Archiv des Autors: Carlotta Engberding

Glückspilzin

Mein erster Blogeintrag. Zwei Monate zu spät. Zwei Monate, die gefüllt waren von zahlreichen Erfahrungen, Erlebnissen und mit tollen Menschen. Würde ich ausführlich darüber schreiben wollen, könnte ich schon ein ganzen Buch füllen. Ich werde deshalb nicht nacherzählen was ich breites erlebt habe, das würde zu lange dauern. Stattdessen möchte ich kurz innehalten. Bewusst oder unbewusst habe ich hier wieder mehr zu mir selbst gefunden. Ich denke um zu sich selbst finden zu können, muss man als erstes zu den Menschen finden. Zu der Menschlichkeit. Hier in Georgien wurde mir so viel Wärme entgegengebracht, dass ich mehr und mehr Hoffnung zurück in die Menschlichkeit gewinne.

Zweiter Schultag. Die Koordinatorin der Deutsch Fachschaft lädt mich auf Kaffee und Kuchen ein und erzählt von Politik, ein Tabuthema hier in Georgien.

Meine Ansprechpartnerin, Ekaterine, die mich einmal, zweimal zum Essen einlädt. Beide lassen mich nicht selber zahlen.

Schüler, die so unfassbar interessiert an mir sind. Aufrichtig interessiert.

Dritt und Viertklässler, die mir jedes Mal kleine Bilder malen, wenn ich bei ihnen im Unterricht bin. Alle hängen bei mir in meinem Zimmer am Schrank.

Eine Drittklässlerin, die mir  selbst gebackene Kekse schenkt.

Schüler, die mir im Unterricht heimlich Süßigkeiten zustecken.

Eine 9. Klasse, die nach der Unterrichtsstunde, die ich ohne Lehrerin gehalten habe zu mir kommen für eine Gruppenumarmung.

Meine Schüler, die mich jedes Mal im Gang grüßen oder umarmen.

Ein wunderschöner Ausflug mit den Deutschlehrerinnen meiner Schule, an dem ich georgische Tischbräuche kennen lernen durfte und so viel gegessen habe, wie noch nice in meinem Leben. (Dazu vielleicht noch ein separater Blogeintrag).

Alles Momente so kraftvoll und schön, das ich sie nicht vergessen werde und für die ich dankbar bin und die mich schon jetzt ein bisschen zu einem anderen Menschen gemacht haben. Und das waren nur wenige von so vielen mehr.

Gleichzeitig ein ganz anderes Gefühl. Traurig und schön. Es sind die Menschen, die ich zurück gelassen habe, aber die gleichzeitig noch immer bei mir sind. Die langen und aufrichtigen Gespräche mit Papa am Telefon, die ich so noch gar nicht kenne. Meine Mami, die mich bei allem unterstützt und immer an mich denkt (und ich such ganz viel an sie). Der Adventskalender der gerade auf dem Weg zu mir ist. Der Abschiedsbrief und die Tränen von meinem kleinen Bruder am Flughafen. Die regelmäßigen oder unregelmäßigen Updates von meinem mittleren Bruder, bei Gesprächen, die so normal wie immer sind. Neugierige WhatsApp Nachrichten von Verwandten. Und meine beste Freundin, die mir besonders fehlt. Das macht mich glücklich melancholisch. Und ich weiß jetzt umso mehr, wie gut ich es habe.

Dieser Freiwilligendienst hat gerade erst begonnen und ich kann die restlichen 10 Monate kaum erwarten.

Ohne Handlung keine Wandlung.