Was dich nicht umbringt, macht dich nur stärker – wie sich Freya in Jordanien selbst überwindet

Meine Güte, wie die Zeit vergeht. Jetzt hab ich schon die zweite Woche hier in Amman hinter mir. Ich seh’s schon kommen: schwuppdiwupp ist es Ende Februar, ich bin wieder in Deutschland und hab die Hälfte von dem, was ich hier in Jordanien machen wollte, natürlich nicht geschafft. Gut, dass ich an diesem Wochenende schon einen Punkt abgearbeitet habe: Tu etwas, das du zu Hause NIEMALS machen würdest: Check!

Von meiner lieben Kollegin L., die ja auch bei meinem Pizza-Abenteuer dabei war, hab ich ja schon berichtet. L. und ich verbringen mittlerweile wirklich viel Zeit zusammen. Wir treffen uns in der Mittagspause, gehen zusammen bummeln oder telefonieren zumindest, wenn wir uns nicht sehen, um den Stand der Dinge abzuklären.

L. hat meistens prächtige Ideen, was man alles so machen kann und ich schließ mich immer gerne an. Die Idee für dieses Wochenende war diesmal eher so mittelprächtig. (Wobei, im Nachhinein ist es schon nicht mehr so schlimm wie zum Zeitpunkt des Geschehens. Ist eben doch immer alles eine Frage der Perspektive…)

Da wir beide im gleichen Stadtteil wohnen, in dem sich auch jeweils unser Arbeitsplatz befindet, haben wir vom Rest Ammans noch nicht so viel gesehen (wenn man die Shoppingmalls mal außen vor lässt). Der Plan war, am Samstagnachmittag nach meiner ersten Arabischstunde (davon muss ich an anderer Stelle auch nochmal berichten) in die Stadt zu fahren und einige Sehenswürdigkeiten abzuklappern. Das wäre schön entspannt gewesen und hätte auch neuen Stoff für meinen Blog geliefert.

Den hab ich jetzt allerdings auch so. Denn erstens kommt es anders und zweites als man denkt. Danke Facebook! Für alle die, die nicht in die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten dieser Plattform eingeweiht sind: man kann auf Facebook Veranstaltungen erstellen und andere Nutzer zu diesen einladen.

Es dürfte Mitte letzter Woche, ich denke Dienstagabend, gewesen sein (Wochenende ist hier Freitag und Samstag) als Facebook meiner Kollegin L. mitteile, dass sie zu einer Veranstaltung namens „Hiking to Dam AlArab“ eingeladen war. Kurz darauf klingelt mein Telefon: „Freya, was hältst du davon, am Freitag hiken zu gehen?“ „HIKEN?! … Also ehrlich gesagt gar NIX!“ An den Rest des Gesprächs kann ich mich ehrlich gesagt nicht mehr so genau erinnern, der Schock saß wahrscheinlich zu tief… Sowas hat mich ja noch nie einer gefragt! Ist ja schließlich auch noch nie einer auf die Idee gekommen, mich zu fragen, ob ich nicht mit nach Wacken fahren möchte…

Also irgendwie haben wir uns dann darauf geeinigt, dass ich mir die Veranstaltung auf Facebook mal ansehe. Schließlich war ich auch zu der Veranstaltung eingeladen. Okay. Ich mich also auf Facebook eingeloggt. In der Beschreibung stand „We are going to walk from Um Qais to Dam Al Arab on a hilly landscape. The way is 9 km long. The hike is easy; mainly you will enjoy the wonderful nature of North Jordan.“ Hmmm… klingt jetzt nicht sooo mega schwer. Und vor allem waren die Bilder, die darunter gepostet waren, atemberaubend. Außerdem bin ich ja hier, um etwas von Jordanien zu sehen. Und es ist eine gute Gelegenheit, mal was zu machen, was man sonst nicht machen würde…. Langes Hin und Her … 9km sind jetzt auch nicht so lang und wenn da steht „mainly you will enjoy the wunderful landscape“, dann kann der Trip ja wirklich eigentlich nur „easy“ sein (schließlich ist er auch als solcher beschrieben). Okay also gehen wir hiken…

Um Qais - Starpunkt unseres Hikes

Um Qais – Startpunkt unseres Hikes

Tja, da gab es dann nur noch das Problem mit der Ausrüstung. Ich hab zwar 9 Paar Schuhe mitgenommen, um für (fast) jede Gelegenheit gerüstet zu sein (NEIN, das sind nicht zu viele!), aber mit keinem von denen hätte ich hiken gehen wollen. Auch kein Problem, wir gehen Schuhe nach der Arbeit kaufen.

Doch ein Problem! Denn erst einen Fußmarsch, eine Taxifahrt und noch einen etwas weiteren Fußmarsch, auf dem ich auch die ersten Kamele hier in Jordanien gesehen habe (mitten in der Stadt neben der Citymall!!) später, haben wir ein Geschäft gefunden, das Hikingschuhe für Damen führt…. Das hatte nichts mehr mit entspanntem Shopping zu tun. (Hätte man schon als schlechtes Omen nehmen können…) Dafür waren wir dann umso happyer, als es endlich geklappt hatte und ich die ersehnten Teile in der Hand/ am Fuß hatte.

Okay, spätestens jetzt gab es kein Zurück mehr. Also waren wir am nächsten Morgen, wie in der Beschreibung gefordert, pünktlich um 7.30 Uhr am Treffpunkt. Nur außer uns war eben noch keiner da. Und die Abfahrt, die „sharply“ um 8 sein sollte, verzögerte sich auch ein wenig nach hinten. Ja, die „German Pünktlichkeit“ steckt dann irgendwie doch tief in einem drin….

Laut Beschreibung sollte die eigentlich nicht so weite Fahrt 2 Stunden dauern. Und kaum waren wir raus aus Amman, wussten wir auch warum. Die Strecke war unglaublich hügelig, der Bus nicht von der allerneusten Sorte und die Straße ungefähr von der Qualität wie die A9 zwischen Hof und dem Hermsdorfer Kreuz, nur enger.

Am Ziel angekommen, stiegen wir auf einem Parkplatz aus. Auf Anraten einer Teilnehmerin, die schon öfter in Jordanien unterwegs war, sollten wir noch einmal alle auf Toilette gehen. Schließlich ist das eine der besseren hier. Es stellte sich später heraus, dass das die Einzige für die nächsten 6 Stunden war. Und „besser“ ist wie immer auch ein eher dehnbarer Begriff: Immerhin gab es in 2/3 der Kabinen Schüsseln und nicht nur ein Loch im Boden, die Toilettenfrau hat einen freundlich darauf hingewiesen, dass es kein Toilettenpapier gibt, und mithilfe eines halbvoll gefüllten Kartoffelsalateimers die nicht vorhandenen Spülungen ersetzt. Also alles easy.

"easy going" AufstiegDann ging es los! Mein erster Hike. Und vermutlich mein letzter. Denn was dann folgte, war irgendwie nicht mit meinen Vorstellungen von „easy“ und „enjoy the landscape“ vereinbar. Also die Landschaft war mehr als super. Aber das Wetter war es leider auch. Tut mir für alle leid, die jetzt im kalten Deutschland sitzen, aber die Sonne war wirklich ätzend. Eine Hitze – unglaublich. Und dann noch der „easy“ Hike, der zunächst mal einen mega steilen und mit Dornenbüschen bewachsenen Berg hochführte (gut, dass ich nur ’ne knielange Hose anhatte), den wir eher hochgeklettert als gelaufen sind. Nur um dann nach einer kleinen Pause (dafür aber mit super schönem Ausblick) auf der anderen Seite wieder runter zu klettern…

 

Unten angekommen mussten wir an einem „Nomaden“-Lager vorbei. Während ein Teil von uns damit beschäftigt war, sich gegenüber den nicht angeleinten Wachhunden mithilfe von fliegenden Steinen zu behaupten, konnte der Rest zu den Zelten vordringen, um den Leuten etwas Milch abzukaufen. Nachdem wir dann aber an der Flüssigkeit gerochen hatten, waren sich alle relativ schnell einig, dass man die Milch vielleicht doch besser erst abkochen sollte.

Dann ging es weiter durch eine Olivenbaumplantage auf ein Plateau zu. Um dort festzustellen, dass das irgendwie der falsche Weg ist. (An dem Punkt war ich schon bedient! Für ein Kamel oder ’nen fliegenden Teppich hätte ich an der Stelle fast alles gegeben. Und wir hatten erst geschätzte 4 km hinter uns…) Also runter von dem Plateau und durch ein trockenes Flussbett durch. So trocken war das Flussbett dann aber leider doch nicht. An der Stelle, an der wir wieder raus wollten, war nämlich Wasser im Weg und es war klar, dass wir schon wieder umdrehen mussten.

IMG_7125Das war auch der Moment, an dem die Stimmung endgültig kippte. Alle waren fertig mit der Welt, hatten einen knallroten Kopf (da haben auch sämtlichen Varianten von Kopfbedeckungen – ich selber habe mein Tuch zum Kopftuch umfunktioniert –  nix geholfen), bei den meisten waren die Wasservorräte aufgebraucht und die Sonne tat ihr Übriges und hat bei einigen akute Übelkeit und Kopfschmerzen ausgelöst! Nur unser Guide war nach wie vor bester Laune. Er ordnete eine kurze Pause an und beschloss dann, ein Stück des Weges wieder zurückzugehen, um dann über den Berg hinweg „abzukürzen“. Aha. Blöderweise war diese Abkürzung – wie alles zuvor auch schon – offroad, also ohne Trail oder Weg oder sowas… Prima! Der Höhepunkt war dann erreicht, als alle diejenigen mit kurzen Beinen (dreimal dürft ihr raten, wer damit auch betroffen war) auf der Mitte des Berges vom Guide mehr oder weniger über eine bestimmte Stelle geworfen wurden und auf der anderen Seite von einem anderen aufgefangen wurden.

Auf dem Berg angekommen war dann endlich eine Straße in Sicht und in Anbetracht der akuten Gemütslage aller Teilnehmenden (nach 5 Stunden Wanderung für „9km“) hat sich der Guide dazu durchgerungen, den Busfahrer anzurufen, damit der uns abholt. Hat auch nur knappe 60 Minuten gedauert. Dann war er schon da! In der Zwischenzeit waren einige von uns zu einer an der Straße gelegenen Hühnerfarm gegangen, um nach Wassernachschub zu fragen. Den haben sie dann auch bekommen. Ich weiß nur nicht, woher… Ich muss mich vielleicht morgen bei denen, die davon getrunken haben, umhören, wie es ihnen geht.

Nach 2,5 Stunden Rückfahrt und einem kurzen Versorgungsstop in Irbid waren wir dann wieder in Amman. Alle abgesehen von ein paar Kratzern, Kopfschmerzen und Spreißeln in der Haut unversehrt.

Rückblickend war’s auf jeden Fall eine Erfahrung! Wahrscheinlich eher ein echtes Abenteuer! Ich hab tolle Menschen kennengelernt, eine wunderbare Landschaft genossen (zumindest dann, wenn ich gerade nicht krampfhaft darauf achten musste, wo ich hintrete) und mich ein bisschen selber überwunden.

Mal sehen, was meiner lieben L. für nächstes Wochenende einfällt. Ich bin gespannt!

 

 

3 Gedanken zu “Was dich nicht umbringt, macht dich nur stärker – wie sich Freya in Jordanien selbst überwindet

  1. Yallah! ja, tatsächlich ist alles eine Frage der „Perspektive“.. die Wanderung war wirklich etwas komisch und verglichen mit denen, die ich zumindest bis jetzt im Schwarzwald, Rheinsteig etc. durchgemacht habe, sehr… erkunderisch 😀 In Deutschland darf man ja teilweise auch nicht von den Wanderwegen weg! Hier.. nein, hier kann jeder Quer durchs Land und die Felder laufen, oder mit einer Esel reiten, wie eben die Kinder, die uns entgegengekommen sind und ausgelacht hatten.
    Naja, Freya hat die Wanderung schon sehr gut beschrieben, aber ich würde wagen zu sagen, dass das nur 50% von dem war, was man noch alles erzählen kann… Das mit den Würmern, die austrocknen und aussehen wie Plastikteile, dass wir einen „Fossil“ gefunden habe, dass unser Guide uns gesagt hat am Ende, der Bus käme nicht zu uns, sondern wir müssten bis zum nächsten Berg über die Canyon wieder laufen etc. und die darauf folgende Kollektivkrise 🙂 Ein wirklich sehr eindrucksvoller Tag war es, und ich war soooooo happy, dass Freya mit mir da war um das mit mir tu teilen. Nächstes Wochenende nehmen wir es hoffentlich etwas entspannter…

  2. Wow Freya, ein wirkliches Abenteuer hast du da hinter dir! Aber ich bin froh, dass du alles „relativ“ unbeschadet überstanden hast! Cuidate! :-*

    • Also mir und Carmen ging es an unserem ersten Wochenendausflug aehnlich. Unsere Chefin hat uns zum Wandern in den Bergen von Ajloun eingeladen. Unglueckerlicherweise war ich eine derjenigen, die Deinem Beitrag zu Folge offensichtlich an einem Sonnenstich litten. Ich bin zwar eh kein Warm-Wetter-Mensch, werde aber auch so gut wie nie krank. Habe dann nach 5-stuendiger Wanderung den Grossteil der Rueckfahrt verbracht mich zu bemuehen meiner Chefin nicht ins Auto zu k****n. Hatte mich schon lange nicht mehr so elendig gefuehlt. Fazit der Geschichte: Wandern germe wieder, aber nur in den kaelteren Monaten. Wir Westler sind eben nichts gewoehnt!

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