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Ostereiersuche in Südafrika

Warnung: Dies ist einer dieser langatmigen und ausschweifenden Reiseberichte, bei denen man nach fünf Minuten einschläft, weil man nicht selbst dabei gewesen ist. Wem die Augen zufallen, Bildchen angucken.

Zwei Wochen Osterferien: Wer bleibt da schon in Windhoek? Aus unserer WG jedenfalls niemand. Privilegierte Praktikanten, möchte man sagen… Während die einen sich auf den Weg Richtung Norden machten (zehn Leute in zwei Autos, da hab ich doch gleich dankend abgewinkt. Außerdem war ich da ja schon längst.) setzten Isabell und ich auf Zweisamkeit und machten uns auf wie Maria und Josef, zwar nicht nach Galilaea und auch nicht zu Fuß, aber eben zu zweit, und zwar nach Südafrika. Zwei Wochen Kapstadt und die Garden Route entlang (eine Region an der Südküste Südafrikas), genauer Plan: keiner.

Karfreitag ging es am späten Nachmittag mit dem Intercape Sleepliner (lies: Bus, in dem man die Sitze nach hinten klappen kann, was bedeutet, dass man 22 Stunden mit einem DSC02179Rentnerkopf unter der Nase verbringt) und ohne jegliches Proviant außer unseren Wasserflaschen (ach, Karfreitag ist ja ein Feiertag! Da haben die Läden ja gar nicht offen! Rückständiges Namibia.) los Richtung Cape Town, der Stadt am Kap. Zur Fahrt an sich gibt es nicht viel zu sagen, man ist halt jung, da macht man solche Eskapaden schon mal mit. Das biblische Unterhaltungsprogramm in den Busfernsehern war…biblisch.

Nach 22 Stunden Ankunft in Kapstadt. Es gibt Bürgersteige! Überall! Und so richtige Hochhäuser, nicht nur an einer Straße! Und Cafés und Restaurants, die auch an Feiertagen nachmittags UND abends geöffnet haben! Da tauchten wir natürlich gleich ganz tief ein in das Leben als Tourist in der Zivilisation: Stadtrundfahrt im Hop-on-Hop-off-Touri-Bus, Sekt-Cruise auf dem Katamaran Richtung Sonnenuntergang, an der Wasserkante den Tagesfang, den man am Vormittag noch im Aquarium bewundert hatte (Yellowtail hinter Fensterglas vs. Yellowtail auf Teller) mit lecker Weinchen genießen, Ostermontag am weißen Sandstrand chillen und abends auf der Longstreet* richtig fette Party machen. *(Longstreet = lange Straße, auf der es so viele Kneipen und Bars nebeneinander gibt wie insgesamt in Namibia.)

 

Eine besondere Aktion, der man durchaus einen eigenen Abschnitt widmen darf, war unser Aufstieg auf den Tafelberg. Die sonnigen Tage ließen wir ungenutzt vorüberstreichen, am letzten möglichen Tag für einen Aufstieg quollen natürlich Wolken von oben runter. Die Seilbahn, die weniger ambitionierte Hobbyhiker an sonnigen Tagen nach oben bringt, hat heute aufgrund der Wetterbedingungen (!) geschlossen. Davon lassen sich hart gesottene und erfahrene Alpinisten aber nicht abschrecken. Ausgerüstet mit hochwertiger, eigens dafür angeschaffter Funktionskleidung T-Shirt, Sonnenbrille und Handtasche gings los. Der Taxifahrer, der uns zu unserem Startpunkt bringen sollte, war zunächst verwirrt, weil er dachte, er sollte uns bis auf den Tafelberg rauffahren (was unmöglich ist, da dort keine Straße hinführt), dann war er verwirrt, weil er nicht glauben konnte, dass wir wandern können („you wanna hike?? really?? like real hiking??“) und setzte uns dann aber doch am richtigen Startpunkt des Wanderweges ab. Der Blick nach unten: Wundervoller Sonnenschein, blauer Himmel, blaues Meer, bisschen windig vielleicht (fühlt sich jedenfalls in den Haaren so an). Der Blick nach oben: Oha. Ungemütlich? Grau? Bedrohliche Wolken, die über die Bergkante quellen? – Aaaach, von sowat lassen wir uns nich abschrecken!

 

Es geht bergauf. Je weiter wir nach oben kommen, desto kälter wird es. Hat man da nicht mal was in Physik oder Chemie oder Bio oder so gelernt? Die Sonne verschwindet, der Himmel verdunkelt sich, dicke Nebelschwaden winden sich durch die Schlucht und bedrohen uns. Wir wären irgendwie nicht überrascht, wenn gleich dahinter die apokalyptischen Reiter kämen. Zwischendurch begegnen uns einige wenige vermummte Gestalten, die bereits aufgegeben haben, der Berg hat sie besiegt und sie fliehen so schnell sie können nach unten. Wir nicht. Unsere Funktionskleidung wärmt so gut, wie es die Werbung verspricht und unsere Orientierung führt uns trotz Sicht unter 10 Meter sicher auf das Plateau des Berges.

 

Oben fühlen wir uns wie Frodo und Sam in den Nebelsümpfen vor Mordor oder in irgendeiner anderen Fantasy-Landschaft, in der der Held der Geschichte gleich in eine große Gefahr gerät. Wir haben das Plateau ganz für uns allein, mit niemandem müssen wir die spektakuläre Aussicht auf Wolken teilen. Dann reißt der Himmel auf und gewährt uns atemberaubende Blicke auf Kapstadt, die Buchten und den Atlantischen Ozean. Die Strapazen und Entbehrungen der letzten (zwei) Stunden haben sich gelohnt. Wir genehmigen uns ein stärkendes Mittagessen zusammengekauert zwischen Felswand und Mauer, nutzen die wenigen Wolkenlücken für spektakuläre neue Profilbilder und treten dann mit neuem Mut den Rückweg an. Wieder durch Nebelbänke und eisige Winde, die durch die Schlucht heulen, aber mit dem Wissen, dass unten die Sonne auf uns wartet, klettern wir (nach halbem Weg mit zitternden Knien und Oberschenkeln) die natürlichen Steinstufen (von Riesen angelegt) hinunter. Mission Tafelbergbesteigung erfolgreich überstanden! (Den Muskelkater nach einigen Tagen auch.)

 

Für die nächsten neun Tage haben wir uns ein putziges kleines grünes Auto gemietet: Luigi, der Italiener unseres Vertrauens. Unser erstes Ziel ist Stellenbosch, danach: Malgucken (ein wunderschönes südafrikanisches Fleckchen, wie wir in diesem Urlaub mehrmals feststellten). In Stellenbosch wurde selbstverständlich eine Weintour gebucht. Nach 2 Weingütern, 9 Rotweinen (Merlot und Schiraaaassss und wie sie alle heißen), 3 Weißweinen und einem Sektchen genossen wir auf dem dritten Weingut nur noch das Bouquet der Weinstöcke und die Aussicht im Abgang. Und ja, wir haben von den Spuckeimern Gebrauch gemacht und nicht alle Gläser komplett leer getrunken. Merlot- und Chiraz-Trauben mixt man besser nicht, ein Fieldblend von Merlot und Cabernet-Sauvignon ist dagegen sehr zu empfehlen. Je gelber der Wein, desto süßer und roter Dessertwein ist gar nicht mal so lecker. Wir haben viel gelernt!

 

Dann lasen wir in unserem Backpacker-Ratgeber nach, wo Luigi uns hinfahren soll. Wilderness, das klingt so nach wilder Schönheit, ein gutes Ziel. Und der Name verspricht nicht zu viel: Wir biegen um die letzte Kurve des ganz schön steilen Bergpasses und vor uns erstreckt sich ein langer, menschenleerer Sandstrand, an dem hohe Wellen brechen, Gischtnebel liegt in der Luft, Sonnenstrahlen brechen sich in den Wassertropfen und scheinen auf die bewachsenen Hänge, die der Bucht einen grünen Rahmen geben. (Hach. Wie idyllisch das klingt. Ich denke über eine Karriere als Reisebroschürenverfasserin nach.) Unser Hostel liegt direkt über dem Strand, von den Holzterrassen blickt man auf die Bucht und das Wellenrauschen wiegt uns in unserem Stockbett mit Meerblick in den Schlaf (nachts merkt man dann, dass die Romantik ganz schnell geht, wenn die Kälte kommt. Junge, haben wir gefroren!).

 

Von hier aus machen wir einen Tagesausflug zu den Cango Caves, Tropfsteinhöhlen mit Stalagtiten und Stalagmiten, viel zu vielen Touristen und einem Reiseführer, der lustig sein wollte und das nicht geschafft hat. Aber so ne Höhle ist an sich schon eher von der beeindruckenden Sorte und die Fahrt über kurvige Bergpässe war auch klasse.

Anschließend nahmen wir den Rat der Hostel-Chefin an und erkoren “Plett” Plettenberg Bay zum nächsten Zwischenhalt unseres Roadtrips. Da war es auch schön. Ein verregneter Nachmittag mit gutem Buch und Kaffee vor dem Kamin unseres neuen Lieblingshostels und ein Sonntag mit Deluxe-Frühstück und anschließender fünfstündiger Wanderung über die Robberg-Halbinsel (bei Interesse an Naturbeschreibungen siehe Bilder und die Kommentare zu Wilderness plus Robben, die sich im Wasser tummeln) machen den Aufenthalt hier zu einem ebenfalls unvergesslichen Erlebnis.

 

Die dominierenden landschaftlichen Eindrücke dieser Reise sind grüne Berge, weiße Sandstrände und türkisblaue Buchten des Indischen Ozeans. Da macht auch unser nächster Halt im Nature’s Valley im Wild Spirit Backpackers keine Ausnahme. Beim Hostel ist der Nomen das Omen: Sehr viele sehr freie und wilde Geister auf einer Farm inmitten von Mutter Natur. Das Erste was wir zu Gesicht bekommen, sind barfüßige Typen mit Bart und langen Haaren, die an ihrer Selbstgedrehten ziehen und dabei ganz eins sind mit der Natur und ihren Mitmenschen. Wir teilen uns unseren Schlafsaal mit Fledermäusen und lernen Jay/J kennen, einen hageren, bärtigen Amerikaner, der das Laufverhalten des Jaguars mit dem des Menschen vergleicht, dazu Laufstudien an sich selbst am Strand vornimmt und mir außerdem wertvolle Tipps zur Vermittlung mathematischer Konzepte von Addition und Subtraktion im Kindergarten geben kann. Die wassersparenden Duschen sind so wassersparend, dass überhaupt kein Wasser rauskommt, deshalb machen wir uns auf zum Wasserfall im Wald mit natürlichem Badepool, in dem ein Bad sehr erfrischend sein soll. Auf dem Weg dorthin rennen plötzlich Paviane/Poviane/Bobbejane/Baboons in einem Affenzahn (Hahahaha. Welch ein Wortspiel.) an uns vorbei (Isabells Kommentar: “Ach, das war nur ein Hund!”) und lauern uns am Wegesrand auf. Da ich meine Steinschleuder (welche Vorahnung, meine lieben Freunde!) leider nicht dabei hatte, treten wir unauffällig, aber zügig den Rückzug an. Dafür spielen wir dann am nächsten Tag selber Affen und sausen auf der Canopy-Tour an langen Drahtseilen durch die Baumkronen des Urwaldes im Tsitsikamma-Nationalpark.

 

Die Duschen sparen immer noch Wasser und so treten wir am nächsten Morgen ziemlich vergammelt den Rückweg Richtung Cape Town an, letzter Zwischenstopp: Hermanus. Hier sieht man im Sommer Wale, wir stellen sie uns einfach vor. Hermanus ist ebenso grün, blau und weiß wie die Küstenlandschaft bisher und wir verbringen eine gemütliche Nacht in einem ziemlich coolen Surfer-Hostel mit ziemlich coolen Surfer-Typen und einer unglaublich fetten Katze (vielleicht kriegt sie aber auch zehn flauschige Katzenbabys).

 

Dann beginnt der letzte Tag unserer Straßenfahrt. Natürlich haben wir uns hierfür ein weiteres Hochlicht südafrikanischer Landschaft aufgehoben: Wir fahren direkt an der Küste entlang bis zum Kap der Guten Hoffnung. Die Strecke ist eindeutig der schönste Abschnitt unserer Fahrt, hinter jeder Kurve (und davon gibt es viele) lauert ein neuer spektakulärer Blick auf Meer, Klippen und Sonnenglitzern.

 

Je näher wir Kapstadt und seinen vielen Küstenvororten kommen, desto mehr weiße Autos und Feiertagsausflügler gesellen sich in dieses Bild und machen das Autofahren gleich viel weniger spaßig. Schließlich stehen wir aber doch am Cape Point und am Cape of Good Hope (ja, es gibt da auch noch verschiedene Kaps! Verwirrend.) und spüren den Wind in den Haaren und sehen die Wellen an den Klippen zerschellen an diesem Ort, der für mich immer der Inbegriff von Fernweh und Abenteuer war. Abenteuerlich sind an diesem Tag zwar eher die Menschenmassen, mit denen wir diesen magischen Moment teilen müssen, trotzdem ist es ein würdiger Abschluss unseres Urlaubs.

 

Wer bis hierhin durchgehalten hat (oder wieder einsteigt), der soll wissen, dass uns der Intercape heil wieder nach Windhoek gebracht hat (diesmal ohne biblisches Unterhaltungsprogramm aufgrund eines kaputten DVD-Players) und der Alltag schon seine Fänge nach uns ausstreckt, während wir noch Fotos sortieren, unseren Roadtrip-Hitmix hören und versuchen, diese epischen zwei Wochen in einen Blogeintrag zu pressen. Die schwere Geburt ist hiermit überstanden und das Kind ist wirklich sehr lang. Seid nett zu ihm, es kann ja nichts dafür.

 

 

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