Zum Ende des Monats, in dem ca. 2 Millionen Muslime aus der ganzen Welt die Pilgerfahrt nach Mekka auf sich nehmen, sind hier in Jordanien Ferien. Das sogenannte Eid al Adha findet statt, bei dem daran erinnert wird, wie Allah Ibrahim (Abraham) davon abgehalten hat, seinen eigenen Sohn Isaac zu opfern. Zu diesem Anlass wurden in der letzten Woche hier unzählige Schafe geschlachtet und ihr Fleisch an arme Menschen verteilt. Außerdem bot sich so eine gute Gelegenheit, um im gesamten Land für ein paar Tage Ferien zu veranschlagen.
Auch ich hab einige Tage vorher erfahren, dass ich frei bekäme. Diese Zeit muss natürlich genutzt werden! Ganz logisch. Nur wie? Für ein paar Tage nach Hause fliegen? Reizvoll, aber irgendwie nicht Sinn der Übung, wenn ich schon mal hier bin… Okay, Jordanien kann ich mir Stück für Stück an den Wochenenden erschließen. Also raus aus dem Land. Aber wohin? Es stehen zur Auswahl: Saudi-Arabien, Irak, Syrien oder Ägypten. Unmittelbar angrenzende und wahrscheinlich fürchterlich spannende Länder, so vom Prinzip her. Aber alles nicht so super, um es sich mal eben spontan als blondköpfiger Individualtourist mit seinem Rucksack bepackt durch die Gegend streifend anzusehen. Dabei sind Fahrten nach Jiddah oder Bagdad wirklich unglaublich billig von hier aus…
Der aufmerksame Leser stellt fest: es bleibt Israel. Ja, das klingt vernünftig. Aber nur bei flüchtiger Betrachtung. Israel ist wahrscheinlich ziemlich sicher. Dafür ist es unwahrscheinlich schwierig, von hier aus dahin zu kommen. Da gibt es nämlich diese tückischen Grenzen, an denen man laut Berichten gerne mal 6-8 Stunden oneway zubringt. Außerdem gibt es keine direkte Verbindung nach Jerusalem, was nur geschätzte 50km von Amman entfernt ist. Geschätzt deswegen, weil – unter Berücksichtigung der schwierigen Lage – noch nicht mal Google Maps eine Strecke errechnen kann… Deswegen muss man vom Taxi zum Bus und wieder in einen anderen Bus und dann ins Sammeltaxi und schließlich in einen wieder anderen Bus umsteigen. Und wenn du dann drin bist und wieder raus willst aus Israel, kannst du noch nicht mal den direktesten Weg nehmen, weil es da angeblich Schwierigkeiten mit dem Visum gibt.
Zu viel Stress für ein paar Tage spontanen Ausflug. Frustration machte sich breit.
Israel, du musst leider noch etwas auf mich warten. Aber ich flieg nicht nach Hause, ohne dass ich dich gesehen habe!
Dann bring ich halt die freie Zeit in Amman zu…
Dann klingelt abends um 10 – ich bin schon dabei, vollkommen verzweifelt ins Bett zugehen – mein Telefon. Eine der kulturweit-Freiwilligen aus dem Goethe-Institut in Amman. „Du, Freya, ich fahr für 3 Tage ans Rote Meer, nach Aqaba. Willst du mitkommen?“ Das hat mich zu dieser Uhrzeit und nach vorangegangener Desillusionierung verständlicherweise etwas überfordert. Nach kurzer Bedenkzeit und etwas Googlen später, war die Sache dann aber abgemacht und ich hatte einen Plan! Ganz so, wie es meinem Naturell entspricht! Erleichterung machte sich breit.
Also wurden die Tickets für die 4-stündige Busfahrt nach Aqaba besorgt und die Wahl viel dabei auf eine weniger bekannte jordanische Busgesellschaft. Hätten wir gewusst, was uns damit erwartet, hätten wir uns wahrscheinlich anders entschieden. Die Abfahrt war für Mittwoch, 7.30 Uhr geplant. Also haben wir uns um 7 Uhr vor dem Büro der Busgesellschaft verabredet, wo der Bus abfahren sollte. Pünktlich wie wir nun mal eben sind, hatten wir dann also noch eine halbe Stunde Zeit und beschlossen, diese im Inneren des Büros zu verbringen. Gesagt, getan: Tasche hochgehievt und in das Büro gestiefelt, dabei natürlich alle Blicke auf sich gezogen, da wir die einzigen offensichtlichen Ausländer waren, die planten, eben mit diesem Bus zu fahren. Auf der Flucht vor all der Aufmerksamkeit und bekanntermaßen ohne großes Talent zur Orientierung bin ich zielstrebig auf eine Ecke des Raumes zugesteuert. Doch kurz bevor ich meinen Zufluchtspunkt erreichen konnte, ruft mir meine Mitreisende etwas von hinten zu. In meinem dringenden Bedürfnis, mich möglichst schnell aus dem Mittelpunkt des Geschehens zu entfernen, und vor bestehender Geräuschkulisse, hab ich natürlich nicht so richtig verstanden, was sie mir mitteilen wollte. Nachfrage durch kurzes hessisches Fragewort: „Häh?“ „Erneuter Versuch mich zu warnen: „Wenn du noch einen Schritt machst, stehst du auf dem Gebetsteppich!!!“
Uups. Damit hatte ich dann natürlich erst recht alle Aufmerksamkeit auf meiner Seite. Mist. Es war zwar nichts passiert, aber dennoch war mir die Situation mega unangenehm. Ich hätte meine Flucht ja auch etwas geplanter antreten können.
Nächstes Mal!
Nachdem wir diesen Fauxpas meinerseits verdrängt hatten, haben wir vollkommen überrascht festgestellt, dass es im Büro eine Toilette gab, und gedacht, dass das eine gute Gelegenheit wäre, so vor einer 4-stündigen Fahrt. Als sich aber die „Toilette“ als das altbekannte „Loch im Boden“ entpuppt hatte, sind wir von der Idee schnell wieder abgekommen.
Also ab in den Bus, der ziemlich schnell mit halbstarken Jungs, rauchenden Männern und Familien mit kleinen Kindern gefüllt war. Klassisch! Okay, aber die 4 Stunden lassen sich ja wundervoll nutzen, um durch einen Blick durch das Fenster etwas von Jordanien zu sehen. Vorhang aufgezogen. Festgestellt, dass zwischen den beiden Glasscheiben, die das Fenster bilden, ungefähr 10cm hoch das Wasser steht und natürlich auch kondensiert ist…
Die Busfahrt war dann primär geprägt von einem wirklich entzückenden Baby, das es dummerweise super unterhaltsam fand, von hinten an unseren Haaren zu ziehen, den Pubertieren, die lautstark Whitney Houston gehört haben, einem Fernseher, der mindestens ebenso lautstark Arab Idol abgespielt hat, 2 Passkontrollen, bei denen alle kontrolliert wurden außer die beiden Europäerinnen, und unzähligen Pausen. Diese Pausen waren zusätzlich noch von nicht gerade geringer Dauer und gingen uns dementsprechend auf den Geist.
Bei der bestimmt 6. Pause, die auch schon wieder etwas dauerte, hab ich auf einmal ein entnervtes „So, jetzt reicht’s! Ich frag jetzt wann wir da sind!“ gehört und meine Mitreisende hat sich energischen Schrittes aus dem Bus begeben und kam sehr wenig später mindestens ebenso niedergeschlagen und schockiert wie zuvor energisch zurück in den Bus mit den Worten: „Das dauert so lange, weil wir einen Motorschaden haben.“ Na prima, das erklärt einiges.
Insgesamt hat sich die Fahrt dann über 7,5 Stunden erstreckt, bevor wir schließlich vollkommen fertig angekommen sind und uns sofort auf den Weg zum Büro der bekannteren Busgesellschaft gemacht haben, um unverzüglich unser Rückfahrtticket zu sichern!
Dann haben wir uns ein Taxi genommen, das uns in unser etwas außerhalb, dafür aber ziemlich nah am Strand gelegenes Hotel gebracht hat. Die Unterkunft war wirklich prima für den Preis und hat sich redlich bemüht, die positiven Klischees, die ein westlicher Tourist von Jordanien hat, zu erfüllen (siehe Foto).
Wir haben unsere Taschen schnell in unserem Zimmer abgestellt, vollkommen optimistisch den Bikini unter die Strandklamotten gezogen und sind über die Straße direkt zum Strand gelaufen. Immerhin heißt es überall, Aqaba sei sehr touristisch, da kann man auch mal davon träumen, im Bikini ins Rote Meer zu hüpfen.
Touristisch ist der Strand, an dem wir waren, auch aber die Touristen, die da waren, wären wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen, wenn wir da im Bikini rumgelaufen wären. Denn der durchschnittliche Strandbesucher hat eher vollbekleidet in seinem Zelt, das er für mehrere Tage dort aufgestellt hatte, gesessen und Shisha geraucht oder ist gleich mit voller Montur ins Wasser gegangen. Sogar mit Schuhen. Die brauchte man allerdings auch, sonst hätte man keine 2 Schritte gehen können ohne sich den Fuß aufzuschlitzen. Mülleimer waren zwar vorhanden, ihr Gebrauch wurde aber anscheinend eher verweigert und so fand sich leider allerlei Unrat am Strand, inklusive Scherben.
Aber auch voll bekleidet sind wir an dem übervollen Strand aufgefallen und sogar mehrfach von verschiedenen Leuten gefragt worden, ob sie ein Foto von uns machen könnten… Genauso wurden uns aber auch von einer Familie Getränke angeboten und im Vorbeigehen an einer anderen Familie sind wir angehalten und superfreundlich und sehr detailreich über ihren Stammbaum aufgeklärt worden. Es gibt eben überall auf der Welt solche und solche Leute.
Nachdem wir uns den Sonnenunterfall noch am Strand angeschaut haben (die Sonne war auf einmal so schnell hinter dem Sinai verschwunden, der auf der anderen Seite des Wassers liegt!) sind wir zurück ins Hotel und haben von einer Schaukel aus noch quasselnder Weise etwas auf das Meer sehen können. Traumhaft!
Am nächsten Morgen sind wir ziemlich früh zu einem Privatstrand aufgebrochen, bei dem man zwar Eintritt bezahlen musste, man sich dafür aber im Bikini auf eine Liege unter einen Sonnenschirm an einen sauberen Strand legen konnte. Wie im Paradies! Es war wirklich wunderschön. Meine mitreisende Mitfreiwillige konnte mich dann – Gott sei Dank – auch davon überzeugen, mit der zuvor ausgeliehenen Ausrüstung schnorcheln zu gehen.
Eine wirklich tolle Erfahrung! Wir waren noch nicht wirklich im Wasser drin, da war ich schon fast auf den ersten Fisch getreten. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase und einem mittelschweren Schock, den mir ein Taucher, den ich nicht sofort als solchen identifizieren konnte, eingejagt hatte, hab ich es wirklich genossen. Allein die Vielfalt an Korallen war faszinierend. Alle möglichen Braun- und Grautöne waren natürlich zu finden und zwischen drin quietschgrün und -gelb, genauso wie lila und blau. Unglaublich viele verschiedenfarbige Fische haben ihre Runden gezogen und sich dabei nicht weiter von uns beeindrucken lassen, sodass man sie wunderbar beobachten konnte.
Der drauffolgende Abend, der Ausflug am nächsten Tag in die Innenstadt von Aqaba und die Rückfahrt haben sich wenig spektakulär gestaltet. Nach 3 wunderschönen Tagen und 4 Stunden Rückfahrt waren wir wieder zu Hause und der jordanische Alltag hatte uns wieder.
Ein interessanter Satz, wenn man bedenkt, dass ich „erst“ 5 Wochen hier bin. Aber mittlerweile würde ich sagen, dass ich mich ganz gut eingelebt habe – hier in Amman.
Klingt supertoll, was du erzählst 🙂
Ich wünsch dir noch eine tolle Zeit in Amman, liebe Freya!
Hey, da war wohl jemand schneller im Schreiben, und das trotz Arbeit heute! Da muss ich mich wohl auch mal dransetzen, mir würden schon noch ein paar Details einfallen…
Vielen Dank noch mal, dass du mitgekommen bist – war super schön!
gezeichnet:
„Die Mitreisende“ 😀