachsen.

Jetzt ist es schon wieder spät irgendwie. Meine Tage am Institut sind langsam gezählt. Mir bleiben vielleicht noch zwei Wochenenden in Accra. Gemischte Gefühle machen sich immer breiter. Es ist heiß und zu viele Mücken sind hier. Malaria auf den letzten Metern wäre scheiße. Ich mache Musik an und singe laut dazu.

14. Januar 2016
von Elisa Teichmann
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Queen Season

Lately I have often had this song in my mind, King Season by C2C, they say „Time is running, running“ and then ask „Is it the very end of something or is it just the beginning?“. Yes, time is running indeed. Caro has left Monday night and surprisingly I really felt a bit lonely when I got back home from the airport. The house seems to be very clam these days. I woke up this morning after a long and dreamless sleep, it was too hot as Harmattan is slowly disappearing and we are getting back to spine dripping heat again. I feel that I can’t catch up with myself, I want to write more, I haven’t been writing for almost a week now, I mean my stuff, this stuff, here, I have to work on my film now and before it even has begun I already feel overwhelmed. In two weeks time this will be over. At least I hope so. I mean, in two weeks time I want this to be over and to let go and just fall into the arms of Jérémy and my holidays.

For the second half of her stay, Caro and I stayed in Accra and I tried to show her as much as I can apart from the office. We saw the hustle and bustle of Makola Market, went to Afrikiko where we didn’t dance but had a bad Pizza, performed an absolutely sovereign walk over the arts centre market and baked some cake. In the end, this whole baking plan didn’t turn out as well as expected so that our last night out was rather short but at least we have made some extraordinary experience that nobody can take away from us.

There is something in my stomach and I wonder if it is another parasite or just the very nasty feeling of looking at pictures which you actually don’t want to look at and engaging with stuff you actually don’t want to engage with and I guess I am doing something absolutely wrong here. Sometimes I envy my parents so much for having their twenties in the eighties where you could still just say „over, passed, never again“ and social media would not creep in from one corner of your mind seducing you to look further, exploiting your curiosity like some dodgy drug dealer. I try to condition myself and be my own Pavlov’s dog, no more such stomach-ache-washroom-running-mirror-looking-scream-wanting, I have to work and working is good. Still, I sometimes feel I am caught in some invisible spiral, it is kind of flowing around me most of the time but when I try to get out I notice that there is something that throws me back, even when I think I finally managed I fall back again, everything breaks down on me and I have to start again by collecting all the pieces and sorting them out. I do want to sort the bad seeds out finally, I really do and I thought I already have and everything is fine and calm now. One central piece is missing which I can’t collect and can’t sort out and I can never find this alone. Sometimes I really have to force myself to to believe in karma. Maybe I should finally watch Disney’s Frozen. Let it go, let it go.

On Tuesday I had my first encounter with the studio I am working at for the next couple of days until my new project is finished. It is actually Francis‘ apartment, pretty relaxed and charmingly gloomy, working conditions are horrible with the generator blasting out noise in indescribable sound levels and no internet available but I am trying, trying as always, I want it to be perfect as always although the feeling in my stomach towards the whole thing again is not the best. But then I think of Teddy Roosevelt and do what I can with what I have where I am, put my headphones on, listen to some „Can’t stop me“-tune and just do it. That’s the final rush pressure, I guess. And the disappearing Harmattan. And the fear of the end. Not a very fancy cocktail.

But I feel I have to tell more, I sound like Nietzsche by now, I am not at all nihilistic. Francis told me about Annecy yesterday and showed me the project he is applying with, that would be next June, he said Annecy is just beautiful, I should ask my boyfriend. When I got home at night I felt like getting some fruit so I stopped at a little shop close to home where I have never bought fruit before. It turned out that the boy who was selling me the pineapple, cutting it carefully and smiling at me in the most friendly and innocent way, was deaf-mute. There was something about this guy that caught my attention, I couldn’t help but wanting to speak with him, in any possible way. When I paid he pointed his hand telling me not yet to leave and took his phone from his pocket. While I was still wondering how he was even able to call somebody, he was typing something and showing me: „please where do you live?“. I showed him and he added „in USA“ to his text and when I realised that he couldn’t really read my lips I wrote down „Germany“. He then replied „safe travel“ and smiled at me. The lady behind him interfered a bit rudely at first, telling me strictly that he can’t talk but watching our written conversation she seemed to trust finally when I waved them good-bye. I was extremely touched. In a way, although I am not religious at all, I felt kind of blessed by that guy. I really thought that I had a „moment“ with him. I want to give him a book as a present or at least tell him that I think he has a good soul. I think I am getting really sentimental these days. Well you know, it could be the end of something or just the beginning.

Again I have just got home. I have been writing on this article for a couple of days now. When the little neighbour girl sees me, she says challenging „Oboruuuni!“ and I respond „Obibiiiini!“, it is a kind of game by now. I know my tailor, I know my convenience store lady, everybody in one street and it feels weird that I am now leaving in less than six weeks. I’ve grown accustomed to all that and I like it. But just around the river bend there might be something cool waiting, that’s how we learn it from Pocahontas.

Anyways, today I feel better, I work hard and put on my headphones and smile at people, I discuss with guys that turn out to be roommates in the apartment where I work and I like this Ghanaian-Bohemian-lifestyle at the moment, yes, we are artists and so we are Bohemians, that’s what I was told today and I want to move to Paris. Yes, I would love that. Jérémy, you know that and Francis said „Oh, you must really love your boyfriend to follow him to Paris“. Yes, I do. And I want you to come here finally, please hurry, please be safe and please bring me cheese. I know you are too busy to read that but at least it won’t seem to cheesy then. 😉

I want to sleep now. The heat is unbearable but I kind of like it. Sitting on the back seat of a Taxi at night with the tepid wind blowing over your face.

6. Januar 2016
von Elisa Teichmann
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Astreine Alden Action

Frisch zurück aus der Weihnachtspause sitze ich an meinem Schreibtisch und habe das Gefühl, Jahre weg gewesen zu sein. Nicht, weil ich mir so alt vorkomme, sondern weil sämtliche Utensilien in feinen aber dichten Staub gehüllt sind, der meine Finger ganz rau macht. Der Harmattan hat sich in den letzten zwei Wochen hier so richtig gehen lassen. Die wichtigsten Tasten sind schon halbwegs vom Staub befreit, dann lege ich wohl mal los und erzähle von unseren großen Abenteuern an der Westküste und bei den Wasserfällen im Osten, bei den Ewe, fast wieder auf togolesischem Gebiet.

Vorletzten Sonntag, noch bevor wir uns aufmachten zur großen Reise, stand der ebenfalls große Ehalakasa Poetry Slam in Legon an, Sir Black führte durchs Programm und wir wurden regelrecht weggeblasen von Dichtern, die so schnell und so schneidig und so unglaublich genial ihre Worte wählten, mein Lieblingsdichter war der, der so besessen von Zahlen war und so unglaublich findige Wortspiele bildete, ich war ganz begeistert und wollte eigentlich, dass er gewann, aber der Sieg ging an 100%. Der brachte eigentlich auch nen ganz guten Witz. Der Gute regte sich über die wahnwitzige Ökonomiserung der Sprache in sozialen Medien auf und provozierte mit „Wenn aus einem good morning ein gm wird, wie macht man das dann in Frankreich, bonjour, bj – blowjob?“. Das war die Elite der ghanaischen Slammer, wie uns stolz von Sir Black angekündigt wurde und den Eindruck hatten wir auch. Mit Mubarak gaben wir ein süßes Team ab, drei Oboruni girls mit diesem smarten und unfehlbaren Mubarak, immer irgendwie geheimnisvoll und unergründlich, dann fuhr er uns noch zu einer Pizzeria um die Ecke und wir bestellten Jollof Rice. Oh, wie mir Jollof Rice fehlen wird! Das kompensiere ich damit, dass ich jetzt keine Gelegenheit mehr auslasse, Jollof Rice zu essen. Jawohl.

Wir fuhren dann am nächsten Tag nach Cape Coast, das zog sich dann ganz schön in die Länge, weil die Kerle, die Caro eine SIM-Karte verkaufen wollten, sich alle Zeit der Welt ließen, wir dann am MetroBus auch noch mal etwa eine Stunde auf die Abfahrt warteten und es unterwegs allerhand Stimmengerangel im Bus gab. Wir kamen dann abends an in Cape Coast, es war schon lange dunkel, aber das hat ja hier nichts zu bedeuten. Dort trafen wir auf eine Gruppe deutsche Motorradtarzans mit Gossendialekt, viele viel zu junge Freiwillige („zwei alte Schachteln auf Tour“) und unsere Sista Talitha mit ihrem Liebsten, der aus Deutschland gekommen war. Ich konnte schon besser laufen und so saßen wir dann da am Strand, schauten auf’s Meer und tranken ein Bier.

Kurioserweise trafen wir während unser ca. einwöchigen Reise quer durch den Süden vier, ja, vier Parteien wieder, die wir entweder zusammen oder vereinzelt vorher schon mal irgendwo anders getroffen hatten. Erinnert ihr euch an diesen Kerl mit der Rosamunde-Pilcher-Held-Ausstrahlung und seinem Hostel? Genau an diesem Abend hatte ich ein Mädchen kennen gelernt, was dann plötzlich da auftauchte, im Oasis Oder einen Tag später, beim Verlassen, da kamen auf einmal die beiden Damen vom GIZ in Benin daher, die ich mit Kati an der togolesischen Grenze kennen gelernt hatte. Dann gab es noch Sally, die wir zunächst in Butre und danach in Wli wieder trafen, zwei Orte, die 12 Busstunden voneinander entfernt liegen. Alexander Kulb schlug wieder zu. Dann gab es noch diesen Kerl, halb Deutscher, halb Ghanaer, unser Alter und irgendwie sehr verbraucht aussehend, fahrig und zitternd, wenn man mit ihm sprach, aber meistens laut und präsent, den taufte ich Bernhard, weil er eben aussah wie ein Bernhard, dann meinte Caro zu mir, als wir in Wli am letzten Tag beim Frühstück saßen „Da sitzt übrigens Bernhard“ – ebenfalls an die 12 Stunden von unserem ersten Treffpunkt entfernt. Es bleibt mysteriös! Aber dazu später mehr. Wo war ich? Ach, in Cape Coast. Wir ließen es uns gut gehen am Strand, manchmal ging es einem nicht so gut und man bekam wieder Angst, dann zählte man seine Finger vorwärts und rückwärts in allen Sprachen, die einem einfielen, beobachtete den sehr jungen Freiwilligen in einem schwarzen Kleid am Strand und es sah aus, als würde er Yoga-Übungen turnen, aber eigentlich baute er wohl eine Sandburg, dann prustete man vor schallendem Gelächter und konnte plötzlich an nichts anderes mehr denken als Crêpes mit Nutella, die kamen nach einer Ewigkeit und nichts hätte besser tun können, gegenüber saß der alte Däne, der angeblich 17 Sprachen beherrschte. Ein viel zu junger und viel zu aufdringlicher Niederländer, der so tat, als ob er Ami wäre, hielt mich für eine Engländerin und konnte nicht fassen, dass mein Akzent so lupenrein war, ich meinte, na deiner ist doch auch ganz schön echt und er freute sich, dass man ihn für einen Ami hielt, stellte dann aber wirre Fragen über die Notwendigkeit des Deutschlernangebots in Ghana und ich verlor die Lust am Gespräch beim Blick in seine glasigen Augen.
Im Baobab gab es gutes Essen unter Verzicht auf Fleisch, wir entdeckten FanIce und FanYogo für uns, jeden Tag im Handumdrehen, das wird mir fehlen in Europa. Cape Coast Castle war lehrreich, die Führung noch mehr als in Elmina, weil durch die größere Gruppe mehr Fragen gestellt wurden und man ein informativ ausgewogeneres Bild bekam.

Von Cape Coast aus ging es nach zwei Nächten in einer gut durchdachten Odysee nach Butre, das hieß zunächst mit dem Trotro nach Takoradi, von dort aus dann weiter nach Agona und da fuhr dann kein Trotro mehr, sodass wir mit dem Taxifahrer, der uns regelrecht aufgedrängt wurde, noch einen ganz backpackerfreundlichen Preis aushandeln konnten. Die Fahrt hatte es dann abenteuermäßig und X-Faktor-technisch in sich, ein kleines Auto im großen Dschungel, links und rechts nur Dickicht und potentielle Waldungeheuer, unter uns der unebene Schotterboden. Das hatte etwas Unheimliches, besonders durch den Kontrapunkt der leise vor sich hindudelnden Highlife-Musik im Autoradio und dem Fahrer, der konsequent schwieg. Wir waren dennoch furchtlos und vertrauten. Nach ungefähr 40 Minuten erreichten wir Butre, stiegen aus dem Wagen und sahen nicht viel, da schien das Ufer zu sein, da kam einer und wollte uns zur Anlage bringen, alles war aber dunkel und ich fragte erst mal, wer der denn eigentlich sei. Steven stellte sich dann als hilfsbereiter und unkomplizierter Manager des Ganzen heraus, wir wanderten etwas unbeholfen durch eine Hintergasse des Townships auf eine Brücke zu, die wackelte, steil war und nur bedingt ein Geländer hatte, über eine relativ tiefe Lagune, ich fühlte mich an fiese Vertigoträume erinnert und hoffte, dass wir das irgendwie auf die andere Seite schaffen würden, es war stockduster. Schließlich erreichten wir den Strand und was sich da vor uns auftat war eine kleine Paradiesbucht. Kleine Bungalows, verschlungen im leichten Urwald, ein paar Palmen und Felsen am Strand, lampionhafte Beleuchtung, ein Lagerfeuer und leise Musik. Dort sollten wir also in das neue Jahr feiern. Einen besseren Ort hätte es nicht geben können.

Die nächsten zwei Tage verbrachten wir mit Drinks in Kokosnüssen, endlich endlos lesend am Strand mit Essen, dass plötzlich angeschwebt kam und neben dir landete, einer Tour zum Fort Batenstein, einer richtigen Ruine, mitten im Dschungel, mit Blick auf die Bucht, wir waren ja so Robinson Crusoe. Ich bin jetzt fertig mit meiner als Lunchlektüre gestarteten Lektüre von „La sombra del viento“ und ich habe geweint. Das war ein höchst magisch-verzauberndes Buch.

An Neujahr verließen wir unsere Paradiesbucht, mit dem Architekturstudenten Dominik fuhren wir nach Agona, denn dort gab es den nächsten ATM, wir überreichten ihm das Geld und meinten, er solle doch mal in Cantonments vorbei kommen. Als wir gingen meinten die netten Ladies, mit Jérémy sollte ich dann im Baumhaus übernachten. 20 Tage noch.

Wir kehrten zurück nach Accra, von Takoradi aus ging ein Bus auf direktem Wege, direkt durften wir dann auch anderthalb Stunden warten, bevor es losging. Fünf Stunden lang wurden wir dann beschallt von sehr fragwürdigen ghanaischen Filmproduktionen, in denen zunächst technisch alles falsch gemacht wurde, was man falsch machen konnte (mein Filmemacherherz krampfte regelrecht) und man inhaltlich zwischen Magenumdrehung und Dauerfaceplam hin- und hergerissen war. Die episodenhaften Filme, die komischerweise in Dauerschleife liefen, zeigten abwechselnd eine Ghanaerin, die neben ihren zunehmend verwesenden Eltern Totenwache hielt und potentielle Ehemänner damit abschreckte, dann sah man wieder eine mit einem sehr dicken Po, die beim Spülen tanzte, sollte vielleicht ein Softporno sein, jedenfalls kicherten die Teenagerjungs in den Reihen vor uns, als wäre das etwas ganz Obszönes, dann spielte noch die klassische Teufelsaustreibung eine Rolle, unsinnige Gewalt im Haushalt, Dialoge zum Wegrennen, Kameraführung zum sich in die Hand beißen, ich fühlte mich unwohl in diesem Bus.
In Accra angekommen, entschieden wir uns nach 12 Stunden unfreiwilligen Hungerstreiks für ein Neujahrsdiner bei Papaye. Da war es proppenvoll, verständlich, geht ja auch schnell und schmeckt gut, fried rice and Chicken und ne Cola, die Ladies neben uns waren unsere Höflichkeit nicht gewöhnt und kicherten und beobachteten uns neugierig, wie wir Shito auf unseren Reis träufelten.

Am nächsten Tag wollten wir nach Wli zu den Wasserfällen, von „Bernhard“ empfohlen, die Waterfall Lodge, geführt von wenig gesprächigen Deutschen, die sich aber dennoch immer nach dem persönlichen Wohlbefinden erkundigten. Die sollte direkt an den Fällen gelegen sein und wir sollten doch den geheimnisvollen Kwami besuchen, ein Mann, der direkt im Wald wohnte, wir könnten ihn nicht verfehlen, auf unserem Weg zu den Wasserfällen, er wäre sehr gastfreundlich und wir sollten ihn doch lieb grüßen. Mir gefiel diese märchenhafte Gestalt, eingebettet in diesen märchenhaften Kontext. Nach Hohoe zu kommen, den nächstgrößeren Transporthub vor Wli, war leider gar nicht so einfach. Wir warteten wieder an die zwei Stunden in Madina im Trotro, schließlich ging es dann los, zunächst nach Ho, da wurden wir auf halber Strecke von Polizisten kontrolliert, die durchsuchten aber nur zwei Kerle, dann fragte ich die danach, wieso und sie meinten, sie wären junge Männer ohne Hemdkragen, das genüge, um verdächtig auszusehen. Der Angesprochene entpuppte sich als Nigerianer, der begeistert war von diesem einen nigerianischen, sehr beliebten und sehr berühmten Exorzismus-Prediger, ich sagte nur, ich sei nicht religiös, das wollte er nicht so recht akzeptieren und sagte mir dann im Verlauf des Gesprächs, schon etwas mitleidig, dass ich ja noch nicht Mutter war, obwohl ich doch so einen hübschen Ehemann hatte, dass Gott mir schon eins geben würde. Amen.

Endlich kamen wir in Hohoe an, keine großen Hoffnungen mehr auf ein Trotro ins 40 Minuten entfernte Wli, da standen da auf der Straße drei junge Kerle herum, den einen, Bright, wie sich herausstellte, der schien tatsächlich hell, also strahlend irgendwie, mit dem quatschte ich, der grinste und kicherte immer so, irgendwie gefiel der mir, obwohl er mich kaum verstand und schließlich wurde uns dann ein Trotro organisiert, einfach im Vorbeifahren, kurz please gesagt, nochmal 5 Cedi draufgelegt und es ging durch die Nacht bis zur Haustür. Medaase. Beziehungsweise Akpe, denn wir waren ja schon längst offiziell im Ewe-Gebiet.

Nach weiteren 250 Metern durch den stockfinsteren Wald merkten wir, dass es hier frischer war. Am Tor angekommen, hätten wir eigentlich anrufen sollen, aber es gab kein Netz. Wir riefen in die dunkle Stille hinein und ein alter Mann erschien am Tor, der uns wortlos zu unserem Zimmer geleitete. Irgendwie erinnerte mich das an Bate’s Motel. Das Bett sah zunächst herrlich aus, 2×2 Meter, aber man wollte nicht so recht gemütlich darin werden. Mitten in der Nacht hörte ich ein lautes Klopfen. Das Zimmer war mir unheimlich, man sah überall fremde Schatten. Ich ignorierte das Klopfen und hüllte mich enger in meine zwei nötigen Decken.

Am nächsten Morgen schien die Sonne hell ins Zimmer, die Luft war frisch und etwas kühl, wir frühstückten mit Blick auf Berge und die Wasserfälle, alles war friedlich und einladend. Nach dem Frühstück zogen wir also los zu den Wasserfällen und fanden tatsächlich Kwamis Hütte im Wald. Da er nicht zu sehen war, wollten wir lieber nicht rufen, er schlief ja möglicherweise. Also setzten wir unseren Weg fort, niemandem begegnend, ein Pfad voller Schmetterlinge und kleiner Bäche, die glitzernde Sonne zwischen den Blättern. Wir erreichten die Wasserfälle und waren ganz angetan von diesem weichen, sprühenden Fall des Wassers, dachten an Goethes Naturlyrik und tauchten unsere Füße in eiskaltes, klares Wasser (das laut des Rangers meinen Fuß heilen sollte, mit dem Faith – ich bin nicht religiös!). Da kam Victor Kofi daher, ein „Rastaman“, eine große, klischeehafte Tüte zwischen seinen Fingern, der sich mit uns über Literatur unterhielt und wir fragten nach Kwami, wir sollten ihm doch Grüße ausrichten, auch auf dem Rückweg schlief er noch, aber ich würde ja wiederkommen. Die Luft am Nachmittag war gespickt mit kleinen Aschefetzen, denn überall auf den Bergen brannte es, geplant.

In unserer zweiten Nacht sah Caro das Mädchen aus „The Ring“ in unserem Zimmer, was sich dann als ihr Handtuch entpuppte, auch sie hörte Geräusche, es war unheimlich an diesem Ort. Am Abend hatte sie mir von ihrer mysteriösen Begegnung mit dem elbanischen Katzenaffen erzählt, die nie wirklich aufgeklärt werden konnte. Hat jemand auf Elba schon mal einen Affen gesehen? Oder ein Wesen, das etwa so groß war? Ich grübele immer noch.

Jetzt sind wir also wieder in Accra, nach einer astreinen Aldenaction im südlichen Ghana. Von den Kernbergen an die Goldküste, hat schon etwas Putziges.
Wir grüßen ganz lieb und gehen mal runter zum Essen, zumindest mein Magen knurrt schon ziemlich.

27. Dezember 2015
von Elisa Teichmann
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Ça va aller à Lomé

Fröhliche Weihnachten. Joyeux Noel. Gerade noch so geschafft. Das waren also meine Strand- und Gourmetweihnachten in Togo und es war absolut fabelhaft und abenteuerlich. Mein Französisch sprudelt jetzt, am liebsten hätte ich direkt mit jedem Straßenverkäufer und TroTro-Fahrer weiter geplappert. Ich will ja so viel erzählen! Also jetzt, von den letzten fünf Francophonen Ferientagen! Dann geht’s mal los, Attention, immer der Reihe nach, da gab es ja noch Max’ Party vor einer Woche.

Laufen war zu dem Zeitpunkt ja leider noch nicht möglich, meine Krücken trugen mich also an die hübsch dekorierte Geburtstagstafel im Garten und ich fühlte mich (wie noch einige Male danach im schönen Lomé) an den überaus entzückenden Weihnachtsfilm „We’re no angels“ erinnert, fehlten nur Humphrey Bogart und Co., die uns in der Küche ein Weihnachtsmahl zauberten. Max hatte natürlich auch dafür gesorgt, die Kirche bot sich zwar anfänglich mit seiner Partymusik einen kleinen Wettkampf, schließlich konnten wir uns dann aber mit guter Highlife-Mucke durchsetzen (das wird mir wirklich fehlen und ist in mich übergegangen wie eins der Reggaeton, dort, wo man lebt, da prägt einen die Musik). Magnus brachte dann einen italienischen Arbeitskollegen an, mit dem wir uns zunächst sehr angeregt über schöne Metropolen Europas unterhielten, der aber über kurz oder lang direkt zum Boyfriend-Fragen-Angriff überging, italienisch leichtfällig, ganz locker und unauffällig aus dem Ärmel geschüttelt. Aber Francis und sein Kumpel kamen ja auch, der Kerl ist wie eine Art Mentor für mich, mein cooler, lässiger, gleich gesinnter Filmemacher vor Ort, ich aß ein bisschen zu viel vom Geburtstagskuchen und bald darauf lachten Francis und ich zu viel, ich wollte dann Mückenschutz holen und wankte leider ein bisschen, der Rhythmus war plötzlich zu schnell und bedenklich, irgendwann kam dann einer und fand mich, lenkte mich ab und war dann doch viel näher, als man das gemeinhin so möchte und manchmal kann man sich nur in einer Zwickmühle retten. Dann singt einem einer Schlaflieder auf Twi ins Ohr und eigentlich hört man sie gar nicht wirklich. Nach zwei Stunden ist dann alles vorbei und an ist wieder allein und bedankt sich höflich und ist doch etwas unzufrieden. Papa Joe schüttelt den Kopf und ist besorgt. Aber man kann ja alles erklären und es war ja nichts passiert.

Am nächsten Tag wankte ich noch immer mit meinen Krücken, Lischen und ich wollten zum Tawala-Beach, die Generalprobe vor meinem großen Selbstversuch „Westafrikanische Überlandreisen mit nur einem belastbaren Fuß“. Es ging, aber angenehm ist etwas anderes. Immer wieder kam dann einer an und bot seine Hilfe an, das ist wirklich zuckersüß hier. In Lomé sah das noch ein bisschen anders aus, aber dazu später mehr. Lischen und ich genießen die vierte-Advent-Strandatmosphäre, aßen Plätzchen und Bread & Egg.

Am Montagmittag nahm ich zum ersten Mal wieder ein TroTro und das klappte ganz gut, am Circle bot mir eine Lady dann gleich einen Stuhl unter ihrem Sonnenschirm an und da wartete ich dann auf Chris, mit dem ich zusammen nach Lomé fahren wollte. Am Circle mussten wir dann leider an die zwei Stunden eingequetscht im TroTro warten, aber das bot immerhin genügend Zeit, sich schon mal französischsprachig einzustimmen oder ein paar Plantainchips zu kaufen. Das wird mir fehlen in Europa. Wenn man da im Fernbus sitzt kommt keiner ans Fenster und bietet einem von Ohrstäbchen über Getränke bis hin zu Ausmalbüchern alles, alles, alles an.
Irgendwann ruppelten wir dann los, ich fiel sofort in einen Kopfwegkippschlaf, irgendwann wachte ich auf und filmte ein bisschen die Landschaft des Ostens, Richtung Volta Region. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich Termitenhügel, Palmenhoch, das war unfassbar. Ich bin immer noch ganz betroffen. Als wir nach ungefähr vier bis fünf Stunden in Aflao an der Grenze ankamen, bemerkte ich, dass mir ein ausgesprochen rücksichtsvoller Mensch im TroTro die Sonnenbrille geklaut hatte. Na macht ja nichts, die Alte mit den Krücken kann sich ja ganz easy ne neue kaufen. Ja.
Ich war jedenfalls sehr überrascht über die Anteilnahme und ungewöhnliche Freundlichkeit der ghanaischen Grenzbeamten. Kaum tut man sich mal was, ist man plötzlich Mutter-Theresa-VIP. Der Grenzbeamte hätte auch gerne noch meine Immigration-Card ausgefüllt, wenn ich ihm nicht beteuert hätte, dass meine Hände und mein Kopf eigentlich ganz gut funktionieren würden. Auch die togolesische Seite war ausgesprochen lässig, ein paar Brocken Französisch raus gehauen und schon freuten sie sich wie Bolle, ich freute mich auch, obwohl ich wusste, dass der freundliche Grenzbeamte mich beim Visum-Geldwechsel-ich-mach-das-für-dich um ein paar tausend CFAs beschissen hatte. Wir nahmen dann ein Taxi und schon ging es los mit dem Französisch, es holperte noch ein wenig, aber der freundliche Taxifahrer aus Kara, wie ich herausfand, ließ gar keine Sprachhemmungen aufkommen. Als ich dann an meiner hübsche Auberge ankam, war ich ganz selig. Ein kleiner, gemütlicher Gasthof, kleiner Balkon im ersten Stock, Fensterläden an den Fenstern, wieder einmal Teufelsinsel-Assoziationen und alle waren unglaublich niedlich. Ich fühlte mich sofort wohl und angekommen. Mein Zimmer war reizend und bot mir alles, was ich brauchte. Nach einem fabelhaften Croque Madame fiel ich in einen glücklichen und langen Murmeltierschlaf.

Am nächsten Morgen bekam ich ein Frühstück mit erstklassigem Baguette, Butter und Konfitüre, ältere Herren saßen am Nachbartisch und unterhielten sich angeregt und schäkernd, das hatte alles was von einem tropischen Paris, nur eben entspannter irgendwie. Ich startete in meinen ersten Tag mit einer kleinen Moto-Spritztour zum Centre Artesanal, der „Doucement“-Kanon, der sich in den nächsten Tagen ständig wiederholen sollte, nahm hier seinen Lauf. „Doucement, doucement, eh! Ca va aller.“ Jap, irgendwann hatte ich auch eine gute Antwortleier drauf „Oui, bien sur, merci, ca va mieux déjà, c’était un petit accident“. Nachdem ich da so ein bisschen herumgeschlendert war, so gut es eben ging, machte ich mich auf, ein bisschen mit den Krücken in der Stadt herum zu laufen, natürlich bekam ich von allen Seiten mitleidvolle Zusprüche zu hören, aber ein Mann fiel aus der Reihe. Der Anzugträger war regelrecht wütend auf mich, dass ich in meinem Zustand auf die Straße gehe und nicht zu Hause bleibe. Ich musste ihm versichern, dass nichts gebrochen war und ich einfach nur ein bisschen trainieren wollte und mir die Stadt ansehen wollte. Da kam dann auch schon ein anderer an und fragte ich, ob er mich mitnehmen könnte, ich suchte doch aber einfach nur nach einer Sonnenbrille, er verschwand und ich dachte, das wäre gegessen, nach ein paar Minuten kommt der plötzlich mit einer Sonnenbrille an. „Désolée Monsieur, c’est pas mon style!“, hab ich dann gesagt, war natürlich ein bisschen unangenehm, aber ist ja auch keine besonders gute Idee, für jemand anderen ne Sonnenbrille auszusuchen. War natürlich absolut niedlich, aber letztendlich fand ich in diesem Urlaub doch keine Sonnenbrille. Naja, ich schlenderte noch ein bisschen über den „Weihnachtsmarkt“, der mich an den altbekannten Polengrenzenmarkt erinnerte, überall grelles Plastikspielzeug und zu viel überall auf einem Haufen, ich fand nichts und ließ mich wieder zum Hotel fahren. Vorher bot mir der nette Louis noch eine Stadtführung für Weihnachten an, wenn er denn nicht arbeiten müsse, ich meinte, ich wüsste ja, wo er arbeitet. Am Hotel verspürte ich dann den Wunsch nach Obst, der nächste Stand war aber nicht wirklich in Krückenreichweite, da kam plötzlich ein Motofahrer an und ich hielt ihn an, nichtsahnend, dass der Kerl gar kein Taxi, sondern einfach ein nette Privatmann war, ein Reiseverkehrskaufmann, wie sich später herausstellte. James nahm mich dann mit zum Obststand und bezahlte mir noch die Mango, wir plauschten über Brüssel und Paris und über seine Philosophie der Nächstenliebe und Zivilcourage. Ein feiner Kerl, seine Nummer habe ich auf einem Taschentuch, das hat doch etwas sehr Romantisches. Er setzte mich am Strand ab, aber da war es leider eher trostlos, keine Menschenseele weit und breit, dafür sehr viel Müll.
Ich machte mich alsbald wieder auf den Rückweg, nicht ohne vorher deutsche Weihnachtslieder aus dem Kindergarten der Botschaft gehört zu haben. Im Hotel wartete Chris schon auf mich, um sich nach mir zu erkundigen, und konnte nicht wirklich fassen, dass ich „in meinem Zustand“ meinen Tag so gut es eben ging alleine derartig verbracht hatte. Ich erzählte ihm von meinen Diner-Plänen und machte mich dann auch bald schon auf den Weg zum Bena Grill, der hatte aber leider geschlossen und der Moto-Fahrer wusste auch nicht so recht weiter, aber er kannte immerhin die Lokalität meines Plans B, „Lomé la Belle“, was sich als absoluter Jackpot herausstellte. So gut hatte ich das letzte Mal in Frankreich gegessen, mit Jérémy. Ich war im siebten Schlaraffenlandhimmel und am Ende schrieb mir wieder so ein Jungchen seine Nummer auf, wir plauschten ein bisschen, der Gute war 19 und wollte mal großer Koch werden, das gefiel mir und ich bestärkte ihn darin. Ich fuhr zurück nach Hause und verlor mich dann in einem vier- bis fünfstündigen Skypegespräch mit Jérémy, wobei die holprige Verbindung es uns wirklich nicht leicht machte, bevor ich schließlich einschlief für eine weitere grasse matinée.

Am Mittwoch kam Kathi direkt aus Tamale, meinen restlichen Tag hatte ich mit einem Buch im Bett und im „Nopegali Plage“ verbracht, wo ich die togolesische „Pâte“ probierte, ein bisschen wie Fufu, nur mit Maismehl. Ein Polizist organisierte mir ein Motorrad, meinte, ich spreche wie eine Französin und spendierte mir die Fahrt. Alles reizende Kerle in Lomé. Mit Kathi und Chris probierten wir dann unsere hauseigenen Küche aus, es war wieder eine wundervolle Gourmandie-Reise, ehrliche französische Herren saßen am Nebentisch, manchmal kam der dicke Koch aus der Küche und strahlte uns an, zwei deutsche Geschäftsmänner wussten nicht recht, ob sie sich jetzt gleich oder lieber erst später „eins in die Fresse hauen sollten“, man war wohl angeheitert, uns bescherte das den Gag des Abends.
Am nächsten Morgen war Weihnachten und wir gönnten uns ein ordentliches Omelette, Tomate-Zwiebel und Käse-Schinken, ich könnte noch tagelang von dieser cuisine schwärmen. Es verschlug uns dann in ein Internetcafé, wo wir Rico kennen lernten, der sich ebenfalls ganz aufgeregt und interessiert mit mir unterhielt, während Kathi am Computer saß. Irgendwie hatten wir den dann an der Backe, der kam also mit zum Strand, wo es uns aber nicht gefiel. Er musste dann auch in die Kirche, das kam uns recht, vorher unterhielt man sich allerdings höflich und rege. Wir bekamen den Tipp „Marcelo Beach“ und das sollte unser Strand-Mekka für diese Weihnachten werden. Dort war es sauber und schön und da gab es Liegen und Cheeseburger und Fruchtsäfte, da kam mal ein eitler und selbstgefälliger Münchner vorbei und quatschte dich einfach von der Seite an, lud dich aber nicht zum Feiern ein, na so gehört sich das doch aber nicht. Ich muss mal die Fotos hoch laden, es war zu schön da, da stand ein Pferd in der untergehenden Sonne, die sich im Harmattan Blaze verlor. Kathi planschte, ich las, mal kam einer mit ner Nikon vorbei und machte einen Schnappschuss, den er uns dann gleich ausdruckte. Da steht das Datum drauf, 24/12/2015. Den wollen Kathi und ich noch unseren Enkeln zeigen. So knackig war die Oma mal.
An Heiligabend gönnten uns Kathi und ich dann ein Diner Noel, „im Garten des Gouverneurs“ im Teufelsinselstyle, Côté Jardin, wo sogar die Rechnungsholzkistchen ein Foto verdienten, wir tranken Wein und aßen abermals wie Gott in Frankreich, wir suhlten uns regelrecht in dieser Gourmandise, kosteten jeden Moment aus, um noch lange davon zehren zu können. Es war eine stille und besinnliche Nacht, erinnerte mich ein bisschen an das Valentinstagsdinner von Carrie und Miranda, nur ohne Zoff oder Geheimnisaufdeckung. Wir deckten dafür alte Weihnachtsgeschichten auf und sahen dem Oppa zu, der vor dem Weihnachtskaraokebildschirm stand. Anschließend gab es Crème brulée und schließlich sah ich aus wie im fünften Monat schwanger und fühlte mich wie ein zehn-Zentner-Karwenzmann.

Nach unserer Weihnachtsnacht begannen wir den ersten Feiertag wieder mit einem schönen Le-Galion-ptit-dèj, machten uns dann aber früher an den Strand, um diesmal den ganzen Tag auszukosten. Am Abend warteten schon Chris und sein Vater, (der mich unwillkürlich an Benjamin Blümchen erinnerte, so ein ruhiges, freundliches, aufgeschlossenes Wesen) lange hatten sie auf uns gewartet und wir waren untröstlich, wir hatten ja kein Internet am Strand. Es ging dann jedenfalls zu Chris Elternhaus, seine Mama begrüßte und beeindruckte uns mit ihren Deutschkenntnissen, die sie vor ungefähr 40 Jahren in der Schule erworben hatte und Kathi und ich waren begeistert beim Studium der Inneneinrichtung – ein Wohnzimmer, was in seinen Strukturen exakt denen eines europäischen Elternwohnzimmers glich, nur eben mit landestypischem Touch. Schrankwände. Herrlich. Die Mama hatte Pâte gekocht und wir aßen gemeinsam, im Hintergrund lief France 24 in Dauerschleife, ich fühlte mich erinnert an Szenen aus meinen Französischbuch der 9. Klasse „C’est très délicieux, Madame!“. Man konnte sich ganz gut unterhalten und ohne Scheu stellte ich ein paar Fragen und hoffte insgeheim, dass ich das irgendwann bei Jérémys Familie genau so machen könnte, ohne mit hochrotem Kopp mich hundertmal zu verhaspeln.
Nach dem Essen machten Chris, Kathi und ich uns auf in die Nacht, mit seinen Cousins wollten wir ausgehen, die waren auf einer Dachterrasse und man feierte soeben den Junggesellinenabschied einer Freundin. Es gab deutsches Bier, gebraut in Homburg, „Becker’s“, französischen Highlife und eine Art Séance, wir fassten uns dann alle an den Händen, stellten uns im Kreis auf und eine ältere Dame des Hauses sprach auf Französisch zu Gott und bat ihn, die Ehe zu schützen und ihr viel Glück zu bescheren. Ich stand da so, mehr schlecht als recht auf einem Fuß und war gehüllt in Schweigeminutenpeinlichkeit, alle hatten die Augen geschlossen und nahmen das sehr ernst, ich beobachtete und schwieg anerkennend.
Wir zogen dann weiter in eine Straßenbar, mittlerweile waren wir geschätzt zehn Kerle und wir zwei filles, ich unterhielt mich dann mit Jean-Claude über deutsche Soziologen und Literaten und irgendwann ging es weiter ins „Privilege“, wo mein Fuß mich tatsächlich tanzen ließ, kakra n kakra natürlich. Wir brausten im Auto durch die laue Tropennacht, stilecht liefen laut Nana Mouskouris Greatest Hits, die ich wohl immer mit einer Loméer Nacht verbinden werde.

Nachdem wir nur ungefähr drei Stunden geschlafen hatten, klopfte es unbarmherzig an unserer Hotelzimmertür, oh wie ich es hasse, dieser süßliche Schlaf, aus dem man mit permanentem Mark-und-Bein-Klopfen geweckt wird, Fomé war schuld. Unser lieber Arbeitskollege aus dem Goethe hatte Wind davon bekommen, dass wir in der Stadt und in diesem Hotel waren und da fiel ihm nichts Besseres ein, als uns am Feiertag gegen 7 Uhr wecken zu lassen. Zwei Stunden später klopfte es leider erneut, weil er anscheinend einfach gekommen war. Ich hatte bereits die Schnauze voll und erklärte der netten Dame, dass wir ja sowieso heute abreisen würden und leider gar keine Zeit hätte. Oh Fomé. Wat machst du eigentlich…
Für das Hotelpersonal mussten wir dann den Anschein der „lasterhaften Fräulein aus der Großstadt“ gemacht haben, nachdem wir jeden Tag Männerbesuch erhalten hatten, zwei Männer im Hotel angerufen uns sich nach uns erkundigt hatten und uns einer am letzten Tag verfolgte und uns nicht so richtig von der Seite weichen wollte. Auf jeden Fall bekam ich diesen Eindruck, als uns der Chef beim Auschecken mit einer Mischung aus Sensationalismus und freudiger Empörung in den Augen auf sämtliche Männer ansprach und die entsprechenden Hintergründe wissen wollte. Die Auberge hatte ihrem 50er-Jahre-Heimatfilmcharme wirklich alle Ehre gemacht.

Das war sie also, meine Weihnachtsreise nach Togo. Whitsunday Island, Punta del Este, Lomé – mein Weihnachtsstrandtrio ist nun komplett und ich kann Weihnachten am Strand jedem empfehlen. Allein ist nicht einsam. Schon gar nicht mit einem guten Buch, liebenswürdigen Dahergelaufenen oder angereisten Freunden. Weihaachten ist, was man draus macht. Und wir haben dieses Jahr so richtig auf den Putz gehauen.
Jetzt sind wir wieder in Accra und ich habe soeben das erste Mal nach Monaten ein Toffifee und ein Rocher verputzt. Caro ist hier und ich freue mich wie ein kleines Mädchen. Ich glaube, die Umstehenden am Flughafen fanden das sehr niedlich, wie wir uns gestern in die Arme gefallen sind und gejauchzt haben. Jetzt kann ich auch wieder richtig laufen, weil ich so eine fancy Bauerfeindorthese mitgebracht bekommen habe, eheee. Na dann werde ich jetzt mal aufhören, um ihr mein Osu zeigen zu können. Jetzt hab ich es ja doch nicht mehr pünktlich zum 2. geschafft. Afehyia Pa kann man trotzdem noch sagen.

19. Dezember 2015
von Elisa Teichmann
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I want to go to Togo!

Der Kirchenchor singt sehr schön hinterm Haus. Ich höre auch einen Beat dazu. De Presbyterianer da drüben haben es echt drauf, besonders, wenn am Sonntag der Starsänger wieder ausgepackt wird. Ich habe es immer noch nicht geschafft, mal rüber zu gehen. Will mich auch gar nicht auf noch mehr Religionsgeschreie einlassen, als so schon in TroTros, auf Märkten und an Umschlagplätzen, die sollen ja gerne ihre Megaphonreden halten, halte ich nur nicht viel davon. Vielleicht schaffe ich das ja mal zusammen mit meiner lieben Freundin Caro, die am Samstag in einer Woche hier eintrifft. Wenn ich dann hoffentlich wieder die gewohnte 5km/h-Speed drauf habe und keine Krücken mehr brauche.
Der Unfall ist jetzt eine Woche her und nachdem ich gestern nur unter Bestialoschmerzen einschlafen konnte, hatte ich nicht mehr viel Hoffnung, dass das irgendwie was wird mit meinem geliebten Togo-Plan. Heute fühlt es sich besser and und ich hoffe, hoffe, hoffe, dass der gute Dr. Zak Morgen sagt: „Reis mal n bisschen rum, Mädel“. Oh bitte. Bitte, Dr. Zak, lassen Sie mich nicht Weihnachten in meinem Bett in meinem Mottenkugelloch verbringen. Chris fährt am Sonntag los und diese Gelegenheit will ich mir eigentlich nicht entgehen lassen. Naja, habe ja dann noch so gute 36 Stunden für eine Express-Deluxe-Genesung, bevor es losgehen würde.

Trotz meiner Schildkröteneinschränkung in dieser Woche setzte ich die Arbeit an meinem Filmprojekt fort (Der Chor hat gerade aufgehört, „Alle Jahre wieder“ zu singen…Mann, die haben es aber auch echt drauf, selbst bei Harmattan und dennoch tropfenden Temperaturen so eine richtig urige Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen…in 7 Tagen ist Weihnachten…in einer Woche ist Weihnachten??? Ach du liebe Zeit!). Der Grieche war der letzte und komplizierteste Kandidat, ich hatte da schon ein ganz ungutes Gefühl bei der Sache und wusste eigentlich, dass er abspringen würde, das tat er dann auch. Meine Fragen hätten ihn zum Nachdenken gebracht und nun müsse er das alles erstmal verarbeiten.
Na gut, dann waren es halt nur noch zwei. dafür kann ich mich jetzt wenigstens richtig auf die beiden konzentrieren, das muss ich nur noch alles ein bisschen in einen guten Stundenplan bringen, die Zeit rennt mir davon und jetzt noch viel mehr, weil ich ja nicht mehr rennen kann. Wie schön das war, sich im Bett zu räkeln, die Füße auszustrecken und dann einfach aufzuspringen, wei schön war das, zu tanzen und einfach irgendwo mal eben hinzulaufen. Mir fehlt das sehr und ich könnte schon wieder heulen, wenn ich hier meinen Fuß so leicht bewegen möchte und er einen völlig ramponierten Eindruck macht. Es geht eben einfach noch nicht.

Leider weiß ich auch noch immer nicht genau, was es nun ist. Dr. Zach wollte einfach mal so aus einem Gefühl heraus einen Gips für sechs Wochen anlegen, wäre halt die sicherste Variante. Nee, nicht mit mir, ich lass mich doch hier nicht ins Bett verfrachten. Nachdem ich dann also ein bisschen mit Bismarck (ich glaube wirklich, dass das sein Vorname war) diskutiert habe und er mir geduldig auf so eine typischen Arzttafel gezeigt hat, welche Bänder genau betroffen sein könnten und sich darüber wunderte, warum ich denn meine Beinhaare rasiere (warum gilt Neugierde in Deutschland eigentlich immer als Indiskretion?), einigten wir uns alle drei darauf, dass ich nun einen stabilen Mullverband, einen extra Stützstrumpf aus Neopren und absolutes Laufverbot für zwei Wochen erhalte. Manchmal möchte ich schreien und heulen und in Selbstmitleid darüber baden, dass ich genau jetzt in der Weihnachtsfeier- und Silvesterzeit eigentlich so gut wie gar nichts machen kann, was eine Distanzzurücklegung von mehr als 500 m verlangt. Dann denke ich mir aber wieder dass ich, wenn ich nur ein bisschen anders gefallen wäre, jetzt vielleicht gar nicht mehr Weihnachten feiern könnte. Also trotze ich dem ganzen und fahre Morgen mit Chris nach Togo, wie ich das geplant habe. Vielleicht hat es ja was Gutes und die geldgierigen Grenzbeamten verschonen mich ein bisschen mit ihrer Korruptionsprozedur. Aber mein Fuß, sehen Sie nicht meinen Fuß? Lischen meint „Wenn nicht du das schafft, wer dann?“. Der Krankenpfleger meint „Man sieht, dass Sie keine Ghanaerin sind. Sie kämpfen wirklich mit aller Kraft“. Anne meint „Wenn du merkst, es geht nicht, dann kannst du ja immer noch umkehren“. Deswegen werde ich mich jetzt da durchkämpfen. Jean-Jacques von meinem Hotel weiß schon Bescheid. Ich mach halt alles ganz kakra n kakra. Um am Strand rumzuliegen und zu lesen braucht man keinen rechten Fuß.

Am Donnerstag war unser großer Betriebsausflug zum Beads Market und zur Stone Lodge bei Koforidua. Das ging auch eigentlich mit Krücken ganz gut und Marktschreier Isaac schenkte Lisa und mir zwei Schlüsselanhänger. Das Mileid ist hier immer groß, sehr niedlich eigentlich. Wir saßen lange Zeit im Bus, schliefen viel, bekamen guten Saft und leckere Sandwiches und alles erinnerte an Wandertag in der Grundschule, so einer, an dem man von ganz früh morgens bis spät abends unterwegs war. In der Stone Lodge gab es leckeren und reichlichen Lunch und viele Pfauen, einen Pool und noch mehr Libellen. Ich lag am Ufer und fotografierte.
Gestern Abend entschieden uns Lischen und ich spontan für ein kleines Weihnachtsdinner und fuhren mit dem Taxi zum Khana Khazana, einem sehr angepriesenen indischen Restaurant in Adabraka. Es dauerte eine Weile, bis der Taxifahrer mit unserer Hilfe die Stelle gefunden hatte, an der er uns absetzen musste. Leider ist das ja hier mit den Taxifahrern so, dass sie weder Straßennamen kennen, noch Karten lesen können. Nein, das ist nicht übertrieben, wir haben das empirisch belegen können. Als wir dort dann schließlich angekommen waren, öffnete sich uns ein kleiner Überraschungsruhetempel unter freiem Himmel, das Essen war ein Traum und zum Abschluss fuhr uns der Restaurantbesitzer noch nach Hause. Er erzählte von seinem Imperium, was sich schon auf drei Restaurants und ein Hotel in der Umgebung verteilte und war überaus bodenständig und freundlich. Zufälligerweise waren Kathi und ich auch bei unserem letzten Restaurantbesuch in seiner zweiten Filiale in Osu. Das hat man geschmeckt, das gleiche, feine Rezept der Butter Masala Sauce.
Heute Abend feiert Max seinen Geburtstag und hat schon die Veranda sehr niedlich mit Luftballons dekoriert und die Stühle so aufgesellt, dass eine ordentliche Tanzfläche zu Tage getreten ist. Naja, ich kann ja ein bisschen die Krücken heben. Oder damit den Takt schlagen. Oder neue Krücken-Dancemoves erfinden. Eigentlich freue ich mich auch darauf, einfach nur zu pennen. In seinem eigenen Haus kann man ja mit Leichtigkeit den polnischen machen.
Chris sagt mir dann heute Abend Bescheid, ob wir Morgen fahren oder Montag. Jean-Jacques von meiner Auberge habe ich gesagt, dass ich Sonntag ankomme. Ich hab auch Bock, Morgen einfach loszufahren. Hopp über die Grenze zu den Francophonen. Ach, hab ja noch gar nicht erzählt, dass ich jetzt offiziell mein B1-Level in der Tasche habe, eheee. C’est trop cool! Also sollte das auch ganz gut klappen mit der Kommunikation. Ich freue mich auf’s Essen. Und auf den Strand. Ich will ganz viel lesen und reden, wenn ich Bock habe und viel schreiben und nachdenken und myself a merry little Christmas haven. Jetzt freue ich mich auf einmal ganz doll. Vielleicht sind das Spätfolgen vom Diclofenac. Stimmungsschwankungen. Jetzt bin ich einfach ganz aktiv und packe schon mal. Oder lese im Reiseführer. Oder höre Weihnachtsmusik. Die darf ich nicht vergessen! Wie vor zwei Jahren in Uruguay. Ich mach’s wie vor zwei Jahren in Uruguay. Jawohl. Brauche noch ne rote Mütze. Hab ja auch nen roten Rucksack, reicht, der reicht, platzmäßig. Wie auf Victoria Island. Ich melde mich dann von den Nachbarn her. À la prochaine!

13. Dezember 2015
von Elisa Teichmann
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Deuter sei Dank

…bin ich nicht direkt auf die Fresse in die Kanalisation gefallen. Ein Klassiker, auf den ich immer gewartet habe: einmal so richtig schön mit Schmackes ins gutter fallen. Denn die sind ja so herrlich einladend ausladend tief direkt neben der Straße angebracht, ein falscher Schritt im Dunkeln und man landet mal wieder im Krankenhaus, mit einem angekrüppelten Fuß. Ich hasse es. Ich will nicht eingesperrt sein, ich will am Donnerstag baden beim Betriebsausflug und ich will verdammt noch mal an Weihnachten nicht im Bett rumhocken. Tja, jetzt sitze ich hier eben rum mit einem großen Elefantengipsfuß und hoffe, dass der mir so bald wie möglich abgenommen wird. Nachdem ich jetzt fünf verschiedene Meinungen von drei Ärzten und zwei Schwestern gehört habe, bin ich ziemlich ratlos. Ich tippe mal auf Bänderdehnung, was sich so innerhalb meiner google-Recherchen herauskristallisiert hat. Naja, muss mal wohl auch mal durch. Meine eigene Schuld, weil ich ja unbedingt an dieser dunklen gutter-Stelle jemanden anrufen musste, um es nicht zu vergessen. Klassiker, wie gesagt.

Diese blöden Smartphones. Na gut, das Gleiche hätte auch mit nem Nokia 6310 oder was das damals war passieren können…ach Mist. Wie höchst ärgerlich. War das jetzt Karma? Freut sich da jetzt irgendjemand drüber? Jaja, lach du nur, es ist gar nicht mal so geil, diesen zermatschten Fuß hier hinter sich her zu ziehen und es war auch nicht so geil, in diesem Krankenhaus zu sitzen und darum betteln zu müssen, dass die blutende Wunde am Arm mal vielleicht desinfiziert werden könnte, ich hätt’s ja am Ende sogar gerne selbst gemacht, aber man hatte nichts. Kurze Darstellung der lieblichen Milde meines Arztes: Elisa: „Sie wollen mir erzählen, dass Sie meine Wunde nicht reinigen können. In einem Krankenhaus können Sie meine Wunde nicht reinigen. Krankenhaus – Wunde. Ist das Ihr Ernst?“ Arzt, nach längerem, bedeutungsschwangeren Blick: „Ich kann den Ton nicht gutheißen, in dem Sie mit mir sprechen.“ Elisa: „Und ich kann die Art nicht gutheißen, in der Sie mit mir umgehen, ich bin Ihr Patient und Sie können nicht einmal meine blutende Wunde reinigen lassen!“ Außerdem hatte er mich vorher noch als unhöflich bezeichnet, weil ich den großen Fehler gemacht hatte, während der Konsultation an mein Handy zu gehen, wo aber gerade Dr. Walter’s Ärzte anriefen, die mit ihm sprechen wollten. Da hatte ich natürlich schon bei ihm verschissen. Ob das nun ein richtiger Arzt war, werde ich wohl nie erfahren, auf jeden Fall bestand seine Diagnose aus einem genuschelten „something muscular“ und der Arzt auf der Intensivstation, zu dem ich am nächsten Morgen geschickt wurde, regte sich dann ziemlich über die Flickschusterei auf, die bei meinem Röntgenbild betrieben wurde. Da hatte offenbar jemand überhaupt keine Ahnung, aber wusste natürlich alles besser.

Naja, der glückliche Part an der ganzen Sache war sicherlich mein Rucksack, den ich auf meine Bauchseite genommen hatte und der mich aufgrund seiner perfekten Ausgestaltung wie ein kleines Schutzpaket abgefedert hatte, so ist also mein Oberkörper größtenteils heile geblieben und der Kopp eben auch. Ironischerweise auch mein Handy, was weich im Kanallaub landete. Glücklicherweise kam auch just in dem Moment meines Sturzes ein Auto vorbei, Joe und Joe, wie ich später erfahren sollte, meine rettenden Engel, die mich zum Auto trugen, ins Krankenhaus brachten und noch so lange dort verweilten, bis Kathi und die Jungs mit dem Auto vorbei kamen. Die kriegen noch ein Deluxe-Dinner, versprochen. Nach der eingehenden Bekundung durch Dr. Walter’s Spezialisten hoffe ich nun, dass ich vielleicht einen Bruch oder Riss auch 100%-ig ausschließen kann. Wäre ganz nice so, mit Reiseplänen und so.

Am Freitag bin ich dann dennoch zur Arbeit gehumpelt, ich wollte ja unbedingt noch Plätzchen backen und eigentlich noch drehen am Morgen mit Sulaiman und danach Portia, das ging zwar leider nicht, aber immerhin konnte ich ein paar ordentliche Teige kneten und dann Bleche voller Haselnusskipferl füllen. Am Ende stand ich sogar mit dem Chor auf der Bühne und hielt eine kleine Rede zur Feuerzangenbowle und schließlich wurde der Film gezeigt, so, wie ich es haben wollte und ich war am Ende des Tages dann auch sehr glücklich. Jetzt hoffe ich einfach, dass alles schnell geht und ich dann meiner Caro ein guter Reiseführer sein kann, wenn sie übernächsten Samstag hier in Accra ankommt. Was dazwischen mit meinen Reiseplänen passiert – mal auf Eis legen. Wie meinen Fuß. Dann lese ich halt hier irgendwo. Vielleicht.

Sonst gibt es nicht viel zu erzählen, gestern war ich ein großes Schlaftier und Papa Joe besorgte mir Indomie, als er mich zum Tor humpeln sah, ein Held, obwohl er nämlich Malaria hat, aber er wäre ja nicht Papa Joe, wenn er das nicht wegstecken würde wie ein Superheld. Also saß ich dann am Abend in meinem Himmelbettchen, mit Indomie und „Pommery und Putenbrust“, Klassiker. Wir haben jetzt übrigens auch einen Weihnachtsbaum im Haus. Hier sieht man mich und meinen Elefantenfuß, sich über den Weihnachtsbaum freuend. Einen fröhlichen dritten Advent wünsche ich und Obacht – lest euch noch mal das Märchen vom Hans Guckindieluft durch. Immer schön konzentriert rumlaufen und –fahren, he.

Euer Bruchpilot

Christmas tree

10. Dezember 2015
von Elisa Teichmann
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Conchetumare weón culiao

Es ist spät und der Harmattan macht uns seit Tagen unendlich müde. Kein Schweiß rinnt mehr langsam die Wirbelsäule hinab, keine Sonne knallt mehr unbarmherzig, das Land ist überzogen von einem dunstigen Schleier, der Accra besonders im Morgengrauen in ein graues, kaltes Frankfurt-am-Main-Kleid steckt. Und doch hat das Ganze etwas Anheimelndes, wenn es schon keine weiße Weihnachten gibt, dann wenigstens eine dunstige. Ist doch auch was, da hat man mal was Eigenes. Francis’ tote Katze liegt neben mir auf dem Tisch (Obacht, kleiner Tonmacherwitz) und Morgen beginnt der Dreh für meinen kleinen Film. Pressure! So viel Druck in der Weihnachtszeit. Was ist mit der guten alten Heimlichkeit? Wann werden hier endlich mal Plätzchen gebacken und was ist mit Glühwein und Feuerzangenbowle. Kommt alles. Planmäßig am Freitag. Da soll dann im Institut eine klassische Weihnachtsbäckerei Einzug halten, ich habe sieben Plätzchenrezepte ausgesucht, an denen wir uns dann ausprobieren. Dann ist am Nachmittag unser Weihnachtskonzert und es gibt kleine Cocktailhäppchen sogar, zur stilechten Feuerzangenbowle und wenn alles glatt läuft sogar den Film am Ende.
Aber ich habe ja noch gar nicht vom Samstag erzählt! Das war nämlich extrem cool da, beim weihnachtlichen Poetry Slam, meinem ersten hier in Accra. Das war eine sehr gemütliche Gartenrunde neben der Togolesischen Botschaft, in der wir erstmal alle sagen mussten, was denn Weihnachten für uns bedeutete. Wir drei Deutschen konnten uns natürlich schön mit Weihnachtsklischees auslassen, aber genau das bedeutet Weihnachten auch für mich, da diskutiere ich gar nicht lange, das ist mein Ding, fertig. Nichts hier mit „apart from the birth of Jesus“, ja, ich weiß schon, dass der Kerl da geboren wurde, aber ich schätze ihn so ein, dass der sicherlich auch nichts gegen nen Glühwein auf nem hübsch eingeschneiten und beleuchteten Weihnachtsmarkt gehabt hätte. Na jedenfalls traten bei dem Poetry Slam allerhand Leute auf, da waren nicht nur Poeten, sondern auch Sänger dabei und sogar Accra-Semi-Prominente waren am Start, von denen mir mein Boss schon erzählt hatte. Wir lachten tatsächlich, mir ging das Herz auf als ich merkte, dass sich hier tatsächlich ghanaischer Humor mit meinem eigenen trifft. Ja, nach drei Monaten eingängiger Analyse von Leuten und Populärkultur fühle ich mich dazu in der Lage, den Kulturhumor hier einzuschätzen und dieser Abend war wirklich eine positive Überraschung. Drei Monate! Ja! Krass. Am Samstag ist es soweit. Drei Monate und auch zufälligerweise genau 13 Wochen ist es dann her, dass ich zum ersten Mal den Boden meiner neuen Heimat betreten habe, zum ersten Mal dieses unwahrscheinlich gute Gefühl von dieser schwülen Wand auf der Haut spürte, nasser Waschlappen im Gesicht, zum ersten Mal ghanaische Ungezwungenheit erlebt habe. Es gefällt mir immer noch. Viel besser jetzt als „damals“.

Wieder sind fast 24 Stunden vergangen, ich weiß auch nicht, was hier los ist, ich komme gar nicht mehr hinterher und freue mich schon so sehr auf die Weihnachtsferien…wo es da hin geht, werdet ihr hier bald erfahren! (Oder habe ich das etwa schon mal preigegeben? Dann ist das ja nur ein billiger Spoiler. Na tun wir einfach so, als wüsste man von nichts. Sonst kann ich gar nicht mehr diesen absoluten dankbaren Wortspieltitel bringen). Am Sonntag ist nämlich mal wieder Prüfungsansicht angesagt, yayyy, nochmal mit Schmackes am dritten Advent. „Hallo Peter, hier Carola. Du sag mal, ich wollte doch am Freitag eine Party bei mir geben. Könntest du schon 14 Uhr zu mir kommen und mir bei der Vorbereitung helfen? Ich schaffe das sonst nicht allein! Vielen Dank, Tschüss!“ schallt dann wieder in einem Murmeltier-Kreislauf durch die Hallen. Aber hat ja auch alles was Niedliches.

Heute war ein besonders aufregender Tag, denn ich hätte die große Ehre mit Solaiman, dem Bagelverkäufer aus Gambia zu drehen und sehr lange zu plaudern, meinem ersten Protagonisten. Es stellte sich heraus, dass der Kerl unglaublich inspirierende und schlaue Ansätze vertrat, war mit 20 in die USA gegangen, hatte dort sein Handwerk und erstaunliche Businessskills gelernt und entpuppte sich zu einem überaus sozialen, smarten, kompetenten und durchsetzungsfähigen Geschäftsmann. Strahlte gleichzeitig auch diese bescheiden-optimistische Obama-Attitüde aus, immer ein breites Lächeln auf den Lippen, niemals verzagend, denn es gäbe ja immer etwas zu tun. Regte sich sehr über die Inkompetenz und das Statusgehabe der Chiefs auf, hatte eine sehr ausgewogene Globalsicht, kannte sich sehr gut aus dafür, dass er niemals studiert hatte oder eine richtige Ausbildung absolviert hatte. „Viele Leute sind so arm, denn alles was sie haben, ist Geld“, zitierte er dann noch Bob Marley, nicht ohne vorher eine Andeutung zu Marie Jeane zu bringen. Ich habe heute auf jeden Fall viel gelernt und ein paar Wahnsinnsbilder in den Kasten bekommen. Nachdem er mich für unser Interview auf ein Bierchen und einen kleinen Lammgrillsnack eingeladen hatte, bezahlte er dann auch noch mein Taxi zur Arbeit zurück. „The world is beautiful. You just have to see“, sagte er immerzu. Wirklich wunderschön.

Alles geht zu Ende, meine Französischprüfung habe ich hinter mir, nächste Woche ist die letzte Arbeitswoche in diesem Jahr und Bea will jetzt auch noch aus dem Africa House ausziehen. In meiner neuen Dunkelkammer fange ich an, mich heimisch zu fühlen, die Dunkelheit macht wenigstens immer so einen auf Weihnachtsstimmung. Die Matratze sollte man nicht anheben, weil einem dann der Geruch des Todes entgegenströmt, aber abgesehen davon riecht es ganz in Ordnung bzw. immer noch nach den widerlichen Mottenkugeln, die sich trotz nur ca. sechsstündigem Aufenthalt in meinem Zimmer scheinbar in jede Faser gefressen haben. Der Harmattan zieht einem jegliche Feuchtigkeit aus den Poren und das ist nicht so gut. Sieht ziemlich fies aus mitunter.

Oh ich habe ja noch gar nichts vom chilenischen Film am Montag erzählt, der Titel stellt eine kleine Hommage zu diesem Abend dar, mein Herz ging mir auf aber zerbrach gleich darauf schon wieder, weil ich Chile und Santiago und mi vida allá einfach so schmerzlich vermisste innerhalb dieser neunzig Minuten. Ich gab mich ganz dem Akzent hin, versank in den Anspielungen, die nur un chileno de corazón verstehen kann und schmachtete. Der Film war süß, aber nichts für die Filmgeschichte und dem chilenischen Botschafter war der vielleicht auch etwas peinlich, weil er danach ganz schnell die Biege machte. Auf jeden Fall sehr offenherzig und derbsprachlich wie der obige Titel. Aber 120 % chilenisch. Da saßen wir nun, mit Spaniern, Deutschen, Ghanaern und sahen uns diesen Film an, das hatte etwas Surreales und Magisches, ein kulbprovokatorisches Vermischen von verschiedenen Welten, abgefahren. Schön!

Ich werde mir jetzt mal Harmattanschutz auftragen und dann demnächst nach draußen gehen, um mir den spanischen Film im Festival anzusehen. Nochmal kurz abschalten vor dem großen Tag der Weihnachtsfeier Morgen.

Que les vaya bien, chiquillxs.

5. Dezember 2015
von Elisa Teichmann
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Stop, Harmattan!

It’s Saturday morning, I am sitting in my new „dark room“ next to the kitchen and the stinging smell of Naphtalene pellets covers everything around me. Mothballs. That’s exactly it. We have a very old chest made of dark wood in our basement at home in Berlin, filled with old bed sheets and other textiles. When you open that chest you get exactly that certain smell. So eventually, trying to get rid of this disgusting, poison-like moldy smell, I ended up living in a Mothball-basement-chest-nightmare. Great. I am so so so fed up with bad smells. Good news is that Harmattan brings a lot of dry air around and also the AC (which meant a 50 Euro rent rise for the new room, yay!) helps a little to make the room more „habitable“.
But actually, Harmattan is not really an improvement. You don’t see the sun here often anymore. Behind all this dust there is something very bright that you figure could be the sun but could likewise be the moon. The air is so dusty that you wish for a face mask. And, what is most disturbing – you don’t sweat anymore. There are no little drops running down your spine anymore, no wet and warm washcloth over your face feeling anymore, Harmattan has basically changed everything that Ghana used to be for us, at least regarding this physical feeling we had really got used to over the last few months. Yes, it has been almost three months now that we live here. Kathi wants to move out. My heart is breaking. And eventually, my bank account, too. She found a room for the price of a language course book per month at Lisa’s place and is leaving Africa House by the middle of the month. And I have got a moldy, overpriced room with one window that is not letting any daylight shine through, I guess that sounds like Jackpot. This is horrible and embarrassing, I have been complaining until now. Was there even one positive thing I have mentioned so far? Maybe, this is winter depression? Or quarter-life-crisis? Or Harmattan Blues? Nah, forget about that.

Anyways, the last days I spend working off this typical, well-known Christmas bustle, with endless to-do-lists and Christmas party preparations and of course organising filming dates for my tiny little documentary. I am enormously happy that all my three protagonists picks agreed on starring and so the filming is set for next Thursday and Friday. I am excited, I don’t really have a plan yet but it has always been like that and I guess I am just a postproduction-organiser and outsorter. Oh and if anybody possesses this wonderful German Christmas time film „Die Feuerzangenbowle“ – I would be extremely pleased if you could put me a subtitled version somewhere in the plenty world of Dropbox because I really have the plan to show it next Friday and also have actual Feuerzangenbowle. This is another challenge but I am so looking forward to that and I want the Institut to have a kick-ass Christmas party. My computer is doing weird things. He is not producing capital ds anymore. Well I guess after four years now, the signs of planned obsolescence are no longer to be hidden.

Yesterday was Farmer’s day which meant that we had the day off. The dumsor had again lasted for more than 24 hours but energy was back for the holiday’s morning. We had a nice lunch with Kathi and Lisa at a newly opened Kebab place. Yes, this was the absolute Holiday lunchdelight for us, as we hadn’t seen kebab in months. What we finally got as a kebab was a joke which looked like washed in boiling water but it was delicious and we enjoyed this little reminiscence of home.
Later we were invited personally by Mr. Telenovela-John-Wayne (you surely remember that guy from the airport) to his newly opened pool. At first it felt a little awkward being a Bikini girl among other Bikini girls with him being the only guy in the pool, feeling great – looking great, savouring his shower as if he was posing for a Calvin Klein-commercial and his colleagues standing around the pool, „checking out the scene“. In the end, they were all just absolutely delighted to see that their work, a decent pool made out of honest, sweaty handywork, was finally used by actual people who were enjoying it. At least this was what he told us, not caring about his obvious, south-western accent. He was then later the perfect gentleman or in that case rather the perfect hotelier, being absolutely professional, asking me if I needed warmer clothes and if everything was alright. I said I would like to have a little tour through what he had built up within the last two years. Again I had a bad conscience and felt way too old, figuring that he was a year younger than me but acting as if he knew it all, not even in an uncomfortable way but surely just slightly too convincd of himself. It was a very cool place and you could really see that he was eager to upcycle every material that he found as a building material. From the glasses to the toilet brush to the book shelves, everything was handmade and eco-friendly, either reused or recycled in some way. He told me about when he was a boy and had to build his family house with his dad and brothers which actually annoyed him a lot but in the end he became a kind of eco-architect and what he build up there was really something. It was funny, though. Sometimes you know just too much how some people see themselves and how they exactly reflect that.

It is late already and I actually would like to go to the monthly Flea Market at Goethe. It is trickier than I thought to get some nice Christmas cards in Ghana. I really need to get some. And then I’ll be draming of a white Christmas, with every Christmas card I write. Who knows, maybe Harmattan brings us one. They say anything can happen at Christmas, don’t they? Now, open your 5th little door and tune in for some nice little Christmas song, I can definitely recommend „Christmas with the ratpack“, the whole album, find it on Youtube! 😉

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