Wer braucht schon Klobrille und Duschkopf?

Es ist so weit, der Server geht wieder, und die ersten Blogeinträge der amderen sind auch schon online, also nichts wie los:

 

Seit nun einem Monat bin ich hier in Addis, wobei es „hier“ nicht ganz trifft, man sollte besser sagen, seit nun einem Monat lebe ich hier in Addis, denn das ist es was den Unterschied auch zu mehrmonatigen Work&Travel-Reisen macht, dass ich hier lebe, einen Alltag habe und nicht nur zu „Gast/Tourist“ bin.

 

Dieser erste Monat ging sooo verdammt schnell rum. Ich ahne schon, dass das halbe Jahr wie im Flug vergehen wird um am Ende werde ich denken, „What?! Schon zu Ende?“. Wie man vielleicht an der Anzahl der Blogeinträge gemerkt haben könnte, mir bleibt nicht viel Zeit zum Bloggen. Auch diesen Eintrag wollte ich schon seit mindestens vier Tagen schreiben. Nun ja, jetzt also los.

 

Mittlerweile bin ich in meine Endgültige WG gezogen, bei Christoph (dem jungen Lehrer) war es echt super toll denn er hat mir einiges gezeigt und mich auch zu dem ein oder anderen mitgenommen, so gesehen der perfekte Start in eine neue Umgebung. Nun wohne ich also in einer WG zusammen mit Sally, einer Erzieherin aus dem Kindergarten mit der ich mich aber super verstehe da sie auch etwas jünger ist (24), und einem Franzosen, den ich bisher nur einmal kurz gesehen habe weil er jetzt erstmal für drei Wochen weg (ich glaube im Urlaub) ist. Das Haus liegt direkt neben der Schule (lange schlafen yeah!) ein Video meines Schulweges folgt, muss euch ja alle neidisch machen:) Das Haus ist echt schön mit einem großen Wohnzimmer. Mein Zimmer ist ziemlich arsch-klein aber da ich mich dort eh nur zum Schlafen aufhalte, passt das. Immerhin haben wir hier Warm-Wasser, einen Kühlschrank und Gasherd (gut zum Kochen bei Stromausfall). Diese Dinge sind hier nicht selbstverständlich. Am Wochenende werden wir dann noch einen Duschkopf und eine Klobrille kaufen gehen und dann sind wir voll ausgestattet! (Zum Glück wohnen wir neben der Schule die bestens mit Klo/Dusche/Waschmaschine ausgestattet ist.)

 

//Musste an dieser Stelle eine kleine Pause einlegen (von einem Tag) da ich Sally geholfen habe Käsespätzle zu machen, alter waren die lecker! Werde mir jetzt immer ne Wochen Ration Käsespätzle machen und mich dann von nichts anderem mehr ernähren 😀 Muss mir nur guten Käse aus Deutschland mitbringen lassen (Da aber der Server eh noch nicht geht, macht es ja gar nichts dass der Eintrag noch ein bisschen braucht, bin mal gespannt wann ich ihn dann schlussendlich hochladen werde. //

 

Also weiter:

 

Auf der anderen Seite haben wir auch eine Maid die dreimal die Woche kommt und z.B. unseren Abwasch macht. Schon ein bisschen dekadent:) Sie hat heute sogar meine Klamotten die auf meinem Bett verteilt waren aufgeräumt, war mir dann doch etwas unangenehm. Die Maid kocht sogar für uns, wenn wir wollen. Wir müssen ihr nur etwas Geld hinlegen und sagen was wir wollen, z.B. Lasagne, dann macht sie die für einen, bis jetzt habe ich den Service aber noch nicht in Anspruch genommen. Naja das ist eben die Ambivalenz in der man hier lebt, zwar keine Klobrille und kein Duschkopf, dafür kann man aber sein ganzes dreckiges Geschirr und die Sauerei vom Kochen liegen lassen. Mit uns zusammen wohnen auf unserem Gelände noch zwei Guards (sie wechseln sich ab), die viel zu hoch bezahlt sind und für ihr Geld quasi nichts arbeiten, mal sehen wie lange das mit denen noch so weiter geht. Dazu kommen noch zwei Hunde. Einen größeren, namens Teasey, völlig verrückten! Bilder folgen, brauche ja noch Stoff für die nächsten Einträge) Wir versuchen ihn zurzeit etwas zu erziehen was aber gar nicht so einfach ist, da er total verspielt ist. Und einen kleineren Max der etwas älter und total lieb ist. Wir müssen für Teasey (dt: ärgern) jetzt Hunde-Spielzeug kaufen oder basteln, damit er sich da mal ein bisschen abregen kann.

 

Addis Abeba ist an sich keine schöne Stadt. Die offiziellen Einwohnerzahlen schwanken zwischen 3 und 6 Millionen und die Dunkelziffer soll bei bis zu 9 Millionen liegen. Da hier so gut wie keine Wohnhäuser zweistöckig sind ist Addis auch Flächen mäßig riesig und wächst immer mehr. Je nach Richtung und Verkehr kann man bis zu einer Stunde mit dem Auto brauchen bis man überhaupt aus Addis draußen ist. Und der Verkehr ist echt verrückt, ich lasse einfach Bilder sprechen, hier ein kleines Video:

 

 

Die Äthiopier sind recht zurückhaltende Menschen, die meisten sind zu stolz um auf einen Ferenji (zu dt. Fremder) zu reagieren, meist sprechen sie einen an wenn man schon halb an ihnen vorbei ist, wodurch man dann oft nicht weiß ob sie jetzt einen gemeint haben oder jemand anderen. Man merkt aber ganz deutlich dass man auffällt wenn man durch die Straßen läuft. Fast jeder mustert einen wobei die meisten Blicke eher argwöhnisch als freundlich sind. Wenn man dann aber von sich aus mit Salamno (Hallo) grüßt müssen die meisten sofort lächeln was ein tolles Gefühl ist, und zeigt dass die meisten Menschen doch total Freundlich sind. Kinder sind da ganz anders drauf, schon von weitem rufen sie einem „Ferenji“ oder einfach „Hi“ zu, meist das einzige englische Wort was sie können, höchstens noch gefolgt von „How are you“ oder „Where you go“ (Grammatik ahoi :D). Ich antworte dann meist recht Freundlich oder rufe „Habescha“ zurück wenn sie nur Frenji rufen, was so viel bedeutet wie „Äthiopier“ meist merken sie dann wie doof es ist jemanden mit „Ferenji“ anzusprechen wobei es meist auch nicht sehr nett gemeint ist wenn sie es einem nur hinterher rufen. Je nach Stadtviertel variiert auch die Dichte der Bettler, gerade wenn ganz kleine Kinder vielleicht nichtmal 3 Jahre alt, zu dir mit ausgestreckter Hand kommen ist es echt schwer hart zu bleiben. Aber man sollte Kindern hier nichts geben da man sonst nur bestätigt, dass es besser für sie ist zu Betteln anstatt in die Schule zu gehen. Den einzigen denen man hier etwas geben sollte sind ganz alte Menschen oder Behinderte da sie meist wirklich nicht mehr für sich sorgen können und auf die Spenden angewiesen sind. Das Straßenbild von Addis ist kein schönes, die Straßen sind meist recht kaputt und es hängt hier ein echt heftiger Smog/Staub in der Stadt da hier Autos fahren die den puren Krebs ausstoßen, nicht selten sieht man solche eine dicke Schwarze Auspuff Wolke hinter sich herziehen. Addis ist so gesehen ein richtiges „Moloch“, (nicht meine Wortwahl). Vor ca. 2 Wochen was das große Meskel-Fest, ich berichtete, die Faust-Regel besagt dass mit dem Meskel-Fest die Regenzeit aufhört und die Trockenzeit anfängt. Und tatsächlich habe ich seit Meskel keinen Regen mehr erlebt, wobei die Luft sehr trocken geworden ist und einen kleinen Schauer gut vertragen könnte. Trockenzeit bedeutet hier ist jetzt erstmal so etwas wie Frühling, alles fängt an zu blühen. Nachts ist es recht kühl, und es soll von jetzt an nachts noch kälter werden (bestimmt um die 10 Grad Marke brrrr!), die Fenster hier isolieren ja quasi nichts daher sind warme Decken angesagt. Mittags wenn die Sonne dann rauskommt wird es echt brutal warm! Schätzungsweise über 20/25 Grad. Gerade im Gegensatz zu den Temperaturen morgens/nachts stellt das echt einen gewaltigen Unterschied dar.

 

PA110327Ganz im Gegensatz zur Stadt an sich steht jedoch das Lebensgefühl hier in Addis, denn das ist einfach nur toll. Egal ob man durch die Straßen läuft (ja man erntet viele kritische Blicke aber man trifft auch immer ein paar die nett grüßen und einen anlächeln und das ist dann einfach ein schönes Gefühl) oder einen der hammergeilen Juices hier trinkt oder in einem kleinen Café einen Macchiato genießt. Alles ist hier etwas entschleunigt, und man muss sich eine gewisse Gelassenheit aneignen, ohne die geht es nicht, denn wenn etwas hier mal nicht läuft wie es soll dann ist das eben so:)

 

Addis ist auch einfach brutal Facettenreich und vielfältig und ich glaube selbst wenn man hier Jahre lebt könnte man noch etwas neues Erleben. Es gibt hier unzählige Restaurants Bars und Clubs, auch eine Mall gibt es. Kulturell sieht das ganze zwar schlecht aus aber damit muss man sich dann eben arrangieren. Die meiste Zeit bin ich eh, bis auf das Wochenende, in…->

 

//So gerade Stromausfall, mal sehen wie lange der anhält mein Laptop Akku reicht nämlich nur noch für ca. 10min……-.-//

 

…-> der Schule. Und die gefällt mir weiterhin echt super. Ich bin hier sozusagen „Mädchen für alles“, was jedoch nichts schlechtes ist:) So sind meine Aufgaben total vielfältig, von PCs installieren über das Akten Archiv neu ordnen bis hin zu, in der Nachmittagsbetreuung helfen oder bei der Organisation des Weihnachtsbasars helfen ist so ziemlich alles dabei. Die Kinder mit denen ich schon ein wenig zu tun hatte sind echt toll, gerade die kleineren, z.b. die 2. Klässler die ich in der Nachmittagsbetreuung zugeteilt bekommen habe sind echt süß, oder die Kindergarten Kinder. Ich kann mir aber auch gut vorstellen dass die auch mal assi anstrengend sein können :D:D Zeitweise habe ich auch unsere Sekretärin vertreten und den Telefon-Dienst übernommen. Die Archiv-Akten neu zu sortieren ist auch spannender als man denkt denn dort sind viele Akten von Schülern aus teilweise noch den 60er/70er/80ern. Teilweise ist das richtig spannend wenn dort Briefwechsel zwischen der (damaligen) Internatsleitung und den Eltern abgeheftet ist.

 

// So hab jetzt gerade mit Kopflampe gekocht (nachdem ich eine Monster-Motte bekämpft habe, ihre Augen haben rot geleuchtet!!!!) und dann bei Kerzenschein und kleiner Prinz Hörbuch übers Handy gegessen, sehr gemütlich 😀 da der Strom jetzt wieder da ist kann ich also noch ein bisschen weiterschreiben.//

 

Es ist mittlerweile echt eine menge an Erlebnissen geschehen, mal sehen was mir spontan noch einfällt. Vor-Vergangenen Montag, gab es anlässlich zur 25 jährigen Wiedervereinigung eine Feier in der Deutschen Botschaft. Alle in hier lebenden Deutschen wurden dazu eingeladen, man zog sich also etwas schicker an, die Schule schloss frühzeitig und die gesammelte Lehrerschaft begab sich zum Empfang. Nach zwei kurzen Reden und den zwei Nationalhymnen (dt und äth) ging dann das große Fressen los, 😀 denn dazu waren die meisten überhaupt da. Ich kann leider keinen Vergleich ziehen, jedoch wurde von nahezu allen gesagt, dass das Essen die letzten Jahre besser gewesen sein soll. An sich war es aber recht lecker, es gab Häppchen, Sauerkraut, Rind, Würste, Pommes usw usw. Immerhin der Wein war echt gut, davon konnte man sich dann auch ruhig ein zwei (drei) Gläschen genehmigen. Die böse Überraschung kam für mich in der Nacht. Man soll es nicht glauben, ich habe hier schon in den kleinsten Käffern Injera mit den Händen und alles gegessen, sogar so eine Art Tartar habe ich probiert (war anscheinend recht risikoreich habe ich mir in nach hinein sagen lassen) und nie hatte ich Verdauungsprobleme! (ob ich mir von dem rohen Fleisch irgendwelche Würmer oder Zeug eingefangen habe, werden wir erst in vlt ein paar Wochen oder so merken wenn sie schlüpfen :D:D Ich denke aber nicht) Und dann hab ich tatsächlich beim Delux-Buffet in der Deutschen Botschaft was schlechtes erwischt, nennt man wohl Ironie 😀 Nunja ab 1 in der Nacht bis halb 6 ging es dann alle 20min auf die Toilette, abwechselnd hatte ich Durchfall oder musste mich Übergeben. Am nächsten Tag war ich echt brutal geschwächt, blieb also zu Hause und schlief eig den ganzen Tag, selbst zum lesen war ich zu schwach. Zum Glück war aber immerhin der Durchfall und das Erbrechen vorbei, so dass es mir am Abend nachdem ich ein paar Elektrolyte, Tee und trocken Brot zu mir genommen hatte schon viel besser ging, so dass ich am nächsten Tag auch wieder in der Schule war.

 

Letztes Wochenende durfte ich dann mit auf den sogenannten retreat, ein Arbeitswochenende für die 11te Klasse bei dem sie für ihren Abschluss relevante Dinge wie den extended Essay erlernen. Das ganze fand in einer Lodge außerhalb statt. Außer mir gingen noch Christoph, Ralf ein Musiklehrer und der Klassenlehrer der 11er mit. Für 120km brauchten wir 3 Stunden!! Das Gelände dort war recht schön, es gab auch einen Pool, der jetzt nicht der Wahnsinn war aber ich meine es war ein Pool!! Ralf und ich erkundeten am Samstag zusammen mit unserem Schulbus-Fahrer die nahegelegene Stadt. Mittags legten Ralf (Hobby Marathon Läufer) Christoph (läuft auch Marathon lebt schon lange in Addis und ist eh mega der sportliche) und Ich (äh jep) eine Laufeinheit in einem nahegelegenen Stadion ein. Stadion ist zu viel gesagt aber man konnte erkennen wo einst die Rundbahn verlaufen sIMG_20151010_130129[1]ein muss und konnte so die Distanz gut Abschätzen. Wir fingen an mit 3 Kilometern mit einer Geschwindigkeit von ca. 4:40 pro Kilometer. Nunja und wir waren ja auch immer noch auf bestimmt mindestens 2500 Metern über Normal Null. Hatte ich schon erwähnt dass ich die letzten Jahre kaum Sport gemacht habe, ähh ja ich war auf jedenfall total fertig und musste erstmal eine Pause einlegen. Die anderen liefen ihre Intervalle weiter, 2km dann 3km dann nochmal 2km, glaube ich. Christoph erhöhte seine Geschwindigkeit auf bis zu unter 4:10 pro km. Ich schaffte es mich nochmal 3km an ihn dran zu hängen, aber immer nur einen Kilometer lang am Stück 😀 naja alleine das ich die drei Kilometer bei dem Tempo noch geschafft hab fand ich nicht schlecht. Abends wurde dann in der Lodge gegessen, welches wirklich sehr lecker war. Dann gab es noch ein kleines Privat Konzert von einigen Schülern und Ralf der ein paar Instrumente mitgenommen hatte. Ein weiteres Highlight waren die auf dem Gelände lebenden Affen, die zogen dort einfach durch die Gegend und sahen echt süß aus aber sobald man ihnen Nüsse gab oder versuchte mit einer Banane das Zimmer zu verlassen konnten die ganz schön aggressiv werden die kleinen Biester, beim Toilettengang besuchte mich dann auch noch ein Wombat???,
hab mich kurz erschrocken, so ein Tier erwartet man ja nicht an seinem Klo Fenster 😀 Zum Glück war mein Handy griffbereit. Am Sonntag fuhren wir früh los so dass uns noch Zeit für einen Spaziergang durch ein hier in Addis gelegenes Wäldchen blieb, es schlossen sich einige Lehrer an, im Anschluss tranken wir noch alle zusammen einen von den super geilen Juices.

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Auch sehr cool ist eine Sonnen-Lichteffekt den wir vergangene Woche hier beobachten konnten, in Afrika ist so was wohl öfters zu sehen, in Europa wohl eher selten.

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– https://de.wikipedia.org/wiki/Halo_(Lichteffekt)

 

 

So weit so gut.

 

 

Falls irgendetwas unklar geblieben ist ihr bei etwas ein riesiges Fragezeichen stehen habt oder euch etwas in meinen Ausführungen zu kurz gekommen ist, was euch brennend interessiert, dann scheut euch nicht einfach zu Fragen, hier als Kommentar (da antworte ich dann hier, also nach ein zwei Tagen müsst ihr mal wieder reinschauen) oder per FB oder mail, just as you want 😀 feel free.

 

 

Bis dann alles liebe nach good old Germany oder wo ihr euch auch immer rumtreibt:)

 

 

 

 

Fun Fact: Es gibt hier keine Adressen/Straßen/Hausnummern etc. Alle größeren Firmen/Einrichtungen haben eine P.O.B. (denke mal post office box oder so) Adresse an die man Post senden kann, die wird dann verteilt. Auch wenn man Freunde zu sich einladen will muss man immer eine detaillierte Wegbeschreibung angeben, „Von … kommend an dem Kreisel nach da, an dem nächsten dann nach da und dann nach 500metern links ein braunes Tor schräg von nem kleinen Laden oder neben irgendwas“

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