Permalink

off

Alltagswunder(liches) aus dem Kindergarten

„Du kommst auf die Welt, um Dir den Kopf zu verdrehn, Du lachst über Hunde, Deine eigenen Zeh’n, Du kannst kaum grade laufen, bleibst alle zwei Meter stehn und fällst auf die Knie, um noch ein Wunder zu sehn. Am nächsten Wunder zieh’n sie Dich vorbei…“

Wir sind Helden, Die Zeit heilt alle Wunder

Genau diese Zeilen erlebe ich tagtäglich im Kindergarten. Da sind so viele kleine Wunder zu bestaunen, die uns großen Leuten grad gar nicht in den Kram passen.

DSC01998

Chongolollo!

Auf dem Weg zum Frühstück hat Finn einen Chongolollo gefunden, der dringend gerettet werden muss. Ja, aber nicht jetzt! Jetzt müssen wir essen! Oder die Blumen blühen gerade so wunderschön, das muss man einfach sehn. Ja, aber nicht jetzt! Die Schuhe müssen angezogen werden! Oder schau! Das Wasser wirft Blasen, wenn es im Waschbecken auftrifft! Toll, aber nicht jetzt! Die Zähne müssen geputzt werden!

DSC03171

Probier mal!

Oder Doro, guuck! Ich habe die Matschkuchen gebacken! (Und sehe jetzt aus, als hätte ich mich in einer riesigen Matschpfütze gewälzt. Was wahrscheinlich den Tatsachen entspricht.) Ok, spiel weiter, die Klamotten dürfen Deine Eltern waschen.

So wandern meine Kollegen und ich jeden Tag über einen schmalen Grat zwischen einerseits Freiheit und Forscherdrangbefriedigung und auf der anderen Seite Heranführung der Kinder an Tagesstrukturen und Regeln. Einerseits ist die Begeisterung der Kinder für die alltäglichsten Dinge unheimlich ansteckend, andererseits töten MICH die bösen Blicke der Küchenfeen, wenn unsere Gruppe mal wieder die letzte am Esstisch ist und sich das Abräumen verzögert, weil Konrad noch dringend ausprobieren muss, wie lange es dauert alle Erbsen einzeln auf die Gabel zu spießen (was im Übrigen eine motorisch nicht zu unterschätzende Leistung darstellt, die damit endet, dass die meisten Erbsen unter dem Tisch und in seinen Haaren enden. Das Gleiche gilt für Reiskörner. Gebt euren Kindern niemals Reis.).

Einerseits ist es so spannend zu beobachten, wie die Kinder ihre Umwelt entdecken und Naturgesetzen auf den Grund gehen, andererseits weiß ich bereits, dass ALLES auf den Boden fällt, wenn man es fallen lässt, aber nicht alles auch den Sturz überlebt und umgeworfene Zahnputzbecher eine sintflutartige Überschwemmung mit weitreichenden Folgen für Kind und Kleidung verursachen können.

Aber dann gibt es eben auch jeden Tag die Momente, die für diese mitunter ziemlich wackelige Wanderpartie in den schmalen Höhen der Pädagogik entschädigen:

Da ist der kleine Schatzsucher, der jeden Tag auf dem Spielplatz in einem Eimer Glitzersteine sammelt. Je größer desto besser. Und jeder Stein wird mit überschäumender Freude über den Fund präsentiert. „Doro!! Guuck! NOCH ein Stein! Soo groß!“ Und wenn er dann nachmittags abgeholt wird, dann ist der Rucksack des Schatzsuchers so vollgepackt mit seinen Schätzen, dass er ihn kaum selbst hochheben kann. Die Eltern können wohl bald ein neues Steinbeet anlegen…

Da ist das Farmkind, wilde abstehende blonde Haare, fast schon Dreadlocks, steht mit Cowboyhut, Lederstiefeln und sandverschmiertem Mund vor mir und will, ganz Lucky Luke, seine grüne Plastikschaufel-Pistole aus der Jeanshosentasche ziehen, schneller als sein Schatten. Blöd, dass die Schaufel feststeckt und erst nach dem fünften Versuch rauskommt. Im nächsten Moment hockt er auf allen Vieren mit der Schaufel im Mund vor mir und schaut mich aus großen braunen Hundeaugen bittend an, damit ich Stöckchen werfe.

Das letzte Einhorn

Einhorn und Freunde auf Chongolollosuche

Geburtstagsfeier von Andrea: Es gibt Partyhütchen! Als es danach nach draußen geht, will Enzo seinen Hut partout nicht absetzen, muss aber auch seinen Sonnenhut tragen. Die Lösung ist schnell gefunden und mit ihr erleben wir die Geburt des letzten Einhorns in Namibia!

 

Oliver erzählt von seiner Oma, die irgendein sehr großes, sehr totes Tier hinten auf ihr Auto geladen hat. (Allein diese Tatsache ist schon bemerkenswert, ganz zu schweigen von der Frage, welches Tier und vor allem, WARUM?) Emma geht der Sache auf den Grund: „Ist es verhungert und vertrunken?“

Im Morgenkreis gehen wir der Frage auf den Grund, wo denn eigentlich unser Körper ist. Liam weiß die Antwort ohne Zögern: „In meiner Tasche! Soll ich den mal holen?“ (Schade, dass wir ihn aufgeklärt haben, bevor er diesen seinen ominösen Körper aus der Tasche hervorzaubern konnte. Ich frage mich immer noch, was es gewesen wäre.)

Und dann die Begeisterung der Kinder für die einfachsten DSC03186Spiele. Neulich sind ungefähr alle eine halbe Stunde lang über den Spielplatz hin und her gerannt. Ich habe nach zwei Rennen aufgegeben die Rolle des Schiedsrichters übernommen. Ist ja nicht so, dass wir die Kleinen nicht sinnvoll beschäftigen könnten, ne!

 

Die Zeit heilt viele Wunder, je älter wir werden und in das Erwachsenenleben mit Uhren, Terminen und Sauberkeitsfimmeln hineinwachsen. Deshalb, wenn einen ein Kind an die Hand nimmt und die Matschpfütze zieht, nicht an die nächste Wäsche denken, sondern einfach mal dieses herrliche Gefühl des hervorquellenden, feuchten Matsches zwischen den Zehen genießen. Und Wäsche waschen dann am Wochenende.

Kommentare sind geschlossen.

Zur Werkzeugleiste springen