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Hä? Oshidingsbums?

Namibia ist ein Vielvölkerstaat. (Kannste bei Wikipedia nachlesen. Wikipedia ist super, wenn das heimische Bücherregal nicht in Reichweite ist.) Das heißt: Hier wohnen ne Menge Menschen. Ok, das ist jetzt ein bisschen übertrieben, wenn man bedenkt, dass Namibia die geringste Einwohnerdichte der Welt hat (Schätzung nach Doro, März 2014) und die Hauptstadt mit 300.000 Bewohnern gerade mal Rostock Konkurrenz machen kann (ich erinnere mich noch an die euphorischen Plakate, mit denen die Hansestadt ein Baby begrüßte – “Wir sind wieder 200.000!” – Herzlichen Glückwunsch.), aber dafür sind Karte Namibiadie Menschen hier alle total unterschiedlich, also abgesehen jetzt von der individuellen Individualität eines jeden Einzelnen von uns. Hier wohnen Herero und Himba und Nama und San und Owambo und Namibiadeutsche und noch einige mehr und die sprechen alle wunderschönes Englisch (How are youuu, ne?) und außerdem aber natürlich auch noch* ihre ganz eigene Sprache. Und damit stehe ich vor einem kleinen Dilemma. Kulturweit hat mir aufgetragen, einen Sprachkurs zu besuchen. Ich als sprachbegeisterte und –begabte Person natürlich voll enthusiastisch, cool, noch ne Sprache lernen, mit der ich dann voll eintauchen kann ins Leben hier und mit allen kommunizieren und so… Die Euphorie legte sich bei meiner Ankunft, als ich merkte, hm, ich brauche irgendwie nur Deutsch und Englisch. Mist aber auch. Und wenn ich einen Sprachkurs belege, muss ich mich auch noch zwischen Nama und Afrikaans und Otjiherero und Oshiwambo entscheiden. Schwierig! (Nama ist cool, weil’s da Klicklaute gibt, Afrikaans fetzt, weil es nur einen Artikel kennt und Otjiherero kann man immer gebrauchen, macht sich halt auch gut im Lebenslauf.)

Aber ich habe es geschafft, dieses Dilemma für mich zu lösen und versuche nun seit Anfang Februar, mich des Oshiwambo zu bemächtigen. Oshiwambo ist eine Bantu-Sprache der Owambo, die im Norden Namibias wohnen und ganz groß im Windhoekschen Taxigewerbe involviert sind. Also dachte ich mir, ist doch ganz praktisch, wenn man hinten drinsitzt und versteht, wie der Fahrer sich grad mal wieder über die dumme weiße Touristin lustig macht  – oder meine Schönheit bewundert. Kann ja auch sein. Und so habe ich nun zweimal in der Woche einen Termin bei Immanuel, der uns in die Weiten des Oshiwambo einführt.

Halt, Oshiwambo? Nein! Oshiwambo ist nicht gleich Oshiwambo! Da gibt’s Dialekte! Insgesamt acht, denn Owambo ist eigentlich nur der Sammelbegriff für acht Stammgruppen, die alle superlustige Namen haben. Achtung, los gehts: Die Aandonga sprechen Oshindonga, die Ovakwanyama sprechen Oshikwanyama, die Aakwambi sprechen Oshikwambi, die Aangandjela sprechen Oshingandjela, die Aambalanhu sprechen Oshimbalanhu, die Aakwaluudhi sprechen Oshikwaluudhi, die Aakolonkadhi sprechen Oshikolonkadhi und die Ovambadja sprechen – na, wer hat’s verstanden? – richtig, Oshimbadja. Wer schon nach Oshikwanyama abgeschaltet hat, kein Problem, laut unserem Lehrer sind Oshindonga und Oshikwanyama die beiden Hauptdialekte und eh verstehen sich alle Oshiwambosprechenden untereinander ungefähr so wie die Leute in Babel vor dem Turmbau. Ich verstehe zwar nach zwei Monaten Oshikwanyama-Kurs immer noch ungefähr gar nichts, aber ich komme ja auch nicht aus Babel. Und immerhin erkenne ich inzwischen, ob der Mensch jetzt Oshiwambo spricht oder nicht. Glaube ich zumindest.

Außerdem kann ich mittlerweile Begrüßung und Verabschiedung ziemlich gut (kein Wunder, die Sprachkurslehrerin, die wir in den ersten Wochen hatten, hat mit uns nichts anderes geübt. Ach doch, die Zahlen. Ich kann jetzt auch bis 1000 zählen. Das hilft ungemein im Alltag, ohne Witz. Deshalb haben wir dann einen neuen Lehrer bekommen. Jetzt lernen wir auch Grammatik, wie sinnlos.) und probiere meine Kenntnisse immer mal wieder am Security Man oder Taxifahrer aus. Meistens ernte ich dafür Gelächter und eine Antwort auf Englisch, was bei mir die Frage aufwirft, ob ich möglicherweise doch nicht Oshikwanyama, sondern irgendeine Fantasiesprache lerne (was durchaus sein könnte, wenn man mich fragt), oder ob sie einfach so verdutzt sind, dass sie nicht wissen, wie sie reagieren sollen. Eine richtige Antwort würde ich aber wahrscheinlich sowieso nicht verstehen.

Wenn ich das Ganze objektiv betrachte, lerne ich diese Sprache wohl eher für mich und nicht für den alltäglichen Gebrauch, denn die Menschen, mit denen ich größtenteils zu tun habe, sprechen Deutsch oder Englisch. Somit fehlt auch das “Sprachbad”, in dem ich zum Beispiel in Litauen jeden Tag geschwommen bin und das mir beim Erlernen des Litauischen (eine ebenfalls ziemlich fantastische Sprache übrigens, wer sich sowas ausdenkt!) ungemein geholfen hat. Als studierte Sprachheilpädagogin weiß ich selbstverständlich auch theoretisch, wie wichtig solch ein Pool reinsten Wortwassers für den Spracherwerb ist. Hier schwimme (und dusche und trinke) ich leider nur in Chlorwasser…

Und einfach so jeden mal auf Oshikwanyama ansprechen ist auch keine so gute Idee, eben aufgrund der oben erwähnten ethnischen Vielfalt Namibias. Da kann man ganz schön ins Fettnäpfchen treten, wenn der Mensch vor einem plötzlich Otjiherero spricht und sich gar nicht darüber freut, dass man einen Oshiwambo-Dialekt und nicht seine Sprache lernt. (Ist einer Kollegin tatsächlich passiert, deshalb bin ich da vorsichtig.) Aber ich hab ja noch fünf Monate hier, da bleibt noch viel Zeit, um auch Otjiherero, Nama (nee, das ist raus, die Klicklaute kriegt mein Mundwerkzeug motorisch einfach nicht gebacken.), Afrikaans und wie sie alle heißen (guck Wikipedia) zu lernen. Erstmal erfreue ich mich aber weiterhin an einer Sprache, die Fehler mit einem okadimifo ausradiert, Nachrichten im Otiivi guckt und den ganzen nächsten Monat Apilili sagt. Also dann, nangala po nawa! Gute Nacht!

*Hiermit eröffne ich feierlich den Wettbewerb: “Wer kann die meisten Füllwörter möglichst sinnvoll aneinanderreihen?” Ich finde, ich habe den Maßstab ziemlich hoch gesetzt.

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