Herbstgedanken

Königlich zogst du ins Land,
machtest deinem Namen alle Ehre,
färbtest Blätter und ganze Himmelsmeere,
verdecktest Straßen unter deinem goldenen Gewand.

Im Blätterregen zog ich durch die Stadt,

ließ meinen Gedanken ihren Raum,

einzig für sie und im Vertrauen,

dass jeder einzelne seinen Platz gefunden hat.

 

Jeden Tag ein neues Bild der Welt,

das sich vor meinen Augen offenbart,

in seinen Umrissen ganz fein und zart,

es war nie zuvor so klar und erhellt.

 

Die Zeit, sie rennt,

sie steht nie still,

sie ist eigenwillig,

tut, was sie will.

 

Goldne Zeit, wo eilst du hin?

Siehst du im Bleiben keinen Sinn?

 

Hast mich treu begleitet und mein Herz gewonnen,

so intensiv hab ich dich vernommen.

 

Oh Herbst verweile doch, du bist so schön!

 

Ein vielleicht ungewöhnlicher Anfang eines Blogeintrags, doch der Herbst und die vergangenen Tage verleiteten mich einfach zur Poesie! Wenn auch sehr amateurhaft, wollte ich meine Eindrücke der letzten Zeit in einigen lyrischen Zeilen ausdrücken. Der Alltag ist seit einigen Wochen eingekehrt und das Schulleben hat mich fest im Griff. Das Arbeiten mit den Schülern und Schülerinnen unterschiedlicher Altersstufen (von 14-18 Jahren) macht mir nicht nur sehr viel Spaß, es ist auch jeden Tag aufs Neue eine spannende Herausforderung! Von Sprachspielen zum Thema „Körperteile und Krankheiten“ oder zur Grammatik der Personalpronomen über Fischer’s Fritz Zungenbrecherübungen bis hin zu Diskussionsrunden über den demografischen Wandel in Deutschland und dessen Einfluss auf die Karrierechancen von Jugendlichen ist alles dabei! Ein sehr breites Spektrum, was die Wochen hier nie langweilig werden lässt! An dieser Stelle passt vielleicht eine kurze Exkursion ins polnische Schulsystem. Dies unterscheidet sich nämlich in einigen Punkten vom deutschen: Die polnischen Kinder besuchen nach der Vorschule die Grundschule, die im Gegensatz zu Deutschland nicht vier, sondern sechs Jahre dauert. Nach der Grundschule folgt dann für alle Schüler der Wechsel ins Gymnasium. Anders als in Deutschland wird in Polen der weitere Bildungsweg eines Kindes also nicht bereits nach der Grundschule festgelegt, sondern erst nach der 3-jährigen Gymnasialzeit, wenn die Jugendlichen zwischen 14 und 15 Jahren alt sind. Dann können sie ein Lyzeum besuchen, was der deutschen Oberstufe entspricht und dort ihr Abitur (Matura) machen, was sie zu einem Studium an der Universität berechtigt. Weitere Optionen sind die technische Oberschule, die ebenfalls mit dem Abitur abgeschlossen wird, oder die zweijährige Berufsschule, nach deren Abschluss der Einstieg in die Arbeitswelt folgt.

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Eine meiner Schulen: Das zweite Lyzeum in Olsztyn (Gymnasium und Lyzeum)

Eine meiner Einsatzschulen ist ein Schulkomplex aus Gymnasium und Lyzeum, so können die Schüler also, sofern sie das möchten, nach der Gymnasialzeit weiterhin auf dieser Schule bleiben und müssen nicht in ein anderes Lyzeum wechseln.

In Polen werden Schulereignisse immer sehr festlich gefeiert, zumindest ist das mein bisheriger Eindruck. Vor zwei Wochen war die Sporthalle in eine bunte Kulisse verschiedenster Kontinente verwandelt worden und nicht mehr wiederzuerkennen! Die „neuen“ Schüler des Lyzeums wurden von den älteren Schülern feierlich willkommen geheißen und durch diverse Spiele, Sing- und Tanzauftritte in die Schulgemeinschaft aufgenommen. Eine Art „erster Schultag“ für die Oberstufenschüler also, eine sehr schöne Tradition wie ich finde! Wirklich schade, dass es das in Deutschland nicht in diesem Stil gibt!

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Ein weiterer Festakt war der „Lehrertag“ letzte Woche, ein gesetzlicher Feiertag in ganz Polen, der zu Ehren aller Personen, die im Bereich Bildung (an Schulen) tätig sind, begangen wurde. Die Schüler (sehr schick gekleidet) überreichten ihren Lehrern kleine Aufmerksamkeiten wie Pralinen oder Rosen und bedankten sich somit für ihr Engagement. Lehrer, die schon seit zehn, zwanzig, oder sogar vierzig Jahren an der Schule tätig sind, wurden vom Schulleiter geehrt, der Chor der Schule zauberte durch die kraftvollen Gesangseinlagen jedem einzelnen Zuhörer ein Lächeln auf die Lippen und die begabten Hände eines Schülers brachten nicht nur das Klavier, sondern den ganzen Saal zum Schwingen. Nach den formellen Festlichkeiten erwarteten uns dann ein reichlich gedeckter Büffettisch mit Tortenstücken, Gebäck, Obst und Kaffee und das Schultheater, welches mit seiner überzeugenden Vorstellung den Festtag zu einem gelungenen Abschluss führte.

Meine Arbeit in der Schule macht mir wirklich sehr viel Spaß und vor allem kann ich immer wieder kleine Erfolgserlebnisse, was mein Polnisch angeht, feststellen. Das Survival-Polish-Level habe ich offiziell erreicht und ich besuche weiterhin zweimal wöchentlich den Sprachkurs an der Uni.

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Fließend sprechen kann ich zwar noch lange nicht, aber ich verstehe immer wieder einzelne polnische Wörter im Unterricht und kann mir somit oft den Kontext erschließen. So profitiere ich sehr viel vom Unterricht in der Schule, ich bin Schülerin, wie auch „meine Schüler“.

Mein tägliches Abendprogramm der letzten Woche hieß: Kino, Kino und nochmals Kino! Nicht, weil es eine besondere Rabattaktion gab oder weil das Popcorn so gut schmeckt, sondern weil der Verband der deutschen Minderheit in Ermland und Masuren die deutsche Kinowoche (Tydzien Kina Niemieckiego) hier in Olsztyn organisierte.

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Definitiv mein Highlight der Woche! Gezeigt wurden „Oh Boy“, „Die Welle“ , „Das weiße Band“, „Wer, wenn nicht wir“ , „Gegen die Wand“ „Russendisko“ und zu guter Letzt „Drei“. Diese Filme standen unter dem Motto „aus-“ beziehungsweise „eingeschlossen“. Sie alle behandelten das Thema des Andersseins, der Ausgrenzung von bestimmten sozialen Gruppen in der Gesellschaft und das Finden des eigenen Sinns im Leben. Sie gaben einen tiefen Einblick in die deutsche Geschichte anhand verschiedener Protagonisten. Angefangen bei den rigiden Erziehungsmethoden in Michael Hanekes fiktivem ostdeutschen Dorf zur Zeit des kurz bevorstehenden Ersten Weltkrieges, der eine mögliche Antwort darauf gibt, wie Menschen zu Nationalsozialisten werden konnten, über den Terror der RAF als eine radikale Art des Ausdrucks nach Veränderung bis hin zur heutigen Frage, ob eine Diktatur nach allem, was bisher schon passiert ist, noch möglich wäre.

Die Filme brachten Antworten, aber sie warfen noch viel mehr Fragen auf, mit denen man sich in einer regen Diskussionsrunde nach dem Film auseinandersetzen konnte.

Alle Filme haben mich auf ihre ganz eigene Art und Weise berührt und nachdenklich gemacht und ich kann sie wirklich wärmstens weiterempfehlen, für einen Filmabend der besonderen Art!

Als ich hier in Olsztyn ankam, wurde ich vom Spätsommer liebevoll begrüßt und nun ist der Herbst bereits in seinen letzten Zügen. Mir wurde gesagt, dass der Herbst die wohl schönste Jahreszeit hier in der Region sei. Bisher kann ich dem nur zustimmen, es war ein wirklich toller Herbst und noch nie habe ich die Buntheit dieser Jahreszeit so intensiv wahrgenommen wie hier! Doch ich sollte mit meinem Urteil noch warten, denn mir steht der Winter erst noch bevor und ich bin sicher, auch er kann mit seinem charakteristischen Charme überzeugen.

Seit gestern bin ich nun schon zwei Monate unterwegs. Unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht! Wo sind sie nur hin, all die Stunden, Minuten, Sekunden? Der Herbst ist meines Erachtens die Jahreszeit, welche den Lauf der Zeit am stärksten und offensichtlichsten verdeutlicht. Was ist das – „Zeit“? Ein begrenzender Faktor, den wir unserem Leben selbst auferlegt haben? Ein Gesetz der Natur? Eine ständig sich wiederholende Abfolge von Beginn – Dauer – Ende? Letztlich kommt es doch nur darauf an, wie wir selbst mit der Zeit umgehen. Ich habe mir jedenfalls fest vorgenommen, jeden kleinsten Moment so intensiv wie möglich wahrzunehmen. Ob es mir gelingt, weiß ich nicht, aber ich bemühe mich! Und mit dem Herbst habe ich begonnen!

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Deshalb wandere ich weiter unter buntem Blätterregen durch die Straßen, um den Herbst in seiner ganzen Schönheit dankbar zu verabschieden, bis der Goldregen letztlich im Wandel der Natur durch Schnee ersetzt wird!

Liebe Grüße in alle Welt! Bis bald!

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2 Gedanken zu „Herbstgedanken

  1. Hallo Franziska!
    Vielen Dank für Deinen feinen Kommentar zur Kinowoche! Wir freuen uns sehr, dass sie Dir so gut gefallen hat! Und ein Kompliment für die schönen Herbstbilder! Der Herbst scheint wirklich eine sehr schöne Jahreszeit hier zu sein. Dr. Faust scheint ihn nicht gekannt zu haben, sonst hätte er sich nicht auf die Suche nach dem verweilenden Augenblick machen müssen… Der Sommer ist hier aber auch sehr fein, heiß, mit Baden in den Seen… Wer Schnee mag, wird den Winter mögen… Und vergiss die Weinlese in der Pfalz nicht, wenn Du über die Qualität des Herbstes nachdenkst…
    Dir noch viel Spass in Olsztyn und bis demnächst,
    Ralf und Joanna Black

    • Lieber Ralf, liebe Joanna!
      Schön, dass ihr meinen Blog gefunden habt! Herzlichen Dank zurück, für das unterhaltsame und wirklich gelungene Programm eurer Kinowoche!
      Ich glaube gern, dass auch der Sommer hier in Olsztyn nicht zu unterschätzen ist, doch leider bin ich ja nur bis Februar hier, aber ich werde mit Sicherheit wiederkommen! Natürlich vergesse ich den Pfälzer Herbst in meiner Beurteilung nicht! Ich muss zugeben, dass ich ihn tatsächlich ein wenig vermisst habe! Da dieser allerdings für mich als Winzertochter auch immer mit einer sehr arbeitsreichen Zeit verbunden ist, ist der eher geruhsame Herbst hier in Allenstein eine ganz neue Erfahrung für mich! Nun freue ich mich auch auf den Winter! Vielen lieben Dank und bis hoffentlich bald, Franziska! 🙂

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