Allerlei aus Polen…

 

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Czesc, hej und dzien dobry! Endlich schaffe ich es, wieder mal was von mir hören zu lassen! Seit einer Woche hat sich mein polnisches Vokabular um einige Worte und nützliche Phrasen erweitert. Ich mache hier an der Universität in Olsztyn einen Polnisch-Sprachkurs zusammen mit einer bunten Truppe aus Erasmus-Studenten. Und das Wichtigste kann ich nun schon in der Sprache meines Gastlandes sagen: „Nie mowie po polsku!“ Ihr ahnt sicherlich, was das heißt, genau: „Ich spreche kein Polnisch!“ . Naja, zumindest noch nicht! Ich hoffe, dass ich in ein paar Monaten wenigstens ein paar polnische Sätze in der Konversation anwenden kann. Polnisch gehört zu den slawischen Sprachen und unterscheidet sich deshalb in der Struktur merklich von den romanischen Sprachen, so sind die Worte für mich noch nicht so eingängig und einfach zu lernen und die Klänge, die ich unterwegs von Gesprächen aufschnappe, füllen meine Ohren mit einem eintönigen Rauschen: Zschchchchschcshchzsch……(So könnt ihr es euch vorstellen). In der Aussprache kommt es vor allem auch auf die Zusammensetzung der einzelnen Konsonanten an. So wird „cz“ wie „dsch“ und „sz“ wie „sch“ ausgesprochen und zudem gibt es noch Buchstaben mit Akzent, die das Ganze noch interessanter gestalten! Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht! 😀 Das Alphabet besteht aus 32 Buchstaben und hier seht ihr es in seiner vollen Länge (die Buchstabenzusammensetzungen natürlich ausgenommen;)).

A, Ą, B, C, Ć, D, E, Ę, F, G, H, I, J, K, L, Ł, M, N, Ń, O, Ó, P, R, S, Ś, T, U, W, Y, Z, Ź, Ż.

Aber ich will mich nicht beschweren, es macht nämlich wirklich sehr viel Spaß, sich mit der Sprache zu beschäftigen und dann auch erste Erfolgserlebnisse zu erzielen! So kann ich nun meinen Zimmerschlüssel schon mit einem ganzen Satz an der Rezeption erfragen und muss nicht darauf hoffen, dass mich die Damen im Studentenwohnheim wiedererkennen. 😀 : Proszę klucz, pokój numer dwieście cztery. (Ihr könnt euch ja mal an der Aussprache dieses Satzes probieren!) Und jedes Mal, wenn ich mich bemühe, polnisch zu sprechen, bekomme ich ein aufrichtiges Lächeln zurück, das ist die schönste Belohnung überhaupt!

Im Sprachkurs haben wir auch einige Einblicke in die Geschichte und politische Situation Polens bekommen und wurden über Bräuche und Traditionen informiert. Die Polen seien oft sehr pessimistisch eingestellt und immer bemüht, Unglück zu vermeiden und besser noch, natürlich Glück zu erhalten! So ist wie in Deutschland auch hier der Aberglaube verbreitet, dass eine schwarze Katze, die einem über den Weg läuft, Unglück bringt! Ich kann nur sagen, vor zwei Tagen war ich abends auf dem Weg nach Hause und eine schwarze Katze kreuzte meinen Weg. Bisher ist mir noch kein Unglück widerfahren, aber der Polnisch-Abschluss-Test ist erst am Donnerstag, also abwarten! 😀 Ein etwas erfreulicherer Brauch speziell hier in Olsztyn ist, dass man mit dem großen Glück gesegnet wird, wenn man die Nase von Nikolai Kopernikus berührt! Ein schöner Gedanke, aber ihr könnt euch sicherlich vorstellen, wie die Nase von Nikolai Kopernikus wohl aussehen muss, ob sie überhaupt noch als Nase erkennbar ist?!? 😀

Sehr glücklich war ich jedenfalls, und das ganz ohne Kopernikus‘ Zutun, als ich das Wochenende zusammen mit den Erasmus-Studenten verbracht habe. Am Samstag machten wir einen Ausflug nach Grunwald, südlich von Olsztyn. Grunwald ging vor ungefähr 600 Jahren (genauer im Jahr 1410) in die Weltgeschichte ein, als sich das Heer des Deutschen Ordens und das zahlenmäßig überlegene polnisch-litauische Heer auf dem Schlachtfeld gegenüberstanden, um die wohl größte mittelalterliche Ritterordensschlacht auszufechten.

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Das Schlachtfeld von Grunwald

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Ausgang der Schlacht, ihr wisst oder ahnt es vielleicht, war die Niederlage des deutschen Ritterordens, dessen Intention es gewesen war, die in ihren Augen „barbarischen Staaten“ zu christianisieren. Diese Niederlage bzw. der Sieg der polnisch-litauischen Personalunion bedeuteten das Ende der katholischen ordensritterlichen Macht im protestantischen Preußen. Beeindruckend sind allerdings der Mythos und der Einfluss der Schlacht in der modernen Geschichtsschreibung. So ist die Schlacht von Grunwald in Deutschland besser bekannt als „Schlacht von Tannenberg“, ein Pendant des 20. Jahrhunderts zum mittelalterlichen Gefecht. Die „Schlacht von Tannenberg“ ereignete sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs (1914) nicht unweit von Olsztyn, als deutsche Truppen die nach Ostpreußen eindringende russische Armee zerschlugen. Der damalige Oberbefehlshaber Hindenburg propagierte den Sieg der deutschen Soldaten als „Revancheschlacht“ und erfreute sich damit großer Beliebtheit im Volk. In Polen hingegen, das seit dem 18. Jahrhundert unter mehreren Teilungen durch Russland, Preußen und Österreich litt und als eigenständiger Staat bis zu seiner Unabhängigkeit im Jahr 1918 von der Landkarte verschwand, war die Schlacht von Grunwald von großer nationaler Bedeutung. So wurde auch hier die Schlacht zum Instrument des Patriotismus und letztlich zum Nationalmythos erkoren. Zum Mythos eines Volkes, dass sich nach Eigenständigkeit und vor allem nach einer eigenen Identität in klaren territorialen Grenzen sehnt, wie es einst auch das deutsche Volk im 19. Jahrhundert tat! Ihr seht, letztlich sind es dieselben Wünsche und Sehnsüchte, die wir als Völker teilen! Im Zweiten Weltkrieg wurden die meisten Denkmäler in Polen, die den polnischen Sieg über den deutschen Orden bei Grunwald darstellten, von den Nationalsozialisten zerstört, so auch das Denkmal von Krakau, dessen Überreste ihr auf dem folgenden Foto sehen könnt. Man hat die Steine des gesprengten Denkmals nach Grunwald gebracht und dort in der Nähe des Schlachtfeldes neu errichtet. Dieses Denkmal schien mir der perfekte Gegenstand für meinen Beitrag zum immateriellen Kulturerbe (Projekt: Rosas danst Rosas). Es erzählt zum einen die tragische Geschichte der deutsch-polnischen Beziehung im 20. Jahrhundert, zum anderen steht es für das glückliche Ende, das die Historie letztlich fand. Das Denkmal ist nun am ursprünglichen Platz des Geschehens, an dem Ort, an dem alles begann und von dem aus alle Interpretationen ihren Lauf nahmen!

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Am Mittag fuhren wir weiter nach Olsztynek, ein kleines Dorf, welches eines der größten Freilichtmuseen Polens beherbergt. Zu sehen sind dort Nachbildungen von typischen Wohnhäusern, so wie sie im 18. und 19. Jahrhundert in Ostpreußen standen. Darunter sind einfache, sehr gemütliche Wohnhäuser, in denen sich das Leben zu jener Zeit erahnen lässt, des Weiteren schmücken Wasser- und Windmühlen die endlose Landschaft. Olsztynek hat ein ganz besonderes Flair, es ist ein lebendiger Ort, an dem sowohl Schafe als auch Hennen im freien Lauf zu Hause sind und an dem in der warmen Jahreszeit immer ein buntes Treiben herrscht. So erhält das Dorf seine Ursprünglichkeit zum einen durch Folklore-Gesangskünstler, die in typischer Tracht ihre Seele sprechen lassen und zum anderen durch kleine Stände entlang der Promenade, die unzählige Spezialitäten und Kostbarkeiten der Region anbieten.

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Mich hat es nicht nur ins 18. Jahrhundert zurückversetzt, sondern noch ein ganzes Stück weiter ins alte Rom zu Zeiten des Stoikers Seneca. Wär hätte das gedacht? Seneca auf ehemals preußischem Gebiet!

„Jeśli kochasz nic nie może cię powstrzymać.“

„Wenn du liebst, kann dich nichts aufhalten.“

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Ein sehr schöner und wahrer Spruch, wie ich finde! Und nun ist er auch eine tolle Erinnerung an den Tag in Olsztynek!

Ein Highlight und der krönende Abschluss des gemeinsamen Wochenendes war unser internationales Dinner! Jeder kochte ein für sein Land typisches Gericht, so hatten wir einen bunten und reichlich gedeckten Tisch an türkischen, italienischen, spanischen, französischen, deutschen und natürlich polnischen Speisen. Das Angebot reichte von Mercimek Köftesi, Quiche Lorraine, Foie Gras de Canard über Penne alla Pesto Genovese bis zu typischen polnischen Pierogi! Ihr fragt euch sicherlich, was ich denn typisch deutsches gekocht habe!?! Nein, kein Sauerkraut, keine Bratwurst und kein Kartoffelsalat! Diese Klischees wollte ich auf keinen Fall bestätigen! Da ich erst ziemlich kurzfristig von dem Dinner erfahren habe und da meine Studentenküche nicht so viel hergibt, habe ich mich für eine Dessertvariante entschieden, nämlich: Rote Grütze mit Vanillecrème und Blaubeeren. Glücklicherweise kam mein Mitbringsel sehr gut an, sowie die typisch deutschen Haribo-Goldbären, denn diese machen ja bekanntlich nicht nur Kinder froh, sondern Erwachsene ebenso! 😀 Tja, wie könnte ich diesen Abend am besten beschreiben? Es war einfach nur lezzetli, gustoso, sabroso, délicieux, smaczny, LECKER!

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So, ich denke, jetzt habe ich eure Zeit genug in Anspruch genommen! Entschuldigt diesen wirklich sehr langen Artikel, aber mir schien so Vieles erwähnenswert und ich wollte meine Erlebnisse und Gedanken gerne mit euch teilen! Ich hoffe, ihr seid beim Lesen nicht müde geworden und habt noch Lust, euch meine Bilder anzuschauen! Die letzten Sommerabende waren wirklich toll und ich konnte sehr viele wunderschön eingefärbte Himmel und unglaubliche Sonnenuntergänge in Schnappschüssen festhalten!

Macht‘s gut und bis bald! Dzienkuje bardzo fürs Lesen! 🙂IMG_0387IMG_0394

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Fleißig am Polnisch-Vokabeln lernen! :)

Fleißig am Polnisch-Vokabeln lernen! 🙂

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