Was ist das eigentlich mit diesem Ende? Nie war die Landschaft schöner als beim letzten Wochenendtrip, nie haben die Kinder mehr lustige Dinge gesagt, nie größere Fortschritte gemacht, gerade jetzt sind die Kollegen einfach großartig und überhaupt, warum vergeht die Zeit plötzlich so schnell? Ich muss doch noch das erledigen und hier wollte ich unbedingt nochmal hin und mit dem muss ich mich noch treffen, ein Sundowner muss auf jeden Fall noch drin sein und war das jetzt wirklich schon der letzte Abend im Warehouse? Das letzte Mal Independence Avenue, das letzte Mal mit den Einkäufen den Berg hochhecheln? Man soll gehen, wenn es am Schönsten ist. Ernsthaft? Was ist das denn für ein schlechter Spruch? Oder ist es gerade dann am Schönsten, weil man geht? Damit diese Erinnerungen die nicht so guten Tage überlagern und sie im Schatten der Schönheit letzter Tage verblassen lassen?
- Ganz viel Landschaft und Weite
- Fish River Canyon – wenig Fisch, wenig Fluss, viel Canyon
- Drei Verwehte äh Verwegene
- Mein neues Zimmer! Ach nein, doch nicht.
- Die Tür zur Wüste. Geisterstadt Kolmanskop
- Lüderitz – ein Sonnenuntergang.
- Sonnenaufgang KdL-Style
Jedenfalls. Die Zeiten der lustigen Blogeinträge über miese Moskitomossies sind vorbei. Ich werde wieder von Mücken gestochen. Esse wieder dunkles Vollkornbrot (Danke, Rita!), atme betörenden Bäckereiduft und friere mir in klarer nach Gülle riechender Oktoberluft den Popo ab. Das ist nicht unbedingt schlecht. Aber irgendwie bin ich noch nicht wieder richtig angekommen. Klar, das Flugzeug ist gelandet, mein Körper ist ausgestiegen, hat sich mittlerweile mit der Luftfeuchtigkeit abgefunden (Cremetöpfe adé, die Stirn fettet wieder fröhlich vor sich hin) und selbst mein Koffer ist – nach verlängertem Aufenthalt in London – bei mir angekommen und über kurz oder lang ausgepackt worden. Alle haben’s geschafft, nur der Kopf, der kommt nicht so ganz mit. Mein Gehirn hängt immer noch viel zu oft in Windhoek rum, will in den Kindergarten gehen, mit den Kindern spielen und den Kollegen lachen, im Warehouse Karaoke singen, Fotos angucken und alte Blogeinträge lesen, es steuert meine Beine auf die linke Gehwegseite, auch wenn das ein Leben auf Kollisionskurs bedeutet und versucht verzweifelt, wieder das Kaninchen im Mond zu sehen. Dafür muss es sich aber fürchterlich verrenken, denn hier hockt der Mann da oben und nur wenn man den oder eben sich selbst auf den Kopf stellt, sieht man wieder das Kaninchen.
Manchmal möchte ich es dann packen, das Gehirn, einmal ordentlich schütteln (Ja, Frau J., ich habe im Seminar aufgepasst und weiß, was Schütteltraumata mit Gehirnen anrichten können. Aber nur einmal, ganz kurz, ein klitzekleines Bisschen? Bitte?), mit der Faust auf den Tisch hauen und es anschreien, ob es sich bitte mal beruhigen könne, schließlich hätten wir jetzt wieder hier ein Leben, das es zu leben gäbe. Blöd, wenn das Herz da auch noch munter mitmischt, sich aber nicht so richtig entscheiden kann und deshalb im einen Moment aufgeht, weil wir in Rostock sind, endlich wieder das Meer und unsere Freunde sehen, weil das Herbstlaub so schön raschelt und die kleine Nichte ganz bestimmt das goldigste und klügste und überhaupt Kind (so schnell hatte sicher noch überhaupt niemand so viele Zähne!) auf der ganzen Welt ist, im nächsten Augenblick dann aber dem Hirn zuruft, bitte ganz viele Erinnerungen durchrattern zu lassen, weil es das sich Sehnen nicht sein lassen kann.
- Samstag, Sonne, Freunde, Balkon, Bierchen…
- …alles gut.
- Rostock. So schön.
- Meer
- Aasee-Idylle
- Aasee-Idylle
- Hängemattenrumgehänge
- Wir können auch Sonnenuntergänge!
Und was mache ich? Ich stehe bedröppelt dazwischen, hebe manchmal zögernd die Hand und versuche vorsichtig, etwas zu sagen (bin wohl doch nicht so der Mit-der-Faust-auf-den-Tisch-Hauer), lasse es dann aber lieber sein, denn eigentlich weiß ich ja auch nicht, was ich will. Sonst war Hesse der, der wusste, wo’s lang geht und wie das ist mit Neuanfängen. Hat doch bis jetzt immer super geklappt mit dem Zauber. Aber an diesem Neuanfang ist gerade so gar nichts zauberhaft. Der ist grau und nebelig und bergig und verdammt anstrengend und das finde ich total blöd, weil bis jetzt all meine Anfänge gar nicht so waren, ob Litauen oder Rostock oder eben Namibia. Und weil ich ein anfangsverwöhnter, aber auch superreflektierter Mensch bin (Danke Studium, danke kulturweit!), weiß ich auch, dass ich das Ganze in meinem Gehirn und in meinem Herzen in die richtige Perspektive rücken, dem Anfang hier eine Chance geben muss, damit sein Zauber bei mir wirken kann.
Kommt Zeit, kommt Rat? Für heute lassen wir das mal mit den klugen Sprüchen. Nur eins weiß ich, nämlich, dass das hier noch nicht der letzte Beitrag sein kann in diesem Blog. In dem werde ich nämlich mit Abstand zurückblicken auf dieses einmalige Jahr mit seinen Höhen und Tiefen, vor euch ausbreiten, was das mit mir gemacht hat und wie ich mich verändert habe und was ich alles gelernt habe und wie ich jeden Tag zur Völkerverständigung beitragen konnte und ich werde kluge, zusammenfassende Worte dafür finden, wie es ist, das Leben in einem afrikanischen Land, von dem man hier in Europa so vage Vorstellungen hat (Afrika halt, ne), das aber jeden Tag auf’s Neue anders um die Ecke kommt und sich nicht in Grenzen pressen lässt, weil es eben so ist, das Leben. Überall auf der Welt.
Bis dahin: Kisten packen, Kopf aufräumen, Bergsteigen trainieren und den Rest der Zeit überlassen. (Ist halt doch was Wahres an diesen Sprüchen. Deshalb sind sie so nervig.)














