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Hinter Gittern – Der Praktikantenknast

Windhoek, Nähe Ausspannplatz. Eine Mauer, ein Elektrozaun, ein Stacheldraht. Dahinter: Ein Haus. Gitter vor den Fenstern, die Türen abgeschlossen, teilweise zusätzlich mit Vorhängeschlössern versehen. Innen: Zwei Flure, von denen dunkelbraune Holztüren in Ein- und Zweibettzimmer abführen. Zwei Küchen Eine Küche und eine Abstellkammer, die die Bezeichnung Küche nicht verdient hat (nur weil da zwei Herdplatten, ein Kühlschrank und ein Waschbecken stehen, ist das noch lange keine Küche). Nein, das ist nicht das namibische Staatsgefängnis, das ist das Haus, in dem die DHPS ihre Praktikanten unterbringt.

20:53 Uhr. Türkische (Schlacht- oder Freuden-, das bleibt offen) Gesänge hallen über den Flur. Anhaltendes Gelächter aus Zimmer D. Nebenan hört man die Klospülung. Und natürlich auch die Aktivitäten, die solch einer Spülung vorausgehen, denn hier bleibt einem nichts vorenthalten. Aber was mir nicht erspart bleibt, kann ich zumindest dem werten Leser verschweigen. Literarische Freiheit oder wie man das nennt. Irgendwo heult mal wieder eine Alarmsirene, interessieren tut das schon lange keinen mehr. Kann mal endlich jemand den Aus-Knopf drücken?

Doch nicht nur die Geräuschkulisse bietet immer wieder Grund zur anhaltenden Freude, auch die sozialen Geflechte, die in einer Wohngemeinschaft von vierzehn Männlein und Weiblein wachsen, sorgen für mehr Unterhaltung als so manches Vorabendprogramm im Privatfernsehen. Wer mit wem wann wo gesehen wurde, wer bei wem in welchem Zimmer und welcher Zimmernachbar mal eben ins Wohnzimmer verbannt wird (oder auch freiwillig weicht) um den Turteltäubchen ganz selbstlos ein wenig Quality-Time zu gewähren, sind nur einige der Fragen, die man täglich neu klären könnte. Sturm der Liebe und GZSZ sind nichts dagegen!

Und dann natürlich auch noch die ganz alltäglichen Leiden des WG-Lebens in kumulierter Form. Das, was man sonst mit zwei, drei oder auch mal vier Mitbewohnern ausdiskutieren muss, gleicht hier schon einer Konferenzsitzung (bzw. würde gleichen, in Wirklichkeit hat so etwas noch nie stattgefunden.) Es sind immer die Gleichen, die verschmutzen und die Gleichen, die putzen. Regulationsversuche wie Schilder über Waschbecken oder Arbeitsflächen, teilweise in freundlich-anregendem Ton mit pädagogisch wertvollen Smileys, teilweise in militärischer Befehlsform mit Betonungs-Unterstreichung auf dem SOFORT (da ist wohl mittlerweile jemand hoffnungslos und verzweifelt) können im Fach „versucht und gescheitert“ abgelegt werden. Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass die Schule jeden Tag Reinigungskräfte zu uns schickt, die reinigen und uns somit den Untergang im eigenen Dreck ersparen. Das Experiment Praktikantenknast bestätigt das, was Soziologiedozenten dozieren würden: Wenn ich für etwas nicht bezahlen muss, gehört es nicht mir und ich fühle mich nicht dafür verantwortlich. Warum sollte ich die Waschbecken putzen, die andere mit Zahnpasta/Haaren/Zahnpastahaaren (Leute! Neun langhaarige Mädels mit gefühlt krankhaftem Haarausfall auf einem Haufen, wir könnten eine Perückenfirma gründen! Und damit reich werden, die wollen hier doch alle unsere Haare.) verschmutzt haben und es wieder tun werden? Und mein Geputze wird dann auch noch als selbstverständlich oder – noch schlimmer – gar nicht wahrgenommen? Da spucke ich meine Zahnpasta lieber obendrauf und warte auf das chemische Wunder der Haarzersetzung durch Zahnpasta. Könnte ja passieren, früher oder später.

Aber dann sind da ja auch noch die lustigen Seiten. (Nein, wir schlagen uns nicht nur mit Besen die Köpfe über riesigen Staubhaufen ein.) WG-Braais, gemeinschaftliches Sonntagabend-Tatort-Gucken, Ausflüge, Spiel (Flunkyball) und Sport (Basketball) unterm Sternenhimmel, epische Küchenpartys und ganz viel Liebe, auch das hat man davon, wenn man mit dreizehn anderen jungen Erwachsenen das Abenteuer Afrika erlebt. Und der Mensch ist so ein anpassungsfähiges Wesen, dass es schon wieder faszinierend ist, wie schnell man die Geschirrhaufen in der Spüle als bereicherndes Dekorationselement wahrnimmt. Da war doch Tine Wittler am Werk!

 

Außerdem habe ich elf Moskitostiche an EINEM Fuß, von dem anderen fang ich gar nicht erst an. Ich sags nur.

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